Re: mein Versagertum und ich

#16
Hallo Lupus!

Wenn jemand sagt, dass seine Eltern beide Dr. sind und einer davon Uniprofessor usw., dann wird er irgendwie bewundert. Also man schreibt demjenigen dann auch solche Eigenschaften zu. Nach dem Motto: "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm".
Klar stimmt das so nicht ganz, aber man ist ja schon sehr eng mit seinen Eltern und seiner Herkunft verwoben.

Es ist für mich sehr anstrengend ein Lügengerüst um meine Familie aufzubauen. Das war als Kind schon so schlimm alles dran setzen zu müssen, dass auch ja niemand erfährt, dass meine Mutter alkoholkrank ist. Bei ihrem histrionisch-, narzistischem Profil musste man nie lang auf absurdeste Aktionen unter Alkoholeinfluss warten. Ich weiß noch wie sie mal total besoffen in meine Grundschule kam und dort rumgepöbelt hat. Und alle meine Mitschüler haben danach gesagt "DAS ist deine Mutter?!? hahaha".

Mit meiner Mutter habe ich echt die absoute Hölle auf Erden erlebt.
Die hat Sachen mit uns abgezogen, die man sonst nur aus Geisel-Folter-Psychoterror-Thrillern kennt und das meine ich sogar ernst! (ich hab mich tatsächlich immer wie ihre Geisel gefühlt, die jahrelang alles mögliche an erniedrigenden Zeug über sich ergehen lassen musste)


Und ich musste immer so tun als wär nix, war immer bemüht eine äußere Normalität zu bewahren :evil: Das hat mich immer soooo angestrengt und es strengt auch heute noch an.



Ach egal ... was will ich sagen?


Manche Leute brauchen lange für ihr Studium, ja das gibt es. ABER: die machen ja immerhin etwas, die studieren, auch wenn sie lange brauchen.
Ich hingegen hab cdie 2 Jahre rein garnichts wihtiges gemacht.
Die anderen können erzählen sie hätten ja studiert und haben eben gebraucht, es dann aber doch geschafft. Während ich ins Stottern komme, weil ich einfach nur nen Durchhänger hatte, ohne Alibi. Schule geschmissen, keine wirklich gute Ausrede, außer "äähe, ja, meine Noten waren nicht so gut, ich hatte Angst das Abi nicht zu schaffen... bla bla" :roll:


Vermutlich hast du auch Recht, dass man nicht unbedingt auf Teufel komm raus sich Freunde zulegen muss. Es ist nur so, dass ich mir Freunde aber mittlerweile sehr wünsche. Ich hatte eeeeewig keine Freundin mehr und kenne das Einzelgängerdasein nur zu gut... und irgendwie sehne ich mich schon fast so sehr nach einer besten Freundin, wie andere sich nach nem Lebenspartner sehnen (was ich persönlich dann widerrum nicht nachvollziehen kann.).

Ich hatte nie eine weibliche Bezugsperson. Mittlerweile wünsche ich mir das sehr, ... was ich auch als persönlichen Fortschritt anehe.

Colourful hat geschrieben:Was reizt dich denn an dem? Das Fremde? Das absolut Andersartige? Ich finde auch, dass eine komplett andere Perspektive manchmal sehr reizvoll ist
Ja, ich denke es ist dieses "Heile-Welt"-Ding was ich nie hatte. Ich wäre gern in seiner Welt. Gut behütet, umsorgt und so...
Aber sein Unverständnis gegenüber meiner Person (die eben auch aufgrund von diversen Erlebnissen so geformt wurde) und das Gefühl mich vor ihm total für das schämen zu müssen was ich bin und woher ich komme... das macht mich schon fertig.

Ich werde ihn vermutlich abhaken.


Dir fehlt höchstens Mut und Selbstvertrauen.
Ja, das fehlt mir ziemlich, auch wenn ich auf die meisten Menschen nicht annähernd diesen Eindruck mache. :roll:

Das kann man sich schon erarbeiten, aber es ist echt schwer.

Re: mein Versagertum und ich

#17
Hey Kara :)

Mein Schnitt ist 2,6 =) Auch nicht "schlimm" oder so, aber als gut hat mir das nie jemand angerechnet - vor allem weil ich in der elften dann notentechnisch drastisch gefallen bin und fast sitzen geblieben wäre und ich mir jetzt vorgeworfen wird, dass ich mich doch meistens mit dem letzten Zeugnis bewerben muss und wenn schon, dann nach der zehnten hätte aufhören sollen.

Als ich gelesen habe, für welchen Job, bzw. vielmehr mit welchen hintergründen du dich bewirbst, musste ich grinsen, weil es sich einfach 'schei*e' liest: Ich bewerbe mich da und da, weil ich gute job aussichten habe, mehr nicht...
und weißt du was? dasselbe mache ich gerade auch - habe gestern meine bewerbung für eine ausbildung zur fachinformatikerin fertig geschrieben und zwar: Weil man gute jobaussichten hat.
Bei dir hört es sich aber an, als -ein wenig zwischen den zeilen-, dass dich der job schon irgendwie auch anspricht?
Deine Wunschvorstellung hört sich doch echt ganz nett an :)

Was mich auch noch interessieren würde: Wie istn das mit deinem Freund, seid ihr noch zusammen? Lebst du noch bei ihm? Wie "versorgst"du dich eigentlich?
Ich lebe zurzeit zwischen meinen eltern und meinem Freund, die nicht weit auseinander wohnen. Er studiert *oh Wunder* informatik (gibt ne lehre und nen studium dazu). ab und zu gebe ich nachhilfe, aber ansonsten lebe ich voll und ganz auf deren Kosten und habe das schlechteste Gewissen deswegen, dass man haben kann...
...bei mir verursacht allein diese Tatsache, dass ich 'rumhocke', nix gescheites mache und mich dann auch noch durchfüttern lass, so extrem viele Schuldgefühle, dass ich mich am liebsten verkriechen möchte.

Mein persönliches Dilemma besteht eher darin, dass ich es mir nicht vorstellen kann, so 'normal' zu leben;
einen 40h job haben, abends heimkommen, mit Freund kuscheln, schlafen, wieder Job, Wochenende, urlaub, job, kaffeekränzchen mit nicht vorhandenen freunden usw....
...zumal mich weder informatik noch sonst irgendein Beruf so anspricht, dass ich mich tatsächlich dazu überwinden könnte.

Da fragt man sich dann immer: ja, was will die denn überhaupt?
schimpft über das system und die gesellschaft, sagt, dass sie mit dem Leben nicht klar kommt, macht nix, dümpelt vor sich hin, schwingt große Reden. Hallo Hatz IV.

Ich weiß jetzt nicht, wie weit ich ausholen soll.... um mich kurz zu fassen (haha, der beitrag ist jetzt schon ziemlich lang...): Man ist erst magersüchtig, dann extrem bulimisch und kraxelt zwischen selbstmordgedanken und dem hoffnungsschimmer eines Lebenswillens herum und kann sich weder zum einen noch zum anderen durchringen.
Irgendwann entscheidet man sich zum Leben. Kein Bulimiequark Gekraxel mehr, keine Sucht mehr, die einen auffrisst, nein: Ich will leben!
Und mit dieser Entscheidung kam der Nebengedanke: Aber, wenn ich lebe - dann möchte ich es so, wie ich es mir vorstelle. Es ist schließlich mein Leben.
Ich HASSE es, wenn man mir in meinen Lebensvorstellungen reinredet. Ich kämpfe mich ewig lang mit der Sucht herum (wusste aber keiner), bin irgendwann wieder einigermaßen stabil und denke oookay, ich versuche es nochmal mit mir selber und wenn man dann die Törichtheit besitzt, zu versuchen einen eigenen Weg einzuschlagen, wird man von allen Seiten bevormundet, bedroht, in die Ecke gedrängt, man kriegt Vorwürfe an den Kopf geknallt und irgendwann fragt man sich: Boah, wäre es etwa besser gewesen, ich hätte mich weiterhin durch die Schulhölle gekämpft und mich mit Bulimie betäubt? Und eines Tages findet man totgekotzt auf dem Klo?


Im Oktober habe ich nach einem Jahr bloggen dazu entschieden, ein Buch zu schreiben.
Es heißt
Schreib.Wut.
und natürlich: geht es um ein Mädchen mit Bulimie - von anfang bis Ende. Es ist nicht autobiographisch, aber es ähnelt mir natürlich sehr und es sind meine ansätze, wie ich aus der Sucht wieder herausgekommen bin.
ist gerade fertig geworden und wird nun von einer Bekannten, die Lektorin ist, korrigiert. Sie ist begeistert davon und ich natürlich sehr glücklich darüber.
Mittlerweile habe ich auch schon mit dem nächsten angefangen: und worum gehts? Um eine neunzehnjährige ohne ausbildung, die mit dem Leben nicht klarkommt - man schreibt halt immer über das, was einen gerade beschäftigt...

Schreiben ist eines der wenigen Dinge, die ich trotz Bulimie als Hobby erkannt habe. als ich mittendrin gesteckt habe, habe ich überhaupt gar nicht mehr gewusst was hobby eigentlich bedeutet, es gab nichts mehr, zu dem ich mich aufraffen konnte - jetzt hinterher fallen mir wieder Dinge ein, die ich früher gerne gemacht habe und die plötzlich wieder in Anspruch genommen werden.

Ach, ich schreib und schreib - habe Angst dich zu langweilen und kann trotzdem nicht aufhören, denn als ich gestern deinen Post gelesen habe, war ich so glücklich jemand gefunden zu haben, der mich bestimmt vestehen kann.

Mein Wunsch lebensplan sieht so aus:
Mit dem ein oder anderen Buch viel Geld machen und wenn ich zwei Millionen habe, die eine davon meiner Familie schenken und mit der anderen meinen eigenen pferdepensionstall aufbauen... jeden Tag im Stall stehen und Ställe misten, einen Hof managen und damit endlich eine knochen arbeit haben, die erfüllender und schöner nicht sein könnte.
(wer will erst eine Millionen verdienen, um DANN endlich zu arbeiten, wie man sich das vorgstellt hat?)

Egal, es ist ja offensichtlich wie kindisch das ist und trotzdem kann ich davon nicht loslassen, denn es ist mein Traum... es ist das, was ich wirklich bin und der ich sein will ... und die Welt lacht darüber und ich steh zwischen den Stühlen, lächle meiner rabenschwarzen Zukunft entgegen und fange an zu heulen, wenn ich mir vorstelle, tatsächlich im Herbst eine Ausbildung zur Informatikerin anfangen zu müssen (oder sonst irgend eine).

tut mir leid, dass ich dich so zugeschwafelt habe :roll:

Ich würd mich freuen, wenn du noch ganz viel über dich erzählst :)

Liebe Grüßchen
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: mein Versagertum und ich

#18
Hey Wispy,


mein Berufswunsch (Bürokommunikation) ist ganz ok. Also ich kann damit tatsächlich etwas anfangen und behaupte auch mal, dass ich das ausreichend lange durchhalte.

Ich lebe nach wie vor bei meinem Freund, auf seine Kosten. Aber mittlerweile schäme ich mich dafür nicht mehr. Er machts ja gern und irgendwie gewöhnt man sich eben dran.


Meinen Zeugnisschnitt fand ich persönlich auch nicht soooo berauschend. Aber normalerweise macht man mit nem einigermaßen gelungenem Zeugnis weiter Schule und bewirbt sich nicht auf eine Lehrstelle.
Wenn man sich damit also auf ne Lehrstelle bewirbt, dann sticht man aus den mittelmäßigen Zeugnissen der Leute, die eben nicht weiter zur Schule gehen konnten, oft raus.
Und das ist gut.



Sowas wie ein Buch würde ich nie schreiben wollen. Dieser eine Freund da "drängt" mich immer zum bloggen, er will, dass ich nen "Fashionblog" starte. :roll: Aber das will ich überhaupt nicht. Ich bin für sowas nicht extrovertiert genug und bilde mir auch nicht ein, dass es irgendjemanden interessieren könnte was ich da zum besten gäbe.




Sowas wie mein "Traum" wäre bis jetzt eigentlich nur: eine gute Arbeit finden, eine schöne Wohnung aufbauen, mich immer mit den neuesten Modekollektionen ausstatten können und von schönen, intelligenten, gutsituierten Männern umschwärmt werden :mrgreen:

Ich will es mir leisten können mich mit schönen Dingen zu umgeben: gutes Essen, elegante Kleidung, viel Kultur.
Gut kochen können und Freunde zum Abendessen einladen. Ab und zu ins Theater, ins Ballett. Guten Sex mit schönen Männern :mrgreen: usw. usf.

Hach ja. Das wäre so meine glitzernde Wunschvorstellung von einem Leben. :wink:
Aber das werde ich mir von einem Gehalt, das ich als Sekretärin verdienen werde, womöglich nie leisten können :?

Re: mein Versagertum und ich

#19
Hey, aber so schlecht hört sich dein Plan doch gar nicht an!!
Und er hat auch nicht so vernichtend geringe Chancen wie bei mir, eines Tages in Realität umgesetzt zu werden ;)

Was machtn dein Freund? arbeitet er? Hängt ihr viel aufeinander?
Bei mir ist auch dieses mehr unterbewusste Problem, dass ich ihn rund um die Uhr sehe und so riesige Anst davor habe, ihn nicht mehr so viel zu sehen und gar nicht weiß, was ich denn ohne ihn machen soll, ich kriege ja schon die Krise, wenn er mal 3 Stunden weg ist.
Dann sitze ich rum und warte eigentlich nur, mache mir Sorgen und male mir Horrorszenarien aus, was mit ihm passiert sein könnte.

Was ich toll finde: wie oft du dich bewirbst und die Hoffnung nicht aufgibst :) Kompliment!!

Grüßchen
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.