outen, oder nicht?

#1
da ich gestern auf meinen ersten eintrag gleich hilfreiche antworten erhalten habe, bitte ich auch noch um rat bei der entscheidung, es meiner familie bzw. meinem freund zu beichten.
ich habe das problem seit ca. sechs jahren gut verheimlichen können. theoretisch kann ich mit meiner mum über alles reden, ebenso mit meinem freund, doch wenn es um dieses thema geht, dann schäm ich mich, ich will nicht, dass sie sich sorgen machen, ich habe angst vor ihren reaktionen. gut, meine eltern sind mit mir verwandt, aber was ist, wenn mein freund sich vor mir ekeln wird, sich das nicht antun will, nicht damit fertig wird?
da es mir zur zeit extrem schlecht geht, glaube ich, dass es -auch wenn es egoistisch ist- mir helfen würde, wenn ich nicht mehr so alleine da stehen würde, wenn ich endlich mit jemandem darüber reden kann, der mir wichtig ist, und dem ich wichtig bin.

wie soll ich dabei vorgehen, wenn ich mich überwinden kann, es zu sagen??? ich habe mir schon einige berichte darüber durchgelesen, aber aufschreiben will ich es nicht. das habe ich schon einige male versucht und den zetteln immer wieder zerrissen. . .

hat jemand einen rat für mich, soll ich es nicht doch lieber nicht sagen? so weitermachen?

Re: outen, oder nicht?

#2
Butterfly, ich rate dir es deiner familie und deinem freund zu beichten , denn nur so kannst du die hilfe und zuneigung bekommen, die du dringend brauchst, um aus der essstörungen zu kommen. aufschreiben bringt da nichts. passe den richten moment ab, oder setzte alle an einen tisch und mache einfach den mund auf und rede es dir von der seele. sie kennen dich bestimmt lange genug, um dein problem zu erkennen und dir zu helfen.

ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen....


viel glück!

Re: outen, oder nicht?

#3
Hallo Butterfly,

schau Dich malein bisschen im Forum um. ;) Vor allem im Angehörigenbereich. Es gibt da viele Berichte, von beiden Seiten aus. Also Leute, die es ihren Angehörigen erzählt haben und die Reaktionen der Freunde/Familie. Und viele Angehörige, die hier geschrieben haben, nachdem sie "es" gerade von ihrer Freundin erfahren haben. Es gibt da auch ganz unterschiedliche Erfahrungen und Reaktionen. Manche ESler stießen auf verständnisvolle Ohren, andere Angehörige trennten sich, oder waren überfordert, fingen an zu kontrollieren oder ignorierten das Thema dann.

Also Fazit: Es gibt keine Patentlösung auf diese Frage. Du kennst Deine Angehörigen und musst Deine Intuition einsetzen, um zu wissen, ob sie hilfreich reagieren. Und natürlichdie Kosten eines "outings" mit den Risiken (für beide Seiten) sorgfältig abwiegen. Und Du solltest Deine Gründe hinterfragen, warum Du sechs Jahre alles verschwiegen hast. Und ob es eine Möglichkeit gibt, dass sie trotzdem etwas ahnen.... Werden sie es Dir krumm nehmen, dass Du so lange geschauspielert hast? Wie wünschst Du Dir die Reaktion Deiner Angehörigen?

lg

aire
Zuletzt geändert von aire am Di Jun 22, 2010 19:32, insgesamt 1-mal geändert.

Re: outen, oder nicht?

#4
Hallo Butterfly!

Bei mir wissen es Eltern und Geschwister und das nimmt dir eine große last, glaub mir!
Zu Beginn dacht ich, meine ganze Welt stürzt ein, als mein Vater mich darauf ansprach...
Es war mein Geheimnis und als es meine _Familie wusste, verlor es an Bedeutung auf gewisse Weise, aber nun musste ich mich doppelt anstrengen weniger, bzw. garnciht zu fressen/kotzen, denn ich wurde ja auch doppelt beobachtet.

WICHTIG ist auf jeden Fall, dass du dich in deiner Position behauptest, du musst schon mit ihnen Reden und deinen Mann/ deine Frau ;-) stehen. Erkläre, wenn du gewisse Reaktionen nicht möchtest oder was du dir viellt. stattdessen erhoffst. Nehme ihnen etwas Angst aber weint auch mal zusammen, sowas tut sehr gut!

Ich habe zum Beispiel mit meiner Mutter über all diese Lebenshilfebücher und Ratgeberbücher für Betroffene oder Angehörige gesprochen. Ich finde, da steht eine menge Mist drinnen und es war mir wichtig, dass meine Mutter mich besser fragt, als irgendwo dramatisierte völlig an den Haaren herbeigezogene Dinge liest, die mit meiner Geschichte nur recht wenig zu tun haben.
Solche Dinge solltest du im Laufe der Zeit einfach loswerden. Und sei ehrlich zu ihnen... das fällt wohl am schwersten, da es am meisten wehtut.

Deinem Freund es sagen, könnte viellt. sogar leichter fallen. So ging es zumindest mir.
Wann immer ich jemanden kennenlernte, der mir wichtig war, als Partner, habe ich die Karten auf den Tisch gelegt! Sonst geht garnichts!!! Er wird damit umgehen, wenn er dich liebt.
Je später du es in einer Beziehung sagst, desto bedrohlicher glaube ich..

Im Moment, weiche ich eher Beziehungen aus. Bin noch nciht reif dafür. Wie soll ich jemandem etwas geben, was ich ncihteinmal mir selbst geben kann?! ;-)

Aber ich übe mich in Geduld.

Nun dann liebe/r Butterfly, Ich hhoffe, es konnte zumindest etwas helfen.
Lass keine Zeit verstreichen und geb dir einen Ruck, du wirst dich besser fühlen!
"Das Buch ist die Axt für das gefrorene Meer in uns!" Franz Kafka

Re: outen, oder nicht?

#5
Blaue Blume hat geschrieben:Ich habe zum Beispiel mit meiner Mutter über all diese Lebenshilfebücher und Ratgeberbücher für Betroffene oder Angehörige gesprochen. Ich finde, da steht eine menge Mist drinnen und es war mir wichtig, dass meine Mutter mich besser fragt, als irgendwo dramatisierte völlig an den Haaren herbeigezogene Dinge liest, die mit meiner Geschichte nur recht wenig zu tun haben.
Ja, vor allem die Kalorienangabe in einem FA. So viel habe ich nicht geschafft....

lg

aire

Re: outen, oder nicht?

#6
Ich habe meinem Freund heute auch alles gebeichtet, er hat sich schon länger gewundert, warum ich mich so oft zurückziehe usw. Dann dachte ich, ich muss es ihm einfach erzählen. Er hat sich nicht geekelt oder Ähnliches, er hat mich einfach in den Arm genommen und mir zugehört, das hat mir schon ziemlich geholfen.
Es tut einfach gut, wenn man jemandem hat, mit dem man über alles reden kann.
Mein Freund versteht das zwar nicht (Klar, wie soll auch jemand der nicht krank ist sowas verstehen), aber er versucht mir einfach zu helfen und ich fühl mich viel besser dadurch. Ich würde es dir echt raten es wenigstens deinem Freund zu erzählen, wenn du ihm wirklich vertraust
Manchmal wäre ich gerne Alice im Wunderland.

Re: outen, oder nicht?

#7
Vielen Dank an euch!!!!


Ich habe mir vorgenommen alles zu beichten und durch ein Missgeschick hab ich es dann auch getan. Jetzt bin ich froh, dass es endlich raus ist. Mein Freund hat reagiert, wie ich es niemals erwartet hätte. Verständnisvoll, klar war er zuerst geschockt und auch enttäuscht, weil ich es so lange vor ihm verheimlicht habe, aber dann hat er mich fest in den Arm genommen und mir versprochen, mich zu unterstützen.

Es geht mir zwar besser, weil ich einen Ansporn habe "normal" zu essen, anderseits fühle ich mich total unter Druck gesetzt, weil mich mein Freund seither täglich fragt, wie es mir heute geht, was ich gegessen habe und ob ich gek* habe. Ich möchte ihn auf keinen Fall mehr anlügen, weil er auch mir sein Wort gegeben hat niemandem etwas davon zu erzählen, so lange ich versuche mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
So, genug getippt. Schönen Abend noch!
Das Leben ist kurz, weniger wegen der kurzen Zeit, die es dauert, sondern weil uns von dieser kurzen Zeit fast keine bleibt, es zu genießen.

Jean-Jacques Rousseau

Re: outen, oder nicht?

#8
Hallo Butterlfly!
Das war eine sehr gute Entscheidung von dir und ich hoffe es bringt dich weiter... ich weiß nicht ob ich mich das getraut hätte.Respekt!
Du kannst Stolz auf deinen Freund sein,das er so zu dir hält. Meiner weiß es nicht er denkt ich wäre"nur"magersüchtig, vielleicht muss ich ihn auch einweihen,kannst ja mal berichten wie es so läuft würde mich mal interessieren..
Noch nenn schönen Abend!
LG red rose
Zuletzt geändert von red rose am Fr Jul 02, 2010 20:10, insgesamt 1-mal geändert.

Re: outen, oder nicht?

#9
also, seit gut einer woche weiß mein freund jetzt bescheid. seither habe ich es geschafft keine einzige süßigkeit zu essen *stolzbin*!!!!!!!! ich habe auch keinen einzigen hamstereinkauf getätigt. in dieser ganzen zeit habe ich nur 4x gek* und auch nur 1mal am tag und nur das, was zuhause war (toast, brot, käse, butter, nüsse, topfen), auf jeden fall keinen Zucker!!! das ist für mich eine echte leistung.
mein freund fragt mich immer noch täglich, was ich gegessen habe, wie viel und wovon. und natürlich, ob ich es behalten habe. gelogen habe ich nicht, nur mit den mengen hab ich etwas geschummelt. mir ist es einfach zu peinlich, außerdem verlier ich öfter den überblick.
mein outing ist nach wie vor eine motivationsspritze. mir gehts etwas besser, ich fühl mich nicht mehr so aufgeblasen, wie die letzten wochen. das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich zur zeit fast nichts reinkrieg.....normal ist das immer noch nicht, aber ich bereue es noch immer nicht es gebeichtet zu haben.
Das Leben ist kurz, weniger wegen der kurzen Zeit, die es dauert, sondern weil uns von dieser kurzen Zeit fast keine bleibt, es zu genießen.

Jean-Jacques Rousseau