Machtlosigkeit

#1
Bin in meiner Studienstadt, 500km von zuhause weg.
Tagsüber an der Uni ist alles gut. Da habe ich nette Leute um mich rum, lache viel und mein Studium interessiert mich sehr.
Und dann komme ich abends in meine Wohnung. Schon beim Verlassen der Uni geht es mir schlecht. Weil ich genau weiß, dass es wie immer sein wird. Ich wusste lange nicht was es war. Was mich so bedrückt jeden Abend. Jedes Mal denke ich: "Mach es einen Abend lang nicht."
Und dann kaufe ich nichts ein, weil ich eigentlich keinen Hunger habe. Und je später es wird und je größer das Unbehagen, desto größer wird der Druck zu essen.
Ich dachte immer, dass ich schuldig bin, dass ich mich nicht unter Kontrolle habe und sinnlos fresse. Dinge, die mir nichtmals schmecken.
Aber ich weiß jetzt ganz genau was es ist.
Einsamkeit, Langeweile und keine Lösung dagegen.
Ich kann absolut nichts gegen diese Einsamkeit tun, denn in dieser Stadt habe ich niemanden, absolut NIEMANDEN, der mir dieses Gefühl von Geborgenheit geben kann, was ich daheim im Überfluss bekomme.
Ich sehne mich von ganzem Herzen nach dieser Liebe.
Von meinem Freund, meiner besten, allerbesten Freundin, meinen Schwestern, meinen Eltern, meiner vertrauten Umgebung.
ICH KANN NICHTS TUN, ALS ES ZU ERTRAGEN.
Aber ich kann es nicht ertragen.
Und meine Droge ist Essen.
Weil Essen Geborgenheit ist - nein vortäuscht.

Ich kann nichts tun.
Ablenken vllt. kurzzeitig.
Aber diese tiefe innere Traurigkeit kann mir niemand nehmen.
Ich werde verrückt!
Ich weiß mir sonst immer zu helfen.
Aber mit diesem Problem nicht.
Ich bin machtlos.
Und das Gefühl von Machtlosigkeit öffnet der Bulimie die Tür.
Zuletzt geändert von Nachtigall am Do Sep 06, 2012 21:45, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Machtlosigkeit

#2
Hallo Nachtigall,

in dem was du schilderst erkenne ich viel von mir.
Einsamkeit ist auch das, was bei mir die Bulimie noch bei mir behält. Ich bin vor 4 Jahren mit meinem (jetzigen Ex-) Freund in eine andere Stadt gezogen, Hals über Kopf, ohne mich von irgendeinen zu verabschieden. Ich wollte fliehen, in ein neues Leben, in der Hoffnung dass dann alles anders wird. Ich habe 4 Jahre lang "sein Leben" mitgelebt und habe hier keine Wurzeln finden können und mir nichts aufgebaut.

Jetzt bin ich seit fast einem3/4 Jahr getrennt. Sobald mich meine Arbeit "frei" lässt, zerfällt mein Kartenhaus und ich falle in mich zusammen, bis nur noch die Bulimie mich auffängt. Manchmal schaffe ich es aber mir geht die Kraft aus.
Ich lebe in einer großen Stadt, mit tausenden von Menschen, und fühle mich unendlich alleine.

In einer Woche hört auch noch mein Vertrag auf, wird nicht verlängert und ich bin arbeitslos.
Ich weiß nicht was ich machen soll. Dann fällt wohl alles in sich zusammen bei mir. Einen Therapieplatz bekommt man ja auch frühestens nach 3 Monaten, wenn man Glück hat.

Leider kann ich nur "mitfühlen" aber dir keine Lösung anbieten. Tut mir leid.

Re: Machtlosigkeit

#3
Das klingt ja echt schrecklich:-(
Wovor bist du geflohen?
Wie verbringst du deine Wochenenden? Ist es da noch schlimmer?
Wie war es, als du noch mit deinem Freund zusammen warst? Hattest du da auch schon Bulimie?
Käme zurück nach Hause gehen nicht für dich in Frage?
Hast du keine Familie?

Entschuldige die ganzen Fragen...bin nur neugierig.
Lg Nachtigall
Zuletzt geändert von Nachtigall am Sa Sep 08, 2012 18:36, insgesamt 5-mal geändert.

Re: Machtlosigkeit

#4
hey... ich kenne es in einen neuen ort zuziehen... und da ansich niemanden zu kennen.
aber du kannst was tuen. denk ich zumindest...
an deiner uni sind doch schonmal leute die das gleiche studieren wie du... die kannst du kennenlernen...
auch abseits der uni.... geht es leute kennen zu lernen... wenn man gerne weggeht kann man da leute kennen lernen...
ansonsten bieten sich auch kurse an... egal zu welchen thema es ist... ob es kunst ist die man macht... oder sport... oder musik.... da gibt es für gewöhnlich genug angebote...es gibt auch offene ateliers die dann eben nicht so viel kosten wie ein kurs...
es gibt auch stammtische zu denen man hingehen kann.. die eben ein bestimmtes thema haben worüber man sich dann unterhalten kann...soweit ich weis gibt es auch spiele-stammtische... wo man eben einfach zusammen in eine spiele kneipe spielt und so.....
oder selbsthilfegruppe wäre auch noch eine idee... (da ist auch gleich tiefe der gespräche gegeben .. dass man sich auch wirklich über seine probleme unterhalten kann....)
frauenberatungszentren wäre auch noch eine idee.. die haben auch oft ein größeres angebot ...abseits der beratung....
klar dauert es dann immer noch bis man wirklich jemanden gefunden hat der passt... aber so trifft man schonmal leute mit denen man dann mehr zu tun haben könnte.. wo sich freundschaften entwickeln könnten.
ich bin gut so wie ich bin. egal was andere sagen oder denken. ich bin richtig!

1 1/2 jahre clean! (5.10.14)

Re: Machtlosigkeit

#5
Hallo,

ich habe sehr liebe Eltern (getrennt aber beide neu verheiratet) die Wohnen 200km weg. Ich will mich ihnen nicht anvertrauen, weil ich nun schon seit 10 Jahren diese Krankheit habe und ich ihnen, seit ich vor 4 Jahren weggezogen bin, erzähle, dass es immer besser wird. Zwischenzeitlich war das auch so, ich war 6 oder 7 Monate frei von Rückfällen. Aber seit ich auf mich alleine zurückgeschmissen bin, habe ich nur noch wenig Halt. Klar, es gibt ja auch nichts, was "ich" bin, worauf ich zurückfallen könnte. Ich muss mich erst mal finden.
Ich rede nächste Woche noch mal mit meinen Vorgesetzten, ob ich noch bis Ende des Jahres bleiben kann. Dann habe ich vor zu studieren, würde dafür auch wieder umziehen, und hoffe dadurch, dass ich dann in ein Umfeld komme, wo ich mehr Leute kennen lernen kann. Sowie Minka es beschrieben hat.

Die Angst vor Einsamkeit und davor Verlassen zu werden ist bei mir einfach schon immer da gewesen und das ist eine sehr alte Wunde, die, wenn es mir nicht gut geht komplett die Kontrolle über mich übernimmt. Nur noch die Bulimie kann mich ablenken und hält mich über Wasser.
Ich habe aber auch Jemanden kennen gelernt, ein Arbeitskollege, in den ich mich unglaublich verliebt habe. Wir verbringen viel Zeit miteinander und immer wenn wir zusammen sind, könnte ich nciht glücklicher sein. Aber immer, wenn er nicht da ist, passiert das, was ich beschrieben habe. Ich habe ihm gesagt, dass es sein muss, dass ich auch alleine sein muss. Es darf nicht sein, das mein Wohlergehen davon abhängig ist, ob er da ist oder nicht. Und es kann nicht sein, dass ich in mich zusammenfalle, sobald ich auf mich alleine gestellt bin. Ich will nie Hilfe annehmen und versuche immer, alleine alles zu schaffen.
Ich kann aber nicht mehr, und es bringt einfach nichts. Ich habe mich bei einem Zentrum gemeldet, die Verhaltenstherapie anbieten und, da die sehr viel Therapeuten dort haben, ist es wahrscheinlilch dass ich doch nicht so lange warten muss. Ich steigere mich lieder immer viel zu sehr rein in diese Angst und bin ihr völlig unbewaffnet ausgeliefert. Ich muss Strategien erlernen, dass ich mich auffangen kann. Das ist ein Ziel, das muss ich schaffen. Denn sonst hat alles keinen Sinn und ich werde nie wieder "frei" sein, wie es einmal vor langer Zeit vor meinen Esstörungen war.
Zuletzt geändert von Apfelbaum am So Sep 09, 2012 14:30, insgesamt 1-mal geändert.
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