Kontroll-Verlust bremsen

#1
Hallo.

Ich bin gerade dabei, meine jahrelange Bulimie zu bekämpfen. Das hat bisher überraschend gut (evtl. auch zu gut?) geklappt.
Ich hatte keinen Rückfall mehr und ich habe sehr gesund gegessen (immer ca. kcal *von guten Lebensmitteln - viel Gemüse, Obst, Hänchen/Jogurt/Hüttenkäse/Quark/Tunfisch, Haferflocken... etc.). Ich hatte natürlich auch Verlangen nach Süßem, dann habe ich oft Mandeln, Banane und Kakao-Pulver gegessen.
Gestern hatte ich jedoch einen Rückfall und ich denke ich weiß, woran es lag. Ich hatte nie schlechte Lebensmittel im Haus, sodass ich diese auch nicht essen konnte. Gestern jedoch kam ich in die Situation, in der ich vielen schlechten Lebensmitteln (genauer gesagt Süßigkeiten) ausgesetzt war und ich konnte mich nicht kontrollieren.
Daher wollte ich euch fragen, ob ihr evtl. Tipps habt eure Impulse zu kontrollieren, denn in Zukunft werde ich immer wieder solchen Reizen ausgesetzt sein und ich will auf keinen Fall, dass mir das noch einmal passiert. Ich will mich kontrollieren können.

Ich hoffe ihr könnt mir helfen.
Viele Grüße
Zuletzt geändert von Anonymous am Sa Jan 26, 2013 9:54, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Kontroll-Verlust bremsen

#2
HERZLICH WILLKOMMEN IM FORUM!!!

Ich hab Deine Mengenangabe editiert, weil Zahlenangaben hier nicht erlaubt sind.

Respekt, dass Du auf einem guten Weg bist!

Von mir selbst kann ich sagen, dass es aber weniger um Kontrolle geht sondern darum, keine "Angstlebensmittel" zu haben. Ich kenne das sehr gut, denn so wie Du es beschreibst, bin ich erst reingerutscht damals. Das Problem war allerdings weniger das "essen" oder "gesund essen", sondern mein Selbstbild und der Umgang damit.
Was uns unterscheidet ist die Tatsache, wozu wir diese Art des Umgangs mit gesunder Ernährung benutzen. Du suchst einen Weg aus der Bulimie. Bei mir war es der Weg rein.
Ich war bbei einer Ernährungsberatung damals, hatte einen super Plan und hab es durchgezogen. Und da kam mein "Kontrollzwang" zum Vorschein und mein Ehrgeiz, dass ich das durchziehe weil es funktioniert. Es hat ja auch funktioniert. Ich habe wirklich eine super Ernäährung gehabt, habe Sport gemacht, habe nie gehungert. Aber ich habe mir eben auch Dinge verboten. Die "bösen " Lebensmittel. Und was passierte? Meine Kontrolle ging flöten. Und das, obwohl ich einen Tag in der Woche hatte, wo ich mir alles erlaubt habe,was ich wollte. Auch die "bösen" Sachen.
Ich hatte Erfolg. Und dann kam sie: Die Angst, den Erfolg nicht halten zu können, weil ich merkte, ich bin im Kontrollwahn aus dem ich auch so nicht wieder rauskam. Ich kannte jede Kalorie von jedem Essen auswendig, ich war der lebende Taschenrechner und da kippte es irgendwann. FAs folgten. Eben WEIL ich diesen Ehrgeiz zur Kontrolle hatte. Und danach? Die Angst und Panik: Ach Du scheiße, wie gleiche ich DAS denn jetzt wieder aus. Ein Teufelskreis.
Ich habe sehr schnell mit einer Verhaltenstherapie begonnen. Ich konnte mich anfangs auch nicht damit anfreunden, umdenken lernen zu müssen. Zu lernen, dass ich vielleicht nen Denkfehler habe. Kontrolle wieder abgeben zu müssen. Wieder zuzunehmen durch das Umdenken. Sport zurück zu schrauben. Es hat gedauert und ich habe gelernt, dass nicht die Ernährung das Problem ist, sondern das Problem sehr tief in mir drin steckt. Ein steiniger Weg, aber er hat sich definitibv gelohnt. ich habe damals niemals geglaubt, dass ich z.B. Kalorienzählen jein den Griff kriege, weil es VÖLLIG automatisiert war. Ich musste dafür kaum denken, es ging von allein. Doch mit der Zeit ging das. Ich hatte so einige Rückschläge in der Thera, aber ich hab nicht aufgegeben. Bringt ja auch nix und ich schätze meine Stärke,mich nicht dauerhaft belügen zu könnnen jetzt noch mehr als vorher.
Du wirst IMMER wieder konfrontiert werden und Du musst irgendwie den Dreh kriegen, nicht alles als Bedrohung aufzufassen, was momentan als "verboten" gilt. Das macht den Reiz ja noch viel Größer. War bei mir zumindest so. Ich war auch mit ähnlichen Situationen konfrontiert. Ich hab lange mit Hilfe der Thera dran gearbeitet und ich hatte Erfolg. Nicht den gewünschten schnellen (meine Ungeduld ist noch immer mein größter "Feind";-))aber ich bin dran geblieben. DA hab ich mir meine "Kontrolle" anders zunutze gemacht.
Inzwischen kann ich seit über 6 Jahren sagen, dass ich gesund bin. Ich zähle nix mehr und ich esse was ich will und wann ich will. Ich verbiete mir NICHTS mehr. Aber ich sag Dir ganz ehrlich: Von der Einsicht, dass das Quatsch ist, bis zu dem Punkt, dass man das auch so leben kann, ist es kein Spaziergang.
Ich hab während der Therapie Ablenkungsmaßnahmen für mich entwickelt. Die wirst Du für Dich selbst finden müssen. Z.B. rausgehen, baden, what ever in der Lage ist, DICH abzulenken. Das ist aber nicht alles. Du musst deine Einstellung dazu ändern. Bei mir war es so, dass ich total stolz war, wenns mal klappte und irgendwie wurde es auch kein Weltuntergang mehr, wenn es mal nicht klappte. Ganz langsam änderte sich meine Einstellung dazu. Das geht nicht hopplahopp auch wenn ich Dir gern was anderes sagen würde.
Dein Problem bezüglich des Süßkrams bist DU SELBST, nicht der Süßkram. Wie oft hab ich mir gewünscht, dass es das ganze Zeug einfach nicht mehr gibt, der Süßigkeitenschrank auf der Arbeit, die Tanke zur Nachtzeit, die Supermärkte...aber das ist falsch. Das ist nicht das Problem. Problem ist die Einstellung dazu und die ist wahrscheinlich schwieriger zu verändern, als zu sagen: Das und das soll einfach weg.

Hast Du schon mal ne Therapie gemacht? Wäre es was für Dich?

Liebe Grüße von Kontrollfreak zu Kontrollfreak :)

Re: Kontroll-Verlust bremsen

#3
Vielen lieben Dank für deine Antwort,


das mit der Mengenangabe tut mir leid! Ich verstehe den Sinn der Regel und werde mich zukünftig daran
halten (ich habe nur die Kalorienangabe gemacht, damit ihr wisst, dass ich eine gesunde Menge versuche
zu konsumieren.)

Ich habe deine Nachricht sehr aufmerksam gelesen. Ich muss sie erst einmal etwas verdauen und mir dann
überlegen, was es für mich und mein Leben bedeutet. Denn ich kann jetzt schon sagen, dass du vermutlich
Recht hast, aber dass die Umsetzung einfach sehr schwierig sein wird und ich noch nicht so recht weiß, wie
ich damit beginnen soll.
Therapieerfahrung habe ich und ich kenne vermutlich die Beweggründe meines Verhaltens. Es ist einfach
schwierig diese Annahmen, die man über sich und die Welt hat, zu verändern... Deshalb dachte ich, ich
versuche es einfach mit einer konsequenten Lebens- und Ernährungsumstellung. Einfach ein GESUNDES
Leben etablieren.
Ich denke mein Verhalten kann man irgendwie mit Alkoholismus vergleichen. Alkoholikern wird erst einmal
Abstinenz empfohlen, um das Verhalten nicht mehr zu triggern. Und ungefähr so ist es bei mir mit Süßigkeiten.
Und ich dachte gesundes Leben ist ja eigentlich wünschenswert. Viel Gemüse, viel Obst, viel Protein, ausreichend
Kohlenhydrate und Fett. Dazu noch Bewegung, viel Wasser/Tee, Sonnenschein und Schlaf. Die Tatsache, dass man
nicht auf die Ernährung achten soll, widerstrebt mir. Gleichzeitig habe ich natürlich vollstes Verständnis dafür, dass
ein "Kontrollzwang" (Kalorien zählen und Verzichten) ja zu einer Essstörung führen muss.
Ich will weder das eine Extrem (Kontrollzwang) noch das Andere (völlige Kontrolllosigkeit)... ist das eine realistische Annahme oder
Verzerrung durch meine Störung?

Re: Kontroll-Verlust bremsen

#4
Hey ihr beiden,

ich habe grade eure Beiträge gelesen und war ziemlich...naja, geschockt... Es klingt zwar mega logisch, was ihr da schreibt, aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, NICHT darüber nachzudenken, was ich schon alles gegessen habe....

Um ehrlich zu sein...ich mache das at the moment genauso wie "HavaNads" früher... Ich habe einen Tag in der Woche, an dem ich essen darf, was immer ich möchte, und ansonsten nur gesunde sachen: also Obst, Gemüse, etwas Fleisch (möglichst fettarm), wenig Kohlehydrate (aber genügend, sodass es meinen Bedarf deckt)... Und eigentlich fühle ich mich auch gut damit.. Also, ich mache viel Sport (man sieht auch Ergebnisse:) ) und fühle mich wohl... Abgesehen von so manchem Abend an dem ich ins Bad gehe...
Ich habe bisher noch nie daran gedacht, dass gerade diese Kontrolle der Auslöser dafür sein könnte...-.- Ich dachte bisher eher, dass mir genau diese Kontrolle über mein Essverhalten sehr gut tut, und mich zu einem gesünderen Lebensstil im Allgemeinen führt..-.-

Wow...irgendwie muss ich darüber erstmal nachdenken...tut mir Leid, wenn das jetzt etwas ungeordnet ist, aber das wühlt mich wirklich auf-.-