Es geht um meine Gefühle zu Männern. Meine gefühlte Abhängigkeit von ihnen bei gleichzeitiger starker Angst der Ablehnung, sowie mein intensiver Wunsch der vollständigen Verschmelzung mit ihnen bei gleichzeitiger Angst um Ich-Verlust. Diese zwei Paradoxe habe ich in dieser Woche so intensiv gespürt und analysiert wie noch nie.
Ich beginne: Bedingt durch meine Kindheitsprägung empfinde ich mich nicht wert dauerhaft und bedingungslos geliebt zu werden, ich bin es gewohnt sehr unregelmäßig und teilweise situationsabhängig Liebe zu erfahren. Ich bin es auch gewohnt stark abgelehnt zu werden und dann wieder Annäherung zu erfahren. Die Liebe meiner Eltern war also stets sehr ambivalent und ich musste jederzeit auf eine Ablehnung gefasst sein und wünschte mir gleichzeitig doch nur sehnsüchtigst ihre Nähe. Aus diesem Grundkonflikt heraus konnte ich nur sehr schwer eine stabile eigene Persönlichkeit aufbauen, da ich kein richtiges Ur-Vertrauen entwickelte, stets Angst vor Ablehnung hatte und der Welt grundsätzlich misstrauisch gegenüber stand. Vor allem aber lehnte ich sehr schnell mich selbst ab, um das Verhalten meiner geliebten Eltern zu rechtfertigen und zu verstehen. Natürlich war ich auch sehr oft wütend auf sie und realisierte die Irrationalität ihrer Vorwürfe und Taten, aber EMOTIONAL schien es für mich selbstverständlich abgelehnt zu werden und dieses Gefühl wurde so fürchterlich vertraut. (Deswegen musste ich Montag auch so fürchterlich weinen als ich mal wieder feststelllte wie wenig Bezug ich immer noch zu mir als Person habe, zu meinem Körper, meinen Gedanken – nicht im Sinne von wertend, sondern es fühlt sich einfach fremd an. Sobald das Gefühl der Scham, Ablehnung und Angst eintritt, habe ich das Gefühl ICH zu sein

Auf meine Beziehung (im Sinne von allgemeiner Beziehung, die man zu jedem Menschen hat) zu Männern übertrug ich dieses Denk- und Emotionsmuster. Männer, die ich begehrte, waren für mich gottgleich (wie meine Eltern) und wenn sie mir ein Zeichen der Annäherung gaben, konnte ich mein Glück kaum fassen und wartete danach aber auf die Ablehnung. Statt es für verständlich zu halten, dass sich jemand in mich verguckt, war ich dankbar und erleichtert doch nicht gänzlich inakzeptabel zu sein. Ab dem Punkt konnte ich auch selber gar nicht mehr klar denken, ob meine erste Verliebtheit sich ausbreiten könnte, sondern ich wollte einfach nur die Chance realisieren ANGENOMMEN zu werden. Gleichzeitig konnte ich mir selber aber nur wenig positives abgewinnen und idealisierte uneingeschränkt das Objekt meiner Wahl. Um mein eigenes Ich aufzuwerten, entstand so der Wunsch der Verschmelzung mit dem Mann, da dieser schließlich wertvoll war und ich schlecht. In meiner letzten Beziehung sah es dann so aus, dass ich ständig Sex wollte (allein aus dem Wunsch der Verschmelzung), jeden Moment in seinen Armen liegen wollte und nervös wurde wenn ich nicht zumindest auf seinem Schoß saß. Es ist mir peinlich dies aufzuschreiben, aber euch kann ich ja alles sagen..

Nun zu U: Beim ersten Mal waren die intensiven Momente der Zärtlichkeit mit ihm einfach nur schön und ich genoss es unheimlich in seinen starken Armen zu liegen.. noch jetzt wenn ich an dieses „Beschützt-Werden“ denke, bin ich traurig über meine leider wahren Erkenntnisse, die ich euch nun mitteilen werde. Schon beim zweiten Mal fühlte ich mich eher unwohl und nervös bei ihm. Ich spürte vermutlich unterbewusst, dass es nicht das Richtige für mich war und die Nähe mit ihm nur ein sehr kurzfristiger Genuss bleiben würde. Am nächsten Tag habe ich dann darüber nachgedacht was er gesagt hatte und mich an die Situation zurückerinnert. Ich stellte fest, dass ich keine große Begeisterung am Gespräch mit ihm hatte wie es sonst bei mir der Fall ist, wenn ich jemanden wirklich toll finde und ich erinnerte mich daran, dass ich einfach nur von ihm gehalten und geküsst werden wollte. Ich dachte weiter darüber nach was ich empfinde, wenn ich ihn sehe, schmetterlingsmäßige Begeisterung feststellen wie es z.B. bei Mr.X damals der Fall war. Daraus schloss ich, dass ich nicht in U verliebt bin, sondern dass es einfach nur die Nähe und Zärtlichkeit war, die mir so gut tat. Es geht mir nicht darum, dass er es ist, der mich hält, streichelt, sondern darum, dass es überhaupt jemanden gibt, den ich halbwegs attraktiv und anziehend finde, der mir diese Nähe gibt. Nun warum brauche ich diese Nähe und starke Bestätigung? Weil die Traumata einfach immer noch sehr sehr weh tun. Doch mit einer nicht zukunftsaussichtigen Beziehung kann ich diese weder rückgängig machen, noch heilen. Das hat mir meine letzte Beziehung, die mich psychisch sehr zurückgeworfen hat schon gezeigt. Denn da war es das gleiche Muster: Ich habe mich nicht vorher gefragt, ob ich ihn auch toll finde sondern war viel zu berauscht davon, dass er mit mir zusammen sein will. Dass er drogenabhängig war, wir keine gemeinsamen Gesprächsthemen, geschweige denn Hobbies hatten, war für mich in dem Moment absolut zweitrangig. Es zählte nur der Wunsch bzw der Versuch das Kindheitsdefizit an Liebe zu füllen. Doch mit dem Versuch es zu füllen, spürte ich die Verletzung, Selbstunsicherheit und die Gefühle des Abgelehntseins nur noch deutlicher. Ich denke es ist sehr gefährlich wenn ich das mit U nun weiterlaufen lasse. Sicherlich tut jedem Menschen Nähe gut, aber da ich um meine „alten“ Verhaltens-, Emotions- und Denkmuster bescheid weiß, könnte mich das sehr zurückwerfen. Mir ist einfach klar geworden, dass es in meinem Kopf ein Gefühl bzw einen Wunsch nach Nähe gibt, der dem der Verliebtheit sehr ähnelt, aber nicht mit ihr zu verwechseln ist. Mit der Nähe zu U, die nicht verliebtheitsbedingt ist versuche ich bloß ein Defizit zu füllen, dass nicht mehr existent ist! 1. Weil ich kein Kind mehr bin und 2.Weil ich viel weiter bin als vor einem Jahr in der Beziehung mit meinem Ex.Ich kann sagen, dass ich mein Leben okay finde und das Gefühl habe es im Griff zu haben. Ich habe viele liebe Freunde, eine wirklich tolle Familie, die mir enorm viel bedeutet, mache bald ein Ehrenamt, habe eine gute Therapeutin gefunden, bewerbe mich nun für ein Praktikum, das mich wirklich interessiert, mache super gerne und viel Sport, möchte im Wintersemester mein Traumfach studieren und entwickle Interessen verschiedenster Art – (für Kunst und Musik momentan sehr stark). Daran sieht man einfach wie sehr ich mittlerweile im Leben stehe, denn so vieles von dem, was ich aufgezählt habe, gab es vor einem Jahr entweder noch gar nicht ( z.B. die tolle Beziehung zu meiner Mutter, meine konkrete Zukunftsplanung) oder ich habe es weniger stark wahrgenommen bzw realisiert (z.B.meine Freude am Sport und meine Freunde!) Ich denke, dass Gefühl der Nervosität bei der letzten Nähe mit U rührt vor einer diffusen Angst des Ich-Verlusts her. Weil ich intuitiv spüre wieviel ich mir schon aufgebaut habe und das dies nicht kompatibel mit U ist: aus dem Grund, dass ich defintiv nicht in ihn verliebt bin, sondern nur das vermeintliche (!) Defizit füllen will.Und mit dem Versuch ein Defizit zu füllen, suggeriere ich mir, dass es eins gibt und lasse außer Acht, was dieses Defizit längst gefüllt hat.
Montag sehe ich ihn beim Feiern mit allen wieder und da möchte ich stark bleiben und nichts mit ihm später haben. Ich brauche keine Abhängigkeit und ich werde jemanden finden, in den ich wirklich verliebt bin und er in mich und dann kann ich eine Beziehung eingehen, die mir wirklich gut tut! Denn wenn ich verliebt bin, wäre dies das Sahnehäubchen auf einem Leben, das ich bereits genieße, aber ein Freund als Basis UM emotional ZU ÜBERLEBEN (=Nähe als Defizitausgleich) ist für mich keine Option mehr und auch keine Realität mehr.