Hörnchen hat geschrieben:ja,ne,is klar hat geschrieben:eine dumme Angewohnheit meinst Du?
kann das sein?
So wie Rauchen?
Ja, so in etwa... Nur nicht so gesellschaftlich akzeptiert...
Hm - darf ich mich auch miteinbringen?
dieses 'gesellschaftlich nicht akzeptiert' hat mich an ein Gespräch erinnert mit einem Ex, der genau das sagte:
Bulimie ist doch wie Alk oder Qualmen - nur nicht gesellschaftlich akzeptiert, wieso eigentlich?
Und fragte ernsthaft mich als Bulimikerin (wussts), warum 'meine' Sucht, meine Kompensationsmethode, mein freies Recht mit mir veranstalten zu können, was und wie ich will - warum das denn nicht so akzeptiert wäre?
Und, dass das doch eigentlich nichts weiter aufmersamkeitserregendes wäre( bzw sein sollte); es rauchen schließlich auch Leute in der Öffentlichkeit, ohne gleich eine Therapie nahegelegt zu bekommen...
Ich hab mich in dem Moment echt wie eine aufgeblasene, egozentrische Kuh gefühlt - wie jemand, der sich krankhaft wichtig machen will; denn wenn man es mal genau betrachtet... das ist doch alles nur Getue, Rederei und Dramatisierung einer simplen Art von Verdrängung.
Es ist schon schei'ße, wenn man dann an den Kopf geknallt kriegt: "Ich will nicht wissen, wie meine Leber aussieht - du nicht, wie deine Speiseröhre ausschaut. Where's the difference?"
Ja, wo ist der Unterschied - und genau dann fragt man sich auch wieder, womit man sich mit seinem 'perfekten' Leben so etwas verdient hat ??
Oft dachte ich: eigentlich, EIGENTLICH ist grade alles toll. Wenn nur DAS nicht wäre...
Ist es wirklich dasselbe, wie Rauchen? Auch daran scheitern beim aufhören viele viele Leute, weil sie es nicht anders aushalten. Zwanghafte Gewohnheiten sind nun einmal.... zwanghaft?
Vielleicht ist Bulimie in zwei Jahren ja ein allgemein bekannter Trend und auf jeder öffentlichen Toilette ist es völlig normal, dass sich mindestens einer wieder von seinem Mittagessen befreit? Weil er dünn sein will oder Stress hat oder genervt ist oder wütend oder was verdrängt oder allgemein mit etwas... oder dem Leben... nicht klar kommt.
Eine seltsame Vorstellung.
Da frage ich mich manchmal wirklich, wer denn nun jetzt die abgehobene, völlig verdrehte Ansicht hat: Der, der es als eine schwere psychische Erkrankung deklariert - oder der, der meint, es wäre 'nur' eine Sucht wie jede andere, eine legale Droge wie Alkohol, den Leuten fehlts an der Disziplin und wer nicht genug Drama im Leben hat, der macht sich halt welches. ..... ?
Darf ich hier eigentlich einen fremden Text herkopieren?
Ich fand ihn sehr schön und zutreffend:
Die Betroffenen verhungern an der empfundenen Sinnlosigkeit ihres Lebens.
Die selbstgewollte Essstörung ist nicht die Folge eines materiellen Hungers der Gesellschaft, sondern einer ideologischen Not. Sie ist an den Willen eines Menschen gebunden, der verzweifelt sucht, was immer magerer wird: ein sinnvolles Leben. Diese Form der Essstörung taucht erst dort auf, wo die Menschen sich als Waren auf einem anonymen Markt anpassen und verkaufen müssen, den sie nicht mehr unmittelbar durchschauen können. Sie wissen nicht mehr, ob ihre Lebensleistung überhaupt einen menschlichen Sinn macht.
Die gängigen Psychotherapien bleiben an dieser Vereinzelung der Betroffenen kleben, weil sie den Blick auf den "perfekten Fahrplan" der Gesellschaft, an dem die Einzelnen zerbrechen, scheuen. Die Essstörungen, die bislang ausschließlich als Krankheiten behandelt werden, sind ideologische Täuschungen - Reaktionen auf eine von menschlicher Unmittelbarkeit immer entferntere Gesellschaft.
Die bürgerliche Ideologie vom isolierten Glücksstreben allerdings wird auch von den Betroffenen nicht verlassen. Sie suchen den Sinn ihres Lebens in einer Askese, die zwischen Demut und Hochmut schwankt.
Magersucht oder Adoniskomplex sind keine isoliert zu bewertenden ästhetischen Probleme mit dem "Schönheitsideal", sondern Folge eines starken Willens, der verzweifelt aus dem Jammertal der Familie, der Schule, der Arbeit, der Gesellschaft zu flüchten versucht. Die Betroffenen spüren die Dumpfheit der banalen Konsumwelt und bleiben dennoch an deren Wurzeln kleben. Sie bilden die Kehrseite derselben Medaille, die sich individueller Wettbewerb nennt und bei dem nur die "Stärksten", die "Besten", die "Härtesten", die "Schönsten" oder "Intelligentesten" zu Siegern gekürt werden.
http://www.taz.de/
Ich kann keine Antwort auf diese Gedankenwirrungen liefern. Ich kann dir nur sagen, dass du mit deinen Gedanken nicht alleine bist. Auch ich hab mich immer gefragt, warum ich Bulimie haben darf, das wäre doch Humbug.
Und das schlechte Gewissen deswegen, erdrückend erdrückend erdrückend und niederschmetternd, führte nur dazu, dass ich noch mehr gefressen habe.
Lustig oder? Man frisst, um zu verdrängen, dass man frisst.
Traurige Grüße,
Wispy