Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#2
ich habe mein bachelorstudium gut geschafft, mit ES. meine ES ist vielleicht nicht so ausgeprägt wie bei anderen... ich erbreche mich nicht so oft wie andere, bin auch mit meinem körper zufrieden, habe aber definitiv ein falsches verhältnis zum essen. das heißt, körperlich geht es mir gut, aber ich benutze das essen, um probleme zu verdrängen, stress zu bewältigen usw. ich denke einfach zu viel über das essen nach. richtige FAs und erbrechen sind bei mir dagegen eher "selten" geworden.

natürlich, in der prüfungszeit spüre ich die ES mehr als sonst. wegen des ungeregelten tagesablaufs kommt es da dann öfter zu FAs und erbrechen. trotzdem schränkt mich das ganze nicht ein. ich würde auch nicht sagen, dass ich furchtbar ehrgeizig bin und nur "funktionieren" muss, wie andere essgestörte ihren studiums- oder arbeitsalltag oft beschreiben. ich bin glücklich mit dem, was ich tue, und ich strenge mich zwar an und lerne mehr als der durchschnitt, aber ich habe auch noch viel privatleben und genug zeit für mich.

ich denke, ich bin psychisch vielleicht stabiler als andere, die mehr probleme mit leistungsdruck usw. haben. vielleicht liegt es auch daran, dass ich zwar immer sehr gut in der schule war und auch im studium überdurchschnittlich, aber mich nie so richtig dafür anstrengen musste. natürlich habe ich gelernt (zumindest ab der oberstufe ;)) und im studium ist die belastung natürlich um einiges höher geworden. aber ich habe mir nie "den arsch aufreißen" müssen - bis auf meine bachelorarbeit in den letzten monaten, die hat mich wirklich nerven gekostet, aber auch hier hat die ES keine größere rolle als sonst gespielt... im gegenteil, durch den geregelten arbeitsalltag usw. konnte das essen sogar ein bisschen in den hintergrund treten. und wenn ich dann mal verzweifelt bin, weil ich etwas nicht geschafft oder gemerkt habe, dass ich von einem fach kurz vor prüfung immer noch nicht viel kann, dann kam das trotzdem nicht über die ES raus. ich habe dann geheult und geschrien und mich irgendwie wieder beruhigt und dann ging es vorbei...

naja, jedenfalls weiß ich nicht so recht, woran es liegt, dass ich mit dem druck besser klarkomme als andere. meine ES wirkt sich anscheinend einfach anders aus.

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#5
inner-child hat geschrieben:ich möchte wissen, wie ihr eure ES in den Alltag integriert, vor allem, wie ihr das mit dem Studium bzw. wie ihr es in der Arbeitswelt packt.

Trotzdem, mir will das nicht aus dem Kopf gehen. Ich frage mich nun generell, wie wir das mit der ES schaffen. Ich kenne viele die ES haben und dennoch so erfolgreich sind und auch noch den Bachelor schaffen und dann das Masterstudium und dann einen tollen Job haben.

Aber geht das wirklich? Ich sehe es ja an mir selber, dass ich viel Kraft für die Uni brauche, um etwas zu schaffen und ich könnte mich nur auf die Uni konzentrieren, wenn ich die ES komplett von der Bildfläche schaffe.

Zurzeit ist das aber nicht möglich, und anstatt auf mich zu schauen, vergleiche ich mich mit den Bekannten aus dem ES-Kreis :roll: Ich wusste nie, wer ich bin und wie ich wirke, aber mit den Vergleichen scheine ich komplett mein eigenes Ich-Dasein verdrängt zu haben.

Wie macht ihr das mit dem Studium MIT der ES? Wie schaffen wir es eigentlich, mit all den Problemen und Widrigkeiten, die uns die ES bereitet, ein Leben, das funktioniert bzw. sogar besser funktioniert als bei nicht ES-lern?

Vielleicht sehe ich das zu engstirnig oder hab diesen Tunnelblick, aber ich scheine da nicht heraus zu kommen. Mich quält das schon, ich habe bald wieder eine Prüfung und muss irrsinnig viel dafür lernen - aber die ES ist da wieder so stark und Kraft aufzuwenden, 1) gegen die ES zu kämpfen und 2) Kraft für die Uni aufzuwenden. beides benötigt viel zu viel Kraft.

Habe das mit meiner Thera besprochen, aber sie meinte, sie könne mit mir noch nicht richtig arbeiten, da ich nicht bei mir selber bin. Wie soll ich sagen? Ich bin so gut wie gar nicht ich-zentriert. Ich bin nicht bei mir, sondern bin immer woanders.

Ich sollte eigentlich mein Leben leben, aber ich lebe das Leben anderer? Oder das ES-Leben. Jedenfalls brauche ich Rat, bitte! Danke!!

als ich an dem punkt angelangt war wo du, inner-child, dich jetzt befindest habe ich beschlossen in eine psychosomatische klinik zu gehen. um meiner koerperlichen wie psychischen gesundheit raum und zeit zu geben. weil koerperliche und psychische gesundheit die basis sind. die basis fuer lernen/ uni/ arbeitswelt.

ich persoenlich finde dass man es wahrhaben/ einsehen sollte, wenn es nicht mehr geht, wenn zu wenig bzw kaum kraft mehr da ist ..
sun will set

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#6
inner-child hat geschrieben:du lernst mehr als der Durchschnitt? Woran misst du das? Ich denke, viele lernen sehr viel und strengen sich richtig an.
du hast das irgendwie in den falschen hals bekommen. mit dem "durchschnitt" meine ich nicht andere essgestörte oder generell andere studenten, sondern nur der durchschnitt meiner kommilitonen, mit denen ich mich sinnvoll vergleichen kann. und dass ich mehr lerne als der durchschnitt, bedeutet nur, dass viele nicht so viel lernen wie ich - nicht, dass ich die einzige bin, oder diejenige, die am meisten lernt. und ich habe das nicht geschrieben, um anzugeben, sondern weil es wahr ist.

mein beitrag war nicht dazu gedacht, mich in irgendeiner weise über dich zu stellen. aber du hast in deinem eingangsbeitrag gefragt, wie andere essgestörte hier mit dem studium und der arbeitswelt klarkommen. und ich habe geantwortet. ich wollte damit nicht ausdrücken, dass ich in irgendeiner weise besser oder schlauer bin als du. nur denke ich, dass man an dem vergleich von unserer beider studienalltag vielleicht erkennen kann, dass du im gegensatz zu mir unter einem enormen druck stehst, den du dir vielleicht auch selbst auferlegst. und dass du damit einfach nicht zurechtkommst, sondern dich selbst zerstörst...
Zuletzt geändert von joliana am Mo Jan 28, 2013 14:53, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#7
Hallo inner-child,

ich hab zwar nicht studiert, aber ich habe meine Ausbildung gemacht und nebenbei gearbeitet, um die zu finanzieren. Im Nachhinein weiß ich überhaupt nicht wie ich das schaffen konnte. Teilweise 14 Stunden am Tag gearbeitet, wenn Praktikum war und das fast jeden Tag, auch öfter am Wochenende.
Angespornt hat mich damals meine Oma, die mir einen Teil der Ausbildung bezahlt hat. Ich wollte sie nicht enttäuschen, auch meine Eltern nicht, aber es war nicht meins. Ich hätte schon da abgebrochen, aber wollte funktionieren und hab weitergemacht und erbrachte bis zum Schluss gute Leistungen. Aber auch wie equilibre schon geschrieben hat, auf Dauer geht das nicht und an einem bestimmten Punkt musste ich auch in die Klinik. Beziehungsweise ich wollte in die Klinik. Und das war eine sehr sehr gute Entscheidung damals!!

Viele Grüße

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#8
Hallo,

bei mir ist es ähnlich wie bei joliana.. Ich habe mein Bachelor-Studium geschafft.. Allerdings auch nicht unbedingt mit Auszeichnung ;-) aber es ist vollendet.. Lag auch eher daran, dass ich in dem Bereich nicht wirklich arbeiten wollte.. Also dass ich das Studium wirklich nur noch fertig gemacht habe, damit es fertig ist..
Natürlich kamen in den lernphasen schon öfter fressphasen, weil ich einfach mehr zu Hause war..

Ich mache nun eine Ausbildung und bin sehr glücklich damit. Die ES beeinflusst mich da gar nicht.. Ich nehme mir ausreichend essen mit und hab keinen brech-Druck oder denke auch nur daran..

Bei mir könnte man fast sagen, dass ich nur FA habe, wenn ich auch die zeit dafür habe.. Tagsüber bin ich ausgefüllt mit Arbeit und es geht mir gut und macht mir Spaß.. An ES denke ich dabei nicht.. Mir tut die Arbeit gut! Deshalb komme ich im Alltag auch sehr gut damit klar.. Wäre ich beispielsweise arbeitslos, würde mir das körperlich und seelisch überhaupt nicht gut tun..
Manche Hähne denken, dass wegen ihnen die Sonne aufgeht

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#10
nach deinem beitrag hatte ich schon den eindruck, dass du dich angegriffen gefühlt hast, aber es ist ja gut, wenn es nicht so war.
inner-child hat geschrieben:Das ist es. Wenn ich wieder pendle und die Vorlesungen besuche und ich den ganzen Tag auf der Uni bin, dann tut mir das Arbeiten gut. Leider pusht es meinen Ehrgeiz und zur Unizeit hungere ich, vor allem, weil ich dann viel unterwegs bin und dann Sachen zum Binchen einkaufe.
aber dann ist es doch bei dir genau das gegenteil wie bei Napoleona. ihr geht es (wie mir auch) gut, wenn sie zu tun hat, und sie isst normal und geregelt, aber in der freien zeit wird sie von der ES eingeholt. du jedoch wirst von dem leistungsdruck zum hungern usw. provoziert. ich schreibe das nicht, weil ich dir unbedingt widersprechen will, aber irgendwie habe ich das gefühl, dass du das problem nicht ganz erkennst. es scheint, als herrsche bei dir eine permanente überforderung vor... ich werde durch arbeit und studium von der ES "abgelenkt" und sie holt mich erst abends, am wochenende oder in den ferien wieder ein. dich jedoch scheinen die vorlesungen und das lernen eher tiefer in die ES hineinzutreiben...
ich weiß auch nicht recht, was man dagegen tun kann. deine therapeutin hat natürlich recht, wenn sie sagt, dass es dir nicht gut tun würde, dich jetzt aus deiner gewohnten umgebung herauszureißen. aber ich weiß wirklich nicht, wie man deinen zustand im moment verbessern könnte. es ist ja schön und gut zu sagen "dann setz dich eben nicht so unter druck", aber das allein hilft ja auch nichts...

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#11
joliana hat geschrieben:aber dann ist es doch bei dir genau das gegenteil wie bei Napoleona. ihr geht es (wie mir auch) gut, wenn sie zu tun hat, und sie isst normal und geregelt, aber in der freien zeit wird sie von der ES eingeholt. du jedoch wirst von dem leistungsdruck zum hungern usw. provoziert. ich schreibe das nicht, weil ich dir unbedingt widersprechen will, aber irgendwie habe ich das gefühl, dass du das problem nicht ganz erkennst. es scheint, als herrsche bei dir eine permanente überforderung vor... ich werde durch arbeit und studium von der ES "abgelenkt" und sie holt mich erst abends, am wochenende oder in den ferien wieder ein. dich jedoch scheinen die vorlesungen und das lernen eher tiefer in die ES hineinzutreiben...
ehrlich gesagt habe ich denselben eindruck ..

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und bezueglich eventuellen verbessernden veraenderungen deiner situation:

- wenn du dich an die veraenderte umgebung, die der umzug zu deinen eltern mit sich gebracht hat, (schwierig, aber dennoch) gewoehnen konntest, koennte es doch mit einer psychosomatischen klinik aehnlich sein ? also dass es anfangs schwierig ist und spaeter, langsam ok ?
- brauchst du fuer eine betreuerin denn die zustimmung deiner eltern ? du schreibst dass dir autonomie sehr wichtig ist - wenn du gesetzlich keine zustimmung von ihnen brauchst waere es ein autonomer schritt dir so eine betreuerin zu organisieren.
- ein therapeutischer aufenthalt in einer psychosomatischen klinik oder psychiatrie waer zwar eine gewisse beschraenkung deiner autonomie, aber nur in gewissem rahmen, temporaer und eine einschraenkung aus der du positives machen kannst, es ist eine moeglichkeit, eine realistische hilfestellung zur besserung deiner situation, deiner krankheit, deiner psychischen und koerperlichen gesundheit. willst du eine genesung, willst du die essstoerung loslassen ?
- falls es notwendig ist, was waere so tragisch an psychiatrie ? wenn es notwendig ist, wuerd ich auch dieses helfende angebot annehmen ..
- oder was waere evtl mit einer auf essstoerungen spezialisierten therapeutisch betreuten wg ? oder tagesklinik ?
sun will set

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#12
Tja, ich weiß auch nicht wie wir das hinkriegen. Bei mir erfordert die Kombination von starker Bulimie und überdurchschnittlichen Leistungen im Studium enorm viel Kraft. Teilweise geht wochenlang der Schlaf dafür drauf und psychisch geht es mir in stressigen Phasen dann sehr schlecht. Keine Ahnugn woher ich die Kraft genommen habe es bis jetzt zu schaffen.
MIttlerweile ändert sich das gottseidank. Ich will neben Bulimie und Studium auch noch leben und habe deshalb beschlossen ein Semester länger zu studieren und die Veranstaltungen besser zu verteilen. So macht das Leben mehr Spaß und mit der Bulimie läuft es auch besser.
Trotzdem denke ich oft wie viel Energie, Kapazitäten udn Zeit ohne Bulimie übrig wären für Dinge, die Spaß machen oder auch um sich intensiver mit dem Studium zu beschäftigen. Manchmal würde ich das gerne tun, aber wegen der Bulimie war das bisher alles sehr begrenzt. Es war immer ein "auf den letzten Drücker" fertig werden oder mit aller Gewalt nachts noch so viel wie möglich lernen oder Vorträge fertig machen.

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#13
inner-child hat geschrieben: Habe das mit meiner Thera besprochen, aber sie meinte, sie könne mit mir noch nicht richtig arbeiten, da ich nicht bei mir selber bin. Wie soll ich sagen? Ich bin so gut wie gar nicht ich-zentriert. Ich bin nicht bei mir, sondern bin immer woanders.

Ich sollte eigentlich mein Leben leben, aber ich lebe das Leben anderer? Oder das ES-Leben. Jedenfalls brauche ich Rat, bitte! Danke!!
Hallo inner-child,

das wundert mich nicht, was Deine Therapeutin sagt. Therapie heißt eignetlich, Du setzt Dich auseinander mit den Fragen:

a) Wo stehe ich? (Offensichtlich in einem Krisengebiet, sonst wärst Du ja nicht in einer Therapie)
b) Wo will ich hin? (Offensichtlich woanders hin, denn sonst wärst Du ja nicht in einer Therapie? und
c) Wie komme ich da hin?

Und Deine therapeutin ist dafür da, Dir bei der Beantwortung dieser Fragen zu helfen. Sagen kann sie's Dir natürlich nicht. Woher sollte sie schon wissen, was Deine Ziele sind?

Aber wenn Du Dich natürlich die ganze Zeit damit beschäftigst, wie die Facebook-Profile anderer ESler aussehen, und wie sie wirken, und wie sie wirklich sind, und wie sie ihr Leben hinkriegen, was soll Deine Therapeutin dann schon mit Dir anstellen?

LG

Sophie
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)

Re: Studium/Arbeitswelt - wie packt ihr das???

#14
Ja ich sehe es genauso wie joliana.. Dass es bei dir genau GEGENTEILIG zu uns ist..
Du hast den Leistungsdruck bei dir im Kopf..
Den hatte ich nie gehabt.. Und darüber hat sich auch nie meine ES ausgedrückt..
Sie holt mich wirklich dann ein, wenn ich ZEIT habe.. Aus Langeweile könnte man fast sagen..
Manche Hähne denken, dass wegen ihnen die Sonne aufgeht