Mein Verhältnis zum Essen

#1
Hallo an alle und erstmal ein frohes neues Jahr!

In meinem Beitrag sind die Angaben einiger Nahrungsmittel und einige Zahlen, aber ich hoffe, dass es so halbwegs okay ist:

Ich habe in letzter Zeit häufiger über mein Verhältnis zum Essen nachgedacht und wollte die Gedanken und Erfahrungen einfach mal aufschreiben, vielleicht kann mir ja sogar jemand helfen...

Nunja, mein Verhältnis zum Essen: Ich liebe es, bin unersättlich. Aber das nicht erst, seit meine Essstörung vor 8 Jahren voll durchkam, sondern schon seit ich denken kann. Für mich gibt es NICHTS anderes, das schöner ist. Essen beruhigt mich, macht mich glücklich und zufrieden. Satt kann ich schlafen, allen Stress vergessen. Essen nimmt mir die Angst vor allem und jedem.

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, spielt Essen eine wahnsinnig große Rolle. Fast alle Ereignisse sind mit Essen verbunden.
Wenn ich Geburtstag hatte, gab es Lieblingsessen und Süßkram. Und in der Schule habe ich Beutelchen mit Süßigkeiten verteilt.
Wenn es Zeugnisse gab, gingen wir immer in die Pommesbude.
Wenn es Samstag war, durften wir lange aufbleiben und es gab Chips und Fanta.
Wenn wir in den Freizeitpark gingen, haben wir fett belegte Butterbrötchen mitgenommen, die nachher richtig schön durchgeweicht waren.
Wenn Weihnachten war, hatten wir Schokokringel auf dem Teller und Mama hat Sahnepudding gemacht.
Wenn ich krank war, gab es sowieso alles was ich wollte zu essen. Yay!
Meist habe ich mich am meisten auf das Essen gefreut, das ich mit einem Ereignis verbunden habe. Z.B.: Juchu, wenn wir ins Freibad fahren, gibt es dort Currywurst und Softeis!
Auch sind die meisten Ereignisse in meiner Erinnerung ganz stark an das Essen gekoppelt. Als ich mit neun Jahren mit meiner Familie in den Bergen im Urlaub war, gab es dort eine Tropfsteinhöhle, die ich toll fand. Noch genauer erinnere ich mich aber, an den Kinderteller dort in einem Restaurant.
Wie wohl viele andere Kinder auch, bin ich früher mit jeder Mark, mit jeden fünfzig Pfennig, die ich bekommen habe, zum Tante-Emma-Laden und habe Weingummischnuller o.Ä. gekauft. Ich erinnere mich daran, dass ich mit 8 oder 9 Jahren mal allein zu Hause war, zum Bäcker um die Ecke gegangen bin und mir * süße Brötchen gekauft habe. Habe mir dann alle * Brötchen mit Käse belegt (!) und mich mit Tablett vor den Fernseher gesetzt. Dann kam meine Mutter nach Hause, hat den Berg Brötchen gesehen, mir ihn weggenommen und mich angemeckert. Ich Vielfraß.

Bis in meine Jugend gab es bestimmt nicht viele Tage, an denen ich mal nichts genascht habe. Meine Eltern sind aber auch kein Paradebeispiel für gesunde Ernährung. Klar gab es auch Obst und Gemüse, aber halt auch von allem anderen war immer reichlich da. Wir hatten immer schlaraffenlandmäßig viel ungesundes Zeug da, meine Mutter hat ständig Kuchen, Waffeln, teils mehrmals die Woche, gebacken und kochten tut sie vorwiegend "sehr reichhaltig". Bei uns sind alle normalgewichtig, aber meine Ma isst auch wie ein Spatz, dazu aber jeden Tag * Schokolade. Halt immer total wenig, aber viel von ungesundem und fettem Zeug.

Bis ich 15 war, war ich eigentlich immer an der Grenze zwischen NG und ÜG, habe aber kein vernünftiges Verhältnis zu meinem Körper entwickeln können. Manchmal hieß es seitens der Verwandten, ich sei ja „schon ein bisschen dicklich“ und sollte bloß aufpassen mit dem Gewicht und manchmal hieß es „NEEEIN, du bist doch nicht dick, nimm bloß nicht ab“. Oft hielt ich mich für hässlich, aber im Grunde glaubte ich nicht, zu dick zu sein und ich aß halt auch einfach gern. Also aß ich weiter.

Als ich irgendwann dann mehr Geld hatte, ging ich immer noch in den Supermarkt oder die Imbissbude, deckte mich mit leckeren Dingen ein und aß sie jeden Abend vor dem TV, einfach weil ich Lust darauf hatte, habe mir auch gar nichts dabei gedacht.

Nunja, irgendwann hörte ich auf zu wachsen, hatte meinen ersten Freund, kam deutlicher ins ÜG und dann erst, so mit 15, kam mir der Gedanke, dass ich mein Essverhalten so nicht auf ewig würde fortführen können, dass es ungesund und unnormal sei. Und dann nahm ich ab, ein Jahr später hatte ich Bulimie.

Heute kommt es mir so vor, als gäbe es nichts und als habe es auch nie etwas gegeben, das für mich schöner ist als Essen. Ich genieße viele Dinge wie Reisen, Sport, unter Leuten sein, Sex, ich bin in der Lage, Orgasmen zu erleben… Ich habe Alkohol getrunken, Drogen genommen, alles schön und gut, aber nichts befriedigt mich so sehr wie Essen.
Ich liebe es, viel Essen zu Hause zu haben, liebe es im Supermarkt zu sein. Wenn ich in fremden Städten oder Ländern bin und mich furchtbar einsam und verloren fühle, gehe ich in den Supermarkt, umgeben von den ganzen Lebensmitteln fühle ich mich sicher und wohl.

Die ganze Sache ist mir furchtbar peinlich, es kommt mir so lüstern oder pervers vor, kann ich gar nicht beschreiben. Wer möchte schon zugeben, dass ihn nichts mehr befriedigt als profanes Essen? Vor allem, da ich in dieser Hinsicht so maßlos und exzessiv bin, nicht in der Lage mich zu geißeln.

Ich frage mich, ob es anderen auch so geht und woher dieses Verhalten kommt. Ich habe es mir sicherlich über Jahre antrainiert, Essen als Lösungsstrategie für allerhand Probleme zu benutzen. Ich esse, wenn ich mich unsicher fühle, wenn ich Angst habe, wenn ich keine Energie mehr habe, wenn ich mich belohnen will, aus Langeweile usw.
Nur schockiert es mich, wie lange ich schon so handle, ja eigentlich schon immer. Und das macht mir Angst, denn ich weiß, wie tief diese Verhaltensweisen in meiner Persönlichkeit verankert sind. Ich habe Angst, dass ich keine anderen Strategien finde oder dass ich es nicht schaffe, andere Lösungen wirklich in mein Leben zu integrieren. Und vor allem habe ich Angst, vom Essen als Droge loszulassen. Allein die Aussicht auf einen FA zu haben, beruhigt mich.
Dabei bin ich mir sicher, dass ich auch das andere Leben neben dem Essen kennenlernen will. Ich weiß nur nicht, wie.

Vielleicht hat es ja jemand geschafft, dieses Textmonster zu lesen und mag dazu seine Gedanken äußern.

Grüße
Katzenpfote
Zuletzt geändert von Caruso am So Jan 01, 2012 15:28, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#2
Also ich versteh dich sehr gut. Mich befriedigt auch nichts so sehr wie Essen.
Aber eben keine normale Portion. Bei mir gabs auch immer Kuchen, ect. und schöne Dinge verbinde ich auch mit Essen.
Ich kann dir leider auch keinen Tipp geben, ich kann dir nur sagen dass es mir ähnlich geht!
Momentan kann ich mich kaum aufraffen was zu unternehmen, weil ich e weiss dass es mir nicht wirklich was bringt.
Immer denke ich dann ans Essen, wenn ich mit Leuten draussen bin oder was mache ist die Chance größer dass gegessen wird, also bleibe ich lieber allein daheim, scheiss Kreislauf, denn daheim fühl ich mich alleine.
WER MIT WENIG NICHT ZUFRIEDEN IST - IST MIT GAR NICHTS ZUFRIEDEN

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#3
Hallo Katzenpfote :),
kam mir der Gedanke, dass ich mein Essverhalten so nicht auf ewig würde fortführen können, dass es ungesund und unnormal sei. Und dann nahm ich ab, ein Jahr später hatte ich Bulimie.
War bei mir leider genauso. Generell was du schreibst kommt mir alles sehr bekannt vor. Auch das mit deiner Mutter und ihrem Essverhalten. Meine Mom isst auch vorwiegend Süßkram, ist relativ dünn und isst sonst eher etwas weniger.
Das gleiche mit der Verwandtschaft. Auf der einen Seite wird einem gesagt ... nein du bist nicht dick und auf der anderen Seite dann ... pass langsam auf, sonst wirst du zu DICK! Einfach verwirrend und besonders als Kind was im Übergang zum Jugendlichen ist ... weil man ja eh schon mega verwirrt ist.
Ich verbinde auch viele schöne Erlebnisse mit dem essen. Ich weiß immer noch wenn meine Oma , extra für mich - wenn ich zu Besuch war- , Süß-Saure Eier gemacht hat und das war so schön. Oder sie hatte auch immer solche schokoüberzogenen Waffeln daheim gehabt und ja ... habe mich zwar manchmal schlecht gefühlt, weil ich ihr alle weg gegessen habe aber ja irgendwie war das toll .
Aber ich muss auch sagen, es hat ja auch nie jemand STTTOOOPPPP! gesagt, das man mal aufhören soll. Eher kam dann noch ach komm iss doch noch was, das magst du doch so gerne. Und das war überall so und erst recht als ich abgenommen habe.
Ich liebe es, viel Essen zu Hause zu haben, liebe es im Supermarkt zu sein.
Ist doch komisch, oder? Geht mir ganz genauso. Wie kann man sich dort nur so wohl fühlen. Ich meine na klar es ist etwas vertrautes aber es sind ja 'nur' Lebensmittel ... und trotzdem geben sie einen das Gefühl von Sicherheit. Ich erledige ja auch immer den Wocheneinkauf (wir sind zu 4t ) und ich kauf auch immer lieber auf Vorrat (also für eher 6 Leute :D). Ich fühl mich dann einfach sicherer, wenn viel zu hause ist und vorallem besser.
Ist auch echt seltsam wenn ich im Urlaub bin, geh ich echt richtig gerne zum Bäcker um mich mit allen möglich Sachen einzudecken (die es bei uns zu hause nicht gibt) aber sie dann nicht mal alles esse. Ich will sie einfach erstmal haben.
Ich frage mich, ob es anderen auch so geht und woher dieses Verhalten kommt. Ich habe es mir sicherlich über Jahre antrainiert, Essen als Lösungsstrategie für allerhand Probleme zu benutzen. Ich esse, wenn ich mich unsicher fühle, wenn ich Angst habe, wenn ich keine Energie mehr habe, wenn ich mich belohnen will, aus Langeweile usw.
Nur schockiert es mich, wie lange ich schon so handle, ja eigentlich schon immer. Und das macht mir Angst, denn ich weiß, wie tief diese Verhaltensweisen in meiner Persönlichkeit verankert sind. Ich habe Angst, dass ich keine anderen Strategien finde oder dass ich es nicht schaffe, andere Lösungen wirklich in mein Leben zu integrieren. Und vor allem habe ich Angst, vom Essen als Droge loszulassen. Allein die Aussicht auf einen FA zu haben, beruhigt mich.
Dabei bin ich mir sicher, dass ich auch das andere Leben neben dem Essen kennenlernen will. Ich weiß nur nicht, wie.
All das was du geschrieben hast, könnte von mir stammen. Ich frage mich das auch und mir ist auch klar , dass das alles vorwiegend Gewohnheit und antrainirt ist aber irgendwie ist es echt schwer alles zu ändern. Auf der einen Seite möchte ich es auch ändern denn ich will auch endlich wieder ein unbeschwertes Leben führen (zumindest ohne B.). Das Gefühl haben des wieder frei seins ... das ich einfach ich sein kann ohne all das. Auf der anderen Seite klammert man (ich) sich vllt auch zu sehr daran, weil es ja wirklich Gewohnheit ist. Weil man weiß was einem mit der B. erwartet ohne ist es eben noch sehr abstrakt und die Angst ist da, was kommt?
Ich könnte jetzt noch ewig weiter schreiben :), aber das sprengt sonst den Rahmen.
Ich würde dir auch so gerne eine Antwort auf deine Frage geben (woher dieses Verhalten kommt), aber leider leider weiß ich es auch nicht. Ich kann dir aber sagen (und du siehst es ja auch schon an dem was ich geschrieben habe) das es auch anderen so geht.

LG

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#4
Weil man weiß was einem mit der B. erwartet ohne ist es eben noch sehr abstrakt und die Angst ist da, was kommt?
Kann ich absolut unterschreiben!!!
Obwohl es schon krass klingt, sich an die Krankheit so gewöhnt zu haben, dass das normale Leben "abstrakt" scheint... aber genauso geht es mir.
Ebenso krass finde ich, dass die spürbaren seelischen als auch körperlichen, sowie sozialen NEGATIV-Folge-Erscheinungen der B* mich (noch) nicht aufhalten aus der Gewohnheit mit all meinem Willen auszubrechen. Ich denke, dass gerade diese Gewohnheit (selbst wenn sie verdammt negative Seiten hat) mir Sicherheit vermittelt. Ich kenne sie, sie ist abschätzbar. Das Leben wirkt hingegen oft unberechenbar und gefährlich auf mich.

Ich bin aber auf dem Weg die "Gewohnheit" loszulassen. Ich glaube es ist gerade für den Genesungsprozess wichtig die Funktion der Ess-Störung und die Glaubenssätze, die dahinter stecken herauszufinden.
Ich ziehe nun also Konsequenzen aus meiner Analyse:
Ich brauche Sicherheit in der realen Welt. Ich brauche Konstanten. Das können meine engsten Freunde, meine Brüder, mein Hobby, meine Interessen und letztlich vor allem das Vertrauen IN MICH sein.
Ich schaue in den Himmel:
die Nacht ist sternenklar,
im Mondlicht singt die Wahrheit
es ist so wunderbar

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#6
ich finde eine positive einstellung zum essen sehr gut. ich mag essen auch. schon seit meiner kindheit, gab mir ein gemeinsames abendessen das gefühl von geborgenheit. heute ist es auch noch so. ich koche dann etwas schönes und freue mich so richtig darauf. meine oma hat schon immer gesagt, dass liebe durch den magen geht - ich nahm das sprichwort immer sehr ernst, auch wenn es zeiten gab und gibt, in denen ich keine liebe empfinden kann oder mich nicht wert dazu fühle....

für mich ist essen etwas schönes und ich freue mich, wenn es anderen auch so geht. das wichtigste, wenn ich auf reisen bin, ist der moment, wenn ich in einen fremden supermarkt gehen kann und mir die ganzen lebensmittel angucke. ich find das interessant. ich mag das total gerne :lol:

essen ist für mich etwas ganz besonderes und schönes im alltag. ich belohne mich mit essen, und ich genieße das essen. ich denke während des essens daran, dass es meinem körper richtig gut tut, dann fühle ich wie wohlig sich die energie durch meine adern pumpt und spüre wie kräftig, schön und glanzvoll meine haare dadurch werden.

jeder bissen, der mit liebe gekocht und mit liebe genossen wird, ist ein wertvoller, durchwegs positiver bissen.

ich habe es nicht immer so gesehen, weil ich nicht wahr haben wollte, dass in meinem leben das essen etwas so besonderes und schönes ist. ich habe mich geniert, weil es bei anderen nicht so war. ich hab mich geschämt, weil andere das essen so als stinknormale sache abgetan haben. erst als ich wusste, worauf ich mir stolz sein kann, habe ich auch meine liebe für die lebensmittel und das essen "ausleben" können. und letzteres war ein wesentlicher schritt in richtung HEILUNG :D

jeder tag, ohne essen, ist ein verlorener tag :D
Waking in the rubble
Walking over glass
Neighbours say we're trouble
Well their time has passed
Peering from the mirror
No, that is me
A stranger getting nearer
Who can this person be?

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#7
nelly naturmaedchen hat geschrieben:Ich komme sehr gut ohne essen aus und hatte eine Phase, in der ich sogar dachte, von Lichtnahrung leben zu können.
Ich frage mich wieso du solche Sachen in Forum schreibst, in dem es darum geht wieder ein normales Verhältnis zum Essen zu bekommen. Wie kann ein Mensch sehr gut ohne Essen auskommen? Wie kann ein Mensch ÜBERHAUPT ohne Essen auskommen? Es ist nicht nur für den Körper lebensnotwendig, sondern auch ein zentrales Thema unseres Soziallebens. Erst wenn man nicht mehr so tief in der Essstörung steckt wird einem bewusst welchen Status Essen in unserer Welt hat und wie schön es sein kann, mit anderen gemeinsam zu essen. Wenn ich heute daran denke, wie sehr ich noch vor ein paar Jahren eingeschränkt war, weil normales Essen in der Öffentlichkeit bzw. in Gesellschaft absolut unmöglich war. Horror vor Weihnachten, Neujahr, Ostern, Geburtstagen, keine Mensabesuche mit Kollegen, kein abendliches Chilikochen und Videoschaun bei Freunden, keine Kinobesuche, in denen man sich eine Packung Popcorn teilt, keine Teilnahme an irgendwelchen Feiern, kein gemeinsames Ausprobieren neuer Restaurants etc. Alles banale Sachen, die das Leben schöner machen (hey, das reimt sich ^^) und die Essgestörten so unerreichbar scheinen. Überall wo sich Menschen treffen und Spaß haben wird gegessen. Darum finde ich eine positive Einstellung zum Essen gerade in unseren Breiten unglaublich wichtig.
"It's in our country's interests to find those who would do harm to us and get them out of harm's way."

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#9
Ich kenne sie, sie ist abschätzbar. Das Leben wirkt hingegen oft unberechenbar und gefährlich auf mich.
Ja, genau das meine ich! Ich meine, na klar ist es dumm sich an so ein Mist festzuhalten wie an der B. aber da weiß man wie es funktoniert. Ich für mich habe leider noch nicht das 'andere' gefunden, was mir so eine Sicherheit gibt, was sehr schade ist.
Wenn ich heute daran denke, wie sehr ich noch vor ein paar Jahren eingeschränkt war, weil normales Essen in der Öffentlichkeit bzw. in Gesellschaft absolut unmöglich war. Horror vor Weihnachten, Neujahr, Ostern, Geburtstagen, keine Mensabesuche mit Kollegen, kein abendliches Chilikochen und Videoschaun bei Freunden, keine Kinobesuche, in denen man sich eine Packung Popcorn teilt, keine Teilnahme an irgendwelchen Feiern, kein gemeinsames Ausprobieren neuer Restaurants etc.
Ja, genau. Das ist fast unmöglich. Und diesen Horror habe ich bis jetzt immer noch (auch wenn ich mich schon manchmal überwinden kann). Es ist einfach nur schrecklich. Man sitzt da und überlegt, was kann ich mir erlauben, kann ich mir überhaupt irgendwas erlauben?, welche Ausrede muss ich mir diesmal wieder einfallen lassen um nicht an Geburtstagen oder gemeinschaftlichen Kochabenden teilnehmen zu müssen etc.
Die B. beeinflusst echt das ganze Leben. Und so lange wie man keine (gesunde) Lösungsstrategien für sich entwickelt, kommt man aus dieser Misere wohl nicht raus.
Ausser Äpfel Ich weiß nicht wieso aber Äpfel finde ich lustig
... ^^ konnt mir grade ein Lachen nicht verkneifen :D.

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#11
Danke erstmal für eure Antworten. :)

Heute ist mein Verhältnis zum Essen ambivalent, eine Hass-Liebe... und auch einfach so verkrampft, was natürlich durch die Essstörung, temporäres Hungern, die ununterbrochenen Gedanken usw. verstärkt wird.
Einerseits liebe ich es, das gemeinsame Essen mit meinem Freund, mit der Familie, zu besonderen Anlässen usw., genau wie ein paar von euch geschrieben haben.
Andererseits ist es Stoff für so viele innere (und äußere) Konflikte. Wenn es ums Essen geht, kann ich aggressiv werden, zickig, schlecht gelaunt. Es fällt mir schwer, einfach spontan meine Pläne zu ändern. Kurzfristige Mensabesuche etc. lehne ich oft ab, weil mir das Essen dort nicht gut genug schmeckt. Was ich esse (nicht FA) muss nämlich immer super sein, besonders intensiv schmecken, genau das sein, was ich gerade will und worauf ich innerlich vorbereitet bin. Außerdem muss ich es richtig genießen können, also nicht eben schnell unterwegs. Typisch essgestört. :roll:
Mein Freund kocht und isst ebenfalls gern, lässt mir relativ viel Freiraum, aber das Zusammenleben belastet mich dahingehend schon sehr. Er akzeptiert meine merkwürdigen Essgewohnheiten, weiß aber natürlich nicht, wie schwer mir das alles wirklich fällt und wie sehr ich oft mit Alltäglichkeiten zu kämpfen habe. Dann tut es mir natürlich auch Leid, dass ich oft ihm gegenüber ausfallend werde, das kann er ja gar nicht verstehen und es kommt oft zu Reibereien. Ich kann ihm nicht rational erklären, warum ich manchmal nicht Essen möchte, alleine essen "muss" oder nur eine bestimmte Sache will. Ich empfinde oft so starken Druck, dann MUSS ich so essen, damit ich überhaupt essen kann oder keinen FA bekomme.

Ich hasse das Essen aber auch, wenn ich mich süchtig fühle. Mein Essverhalten ist mir peinlich. Ich schäme mich nicht nur für die Bulimie, sondern auch sonst für meine "Gelüste" und Marotten dahingehend. Ich würde mich gern besser kontrollieren können, aber genau da liegt wahrscheinlich die Wurzel meiner Probleme... :?

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#12
hallo katzenpfote!

ich könnte deinen ersten beitrag fast genau so kopieren und unter meinem namen posten... mir ging es GENAU gleich als kind, bis ich 16 war und sich alles veränderte...

die einzige ausnahme bildet wohl mein körperhass den ich schon seit klein auf habe (oder hatte, denn langsam beginne ich ihn zu mögen :))

vielen dank für deinen beitrag... ich fühle mich extrem verstanden und verstehe dich somit nur zu gut!

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#13
ps: manchmal frage ich mich, ob wir uns vielleicht einfach nach dem kindsein sehnen, wo alles noch schön und warm und kuschelig war. keine ahnung... heute fühle ich mich oft sehr allein und es fühlt sich kalt an um mich herum. ich habe manchaml grosse angst vor der zukunft, sie kommt und geht... als kind hatte ich das nie, es war alles schön... klar hatte ich auch meine probleme zu hause oder mit freunden, aber alles in allem war es toll.

vielleicht verbinden wir mit essen das gefühl von früher.

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#14
Hallo Lne,

ja, ich habe fürchterliche Angst vorm Erwachsensein und vor dem Leben generell. Eigentlich komisch (oder verständlich?) weil ich als Kind unheimlich selbstständig war und auch sonst immer gern behaupte, alles im Griff zu haben.
Ich habe sehr früh Verantwortung übernommen, selten Hilfe annehmen wollen. Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich drei kleine Geschwister habe, die eben auch bedürftig waren. Ich wollte meine Familie entlasten, alles selbst schaffen. Außerdem hatte ich auch nie das Gefühl, dass meine Eltern oder andere mir hätten helfen KÖNNEN. Habe immer gedacht, ich könne viel alles besser. :roll:

Je älter ich werde, desto schwieriger erscheint mir das Leben aber. Der Alltag ist einfach so eine Belastung, ich möchte mich fallen lassen... Mir fehlt eine Kindheit, Unbeschwertheit... :(

Re: Mein Verhältnis zum Essen

#15
Hallo Katzenpfote und alle anderen,

danke für Deine Schilderung - jetzt fühle auch ich mich nicht mehr so alleine. ;)

Für mich war Essen tatsächlich bis ins späte Jugendalter eine großartige Sache. Ich hab unheimlich viel und gerne gegessen, vor allem süßes Zeug. Als Kind war ich immer "die Naschkatze". Später hieß es dann immer bloß: "Finger weg von der Süßigkeitenschublade, du wirst zu dick!" Also bin ich heimlich nachts an die Schublade geschlichen, wenn meine Mutter auf der Couch eingeschlafen war, oder habe Boxen mit trockenen Nougat-Cornflakes unter meinem Bett versteckt und nachts geknabbert. Morgens habe ich immer gut gefrühstückt, aber spätestens in der Schule - manchmal schon auf dem Weg dorthin - hatte ich das erste * intus, oder ein * oder ein *. Dazu gab's Kakao oder Vaniellemilch. Und meine größte Freude war damals, wenn wir Besuch bekamen und es Waffeln oder Kuchen gab, wobei ich immer schon den halben Teig weggefuttert habe.

Irgendwann beschloss ich dann, dass ein *kg weniger nicht schaden könnten, und startete einen Diätversuch. Da in der Zeit einige sehr fiese Dinge in meinem Leben passiert waren, fand ich irgendwie Gefallen an dem Kontrollgefühl und rutschte binnen kürzester Zeit in eine handfeste Magersucht, wo ich auch erstmal hängen blieb, bis die Bulimie dazu kam. Seitdem reguliere ich meine Stimmung und mein Leistungsniveau mit den dämlichen FAs, was sich selbst durch einen Klinikaufenthalt nur vorübergehend eindämmen ließ. Wenn ich müde bin, will ich essen. Wenn ich traurig bin, will ich essen. Wenn ich gereizt bin, will ich essen. Wenn ich gelangweilt bin, will ich essen. Und ich hasse es, so furchtbar abhängig davon zu sein.

Klar, es gibt auch andere Dinge, die sich ganz gut anfühlen und einen kurzzeitig zufrieden stellen. Aber erstens hat man auf die auch nicht immer Lust, und zweitens ist es auch keine kluge Idee, statt der FAs fortan immer Alkohol zu trinken oder jedesmal Sex zu haben.

Wär echt mal interessant, wie man sich von so etwas lösen kann.
Zuletzt geändert von Caruso am Di Jan 03, 2012 22:35, insgesamt 1-mal geändert.
"Denn wenn es eine Sünde gegen das Leben gibt,
so besteht sie vielleicht nicht so sehr darin, an ihm zu verzweifeln,
als darin, auf ein anderes Leben zu hoffen
und sich der unerbittlichen Größe dieses Lebens zu entziehen."

Albert Camus