#47
Liebe Para,

danke, dass du dir soviel Zeit genommen hast für deine Antwort...ja, sie gibt mir einigen Input und ich muss sagen: Hut ab, dass du so dahinter steigst.
Ich habe ebenfalls schon einiges gelesen, sowohl Lektüre zu Borderline, Essstörungen, sonstiges, als auch Psychokram für "Normale" :wink:. Also ist mir denke ich auch schon einiges bekannt von alldem. Aber irgendwie ist es für mich extrem schwierig, das auf mich selbst umzumünzen. Bei anderen sehe und verstehe ich viel, bei mir selbst ist es mir oft ein Rätsel. Weil ich mich immer wieder frage, warum und woher. Da geht es gar nicht um Schuld, es geht um meine Schwierigkeit, Dinge zu bewerten, die ich erlebt habe. Teilweise auch - was du ansprichst - Erlebnisse aus der Kindersicht und der Erwachsenensicht und wie sich diese unterscheiden - also wenn etwas für ein Kind zuviel ist, was für einen Erwachsenen normal ist - ist dann das Kind "im Recht", wenn es Angst hat, obwohl ich mir heute denke, vor Ereignis XY braucht man keine Angst haben. und umgekehrt. Dinge, die für mich als Kind normal waren, sehe ich vielleicht heute anders, wie konnten sie dann aber damals "bleibende Schäden" verursachen, wenn es doch normal war. Ich weiß, da passieren Dinge wie Abspaltung, Dissoziation, und wie das alles heißt. Aber wie gesagt, in mir herrscht immer nur Chaos, wenn ich darüber nachdenke.

Extrem interessant finde ich deinen Ansatz, darüber nachzudenken, nachzulesen, usw. wie es sein sollte. Und dadurch herauszufinden, wo das eigene Leben, die Kindheit abgewichen ist. Ich habe das nie bewusst getan, aber ich habe naturgemäß andere Leute kennengelernt, die auch Kinder haben und mir dabei oft gedacht, aha, so kann es auch gehen und eigentlich ist das viel sympathischer und gesünder (das zu beurteilen habe ich auch durch eine Menge Lektüre gelernt, zB Alice Miller). Und so konnte ich mich auch langsam herantasten an die Defizite der eigenen Erziehung. Wobei ich sagen muss, dass ich nicht aus der vernachlässigten Ecke komme und weder Prügel noch sonstige Gewalt erleben musst, sondern eher einerseits überversorgt wurde (ängstliche Mutter), aber andererseits auch einen ziemlichen Trill, der wenig Platz für emotionale Nähe (traurig oder wütend sein durfte ich auch alleine in meinem Zimmer und erst wieder rauskommen, wenn ich wieder "normal" war. Zum Beispiel) und Freiheit ließ. Um an das, was B&R sagte anzuschließen: ich habe da große Probleme zu sagen, das hat mich traumatisiert (wenn überhaupt), weil es damals nicht ums Überleben ging. Aber trotzdem war es ein permanentes Missachten, Unterdrücken und Verformen meiner Persönlichkeit. Und daraus entstanden dann, so denke ich zumindest, Anfälligkeiten für andere Erlebnisse, die mir nicht gerade gut taten.
Ich finde den Ansatz von dir total gut und hilfreich, zu sagen, es gibt nicht das Ereignis XY in meinem Leben, dass ich genau benennen und zeitlich einordnen kann, dass in mir die BPS ausgelöst hat. sondern es fügten sich mehrere Dinge aneinander (bedingten einander vielleicht auch), die zusammen das ergaben, was ich heute bin. Den Begriff der komplexen PTBS kenne ich von meiner Psychiaterin...und habe damit noch weniger anfangen können als mit dem Rest, weil ich dachte, für diese Diagnose muss man 3 Erdbeben, 1 Tsunami und 1Geiselhaft erlebt haben :wink: . Aber scheinbar ist es eher so gemeint, wie du sagst. Dass es eben um den immer wiederkehrenden bzw. andauernden Stress geht, dem ein (Kinder)Gehirn ausgesetzt ist.

Was ist eigentlich, wenn die Mutter des Kindes ständig solchen Stress hat - überträgt sich das auf das Kind? Vielleicht weißt du ja was davon...

Es freut mich zu lesen, dass du heute Sexualtität genießen kannst. Das ist momentan (wiedermal) ein Thema, an dem ich sehr nage. Vielleicht auch verständlich, wenn man bedenkt, dass das wohl die größte Nähe ist, die man zu eine Menschen eingehen kann. Und Nähe zu Menschen ist für mich eine komplizierte Sache (aber alleine sein geht auch nicht... :roll: ).

Ich kenne das auch sehr gut, dass man Schmerz erst später zu fühlen anfängt. Ist irgendwie komisch, denn das Ereignis bzw. der Zeitpunkt, an dem der Schmerz sozusagen entstanden ist, liegt ja schon eine ganze Weile zurück. Aber da war vorher nichts. Ein eigentlich grandioses tool des Körpers...aber auch irgendwie lästig, denn im Hintergrund arbeitet ja etwas, man weiß aber so lange nicht was.

Erstaunlich, dass du soviel Einsicht und Selbstreflexion hast, ohne Therapie. Aber in psychiatrischer Behandlung bist du, oder wer hat dir Diagnosen gestellt? Worin äußern sich die mittelschweren Depressionen bei dir? Nimmst du Medikamente?


Aufarbeiten habe ich eher im Sinne des Erlebens von Gefühlen gemeint. Dass man nicht nochmal durch das Ereignis kann und quasi den Schluss ändert (wie im Videospiel) ist klar, aber ich denke, wenn man für sich selbst klar im Kopf und in der Seele ist, dass Erlebte bewerten und fühlen kann, dann löst sich einiges auf. Und nachholen kann man Dinge nicht, aber im jetzigen Leben kann man schon Defizite ausgleichen. So wie du sagtest, dass du heute Sex genießen kannst, obwohl du früher viel Angst vor Männern hattest. Das hast du bereits erfolgreich aufgearbeitet. Ich denke auch, dass es immer ums lernen geht. Aber ich merke, dass mich diese Trauma hin Trauma her und die Wie schlimm war was wirklich Fragen total blockieren. Ich falle auch immer wieder in dieses Ich war schuld Schema zurück. Ich habe glaube ich große Angst vorm Spüren...habe aber wie gesagt auch nicht erlebt, dass Gefühle gutes bringen...

lg
djinn

#48
Djinn hat geschrieben:Aber trotzdem war es ein permanentes Missachten, Unterdrücken und Verformen meiner Persönlichkeit.
Liebe Djinn,

du erinnerst mich gerade an den Text über Erziehung von Bernhard, den ich zusammenfassen soll. Da steht „Wenn Erziehung ein systematischer Eingriff in die kindliche Entwicklung ist, muss sie notwendigerweise Zwänge beinhalten. Ein viertes Bestimmungsmoment lautet: Erziehung setzt Zwänge auf die Heranwachsenden frei, sie ist notwendig mit Zwang verknüpft. Aus dem bislang entwickelten Erziehungsverständnis ist deutlich geworden, dass Erziehung durch ihre gesellschaftliche Integrationsfunktion gekennzeichnet ist. D.h. sie intendiert die Einpassung des Heranwachsenden in einen vorgegebenen gesellschaftlichen Kontext. Erziehung sind bewusste Maßnahmen, die auf Formung von Kindern und Jugendlichen zielen. Selbst wenn Erziehung auf die Entfaltung des kindlichen Subjektvermögens zielt, ist sie immer noch ein Stück weit Formung: Sie bringt das Subjektvermögen des Kindes in eine bestimmte gesellschaftliche Form. Erziehung ist also immer ein Vorgang der Formung. Formungsprozesse wiederum enthalten ein Mindestmaß an Zwängen in sich. Denn die Entwicklungspotenzen des Kindes müsse immer unter konkreten gesellschaftlichen Be

#50
Djinn, danke! Schön, dass dir mein Geschriebenes etwas gebracht hat.


Zu deinen Überlegungen zu der vermeintlichen "Normalität" damals als Kind:

Ich weiß was du meinst und ich verstehe auch worüber du dich wunderst. Darüber herrscht bei mir auch noch oft Unklarheit, oder eher erstaunte Verwunderung.

Aber ich glaube es ist ganz klar:

Das ist wieder das Trauma-Missverständnis. Man denkt immer ein "Trauma" muss auch ganz bewusst erlebtes Leid auslösen bzw. ausgelöst haben. Das ist aber nicht so! Es sei denn es passiert schlagartig und macht Angst weil es so plötzlich, unerwartet und unnormal wirkt, wie z.B. ein Erdbeben oder eine Geiselnahme oder dergleichen.

Unser Trauma erleben wir aber nicht bewusst als leidvoll und schlimm, weil es nicht plötzlich sondern so schleichend kommt, unterschwellig ständig stressend bestehen bleibt und von Anfang an als normal empfunden wird, ohne ein bewusstes Leiden. Verstehst du was ich meine?

In den Umständen die wir als ganz normal empfunden haben, konnten wir aber nicht lernen mit unseren Gefühlen und unserem Selbst ausreichend gut umzugehen. D.h.: uns selbst zu spüren und unsere Empfindungen als richtig, gut und wichtig kennenzulernen. Eben seelisch reifen, psychisch stabil und selbstbewusst zu werden.
Woanders steht das besser erklärt, aber ich hoffe du verstehst was ich meine.

Und das ist unser "Trauma". Dass wir als Menschen, warum auch immer, nicht ausreichend heranreifen konnten.
Darum meine ich eben, dass "Trauma" übertrieben klingt, vor allem deswegen weil mit diesem Wort immer schreckliche, plötzlich eintrefende Schockerlebnisse verbunden werden, was ja in diesem Fall nicht zutrifft.


Was meinst du mit "solchen" Stress bei den Müttern? Und ob sich das überträgt... ?
Ich versuche mal so darauf zu antworten wie ich meine, dass es gemeint ist, ok? ;-)

Meine Mutter ist Alkoholikerin, also suchtkrank und somit folglich im Dauerstress. Also, sie trinkt ja nicht ohne Grund.

Natürlich hat sie den größten, direkten Stress verursacht, der sich auf mich logischerweise übertragen hat.
Du merkst, ich versteh die Frage nicht ganz... ;-)


Ja, Sex bedeutet größte Nähe zu Menschen. Das ist das was ich bei mir, die eigentlich keine Nähe zu brauchen scheint und auch direkt ablehnt, nicht verstehe.
Aber ich glaube man kann unterscheiden zwischen seelischer Nähe, die meine Person, meinen Charakter und meine Seele betrifft und körperliche Nähe, die eben nur körperliche Dinge betrifft wie Berührungen, Sex usw..

Vielleicht ist der Sex das einzige was mir als zwangloses "Kommunikationsmittel" übrig bleibt, als Ersatz für die seelische Nähe.
Ist das möglich?


Die Diagnosen (hab ja mehrere: 1. Angststörungen, 2. schizoide PS, 3. komplexe PTBS, 4. Borderline, 5. "Gefühlsprobleme" :roll:), habe ich von mehreren Psychologen bekommen mit denen ich immer nur ein Gespräch hatte. Ich weiß, das reicht nicht aus, aber es hat mir teilweise schon gute Einblicke in deren Denk- und Herangehensweise, bzw. Arbeitsweise verschafft (bin ja clever ;-)).
Ich hatte noch nie eine Therapie. Wurde mir aber immer wärmstens ans Herz gelegt. Momentan warte ich darauf auf eine Warteliste bei einem Krankenhaus gesetzt zu werden.


Das Aufarbeiten, bzw. neu bewerten von Dingen mit anderem Input ist wichtig, ja. Eben das neu ordnen von Altem, das löst einiges auf, wie du schon richtig sagtest.

Die "wie schlimm war was" - Fragen sind meines Erachtens nach noch ein Folgeproblem von dieser Trauma-Bla bla-Übertreibung. Ich nehme das garnicht mehr so ernst. Und Schuld gebe ich auch keinem mehr. Das nimmt mir nur noch mehr Kraft...

Naja.

Hoffe, es war nicht nur Schund bei ;-)


LG!

#51
@ aire: aber das würde ja heißen, dass es ganz normal ist, Kinder zu formen, denn Kinder müssen erzogen werden. Wolltest du mir das damit sagen?

@faith: was bedeutet denn dieses "hmmm" Smiley??? :wink: Hat dir schon mein C gesagt, dass Joyce am Mo zu uns kann?


@ para: ich finde es sehr beachtenswert, was du dir selbst erarbeitet hast. Ich weiß ja noch gar nichts über dich und deine Leidensgeschichte, aber nach den Diagnosen zu urteilen, hast du ja auch schon einiges hinter dir und durchgemacht....umso bewundernswerter finde ich deine Einstellung und das, was du gelernt hast.
Also kann man sagen, dass ein länger andauernder oder /und wiederkehrender Stress, Überbelastung, was auch immer ein sogenanntes komplexes Trauma ist, so würde ich das sehen. Aber du hast recht, der Begriff Trauma löst immer Assoziationen mit etwas ganz plötzlichem, sehr sehr großen und mächtigem aus. Ich habe da so ein Buch zur Psychotraumatologie stehen...ich muss nochmal nachlesen, denn irgendwie ist das doch so ein dehnbarer Begriff. Wie du schon sagtest, es hängt vom Menschen ab, was traumatisch wirken kann. Das kann ein Teddybär sein, der einem Kind in den Bach fällt und weggeschwemmt wird, das kann aber auch die Geiselnahme sein - beides kann viel Leid oder gar keines auslösen, je nach dem.

Hast du für dich mit dem Traumabegriff abgeschlossen? Ich merke durch diese Diskussion, dass es nicht gerade sehr sinnvoll ist, die Schwere und Art des Traumas herausfinden zu wollen.
Findest du aber, dass der Begriff Trauma nicht ganz passend ist oder meinst du dass das Erlebte den Begriff nicht verdient, weil es ja nicht so "arg" war, wie die "gängigen Traumata"?

Mit Stress meinte ich die Spannungen, die Stresssituationen, die man als Borderliner kennt. Meine Mutter zB war und ist immer von allem überfordert, sie war launisch und oft gereizt und hatte immer wenig Geduld. Ich wage nicht zu sagen, dass sie unter Borderline litt. Sie hatte andere Störungen, aber keine Süchte, SV, oder sowas. Aber eigentlich bin ich mir sogar sicher, dass sich das schon aufs Kind übertragen kann.

Scheinbar kannst du mit körperlicher Nähe besser umgehen, als mit der persönlichen/seelischen. Für mich ist beides stressig. Aber ich habe lange Zeit die Strategie gehabt, Kommunikation mit Männern über den körperlichen Kontakt zu führen. Allerdings bin ich da immer in eine andere Rolle geschlüpft oder ganz ausgestiegen. Hast du das Gefühl, als Para den Sex zu erleben und zu genießen?

Was ist denn Gefühlsprobleme für eine Diagnose?? :lol: Naja, ich habe auch schon verschiedene Dinge gehört. Wann und in welchem Zusammenhang warst du denn bei den Psychologen? Möchtest du demnächst in die Klinik? Was ist denn sozusagen dein Hauptproblem?

Schuldige suchen, Schuld jemandem zu schreiben, raubt sehr viel Kraft. Ich habe auch längere Zeit versucht, mich verständlich zu machen, vorallem mit meinen Eltern die Aussprache zu suchen. Das hat alles immer nur schlimmer gemacht. Das bringt gar nichts, man muss mit sich klarkommen lernen, zu sich selbst stehen, sich selbst ernst nehmen, für sich sorgen lernen. Schön und leicht gesagt...ich weiß.

du schreibst jedenfalls keinen Schund!

#52
Djinn hat geschrieben:@ aire: aber das würde ja heißen, dass es ganz normal ist, Kinder zu formen, denn Kinder müssen erzogen werden. Wolltest du mir das damit sagen?
Nah, ihr unterstellt mir immer zu viel Absicht. Ich habe nur das erste geschrieben, was mir eingefallen ist. (Nachdem ich es hervorgekramt hatte.)

Also, der Text geht davon aus, dass der Mensch erziehungsfähig und erziehungsbedürftig ist. Dann geht er erst mal auf den Begriff der Pädagogik ein, das ist der ältere Begriff. Die Pädagogik versteht sich als eine Geisteswissenschaft. Sie betrachtet außerdem das Interaktionsverhältnis zwischen Erzieher und Zögling und lässt die Gesellschaft außen vor. Die Ideen waren außerdem ziemlich idealistisch: Pädagogische Liebe, der Zögling war eher partnerschaftlich eingebunden, sollte auf Freiwilligkeit gründen, dem Spannungsverhjältnis von Bindung und Loslösung in allen Stadien gerecht werden, die Gegenwart ebenso wie noch nicht verwirklichte Möglichkeiten berücksichtigen. Dann kam die Kritik an diesem Modell und die Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft stellte fest, dass Erziehung nie im luftleeren, gesellschaftsfreien Raum stattfindet. Was ist mit dem Einfluss der Medien, oder der Peer Group? Dass die Erziehungsgemeinschaft auch nie gleichberechtigt ist, sondern hierarchisch. Dass es mit der Freiwilligkeit auch nicht so weit her ist… Dennoch hat die Pädagogik auch ein par Dinge gut erkannt und benannt. Zum Beispiel die Sache mit der Bindung/Loslösung…

Die Feststellung, dass Kinder erzogen werden müssen, ergibt sich immer aus dem zugrunde liegenden Menschenbild. (Früher wurden Frauen z.B. auch von der höheren Schule ausgeschlossen, weil man ihnen keine Rationalität zugestanden hat, was man an dem durchschnittlich leichteren Gehirn festmachen wollte.

Was mich an dem Text wundert, ist dass es bei der „kritischen Pädagogik“ anscheinend nie darum geht, dem Menschen zu helfen, mit sich selbst klar zu kommen. Sondern bloß innerhalb der Gesellschaft zu funktionieren. Das ist das immer wieder erwähnte Ziel erzieherischer Bemühungen.

Also kurz: Ich beantworte deine Frage nach dem Studium (oder auch gar nicht) :roll:

Lg

aire

#53
was studierst du denn? dachte du wolltest mir was damit sagen... :wink: Ist aber ein interessantes Thema - kennst du Alice Miller? Die hat einiges zum Thema Kindheit, Aufwachsen, Erziehung, etc. geschrieben.

#54
Ich studiere Pädagogik Erziehungswissenschaften. unser Institut wird gerade entsprechend umbenannt. Hat m Internet schon funktioniert. Mit den Türschildern weniger. :lol:

Alice Miller kenne ich nicht. Wenn sie aber Texte geschrieben hat, die so schwer sind, dass man nach dem zweiten Mal lesen sich immer noch fragt, was die gute Frau einem sagen will, habe ich wohl gute Chancen, ihr mal zu begegnen...

lg

aire

#55
@aire: zufälliger Weise in Wien? Habe spassmäßig Psychologie inskribiert (schreibt man das jetzt mit b oder mit p????) also kenne ich den Wahnsinn an den Unis ganz gut. Sehr sehr spannend, aber leider ganz schön mühsam.

Nein, die Frau ist nicht unbedingt die Lektüre für Prüfungen - sprich: gut verständlich. Kommt aus der psychoanalytischen Ecke ursprünglich und hat so um 1980 den Pädagogen und Psychologen ganz schön Dampf gemacht. Allerdings frag ich mich, was dann passiert ist. Wenn man ihre Texte liest und sich vor Augen hält, dass das schon fast 30 Jahre her ist und sich dann die Meinungen, Ansichten und Erziehungsstile live ansieht...naja. Traurig.

#56
Fragen über Fragen ;-)


Ich hab einige "gängige Traumata" erlebt, ja (zwar keine Erdbeben und Massenmorde, aber auch durchaus grenzwertiges, schwer schockierendes, existensbedrohendes... ), aber auch insgesamt ein "komplexeres Trauma".

Nicht passend finde ich es (zumindest bei dem "komplexeren Trauma") insofern, als dass das Wort leicht irreführend wirkt, also, zu extreme Assoziationen hervorruft. Du siehst ja, dich hat es auch etwas verwirrt, weil du total extreme Dinge damit verbunden hast.
Außerdem wird es viel zu oft, viel zu inflationär benutzt. Alles ist immer gleich ein Trauma... Da wird alles immer über einen Kamm geschoren und von daher schafft dieses Wort wenig Klarheit - im Gegenteil, es verwirrt unnötig, weil es viiiel zu dick aufträgt und Panik verbreitet.

Manche Psychologen gehen daher auch ganz bewusst vorsichtig mit den ganzen Diagnosen um. Dann nennens manche eben nurnoch "Gefühlsprobleme" ;-)


Hm, jetzt verstehe ich was du mit dem Mutter-Stress meinst.
Ich denke folgendes: Der Stress kann sich nicht in genau der gleichen Form aufs Kind direkt übertragen. Das Kind kann nur durch den Stress den die Mutter oder der Vater macht geprägt werden. Generell bleibt son Kind ja nie ungeprägt von der Mutter! Verhaltensweisen werden zwangsläufig abgeguckt und Charakterzüge teilweise vererbt. Aber das Kind entwickelt andere "Störungen" dann, oder zumindest muss es nicht zwangsläufig gleiche Störungen entwickeln. Es kommt ja im Grunde nur auf den Stress generell an und dass das Kind dadurch nicht ausreichend reifen konnte... (weil es eben durch die komischen Verhaltensweisen seriner Mutter übefordert war)


Was Sex betrifft: ja, ich habe das Gefühl auch ich zu sein währenddessen. Ich kann mir auch nicht ganz vorstellen wie das bei dir ist. Ich bleibe ich und habe auch Spaß dabei. Ich hatte aber auch "erst" 2 Sexualpartner, mal gucken was da noch so kommt ;-)


Ich war das erste mal bei ner Psychologin als ich (vor nem Jahr) schwer depressiv und ausgebrannt war und mein Abi abbrechen musste deswegen. Dann als ich angeklagt wurde. Später als ich beim Jugendpsychiatrischen Dienst war, dann als ich mich um Therapeuten gekümmert habe, da waren auch noch der eine oder andere bei. Die Klinik war bisher meine letzte Station, ich warte z.Z. darauf auf ne Warteliste zu kommen.

Mein größtes Problem ist eigentlich die Depression. Die lähmt mich, ich hab keine so richtige Kraft mehr mein Leben anzupacken. Ich nehme keine Medikamente, ich hab nurmal Beruhigungsmittel bekommen als ne Aufnahmeprüfung bei ner FOS anstand, die ich aber nicht bestanden habe... Frust auf der ganzen Linie.

Mit meinen Eltern will ich über all das garnicht wirklich reden, den müsste ich viel zu viel erklären und im Grunde weiß ich, dass sie ihr bestes gegeben haben und eigentlich nichts Böses wollten. Mein Vater z.b. hat immer alles getan für uns.

naja.

LG!

#57
Liebe Para,

entschuldige, dass ich erst jetzt wieder antworte. Ich habe keine ruhige Minute gefunden bis jetzt.

Es tut mir leid, dass du einige gängige Traumata erleben musstest, das wollte ich vorweg sagen...

Deine Frage, wie das bei mir bei Sex ist: ich steige oft entweder ganz aus (träume mich weg), oder schlüpfe in eine andere Rolle, also stelle mir vor, irgendjemand anderes zu sein. So meine ich das.

Weshalb wurdest du angeklagt?
Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern?

Ich weiß nicht, was ich zu all dem Traumazeug sagen soll. Ich habe später traumatische Erfahrungen gemacht, also so mit 17, 18, 19, 20. Ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass früher etwas passiert ist - scheinbar kann sich vieles vermischen, wenn man ein (oder mehrere Traumata) verarbeitet. Das bringt einen sehr durcheinander, ich hatte oft das Gefühl, nicht mehr zu wissen, in welcher Zeit ich mich befinde, was passiert ist, was nicht, usw.

Wie geht es dir momentan?

#58
Zur Zeit gehts ganz gut, danke (die Klinikneuigkeiten zeigen noch Wirkung ;-))


Ich hab noch Kontakt zu meinen Eltern, ja. Zwar insgesamt sehr wenig, da ich ja jetzt auch am anderen Ende Deutschlands lebe, aber immerhin.
Zu meiner Mutter habe ich sogut wie keinen Kontakt, ich will auch keinen! Und das nicht aus bloßer Sturheit, sondern weil sie psychisch krank ist (Alkohol und Borderline) und mich echt in den Wahnsinn treibt...
(Da sie sich aber mittlerweile nicht mehr allzuoft in lebensbedrohliche Situationen begibt, ist eine Zwangseinweisung unmöglich)


Die Anklage... hmm. Ach, darüber will ich nich so viel ausplaudern. Ich sage nur: in der Zeit damals wurde ich eben depressiv und unkonzentriert und hab dadurch nen Fehler gemacht und alles flog auf...



Meine schlimmsten (bewusst erlebten) Traumata habe ich wohl in der Kindheit, so zwischen 6 und 10 erlebt. Später in der Jugend mit 14 etwa noch mehr und dann gings nurnoch Berg ab, weil jede Kleinigkeit nurnoch voll reingehauen hat in meine schon derart angeknackste und instabile Psyche, sodass es eigentlich nur ne Frage der Zeit war wann ich "zusammenbrech". Mit 17 wars dann eben soweit: völlige Erschöpfung.


Darf ich eigentlich fragen was dein Trauma war? Hatte es mit Sex zutun? Ich habe die Vermutung, dass du vielleicht ne m*ssb**ch* - erfahrung gemacht hast? (wegen der Dissoziation während des Sex)

#59
das mit der Klinik ist wirklich gut.

ich kenne das, wenn man schon am Boden liegt, dann ist jede Kleinigkeit ein Todesstoss. Also bei mir waren es vorwiegend s*x**ll* Dinge, ja. Wobei ich eben in meiner Jugend, also so mit 13/14 aus irgendwelchen Gründen psychisch schon recht angeknackst war, die ES hat begonnen, Freundschaften liefen scheiße, depressiv, etc. Und dann wie gesagt mit 17, 18, etc. kamen dann tolle Erfahrungen mit Männern dazu. Und zwar mehrere, die jeweils für sich genommen wohl verkraftbar gewesen wären, aber ich glaube, die Summe und zeitliche Aufeinanderfolge war fatal. Ich hatte zB mehrere Erlebnisse (von 10 an bis ca. 16/17) mit Männern, die ihr bestes Stück vor mir ausgepackt haben und das geil fanden, dann kam einer , der ebenso exhibitionistisch veranlagt war, mich aber auch anfasste und keine Ahnung was gemacht hätte, wenn ich mich nicht gewehrt und ihn die Flucht geschlagen hätte. Das waren Fremde. Und dann kam aber auch die Enttäuschung mit Männern, mit denen ich zusammen war. Einmal einer, der ziemlich aggressiv war und es lustig fand, mir eine Pistole an den Kopf zu halten oder mich in der Öffentlich keit an die Wand oder auf den Boden zudrücken. War nur alles nur ein-zweimal (wir waren auch nur knapp 2 Monate "zusammen") und sicher auch nicht wirklich bedrohlich gemeint, aber es hatte schon seine Wirkung, sodass mein Selbstbewusstsein unter Null ging (war vorher schon sehr klein), ja und der war auch mein erster, also mein erstes Mal, das sicher nichts mit einer romantischen Vorstellung gemein hatte. Und danach schickte er mich mitten in der Nacht nach Hause und meldete sich nicht mehr. Danach fing die Bulimie an. Ja und dann kam eine ca. 2 1/2 jährige Beziehung, in der ich so ziemlich neben mir stand. Sex war sehr präsent, aber für mich nicht lustvoll, entdeckerisch oder sonst was, sondern eher wie eine Dienstleistung, die ich dafür erbrachte, dass jemand bei mir bleibt und mich nett behandelt - was so enttäuschend für mich war, war, dass dieser Typ leider meine Person ziemlich nebensächlich fand. Ich war ziemlich krank in der Zeit aus heutiger Sicht und ich hatte sicher nicht den Spass beim Sex, den er hatte. Aber das war für ihn kein Thema. Er stilisierte mich eher hoch, ich finde heute, dass ich damals ein Sexpüppchen gespielt habe und er das auch gut fand und verstärkt hat. Wobei ich sagen muss, dass er auch noch einen recht seltsamen Zugang zum Sex hatte. Für ihn war das immer an der Grenze zum Verbotenen, zum "Schlimmen" usw und er probierte gerne Dinge aus, die nicht unbedingt jedermanns Geschmack sind. Das hat dem ganzen wohl einen noch bittereren Beigeschmack gegeben. Das Ab/Wegdriften hat mir damals viel geholfen, wobei ich mich oft gefragt habe, warum ich nicht einfach aufgestanden und gegangen bin. Er hätte mich sicher nicht gefesselt und in den Keller gesperrt.

Ja, das sind wohl die Gründe, warum ich heute - obwohl ich einen lieben und einfühlsamen Freund habe - nach wie vor Probleme mit der Sexualität habe. Ihc habe oft das Gefühl Objekt zu sein und einfach genommen zu werden, wenn du verstehst was ich meine. Ausserdem tu ich mir schwer, meine eigene Sexualität zuzulassen, das ist immer mit Angst und Scham verbunden.

Natürlich kommen bei mir auch immer wieder Dinge und Erlebnisse aus der Kindheit mit, die den Absturz und das "Einschlagen" dieser Erfahrungen aus der Jugend begünstigt haben. Meine Eltern waren ziemlich konservativ, streng und leistungsorientiert - die Beziehugn zu meiner Mutter schlecht, zu meinem Vater vielleicht einen Tick zu gut. Er hat mich sehr hochstilisiert, ich habe für ihn viele Funktionen erfüllt (Freund, Sohn, Tochter, Bruder, Schwester, Idealfrau, Partnerin, etc.) und oftmals hat er dabei sicher auch Grenzen überschritten, aber es kam nie zu einer v*rg*wa*ig* oder einem m*ssbr**ch so wie ich das heute beurteilen kann. Aber dieses Gefühl, nicht als Person wahr- und ernstgenommen zu werden, mit allen positiven ABER AUCH NEGATIVEN Gefühlen und Seiten (also das Vertrauen, dass meine Gefühle auch ernst genommen werden und ihren Platz haben dürften), das hat sicher in meiner Kindheit seinen Ursprung.


So das war mal einen kleine Einführung in mein Leben, hoffe nicht zu ausführlich...

#60
Au mann, Djinn ... an was für beknackte Typen bist du denn geraten?? :? :roll: Da kann ich echt nur den Kopf schütteln.
Das Blöde: es gibt total viele von denen! Und ziemlich viele Mädchen müssen solche Erfahrungen machen.
Sowas ist natürlich garnicht gut und wenn man eh schon angeknackst ist wie du sagtest, oder/und es die allersten Erahrungen sind diesbezüglich, dann zeigt das natürlich auch nachhaltige Wirkung.

Ich hab auch unangenehme Erfahrungen gemacht, aber bin glücklicherweise von schlimmeren Sachen verschont geblieben und hab was Sex betrifft insegsamt sehr sehr gute Erlebnisse gehabt, die mich aufgebaut haben. Ich muss aber auch sagen, dass ich schon vor meinen ersten Erlebnissen mit Männern sehr viel über Sex und meinen Körper wusste. (ich war extrem (!) frühreif). Vielleicht hat mich das nochmal bestärkt und abgesichert. Aber wie auch immer...

"Erniedrigend" fand ich die Zeit in der alle nur hinter meiner Jungfräulichkeit her waren (so mit 16). Heute fühle ich mich deswegen manchmal total verbraucht, abgenutzt, dreckig und verhurrt, nur weil ich keine Jungfrau mehr bin!! (dabei hatte ich ja erst 2 Partner!) :roll:


Jedenfalls: sowas prägt ganz schön.



Was du über die Beziehung zu deinen Eltern sagst, ähnelt ganz schön meiner zu meinen Eltern!
Zu meiner Mutter hatte ich immer schon nen ziemlich schlechten Draht, zu meinem Vater hingegen einen sehr sehr guten. Meine Mutter war "die Hexe, der Teufel, die Hölle persönlich", weil sie trank, lieblos und gewalttätig war in jeder Hinsicht und mein Vater der Engel, mein Retter, der Inbegriff des Guten (obwohl er auch brutal war, aber nur meiner Mutter gegenüber)
Als sich meine Eltern endlich trennten und ich mit meinem Bruder zu meinem Vater ziehen konnte entwickelte sich ne ziemlich enge Beziehung zwischen uns. Ich war eben plötzlich seine beste Freundin, seine Beraterin und irgendwo halt seine Partnerin. Wenn ich das so schreibe ekelt es mich regelrecht, aber irgendwo war diese Rollenverteilung plötzlich so. Selbst meine Mutter war eifersüchtig auf mich!!!! (häh???!!)
Jedenfalls war ich ja erst 11 und sowas überfordert son Kind bestimmt ganz schön.

Naja, und daraus entwickelte sich dann wohl auch mein "Elektrakomplex" (Bevorzugen von Männern als Partner die dem Vater sehr ähnlich sind, in Bezug auf Alter und Typ usw. während gleichzeitiger starker Ablehnung der Mutter ... oder so)
Aber irgendwo finde ich das nicht schlimm, es schadet mir ja nicht, im Gegenteil.