Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#1
Hallo :)

Kennt ihr das - ihr hab es ENDLICH einen Tag ohne überlebt und dann kommt dieses falsche Denkmuster, die Stimme, die dir flüstert: "Komm schon, du hast es einen Tag geschafft, du darfst die den FA jetzt gönnen... Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut..."

Und obwohl ich dieses Denkmuster genau kenne und weiß, wohin das zwangsweise führt, lasse ich mich darauf ein. Noch während ich esse, bereue ich es zutiefst. Und trotzdem lasse ich mich ständig davon verführen, von diesem verharmlosenden Gedanken.

Bin dem gerade mal wieder zum Opfer gefallen und frage mich, ob es euch eventuell auch so manchmal geht? Und was ihr dagegen macht (irgendein "Gegengedanke" in der Situation wäre nicht schlecht, aber so was fällt mir nicht ein, wenn ich fressen will, immer erst hinterher :x )

Grüße,

Heartbeat
Zuletzt geändert von Heartbeat am Di Jun 04, 2013 14:43, insgesamt 1-mal geändert.
Wir schlagen uns durchs Leben
Und das Leben schlägt zurück.
Doch manchmal schlägt's daneben,
Denn manchmal haben wir Glück!

Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#2
Ja das kenne ich..

Mir hat es geholfen, mir bewusst zu machen, dass ich mir mit einem FA nichts gutes tue.
Würde ich mir wirklich etwas gutes tun, würde ich mich massieren lassen, eine Wärmflasche machen, mich mit einem Buch ins Bett lege, usw.
Denn was machst Du da mit Dir? Du bist nicht lieb zu Dir, sorgst Dich um Dich, hilfst Deinem Körper zu entspannen, sondern Du stopfst ihn voll, damit Du nichts mehr fühlen musst und anschliessend kotzt Du alles aus. Das ist doch nicht nett Dir gegenüber?
Der Zustand, in dem ich alles an Essen da habe, ohne auch nur den geringsten Essdruck zu verspüren, ist mein normaler Zustand. Mein Körper sagt mir, was, wann und wie viel er will. Immer, wenn ich Essdruck verspüre ist etwas nicht in Ordnung.

Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#3
Bei mir ist es genau andersrum. Wenn ich einen Tag ohne geschafft habe, kommt plötzlich dieser Gedanke: "Ist schon lange her, dass du es getan hast. Warum nicht gleich so? Mehr, noch mehr, du musst unbedingt noch mehr Tage schaffen!" - das betrifft die Bulimie.

Was das Hungern betrifft, hat es neben dem Verfremdungseffekt ebenso ein Wettkampfdenken: "Du könntest * Tage schaffen, nichts zu essen!"

Besonders was das Hungern betrifft, erscheint mir dies eine sehr gruselige Sache zu sein. Jeden Tag kämpfe ich, mich dem Hungern nicht mehr hin zu geben.

LG
Zuletzt geändert von Caruso am Di Jun 04, 2013 15:00, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#4
JA, das kenne ich nur allzu gut! kaum lief es mal einen tag gut, habe ich mir gesagt, siehst du, du kannst es doch auch ohne, dann eben noch ein letztes mal... ich wusste natürlich im grunde, dass das selbstbetrug ist. meistens habe ich es auch nicht mal geschafft, einen tag ohne auszuhalten, weil ich es mir gar nicht wert war.

wenn man es dann wirklich mal längere zeit (bei mir setzte der effekt schon nach 1 woche oder so ein) ohne fa's geschafft hat und gemerkt hat, dass es einem so viel BESSER geht, ist es viel einfacher, es sein zu lassen.

"Mir hat es geholfen, mir bewusst zu machen, dass ich mir mit einem FA nichts gutes tue.
Würde ich mir wirklich etwas gutes tun, würde ich mich massieren lassen, eine Wärmflasche machen, mich mit einem Buch ins Bett lege, usw.
Denn was machst Du da mit Dir? Du bist nicht lieb zu Dir, sorgst Dich um Dich, hilfst Deinem Körper zu entspannen, sondern Du stopfst ihn voll, damit Du nichts mehr fühlen musst und anschliessend kotzt Du alles aus. Das ist doch nicht nett Dir gegenüber?"

damit ist im grunde schon alles gesagt! mit der bulimie macht man sich dermaßen kaputt, und sie zerfrisst auch den alltag total, man kann ihn nicht mehr meistern. ich für mich würde die liste übrigens noch um essen erweitern ;) das war auch eine wichtige erfahrung, zu entdecken, dass man lecker, gesund, und sattmachendend essen kann und es einem gut tut (und nicht "dick" macht).

(ob und wie lange man das gesunde/"normale" essen aushält, ist eine andere sache, aber wenn man aus der bulimie heraus mal die erfahrung gemacht hat, dass man den absprung schaffen kann, traut man es sich nach einem rückfall viel eher wieder zu, neu anzusetzen..)
Zuletzt geändert von aisle am Di Jun 04, 2013 19:35, insgesamt 1-mal geändert.
"Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden Gewohnheiten. Deine Gewohnheiten werden dein Charakter, dein Charakter wird dein Schicksal."

Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#6
"Ich schaffe es nicht mal 1 Tag ohne FA und kotzen."

:(

ging mir über 2 jahre auch so... man denkt nicht, dass man diesen kreislauf jemals durchbrechen kann, aber es geht wirklich. man muss nur die irrationale (!) angst vorm zunehmen ablegen (bzw. ignorieren), ein gesunder stoffwechsel nimmt von "normalem" essen nicht nur nicht zu, er braucht es auch. man darf sich dieses essen gönnen!! wenn es dir hilft, fang doch mit kcal-armen sachen an, bei denen du kein "schlechtes gewissen" hast. wenn du dann noch ein halbwegs normales bewegungspensum am tag hast (ich meine keinen extra sport), ist deine bilanz weniger oder gleich null. du wirst nicht zunehmen, aber mehr energie haben... es lohnt sich wirklich.
"Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden Gewohnheiten. Deine Gewohnheiten werden dein Charakter, dein Charakter wird dein Schicksal."

Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#7
Hey ihr :)

Danke für die Ideen... ich finde der Gedanke daran, dass ich mich kaputt mache, ist ein gutes Hindernis. Vielleicht mache ich mir einen Zettel, den ich an den Kühlschrank hänge, wo ich das drauf schreibe. Oder ich trag etwas mit mir herum, das mich daran erinnert. Im Grunde weiß ich es ja, dass ich mich mit diesem Gedanken betrüge, ich will's nur in diesem Moment, in dem es mir nicht gut geht, nicht wissen.

Meine Therapeutin "verbietet" mir manchmal solche Gedanken. Und wenn sie mir Vorschriften macht, kann ich mich viel besser dran halten. Das letzte Mal hat sie mir "verboten", wenn ich's versaut habe ein zweites Mal zu k* so nach dem Motto "Heute hab ich's eh verkackt..." Und siehe da: Ich geb mir plötzlich viel mehr Mühe, diese zweite Mal zu vermeiden.

@ bigmonster: Warst du schon einmal in einer Klinik? Ich habe vor etwa einem halben Jahr den Schritt gewagt, trotz großer Angst, dass ich dann wieder zunehme. Ich muss sagen, dass es mir wahnsinnig gut getan hat, es war die richtige Entscheidung. Ich habe dort nicht nur den Kreislauf durchbrochen, sondern auch viele, viele andere Dinge gelernt, wie z.B. mehr auf mich achten, besser mit Stress umzugehen...
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Re: Gestern hab ich ja nicht, also darf ich heute...

#8
Heartbeat hat geschrieben:Vielleicht mache ich mir einen Zettel, den ich an den Kühlschrank hänge, wo ich das drauf schreibe.
das habe ich auch gemacht. ich habe mir an mehreren stellen in der wohnung zettel aufgehängt, wo drauf stand, wofür es sich mit der bulimie aufzuhören lohnt, da sie mich komplett vom leben abhält, und "erinnerungen" à la: nach dem kotzen wird es dir wieder einfach nur schrecklich gehen, usw.

aber das hat allenfalls ein paar tage funktioniert. um dauerhaft auf die bulimie nicht mehr angewiesen zu sein, muss man, schätze ich, einfach lernen, mit den auslösern (stress, angst, einsamkeit etc.) umzugehen und sich selbst genug wert sein, seine gefühle wieder zu spüren (auch die negativen!!!) anstatt sie "weg"zufressen und auszukotzen...
Zuletzt geändert von aisle am So Jun 09, 2013 7:49, insgesamt 1-mal geändert.
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