wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#1
Hallo - eine sicherlich nicht selten gestellte Frage, oder?

Meine Eltern behandeln mich immer noch so als wäre ich einfach nur ihr Kind und keine eigene Person und obwohl ich es dank der Therapie immer mehr verstehe, hinterfrage und mich in anderen Bereichen inzwischen schon ganz gut "behaupten" kann (und zwar nett und respektvoll, behaupten klingt so nach zickig), hört es bei meinen Eltern einfach auf. Es ist ein bisschen schwer zu beschreiben. Im Grunde genommen möchte ich aus dieser unerträglichen Nähe raus (obwohl ich seit Jahren nicht mehr zuhause wohne und wenig Kontakt zu meinen Eltern habe scheine ich immer noch das Einzige für meine Mutter zu sein) und weiß nicht wie. Ich hab Weihnachten jetzt das erste Mal nicht zuhause gefeiert, aber das hat sie sich schön geredet von wegen ich wolle ja bei meinem Freund feiern (er hatte es mir angeboten nachdem ich mich entschieden hatte damit ich nicht alleine feiern muss). Jetzt habe ich sie per Email gefragt, ob sie bitte meinen Vornamen verwenden könnte, da es mich stört, dass sie mich seit Jahren nur mit "mein Schatz" anspricht. Eben so Kleinigkeiten. Aber ich kann mir vorstellen dass viele hier in einer ähnlichen Situation sind und vielleicht schon etwas weiter wenn es darum geht sich vom Elternhaus zu befreien - und zwar emotional, ein einfacher Kontaktabbruch ist da denke ich keine richtige Lösung vom Elternhaus?

Danke schonmal :)

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#2
Mh, wie wär's, wenn du das ein wenig entspannter sehen würdest? Ich glaube, dass viele Mütter nie ein anderes Verhältnis zu ihren Kindern bekommen werden als "das sind halt meine Kinder, ich muss mich um sie kümmern, ich nennen sie 'schatz' auch wenn ich weiß, dass sie erwachsen sind".
Solange deine Eltern dich nicht einengen, dir 5 mal am Tag hinterhertelefonieren, dir vorschreiben wie du zu leben hast etc., find ich das alles soweit in Ordnung.
Zumal du dich ja eh schon sehr von deinen Eltern distanziert zu haben scheinst.

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#3
Hey!

Kenne ich nur zu gut. Ich wohne seit Jahren nicht mehr bei meinen Eltern und dennoch haben wir mittlerweile wieder jeden Tag Kontakt über whatsapp. Zumindest ich mit meiner Mutter. Ich kenne diese Nähe, diese erdrückende Nähe. Mich stört es auch und ich habe es ja erfahren müssen, dass nur räumliche Trennung nicht viel bewirkt. Innerlich muss die Trennung passieren und man muss verstehen und auch fühlen, dass du und deine Mutter zwei verschiedene Individuen sind. Jeder trägt die Verantwortung für sein Leben und das heißt auch, dass man anderer Meinung sein darf (damit habe ich Probleme) und dass man seine Problem von denen der Mutter trennt. Auch dass kann ich nciht gut, weil meine Mutter sich immer wieder unbewusst auf eine Art und Weise äußert, die mich triggert und mcih schuldig fühlen lässt und auch ängstlich, obwohl ich weiß, dass diese Worte aus ihren Ängsten heraus resultieren. Immer wieder Thema ist z.B. das Finanzielle. Ich studiere noch, weil ich vorher eine Ausbildung gemacht habe. Meine Mutter hat extreme existentielle Ängste, und sagt mir immer wieder, dass ich doch endlich ans Geld verdienen kommen muss, dass ich niemals mich von meinem Freund abhängig machen darf und wenn sie mitbekommt, dass er z.B. jetzt alleine in den Urlaub fährt und ich nicht mitkomme, auch aufgrund des Geldes, sagt sie wieder bestimmte Dinge und mischt sich rein...also, sich dann zu sagen: Es ist ihre Meinung und nicht meine...puhh :(

Wie belastet sie dich denn? Habt ihr oft Kontakt?
Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muß man es aber vorwärts.

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#4
hm, also ich sehe es ein wenig so wie christie, und kann das problem erstmal nicht so recht nachvollziehen. vielleicht solltest du es etwas besser schildern, damit wir dir folgen können. so an sich gesehen glaube ich nämlich auch, dass du das vielleicht etwas sehr eng siehst, weil die geschilderten dinge für mich jetzt keinerlei anlass zur beschwerde wären.

ich glaube ich kenne keine einzige mutter auf der welt, die NICHT enttäuscht wäre, wenn man das erste weihnachtsfest ohne die familie verbringt. ich mein, ich bin jetzt 28 und fahre zu weihnachten immernoch zur familie bzw zu meiner mutter, und auch viele freunde in meinem alter finden es völlig selbstverständlich, die feiertage mal wieder bei den eltern zu verbringen. für deine mutter ging damit sicherlich irgendwo eine ganze ära zuende, da finde ich es völlig normal, dass sie nun versucht sich das schönzureden.
auch nennt mich meine mutter immernoch "mein kind" oder je nach situation auch mal "schatz" oder sonstwas.. ich würde nie auf die idee kommen, plötzlich zu verlangen dass sie mich mit dem vornamen anspricht, sofern sie mich mit diesen kosenamen nicht unbedingt durch die ganze nachbarschaft ruft oder mich auch in unangebrachten situationen so nennt.

ein bisschen erinnert mich das an meine teenagerzeit, in denen man auf jeden fall ganz schnell ausziehen wollte und die anrufe der eltern am besten ignoriert hat und weihnachten lieber abends noch in die disco wollte, statt mit der familie bei tische zu sitzen. ich kenne das also sehr gut. nur frage ich mich heute, was damals eigentlich los war mit mir und warum ich jetzt erst begreife, wie wertvoll eine familie ist.

im übrigen, und das hat meine sicht auf vieles auch verändert, hat meine mutter jetzt zwei pflegekinder bei sich zu leben, beide im teenageralter. wir verbrachten die feiertage alle zusammen. und während ich mich freute, die eingepackten geschenke von meinen eltern auszupacken, oder die langen spaziergänge mit meiner mutter genoss, oder während ich über kindheitserinnerungen lachte, hatten die beiden schon großes glück, überhaupt wieder in einer familie sein zu dürfen. sie sind drauf angewiesen, dass wir sie aufnehmen und behandeln wie richtige familienmitglieder, sie packen geschenke aus, die nicht 'mama', sondern eine pflegemutter eingepackt hat, sie schlafen in betten, die ursprünglich eine fremde frau vor ihrem einzug bezogen hat, sie werden immer die zwei am tisch sein, die nicht mitlachen können wenn es um alte erinnerungen geht, sie werden immer spüren, dass die bindung zwischen ihnen eine andere ist als die zwischen mir und meinen eltern. sicher, im laufe der jahre verwächst sich das ein bisschen, das verhältnis wird inniger, aber es wird nie das selbe sein - und genau das hat mir die augen dafür geöffnet, WIE gesegnet man allein dadurch ist, dass es da eine frau gibt, die nicht aufhören will dich "schatz" zu nennen und für die weihnachten nicht vollständig ist, wenn du es woanders feierst....

(und damit wir uns nicht falsch verstehen, auch ich habe natürlich mit den üblichen problemen zu kämpfen, auch ich bin oft mit meinen eltern aneinandergerasselt, es gab tränen, sogar vorzeitig abgebrochene urlaube. aber ist das denn alles wirklich soooo schlimm wenn mans mal im großen und ganzen betrachtet?)
Zuletzt geändert von schnuetchen am Di Dez 30, 2014 23:21, insgesamt 1-mal geändert.

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#5
Also ich verstehe dich da. Habe das Problem nicht mit meinen eltern, sondern beobachte es bei meinem freund und der ist eben schon 30. Schon entfernungsbedingt sehen wir seine eltern nicht so oft. Und tägliche anrufe finden auch nicht statt, aber es gibt eben auch helikopter-eltern, die aus der ferne agieren. Drohnen-Eltern ist vielleicht ein passender begriff. Sie überschreiten den schmalen Grad von eben das Kind sein und jemanden nicht wie einen wertigen erwachsenen behandeln. Ich glaube das kann man schwer beschreiben. Ich glaube tatsächlich auch, dass da nur klare worte helfen. Wie du es deiner mutter geschrieben hast. Bei den standart eltern mag ein 'schätzchen' nicht das problem sein, aber solche eltern wie du sie beschreibst muss man durch solche bitten, wie die beim vornamen genannt zu werden, zeigen dass man eine persönliche grenze zieht. Niemand meint es böse auch deine Mom nicht. Aber ihr müsst euch alle wohl fühlen... sei standhaft und hab geduld. Liebe Grüsse. Wollsocke
anybody listen?

sleeping awake.

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#7
Hallo,

danke für eure Antworten!!!
Gerade Wollsocke - oh man, Standhaftigkeit und Geduld kommen mir gerade sehr wertvoll vor!

Oh man, ich kann mir vorstellen, dass sich das ein bisschen wie Teenager Gerede anhört. Ich hatte das so geschrieben in diesem Forum, weil ich die Details am liebsten gar nicht erinnere oder aufschreibe (und meine Verdrägungsmethode dürft ihr jetzt erraten......), von daher die sehr kurze Version.
Also dies ist leider kein Teeniegerede, schön wärs, wirklich. Mit "Für meine Mutter bin ich das Einzige" übertreibe ich leider überhaupt nicht. Aber nicht ich als Person oder in einem gesunden Sinn wie das Kind jeder Mutter der, oder einer der, wertvollsten Dinge in ihrem Leben ist (hoffentlich!).
Die Tatsache dass sie Mutter ist, ist ihr Leben. Dabei geht es in keiner Weise um mich als Person. Um das etwas zu veranschaulichen: Ihr Kind wie sie es sieht ist kreativ und musikalisch. So beschreibt sie mich, sieht sie mich, es ist völlig egal was ich tue oder sage. Die Tatsache dass mein Talent recht eindeutig in Mathe und Zahlenartigen Dingen liegt , und ich trotz tatsächlichem Interesse derartig unmusikalisch bin, dass ich in keiner Musikgruppe lange bleiben konnte, da ich meinem Alter einfach völlig hinterher war blendet sie komplett aus. Das ist nur ein Beispiel. Ich habe ihr damals als ich durch eine anorektische Phase ging mal davon erzählt. Aber das, und viele andere Dinge die nicht in ihre Vorstellung passen, wurde mit folgenden Worten abgelehnt "Das sagst du nur um cool zu wirken". Meine ganze Klasse, inklusive Lehrer und Kinderarzt haben damals mit mir geredet weil mein Gewicht schon unter dem UG war und im anorektischen Bereich lag. Und das hatte nichts mit meinem Stoffwechsel zu tun. Aber für sie war das nur Gerede. Denn ihre Tochter ist ja so und so.... .
Ich hoffe, dass verdeutlicht es ein bisschen mehr. Helikopter Eltern trotz Entfernung trifft es vollkommen.

Momentan merke ich immer mehr wie sich meine Bulimie auf diesen Konflikt beschränkt. Soll heißen, dass ich soziale Isolation soweit ganz gut löse (also die Isolation löse), meine Bedürfnisse in unterschiedlichen Situationen inzwischen ganz gut und selbstbewusst äußere und Grenzen setzen kann ohne dabei, wie es anfangs noch war, dies mit Gezicke oder kindlichem Benehmen zu tun, sondern sehr verständnisvoll und respektvoll dabei zu bleiben. (wie ihr euch vorstellen könnt, schreib ich gern davon weil ich stolz darauf bin).
ABER nichts scheint bei meiner Mutter anzukommen - bzw. nichts zu passieren. Ich lasse an dieser Stelle immer noch alles über mich ergehen. Ihre cholerischen Wutausbrüche, Launenhaftigkeit, alles. Und ich kann einfach nicht mehr an dieser Stelle, das muss sich ändern. Da ist der Wunsch mit dem Vornamen angesprochen zu werden eben ein erster Schritt (sie hat seit Jahren nur noch "mein Schatz" gesagt. Also nicht zwischendurch mal oder so, sondern exakt NUR mein Schatz). Die Antwort auf meine Bitte per Mail darauf kam inzwischen "Hi mein Schatz,
vergiss es, ich bin Deine Mutter und das auch noch wenn ich 100 Jahre alt bin, also bleibt es bei Mama, dass hat auch nichts mit erwachsen sein zu tun!!!!!"


Ich würde mich freuen, wie es hier auch schon etwas angefangen hat, von Euren Situationen zu hören, da viele bestimmt an unterschiedlichen oder ähnlichen Prozessen in diesem Fall sind. Bulimie und Helikoptermutter glaube ich (ich weiß es natürlich nicht) sind nicht so selten. Jeder hilfreiche Tipp, jede Erfahrung, Motivation, oder Kritik zum Nachdenken oder als Hilfe zum Einschätzen (ich habe ja nur eine Mutter, soviel Ahnung vom "normalen Standard" also nicht ;) ) schätze ich wirklich sehr!

Jetzt bin ich nicht so sehr auf alle Antworten eingegangen, ich hoffe, aber die Situation ist ein bisschen klarer?

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#8
Und yay noch eines. Mir ist es so unangenehm hier lange Nachrichten zu posten, aber es endet irgendwie in einem langen Brei ohne zum Punkt zu kommen dann, also genau der gegenteilige Effekt.

Es ist als würde ich mit meiner Mutter in einer kranken Art von zu naher Symbiose leben und wenn ich vollkommen von der Bulimie loskommen möchte und ICH sein möchte kann ich ihr nur weh tun (da ich ja dann ich als Person lebe und nicht versuche ihre Vorstellung von mir zu erfüllen) während das Leben in dieser Symbiose welches meine Mutter erhält und nährt mich aufrisst. Sogar etwas buchstäblich, wenn man mal so das Kotzen bedenkt.

Das musste jetzt noch raus, denn irgendwie geht es für mich komplett darum. Irgendwer der sich darin wieder findet zufällig ? :/

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#9
Ich verstehe die Ausmaße des Konflikts, wie du sie scheinbar verspürst, immer noch nicht ganz.

Die Antwortmail deiner Mutter hat sich für mich so angehört, als habe sie es so verstanden, dass du sie beim Vornamen nennen willst, nicht andersrum ('es bleibt bei Mama, auch wenn du erwachsen bist' = ich bin "Mama" für dich, nicht Evelyn, Sonja oder Ulrike).

Und wenn ich es richtig verstehe, ist es deiner Mutter im Endeffekt ja eh ""egal"", was du tust und wie du dich entwickelst, sie hat eh ihre Vorstellung von dir als Person.
So gesehen kannst du ihr ja gar nicht wehtun, sie scheint sich ja ihre Illusion nicht kaputtmachen zu lassen.

Kann es sein, dass das Problem eher darin besteht, dass du dir Anerkennung von deiner Mutter wünschst? Dass sich dich so sieht, wie du wirklich bist und das wert schätzt?

Denn nach einer Helikoptermutter klingt sie mir nicht. Das wäre sie, wenn sie täglich zweimal anrufen würde, deine Freunde unbedingt kennenlernen müsste, deine Kontoauszüge überprüfen würde, Jobs für dich suchen etc.

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#10
hm, vielleicht sehe ich das auch ein wenig ähnlich wie christie, weil ich grade verdammt viele junge mütter bzw werdende mütter im freundeskreis habe, und bei allen liest man nur sowas wie "jetzt weiss ich, warum ich lebe!", "mutter sein ist das GRÖßTE!" oder "erst jetzt weiss ich, was liebe ist!".. ich wollte und will keine kinder, aber bei all dieser euphorie glaube sogar ich langsam, das ändert lebenssinn und -wahrnehmung. warum sollte denn dieses gefühl dann irgendwann nachlassen, nur weil kinder und eltern älter werden? sicher, eltern und kinder sollten von natur aus dann irgendwann ein bisschen loslassen, aber ich glaube du kannst nicht von einer mutter erwarten, dass sie irgendwann dieses gefühl für ihr kind nicht mehr empfindet.
gut, dass sie deine interessen nicht so wahrnimmt ist schon irgendwo ne merkwürdige erscheinung, aber ich glaube das ändert sich erst recht nicht, wenn du jetzt auch noch distanz suchst. ich würde sogar fast sagen, da fehlt es an der richtigen form von nähe.
ich hatte auch schon oft und schwierige probleme mit meiner mutter, die typischen konflikte, und noch dazu sind wir uns in negativen eigenschaften sehr ähnlich und dann knallt es (im übertragenen sinne) schonmal ziemlich heftig. ich hatte sehr lange auch das gefühl, dass ich als mensch weniger wahrgenommen werde, weil meiner mutter anscheinend zunehmend wichtig war, wies bei der jobsuche läuft, dass dies und das und jenes funktioniert und so weiter. damit war ich tatsächlich auch ein bisschen überfordert. es ging bei anrufen weniger drum wie mein tag so war, sondern eher ob ich mich denn inzwischen endlich bei xy beworben hätte. selbst mein wintermantel war zu dünn für den winter, so könne ich doch nicht rausgehen wenns kalt wird. super anstrengend, versteh ich.
was unser verhältnis zunehmend gestärkt hat war allerdings tatsächlich, dass ich den kontakt gesucht habe. wenn ich ein paar tage dort war, sind wir viel spazieren gegangen, ich schreibe ihr auch mal einfach nur belanglose kleinigkeiten (der und der film läuft, schau ihn dir mal an, der wird dir gefallen etc).. ich habe den fokus also ein bisschen auf meine person und nicht auf meine handlungen gelenkt, bzw ich habe einfach nicht mehr zugelassen dass es nur noch um druck und lebensplanung und karriere geht, sondern dass wir schritt für schritt auch zu zwei menschen werden, die miteinander über ihr leben reden. das ging nicht von heut auf morgen sondern hat natürlich sehr lange gedauert, aber inzwischen klappt es ganz gut.
sie nennt mich auch weiterhin immernoch zu jeder gelegenheit "mein kind" und manchmal sogar noch "baby", was mich überhaupt nicht stört, weil ich das schon als spitzname a la dirty dancing akzeptiert habe hehe ;) meinen vornamen höre ich wirklich nur zu offiziellen anlässen. aber es hätte niemandem was gebracht, wenn ich jetzt drauf plädiert hätte, dass sie mich beim vornamen nennt. es hätte für distanz gesorgt, und wie kann ich dafür sorgen dass meine mutter mich endlich als eigenständigen menschen wahrnimmt bzw den menschen sieht, der hinter der jobsuche und den kalten wintermänteln steht, wenn ich sie wegstosse? sie wird dich nicht besser wahrnehmen, wenn du sie auf abstand hälst - in meinen augen wäre es da viel sinnvoller, ihr mal ihre tochter endlich wirklich vorzustellen. bei langen spaziergängen, bei witzigen emails etc... zeig ihr nicht nur bei diskussionen am telefon wer du bist, sondern ruhig im ganzen leben. :)

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#11
Hallo Mallie,

ich kann Dich da auch gut verstehen. Meine Mutter ist auch sehr schwierig. Sie hat selbst psychische Probleme, sieht das aber gar nicht ein. (Ihr einziges Problem sind ihre Umstände. :roll: ) Das kann einen wirklich wahnsinnig machen. Außerdem bin auch ich, seit es mich gibt, ihr emotionaler Lückenbüßer. Dadurch, dass sie nicht an Gott glaubt, klammert sie sich mit ihrer Liebe und ihren emotionalen Bedürfnissen an mich. Damit kann ich aber überhaupt nicht umgehen. Gibt man ihr den kleinen Finger, nimmt sie sich die ganze Hand. Sage ich ihr, ich gehe um 21:00 Uhr, verstrickt sie mich garantiert so ins Gespräch, dass ich nicht gehen kann ohne grob unhöflich zu sein. Obendrein beobachtet sie alles und kommentiert alles. Und sie sagt nicht, was sie erwartet, sondern meint, man kann ihr das ansehen. Sieht man es ihr nicht an, ist sie angepisst. Ziemlich schwierige Kombination also.

Nachdem ich Knall auf Fall ausgezogen war als Erwachsene, habe ich erstmal den Kontakt vollständig beendet. Ich dachte, dass ich dann endlich von ihren Gedankengängen frei werden kann. Leider hörten Sätze wie "Du kannst nichts, du bist nichts und aus dir wird auch nichts", "Du bist immer so unpraktisch", "Kannst Du nicht ein Mal normal reagieren?", "Du faules Stück Dreck", "Dir gehört eine ordentliche Tracht Prügel", "Euch fehlt der Vater, der euch mal richtig verdrischt", "Du bist so faul", "Du denkst immer nur an Dich" nicht auf, in meinem Kopf zu spuken. (Wohingegen sie sich längst nicht mehr daran erinnern kann und sich für eine gute Mutter hält.)

Nach meiner Bekehrung habe ich dann wieder mich mit ihr versöhnt. In der Bibel steht schließlich, "Du sollst Vater und Mutter ehren". Das hat auch funktioniert: Die ganzen Missverständnisse und ständigen gegenseitigen Vorwürfe hörten auf. (Praise God.) Wir beide waren froh, dass sie nicht stirbt während wir miteinander verstritten sind. Ich kenne jemanden, dem genau das passiert ist: Er hat sich mit seiner Mutter am Telefon gestritten. Am nächsten Morgen erfuhr er, dass seine Mutter gestorben ist. Sie konnten sich also nie wieder versöhnen. Muss grausam sein. Weil weder meine Mutter noch ich das Gleiche erleben wollen, geben wir uns halt Mühe.

Es ist für mich sehr schwer, einen Grad zu finden zwischen "sie nehmen wie sie ist" und dem Versuch, sie wenigstens ein bisschen korrigieren zu wollen von ihren Abwegen, mit denen sie sich und der Umwelt schadet. (Sie ist auch eine ausgeprägte Schwarzseherin.) Ich halte mir dann immer vor Augen, dass ich schließlich auch mal so war wie sie. Außerdem versuche ich, positive Aspekte an ihr zu finden, oder ihre Intention zu sehen, statt der tasächlichen Handlung. Ansonsten betrachte ich meine Mutter als geistliche Reifeprüfung. An ihr beweist sich, ob ich wirklich geduldig, beherrscht und gütig bin. Nicht zuletzt denke ich an meine fette Belohnung im Himmel, die ich kriege, wenn ich es schaffe, hier auf Erden liebevoll zu meiner Mutter zu sein. Und ich erinnere mich daran, dass Gott sie genauso liebt wie mich. Und dass echte Liebe nicht basiert darauf, was die andere Person getan hat, sondern eine Entscheidung ist von derjenigen Person, die liebt.

Liebe Grüße

Sophie
Zuletzt geändert von Sophie11 am Fr Jan 02, 2015 17:29, insgesamt 1-mal geändert.
So spricht der Herr: "[...] Nein, wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, daß er klug sei und mich erkenne, daß nämlich ich, der Herr, es bin, der auf Erden Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft!" (Jeremias 9,22-23)

Re: wie geht ihr mit euren Eltern um..?

#12
Hallo zurück -
ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll! Danke für eure Antworten, und dadurch dass sie ja teils sehr unterschiedlich sind fällt es mir etwas leichter, meine Situation aus etwas anderen Sichtweisen zu sehen.
Und wenn ich es richtig verstehe, ist es deiner Mutter im Endeffekt ja eh ""egal"", was du tust und wie du dich entwickelst, sie hat eh ihre Vorstellung von dir als Person.
So gesehen kannst du ihr ja gar nicht wehtun, sie scheint sich ja ihre Illusion nicht kaputtmachen zu lassen.
Das ist eigentlich genau mein Punkt. Solange ich mich in dieser "Illusion gefangen" fühle wie es derzeit war richte ich halt viel Wut gegen mich selbst wenn ich dieser Illusion nicht gerecht werde - da hilft das rationale Verständnis (es ist ihre Illusion und nicht mein Leben) leider herzlich wenig. Wenn ich aber ihre Illusion zerbreche weil ich mein Leben so lebe wie ich es möchte tue ich ihr weh. Mit "Mein Leben leben wie ich es möchte" meine ich nicht selbstständiger werden, sondern mich nicht von ihr verletzen lassen, bzw. eine Grenze setzen. Ich habe halt immer alles über mich ergehen lassen weil sie so extrem hysterisch ist und gefangen in ihrem schwarz weiß Denken, dass ein Gegenanreden einfach zwecklos schien. Dass sie alles von ihr aus entschuldigt weil sie glaubt Babys suchen sich die Eltern aus und entscheiden sich somit für ihr Schicksal finde ich zwar krass absurd, bzw. wie sie diesen Glauben für ihre Fehler und Probleme m*ssb**ch*, aber ich habe da nie etwas gegen gesagt um nicht ihrem Unwillen ausgesetzt zu sein. Und dann ging die Wut aber danach gegen mich. Aus diesem Teufelskreis versuche ich eben gerade auszubrechen.

Sophie - darf ich ein bisschen mehr zu diesem Satz erfahren?
Nach meiner Bekehrung habe ich dann wieder mich mit ihr versöhnt. In der Bibel steht schließlich, "Du sollst Vater und Mutter ehren". Das hat auch funktioniert: Die ganzen Missverständnisse und ständigen gegenseitigen Vorwürfe hörten auf.
Ich würde mich sehr gerne mit meiner Mutter versöhnen, bzw. wir sind nicht im direkten Streit, aber es gibt genug Vorwürfe (von ihr ausgesprochen, von mir in Gedanken) die unserer Beziehung eben stark im Weg stehen. Was deine Mutter zu dir sagte und wie es dir folgte kann ich gut nachvollziehen und ich würde mich freuen zu hören, wie ihr den Weg zueinander gefunden habt (bzw. mehr dazu).

Schnuetchen -
warum sollte denn dieses gefühl dann irgendwann nachlassen, nur weil kinder und eltern älter werden?
Dem stimme ich komplett zu. Aber Kinder sollten das Gefühl erzeugen weil sie existieren finde ich, nicht weil sie als Statussymbol m*ssb**ch* werden können. Das hört sich krass an, aber so behandelt mich meine Mutter eben. Wenn sie erzählt wie sie das Mutter werden erlebt hat geht es eben nicht darum, einen Menschen bedingungslos zu lieben. Es kommen leider NUR Erzählungen im Sinne von "als Mutter wird man direkt anders gesehen und behandelt, das war ein unglaubliches Gefühl, man bekommt viel mehr Hilfe und Respekt" oder "es ist so ein besonderes Gefühl zu einem Kind weil es der Einzige Mensch ist der dich wirklich liebt - bei allen anderen nahen Menschen ist es ja immer möglich, dass sie einen verlassen". Ich bemängle nicht, dass meine Mutter mich nicht liebt. Ich bemängle, dass sie es liebt eine Mutter zu sein und nicht ein Baby zu "haben". Ich hoffe, dass dieser Erklärungsversuch zumindest etwas geschickter als die vorigen Versuche ist. Wollsocke konnte das in ihrer Antwort ganz gut find ich
Sie überschreiten den schmalen Grad von eben das Kind sein und jemanden nicht wie einen wertigen erwachsenen behandeln. I
Schlafquala, ich kann deine Situation glaub ich ganz gut verstehen.
Auch dass kann ich nciht gut, weil meine Mutter sich immer wieder unbewusst auf eine Art und Weise äußert, die mich triggert und mcih schuldig fühlen lässt und auch ängstlich, obwohl ich weiß, dass diese Worte aus ihren Ängsten heraus resultieren.

Meine Mutter manipuliert mich auch nicht bewusst oder mit irgendwelchen bösen Wünschen. Vieles ihrer Manipulationen kann ich sogar viel besser verstehen als sie, zum Beispiel wenn sie mich versucht mit Worten "Menschen die sterben bereuen am meisten ihre Familie nicht oft genug besucht zu haben" zu einem Urlaub bei sich zu überreden. Sie spricht mit niemandem in ihrer sehr großen Familie mehr außer ihrer Schwester und hat auch weder einen Partner noch enge Freunde. Ihre recht extremen Verlustängste ihrer Schwester und mir gegenüber resultieren dann aber leider in solchen klammerartigen Sätzen. Trotz dieser Sichtweise (ich glaube ja nur dass das der Grund ist, Wissen kann man es wohl kaum) vergesse ich derartige Kommentare offensichtlich nicht.

Ich denke inzwischen auch mehr darüber nach, ob mehr emotionale Distanz das Verhältnis nicht noch mehr strapaziert und inwiefern ich mich noch von dem Wunsch nach ihrer aufrichtigen Anerkennung lenken lasse. Da ich aber natürlich nicht denke sie ändern zu können und sie leider so extrem festgefahren in ihren Gedanken ist fällt es mir halt einfach schwer damit umzugehen. Meine bisherige Strategie "Es über mich ergehen zu lassen" lässt sich leider wohl schwer mit gesund sein verbinden für mich und das Gegenanreden (damit meine ich übrigens keine Debatten - es sollte natürlich schon zu beiderseitigem Verständnis führen) kann ich mir Kräfte mäßig kaum vorstellen - noch.
Das Reflektieren, beim Aufschreiben und als Kommentare zu euren Antworten tut echt total gut, tausend Dank dafür!