Krankheit?

#1
Guten morgen ihr lieben,

mal wieder etwas von mir :)

Was ich mich schon länger gefragt habe, wie seht ihr eure bulimie?

ICh empfinde sie nicht als Krankheit. Klar, ich leide darunter und es ist etwas, was mich krank macht. Allerdings bin ich nicht einfach so erkankt, sondern ich habe es mir ausgesucht.
Im Moment denke ich, es ist purer egosimus.
Andere Menschen verhungern in der 3. Welt. Ich fresse und kotze dann. Wieso?

Gott sei dank bin ich gesundheitlich bis jetzt (habe nun ziemlich genau ein jahr bulimie) mehr und weniger verschont geblieben. Klar, ein paar schäden da und ein paar schmerzen dort. Aber nichts tragisches. Hauptsächlich macht mia meine Psyche kaputt. Ich fühle mich wie ein unbedeutsames, kleines aber dickes Teilchen, dass orientierungslos in einer grausamen Materie schwimmt. ICh gehe offen damit um - heißt ich posaune zwar nicht heraus, dass ich bulimie hab, gehe aber davon aus das es die meisten wissen und lebe einfach mit dem gedanken. Ich habe auf der einen seite ein großes bedürfnis über meine probleme zu reden, aber im nächsten frage ich mich ob ich überhaupt darüber reden darf, ich meine, wie abartig ekelhaft bin ich eigentlich?

Kennt ihr das?
Wie gehts ihr damit um?
Everyone says: "Destroy what destroys you",right? But what if the thing destroying you is yourself?

Re: Krankheit?

#2
es geht mir eigentlich genauso. ich habe immernoch das gefühl, ich mache das irgendwie freiwillig. ich bin damit schon oft angeeckt, aber ich kann dem ausdruck "bulimie haben" irgendwie nichts abgewinnen. das klingt nach einem so passiven ding, als wäre es eben da. aber es ist nicht da, sondern ich hole es aktiv immer wieder herbei. würde ich es aussprechen müssen würde ich wohl eher sagen, ich "praktiziere bulimie" - das finde ich irgendwo treffender.

natürlich weiss ich, dass das nicht so ist und man muss mir jetzt auch nicht mit der üblichen psychische-krankheit-diskussion kommen weil ich weiss, dass es so einfach wie oben beschrieben nicht ist, aber es ist zumindest mein empfinden was die situation angeht.

Re: Krankheit?

#3
mäuschen, du nennst deine Essstörung "mia"? Das klingt als wäre sie deine niedliche kleine Freundin. Total süß.
Mag ich gar nicht.

Zum Thema Krankheit oder nicht: Ich find, dass es viel zu viele gibt, die sich auf dem Status "Ist ja ne Krankheit, ich armes Opfer" ausruhen und es als Begründung nehmen, nichts gegen die Störung tun zu müssen.
Andererseits haben wir uns die ES natürlich auch nicht ausgesucht (wer frisst und kotzt schon freiwilig? wer lebt schon gern mit Schlafstörungen, Magenproblemen, schlechten Zähnen, sozialer Isolation etc.?)
Aber was wir uns eben aussuchen können, ist, in der Krankheit zu verweilen und nichts dagegen zu tun - oder eben auch das Gegenteil!

Re: Krankheit?

#4
hallo ihr zwei,

Ja, da habt ihr recht.

christie - ja, nur den einstieg haben wir geleistet. keiner kotzt zufällig und wird dann bulimiker.

Und ich denke mir manchmal. wieso höre ich nicht einfach auf? die *kg unterschied nimmt keiner wahr. und es wäre mehr lebensqualität. wieso plane ich ess-brech-attaken? wieso plane ich nicht nur mahlzeiten?

und wegen mia - nein, eigentlich nicht. nur als ich den text geschrieben hab ging mir der ausdruck bulimie schon so auf die nerven :D

aber wenn es eine krankheit wäre, würde ich dann nicht um jeden preis aufhören wollen?
Everyone says: "Destroy what destroys you",right? But what if the thing destroying you is yourself?

Re: Krankheit?

#5
Tja, es ist auf alle Fälle eine Störung, eine Sucht.
Und wie bei (ich denke mal) jeder anderen Sucht auch, hat man sie aus einem bestimmten Grund.
Sie steht für etwas, fungiert als etwas und genau das ist der Grund dafür, dass du scheinbar nicht damit aufhören willst.

Gesund bist du / sind wir jedenfalls nicht.

Re: Krankheit?

#6
Christie, die Bulimie ist für mich ein weg zur lebensbewältigung.

Ich bin, genau wie meine Mutter, ein choleriker. Ein ziemlich starker. Sie kompensiert es indem sie auf andere losgeht und prügelt, ich in dem ich mich selber zerstört (Borderlinehallo)

Ich frag mich nur wie das weitergehen soll. Ich kann nicht mein ganzes Lebens mit Bulimie verbringen....oder?

Hat jemand erfahrung damit?
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Re: Krankheit?

#7
christie genau das ist es ja: ich denke sehr oft, ich hätte mir das selbst ausgesucht. und um genau zu sein suche ich es mir jeden tag wieder aus. ich glaube schon, dass ich damit aufhören könnte, wenn ich wollte. ich will nur eben nicht.

btw der ausdrück mia kommt aus der p*** szene und ist in den letzten jahren ein kürzel unter bulimie betroffenen geworden. das kommt nicht von mäuschen ;)

Re: Krankheit?

#9
Ich misch mich hier auch mal ein. :)

Die Bulimie seh ich als eine Art Sekundärerkrankung, vielleicht sogar eher als ein Symptom für etwas das im Leben fehlt oder falsch läuft.

Das primäre Problem ist, glaube ich, meist ein sehr niedriges Selbstwertgefühl, dessen Ursprünge ganz unterschiedlicher Natur sein können.
Ich habe auf der einen seite ein großes bedürfnis über meine probleme zu reden, aber im nächsten frage ich mich ob ich überhaupt darüber reden darf, ich meine, wie abartig ekelhaft bin ich eigentlich?
Liebes mäuschen,

DU als Mensch bist ganz und gar nicht ekelhaft! Irgendetwas in der Vergangenheit hat bewirkt, dass du dich selbst nicht leiden kannst und deshalb tust du dir selbst weh. Das ist nicht egoistisch sondern ein Zeichen von Verzweiflung.
Christie hat geschrieben: Aber was wir uns eben aussuchen können, ist, in der Krankheit zu verweilen und nichts dagegen zu tun - oder eben auch das Gegenteil!
Dem kann ich nur zustimmen!
Ein wichtiger Schritt raus aus der Bulimie ist es darüber zu sprechen, seine Sorgen nicht mehr in sich "hineinzufressen" sondern zu lernen andere Lösungsmöglichkeiten zu finden und zu lernen für sich selbst gut zu sorgen.

Re: Krankheit?

#10
da stimm ich flora zu.

ich seh es bei mir so: die eigentliche erkrankung bei mir ist das borderline syndrom. und das mündet wiederum unter anderem in bulimischem verhalten. das borderline syndrom verstehe ich auch wirklich als krankheit, als eine sache die nunmal gegeben ist und mit der ich lernen muss zu leben. bulimie nicht.

Re: Krankheit?

#11
Aber ist es nicht egoistisch, Kotzen als Überlebensstrategie zu nehmen?

Für mich ist die Bulimie wie gesagt für mich ein Mittel zum Zweg, aber wenn ichs nicht abstellen kann.

Könnt ihr mit anderen darüber reden?
Everyone says: "Destroy what destroys you",right? But what if the thing destroying you is yourself?

Re: Krankheit?

#12
Egoismus bedeutet „Eigennützigkeit“. Das Duden-Fremdwörterbuch beschreibt Egoismus als „Ich-Bezogenheit“, „Ich-Sucht“, „Selbstsucht“, „Eigenliebe“.

Also ich bin nicht der Meinung, dass die Bulimie von "Eigenliebe" zeugt!

Du hast geschrieben die Bulimie wäre für dich ein Mittel zum Zweck, aber ich frage mich welchen Zweck du denn mit diesem Mittel verfolgst?

Ja, ich weiß durchaus, dass es oberflächlich um´s nicht Zunehmen oder Abnehmen geht, aber warum spielt das Gewicht für dich so eine große Rolle?
mäuschen hat geschrieben: Könnt ihr mit anderen darüber reden?
Ja und seitdem ich das tue geht es mir deutlich besser.
Einerseits ist da die Therapie, die es mir ermöglicht über alles zu sprechen, andererseits bin ich auch viel offener geworden gegenüber meiner Familie und meinen Freunden. Teilweise rede ich mit ihnen auch über meine noch immer vorhandenen Sorgen im Hinblick auf das Essen, aber in erster Linie habe ich angefangen über meine Gefühle im Allgemeinen zu sprechen, insbesondere über meine Ängste, anstatt nach außen hin immer eine sorglose Fassade aufrechtzuerhalten, während ich dahinter immer einsamer wurde.

Überleg vielleicht mal wie du reagieren würdest wenn jemand aus deiner Familie oder aus deinem Freundeskreis mit einem Problem zu dir käme? Würdest du ihn oder sie verurteilen für das Bedürfnis danach sich auszusprechen?

Re: Krankheit?

#13
Du hast geschrieben die Bulimie wäre für dich ein Mittel zum Zweck, aber ich frage mich welchen Zweck du denn mit diesem Mittel verfolgst?
Ich benutze es um meine cholerische Art zu kompensieren. Meine Mutter schlägt um sich, ich gehe halt kotzen...Natürlich auch im abzunehmen, oder eben auch nicht (ich denke jeder, der bulimie hat, weiß dass es kein weg ist abzunehmen).

Warum mein Gewicht so eine große Rolle spielt...hmm. Ich weiß es nicht. Ich möchste irgendetwas in meinem Leben unter Kontrolle haben. ICh bin damals wirklich in die Magersucht hineingeschlittert, ich weiß nicht mehr warum mir mein Gewicht auf einmal so wichtig war. Früher hab ich mich (zu mindestens was das Gewicht betrifft) immer ganz wohl gefühlt und war zufrieden. Dann hat sich das schlagartig geändert und das ist eben bis heute geblieben, obwohl aus Anorexie Bulimie wurde.
Überleg vielleicht mal wie du reagieren würdest wenn jemand aus deiner Familie oder aus deinem Freundeskreis mit einem Problem zu dir käme? Würdest du ihn oder sie verurteilen für das Bedürfnis danach sich auszusprechen?
Ich bin DIE Anlaufstelle für Probleme in meiner Familie. ICh werde mit jedem scheißdreck belastet und bin immer Schuld. Ich bin ein Mensch der sein letztes Hemd für andere hergibt, aber für sich selbst keines mehr hat. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, für meine Freunde. Ich verurteile niemanden für irgendetwas - außer mich.

Was ich mich nur immer frage....Klar, für mich ist die Bulimie Alltag. Ich habe sie in mein Leben integriert und ich lebe damit, teilweise weil ich auch nicht ohne sie kann oder will. Äußerlich betrachtet ist es eine Essstörung - man isst und übergibt sich dann. Innerlich, wenn man genau darüber nachdenkt, ist es schon abartig. Ich meine, ich übergebe mich freiwillig und es ist normal für mich. Ich schlucke große Mengen Abführmittel und es ist normal für mich. Für andere ist es das aber nicht. Und das ist der Gedanke, der mich Bauchweh bereitet, wenn ich mir jemandem darüber gesprochen habe. Was denkt der über mich? Fragt der sich, warum ich so abartig ekelhaft bin? Weil ekelhaft ist die Bulimie schon.

Verstehst du meinen Standpunkt?
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Re: Krankheit?

#14
Du hast geschrieben die Bulimie wäre für dich ein Mittel zum Zweck, aber ich frage mich welchen Zweck du denn mit diesem Mittel verfolgst?
Ich benutze es um meine cholerische Art zu kompensieren. Meine Mutter schlägt um sich, ich gehe halt kotzen...Natürlich auch im abzunehmen, oder eben auch nicht (ich denke jeder, der bulimie hat, weiß dass es kein weg ist abzunehmen).

Warum mein Gewicht so eine große Rolle spielt...hmm. Ich weiß es nicht. Ich möchste irgendetwas in meinem Leben unter Kontrolle haben. ICh bin damals wirklich in die Magersucht hineingeschlittert, ich weiß nicht mehr warum mir mein Gewicht auf einmal so wichtig war. Früher hab ich mich (zu mindestens was das Gewicht betrifft) immer ganz wohl gefühlt und war zufrieden. Dann hat sich das schlagartig geändert und das ist eben bis heute geblieben, obwohl aus Anorexie Bulimie wurde.
Überleg vielleicht mal wie du reagieren würdest wenn jemand aus deiner Familie oder aus deinem Freundeskreis mit einem Problem zu dir käme? Würdest du ihn oder sie verurteilen für das Bedürfnis danach sich auszusprechen?
Ich bin DIE Anlaufstelle für Probleme in meiner Familie. ICh werde mit jedem scheißdreck belastet und bin immer Schuld. Ich bin ein Mensch der sein letztes Hemd für andere hergibt, aber für sich selbst keines mehr hat. Ich tue alles, was in meiner Macht steht, für meine Freunde. Ich verurteile niemanden für irgendetwas - außer mich.

Was ich mich nur immer frage....Klar, für mich ist die Bulimie Alltag. Ich habe sie in mein Leben integriert und ich lebe damit, teilweise weil ich auch nicht ohne sie kann oder will. Äußerlich betrachtet ist es eine Essstörung - man isst und übergibt sich dann. Innerlich, wenn man genau darüber nachdenkt, ist es schon abartig. Ich meine, ich übergebe mich freiwillig und es ist normal für mich. Ich schlucke große Mengen Abführmittel und es ist normal für mich. Für andere ist es das aber nicht. Und das ist der Gedanke, der mich Bauchweh bereitet, wenn ich mir jemandem darüber gesprochen habe. Was denkt der über mich? Fragt der sich, warum ich so abartig ekelhaft bin? Weil ekelhaft ist die Bulimie schon.

Verstehst du meinen Standpunkt?
Everyone says: "Destroy what destroys you",right? But what if the thing destroying you is yourself?