@Andalucia
Ja, es stimmt schon, dass man immer das Gefühl hat, nicht weiterzukommen. Bei mir ist es sowieso so übertrieben, weil ich ein Mensch von Extremen bin. Entweder etwas ist total perfekt oder total schlecht. Und das bezieht sich nicht nur auf das Essen, sondern auf alles. Selbst mein Selbstbild schwankt von grandios zu wertlos. Aber das kennen glaube ich auch viele hier, oder?
Naja jedenfalls tendiere ich dann eher dazu zu denken, dass ich es entweder sofort schaffe aus der ES zu kommen, oder niemals.
Auch wenn ich eigentlich weiß, dass die Genesung ein Prozess ist, so will ich es trotzdem nicht so ganz wahrhaben.
Überhaupt weiß ich eigentlich unglaublich viel, doch bringt mir das verhaltenstechnisch nicht wirklich viel.
Das mit dem Fokussieren auf die Außenwelt finde ich echt interessant! Es stimmt schon, man beschäftigt sich eigentlich viel zu sehr mit sich selbst und bezieht immer alles nur auf sich. Oder man achtet zu sehr auf die Außenwelt, aber dann auch nur, um möglichst viel helfen zu können etc.
Die unterschiedlichen Persönlichkeiten bei den ES-Formen können schon sehr gut so zutreffen, wie du sie beschreibst! Ich jedenfalls hatte auch immer das Gefühl, dass hinter den Formen unterschiedliche Menschen stecken. Das könnte vielleicht auch der Grund sein, weshalb die letzten Suchtverlagerungen bei mir eingetreten sind…ich habe in der Therapie nämlich langsam angefangen eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, an der es mir zuvor gemangelt hat und in diesem Prozess hat sich in mir immer mehr dieser Gedanke gefestigt, dass die Leute mich so zu akzeptieren haben, wie ich bin und dass ich mich nicht mehr für andere verbiegen will. Und auf der anderen Seite brauche ich diese Zuneigung. Durch diesen Gedanken habe ich mich auch immer schwerer mit dem Hungern getan.
@Christinel
Ich habe mir immer wieder überlegt, wie viel wir eigentlich schaffen könnten, wenn wir unsere gesamte Energie, die wir in die ES investieren, in etwas „Sinnvolles“ stecken würden. Schon schade um diese verlorene Energie, aber anscheinend ziehen wir ja einen Nutzen aus der ES, sonst hätten wir sie schon längst überwunden…nur raubt die ES leider mehr Lebensenergie als letzten Endes dabei für uns abspringt.
Naja, zurück zum Thema:
Mir ist gerade ein Gedanke gekommen, der auf der einen Seite stimmt, aber auch irgendwie nicht- kann man wohl nicht verallgemeinern.
Aber könnten die ES-Formen auch unter anderem damit zu tun haben, wie viel Bedeutung man sich selber zuschreibt?
Also klar, alle ESler haben ein niedriges Selbstwertgefühl, aber bei anorektischen Mädchen hatte ich am stärksten das Gefühl, dass das Hungern aus Selbsthass entsteht. Nicht bei allen, aber ich kenne viele, die hungern, weil sie sich das Essen nicht gönnen wollen bzw. glauben, es nicht zu dürfen.
Dass Bulimiker gefühlvoller sind, habe ich auch immer so erlebt, aber dann frage ich mich, ob man, wenn man von der Anorexie in die Bulimie rutscht, auch tatsächlich in dem Moment gefühlvoller geworden ist. Also kann man diesen Rückschluss ziehen?
Christinel hat geschrieben:Es bringt dir nichts, wenn dein Essverhalten sich normalisiert, du aber eine Symptomverschiebung in eine andere Richtung hast. Die Seele sucht sich irgendwie ihren Weg.
Hmm, bei mir habe ich tatsächlich eher das Gefühl, dass es sich um eine Suchtverlagerung handelt und nicht um eine Phase, die dann um ist, wenn sich mein Körper seiner Nahrung wieder sicher ist. Schließlich habe ich ein ganzes dreiviertel Jahr gefressen (ok, ich war vorher um oberen UG) und es hat eben erst durch äußere Faktoren kurzzeitig aufgehört und nicht aus physischen Gründen.
Christinel hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass du diese Liebe, durch Selbstliebe ersetzen kannst.
Ich hoffe einfach, dass ich diesen Hunger nach Liebe auch durch Selbstliebe stillen kann. Jedenfalls hat mir mein Therapeut versichert, dass man keine ES mehr hat, wenn man ein gesundes Selbstwertgefühl aufgebaut hat und dieses bedeutet doch einen gewissen Grad an Selbstliebe/akzeptanz?
Ich habe mir da ehrlich gesagt nie Gedanken drüber gemacht, dass es nicht funktionieren könnte…aber in meinem jetzigen Zustand wäre ich doch auch gar nicht für Liebe von einem anderen Menschen empfänglich, dadurch dass ich mich selbst nicht akzeptiere, oder? Ich würde doch eher denken, dass mich der Mensch jetzt nur für meine Leistung mag, aber nicht für das, was ich bin.
Christinel hat geschrieben:Hast du eigentlich auch Gedanken an eine Familie und Kinder?
Gedanken an Familie und Kinder habe ich schon, jedoch habe ich auch Angst, dass meine Kinder ebenfalls kein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen, solange ich es noch nicht habe. Ich will einfach diese Linie der psychisch Gestörten nicht weiterspinnen, denn die ist in unserer Familie sehr stark ausgeprägt.
Und weil ich ja auch die Verantwortung für meine Kinder trage, würde ich auch erst wirklich Kinder haben wollen, wenn ich selber stabil geworden bin.
Christinel hat geschrieben:Die Frage ist bei dir, warum du so sehr nach Liebe hungerst?
Naja, dieses Hungern nach Liebe ist bei mir (wie denke ich bei jedem von uns) in meiner Kindheit entstanden. Meine Mutter hat mir die Liebe, die ich benötigte, nicht ausreichend geben können und sie wäre die einzige Person gewesen, die mir diese Liebe hätte geben können. Zu meinem Vater hatte ich nämlich lange Zeit keinen Kontakt und auf Freunde habe ich auch nie so wirklich vertrauen können, weil wir nämlich so häufig umgezogen sind und ich sie immer wieder verloren habe.
Aber das kennen wir ja glaube ich alle, das Gefühl der inneren Leere, oder?
@nuova
Es tut gut zu hören, dass jemand auch so viele Suchtverlagerungen bzw mehr durchlebt hat.
Das klingt jetzt vielleicht ziemlich doof, aber langsam habe ich immer mehr geglaubt, dass mit mir was nicht stimmt, weil ich so häufig wechsle. Naja das kommt auch daher, dass in meiner therapeutischen WG die meisten Mädchen anorektisch sind und auch immer waren. Eigentlich hatte nur eine damals mit FAs zu kämpfen...naja ok, es gibt auch noch ein anderes Mädchen, das auch bulimische Phasen hatte- aber momentan sind sie alle anorektisch.
Sollte mir eigentlich auch ziemlich egal sein, weil die Symptomatik letzten Endes auch nicht wichtig sein sollte, sondern das, was dahinter steht.
Aber wie du schon sagtest, die Gedanken sind halt trotzdem immer noch krank. Dass du jetzt mit deinem höheren Gewicht auch Gedanken machst, kann ich total nachvollziehen. Ich habe auch die ganze Zeit das Gefühl, dass ich der Hilfe, die ich bekomme, irgendwie auch gerecht werden muss und keine FAS haben darf, was natürlich schwachsinnig ist. Doofe ES-Gedanken

. Und dann kommt auch noch hinzu, dass man immer denkt, dass man jedem beweisen muss, dass man Hungern kann, weil man doch nicht als undiszipliniertes Schwein (chrm, chrm) abgestempelt werden will, als das man sich doch eigentlich fühlt.
SO, also jetzt mal genug Selbstabwertung- ich wollte nur sagen, dass ich dich vollkommen verstehen kann.
Und Herzlichen Glückwunsch für deinen Platz in der therapeutischen WG!

Bisher bereue ich den Schritt hierher auch nicht , nur merke ich halt, dass ich mir lange Zeit vorgemacht habe, dass sich hier alles ändern wird. Es liegt ja an mir, an mir zu arbeiten und die Therapeuten können mich nur begleiten. Nur habe ich anfangs wirklich die ganze Zeit gehofft, dass ich hier den ultimativen Erfolg erlebe (und am besten noch in den ersten Tagen

).
Und zudem merke ich halt auch, wie extrem ich zurückfalle, wenn ich erst merke, dass es nicht so läuft, wie es in meinem Kopf sollte.
Die ganze Selbstabwertung kommt dann wieder zurück gekoppelt an FAs und das Gefühl "Ich schaffe es doch sowieso nicht".
Und letzten Endes behindere ich mich dann auch nur selber, weil ich mich dann nur noch auf meine Symptomatik fokussiere und gar nicht mehr dahinter schaue.
Und wenn man mich dann hört, glaubt man gar nicht, dass ich schon 2 Jahre Thera hinter mir habe, so wie ich mich die ganze Zeit auf mein Gewicht konzentriere.
