Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#1
Ihr kennt sicher alle das Gefühl, das ihr glaubt, ihr hättet keinen Anspruch auf einen ambulanten Therapieplatz, eine therapeutische Wohngruppe oder sogar einen stationären Aufenthalt, weil ihr einfach nicht krank genug seid.

Ich habe mittlerweile eingesehen, dass es nur mein niedriges Selbstwertgefühl ist, dass mich diesen Gedanken denken lässt, aber es hilft mir überhaupt nicht, um den Gedanken loszulassen.

Am Anfang meiner ambulanten Therapie habe ich schon zu meinem Therapeuten gesagt, dass es so viele Menschen gibt, die kränker sind als ich und ich den Platz eigentlich nicht hätte bekommen dürfen.
Da meinte er zu mir: „Nehmen Sie sich doch einfach mal selber wichtiger! Sie sind es wert, dass sie behandelt werden.“

So weit so gut. Nur bin ich am Anfang auch noch mit einem Gewicht reingekommen, dass mein Thera jetzt im Nachhinein als knapp anorektisch bezeichnet, obwohl ich da bereits schon zugenommen habe.

Und jetzt sind nun mal 2 Jahre vergangen und meine Sucht hat sich immer weiter in den „Fress-“ anstelle des „Hungerbereichs“ verschoben und da habe ich nun mal auch zugenommen. Jetzt bin ich im oberen Normalgewicht und kein Mensch, der mich nicht näher kennt, könnte sich vorstellen, dass ich eine Essstörung habe.

Und jetzt geht es wieder los mit den Gedanken:
Eigentlich müsste ich mich ja freuen, dass ich langsam wieder Episoden zeige, in denen ich „normal“ essen kann. Das habe ich mir eigentlich ja immer gewünscht.

Doch jetzt meinte mein Therapeut gestern:
„Ihre Mutter muss ja auch gute Seiten haben, denn wenn Sie von Geburt an unter Liebesentzug gelitten hätten, wären sie viel kränker.Die Fälle habe ich hier nämlich auch sitzen.“

So ne bescheuerte objekive Aussage nehme ich dann natürlich wieder war, wie :
„Naja, Sie sollen mal den Mund nicht so voll nehmen. Sie halten sich für so wichtig, doch so schlimm geht es Ihnen gar nicht. Eigentlich gibt es viel kränkere Menschen, die jetzt eigentlich anstelle von Ihnen vor mir sitzen müssten. Sie sind es gar nicht wert, dass ich mit ihnen arbeite, weil Sie nur so tun, als wären sie krank!“

Und dann kam noch die Aussage:
„Also Sie sind ja jetzt seit ca. 2 Wochen clean. Aber dann müssen Sie sich bei der Wohngruppe mit einem normalen Essverhalten vorstellen…“

Was ist denn nur los mit mir?!
Warum kann ich mich nicht einfach darüber freuen, clean zu sein? Im Gegenteil: Je öfter ich sowas höre, desto eher habe ich den Wunsch, doch mal richtig in die Anorexie zu rutschen, damit man mich mal wichtiger nimmt.

Und das ist es eben: Ich will doch mal wieder nur die „Erlaubnis“ haben, anders zu sein als andere. Und wenn ich clean bin, habe ich das Gefühl in mir, ich würde keine Ausnahme in der Gesellschaft mehr sein und müsste dementsprechende Leistungen erbringen.

Die Sucht hat mich in meinen Augen zu etwas besonderem gemacht, so bescheuert es klingt und wie dämlich der Gedanke auch ist, weil er einfach dermaßen unreflektiert ist.

Und „natürlich“ habe ich dann gestern wieder einen FA geschoben. So viel zum Thema „seit 2 Wochen clean“…und dann kommt noch der dumme Gedanke: „Tja, dein FA war jetzt zwar symptomatisch, aber du hast ja nur gefressen und hast noch nicht gehungert. Binge Eating ist von der Gesellschaft verpöhnt und deshalb kriegst du auch keine Aufmerksamkeit, sondern nur Verachtung. Binge- Eating ist keine ernstzunahmende Störung. Also nimm dich nicht so wichtig!

Dumme negative Stimme!! Ich krieg sie nicht aus meinem Kopf und es macht mich rasend. Kann ich nicht einfach mal anfangen, ein stabiles selbstwertgefühl zu entwickeln und nicht nach der Aufmerksamkeit anderer Menschen streben zu wollen? Oder ihnen gefallen zu wollen? :(

Ein betrübtes und verzweifeltes
Kätzchen
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#3
Hallöle Hörnchen!

Kann ja sein, dass wir Seelenverwandte sind oder so! :mrgreen:
Hörnchen hat geschrieben:Hast du das deinem Thera mal genauso gesagt?
Ach Kätzchen, bist du dir sicher, dass wir nicht eigentlich Zwilline sind? Ich fühl mich schon wieder, als hätte ich deinen Beitrag selbst geschrieben, jedes Wort davon könnte auch aus meinem Mund kommen... :roll:

Hast du das deinem Thera mal genauso gesagt?
Nee, ich habe ihm das leider nicht gesagt. Das war in der gestrigen Threstunde, in der er das oben Geschriebene gesagt hat und natürlich hab ich mich da nicht getraut, sofort über meine Gedanken zu sprechen. Zumal sie erst nach der Therastunde erst so richtig stark geworden sind, als ich noch mal über die Stunde nachgedacht habe.

So, jetzt muss ich erstmal los (wir haben ein Treffen bei unserer Deutsch-Lerhrerin und wir werden grillen *Angsthab*. Zumal ich nach nem FA-Tag eh so instabil bin… :| ).

Auf deine PN werde ich dir auf jeden Fall noch antworten!
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#4
Lass dir Zeit mit der Pn.

Ich find's gaaaanz wichtig, dass su ihm deine Gedanken mitteilst, auch wenn es schwierig ist, ich selbst habe solche Gedanken in der Therapie auch schon öfters mal angesprochen, er kann dann auch besser aufpassen, wenn er solche Aussagen macht...

Drück dir die Daumen für's Grillen! :) Du packst das!

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#5
Hallo Kätzchen,

der erste Beitrag hätte auch von mir sein können. Ersetzte die zwei Wochen clean durch fast zwei Jahre (na ja, mit vereinzelten RF und hier und da FA's) und streiche die Therapeutensätze, die ich natürlich nicht gehört habe.... Aber der Rest könnte von mir sein. :roll:

Und auch dieses Phönomen:
Nee, ich habe ihm das leider nicht gesagt. Das war in der gestrigen Threstunde, in der er das oben Geschriebene gesagt hat und natürlich hab ich mich da nicht getraut, sofort über meine Gedanken zu sprechen. Zumal sie erst nach der Therastunde erst so richtig stark geworden sind, als ich noch mal über die Stunde nachgedacht habe.
kenne ich nur zu gut!! nicht nur mit Therapeuten, sondern allgemein... Args. Wann schaffe ich es endlich mal, schneller zu reagieren...???

lg

aire

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#6
aire hat geschrieben:
Nee, ich habe ihm das leider nicht gesagt. Das war in der gestrigen Threstunde, in der er das oben Geschriebene gesagt hat und natürlich hab ich mich da nicht getraut, sofort über meine Gedanken zu sprechen. Zumal sie erst nach der Therastunde erst so richtig stark geworden sind, als ich noch mal über die Stunde nachgedacht habe.
kenne ich nur zu gut!! nicht nur mit Therapeuten, sondern allgemein... Args. Wann schaffe ich es endlich mal, schneller zu reagieren...???
ja, genau so gehts mir auch, auch besonders, wenn ich FAs schiebe - ich merke erst danach oder frühestens währenddessen, dass sich da mächtig was angestaut hat und ich es nicht bemerkt habe und jetzt wieder da sitze und FA schiebe -.-

teilweise führt dieses immer wieder drüber nachdenken über bestimmte Situationen u Aussagen dann auch zu einem reinsteigern meinerseits...und meistens bin ich dann (wieder mal :roll: ) wütend auf mich ,weil ich so kindisch bin und keinerlei emotionale Regulationsmechanismen zu haben scheine, bzw mich ärgere, wenn ich wieder mal in einer Situation so paralysiert war, dass ich es einfach über mich ergehen ließe statt was zu sagen bzw so zu handeln wie ich es eigentlich wollte.

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#7
Ach jeh, auch ich muss mal sagen... GENAU SO fühl ich mich auch!!!!
Ich hab mich auch schon sehr oft wieder zurück in die Anorexie gewünscht, damit man mir endlich wieder glaubt, wie schlecht ich mich fühle...
Auch dass die Therapeuten einen nicht ernst nehmen, fühl ich ganz oft...
Mein Therapeut hat mir vor 3 Wochen eine Stunde abgesagt und gemeint, er ruft an wegen einer Neuen... Das hat er nicht getan... Das war schon mal so und da habe ich dann irgendwann angerufen und er meinte nur: "Ach, Sie hab ich ja ganz vergessen." Dass ich immer versuche irgendwie von einer Therastunde zur nächsten zu kommen und die mir so wichtig sind, glaubt er wohl nicht.
Ich hab mich dieses Mal nun nicht mehr getraut anzurufen und bin jetzt eigentlich praktisch ohne Thera...
Mir gehts wohl auch noch nicht schlecht genug für meinen Therapeuten...
Mich macht das auch sehr traurig und es enttäuscht und frustriert sehr... :(
Der Kummer der nicht spricht, nagt am Herzen bis es bricht. (W. Shakespeare)

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#8
Ich würde auch auf alle Fälle mit deinem Therapeuten darüber reden, welche Gefühle und Gedanken er da in dir losgetreten hat. Das würde ich unbedingt machen.
Und Kätzchen, dass mit der Wg ist eine gute Idee, und du solltest sie auch durchziehen. Du hast es dir verdient und du benötigst sie auf alle Fälle. Oft kommt mir vor, dass deine ES schon sehr stark an deine Mutter gekoppelt ist. Ich glaube, dass du nicht unbedingt Anerkennung von allen, sondern vor allem von deiner Mutter wünscht. Ich würde diesen Wunsch sehr schnell verwerfen, er tut dir nicht gut, und wahrscheinlich (ist meine rein persönliche Einschätzung) wird er auch nicht in Erfüllung gehen.

Meine Anerkennung hast du, das weißt du, und die von vielen anderen auch. Geh deinen Weg, und lass dich nicht von Theras oder von deiner Mutter oder sonst wen beeinfussen.
Alles Liebe, drück dich ganz fest.

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#9
Hallöle!

Danke für die schnellen Antworten! Ich bin echt voll froh, dass sich viele in meine Lage hereinversetzen können und mich verstehen- das ist nun mal echt die gute Sache an diesem Forum. Manchmal habe ich im alltäglichen Leben echt das Gefühl, dass kein Mensch meine Gedankengänge verstehen kann.

So erstmal: Ich hab das Grillen überstanden! Ok, ich hab ziemlich viel Kaugummi gemampft, um meinen Mund davon zu überzeugen, dass ein FA einfach mal nicht nötig ist und so hab ich mich dann durch den Abend „durchgequält“. Gesellschaftsabenden sind ja eh nicht so meine Sache seit der ES… :roll:

@aire

Stimmt, ich habe grad überlegt, ob meine Reaktion sich nur auf den Therapeuten beschränkt, aber das ist auch nicht so…vor allem, wenn jemand in der Schule mal wieder eine Bemerkung über mich reinruft, weiß ich erstmal vor lauter Schock gar nicht, was ich antworten soll. Und nach der Stunde fallen mir dann die ganzen tollen Antworten ein..naja, wahrscheinlich müssen wir uns so ein Taschenbuch schreiben, mit den perfekten Antworten in unangenehmen Situationen. :wink:
Und dann immer schnell nachblättern. :mrgreen:
Und Glückwunsch zu deinen 2 Jahren clean!! Davon kann man echt träumen… :D

@CordaLexis

Ja, das kann ich total verstehen. Bei mir ist es aber auch manchmal einfach so, dass ich einen FA schiebe und selbst danach keine Ahnung habe, WIESO sich in mir denn bitteschön was angestaut hat. Dann analysiere ich den Tag und komme einfach auf überhaupt kein Ergebnis. Manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass wir durch die ES (oder schon davor?) total hypersensibel geworden sind, weil wir durch das Essen, Hungern etc. all unsere Gefühle unterdrückt haben. Ich konnte das meinem Thera immer nie glauben, dass ich meine Gefühle unterdrückt habe, denn schließlich war ich ja immer noch in der Lage Traurigkeit zu empfinden und ich habe ja auch oft geweint. Naja, aber dass das „nur“ die meine depressiven Züge sind, hab ich da dann noch nicht verstanden.
Erst jetzt, wo nach diesen 2 Wochen clean, einfach mal total die Wutgefühle hochgekommen sind und ich gar nicht mehr wusste, wohin damit, weil sie so unglaublich stark waren, habe ich erst begriffen, was für eine starke „Droge“ das Essen eigentlich ist, die einen quasi high macht in dem Sinne, dass man einfach mal alle Probleme wegfrisst. :|

@mopsine

Das mit deinem Therapeuten tut mir echt Leid!
Ich kann es einfach nie verstehen, wenn Therapeuten sich gar nicht um ihre Patienten kümmern… ich meine, wenn man es mal total flach sieht, bist du ja schließlich auch sein Kunde. Und schließlich hängt ja auch dein Leben von deiner Genesung ab! Es gibt zwar viele, die lange Zeit mit der Bulimie überlebt haben, doch eben auch viele, deren Körper es nicht mitgemacht hat…
Und da ist nämlich auch ein Grund, wo ich immer denke, dass ich doch nicht krank genug bin…weil FAs und ein wenig Hungern ja meinen Körper nicht hochgradig zerstören, wie Anorexie und typische Bulimie. Mein Thera meinte auch auf die Bemerkung des Gutachters „Besprechen Sie mit ihrer Patientin einen stationären Aufenthalt“, dass er das für nicht nötig sieht, da ich ja schließlich durch meine ES nicht gesundheitsgefährdet sei. Eigentlich müsste ich mich ja darüber freuen, aber na ja….du weißt ja, was da in einem vorgeht. Du wünschst dir ja auch manchmal noch die Anorexie zurück…
Echt bescheuert, dass man sich immer allen beweisen will, selbst, wenn sie es eigentlich gut mit einem meinen. Man dreht und wendet ihre Worte einfach immer so, dass man das Gefühl hat, dass man etwas falsch gemacht hat.

@crisu

Ja, ich werde nächsten Freitag auch auf jeden Fall mit meinem Therapeuten über meine Gedanken sprechen- ich selber bin zwar gar nicht auf die Idee gekommen, aber jetzt wo Hörnchen und du das vorgeschlagen habt, finde ich das echt sinnvoll. Zumal er sich dann auch wirklich auf mich einstellen kann und sich solche Worte vielleicht manchmal noch überlegt- ich bin mir aber auch im Klaren, dass auch meine Einstellung sehr viel dazu beiträgt, dass ich seine Worte auch einfach mal als Anklage verstehen WILL.

Und ja, meine ES ist glaub ich wirklich ziemlich stark an meine Mutter gekoppelt. Mein Thera meinte ja auch zu mir, dass er glaubt, dass ich nicht mehr so viel Hungere wie früher, weil ich mit dem Hungern die Liebe meiner Mutter erhalten wollte, aber nun eingesehen habe, dass das gar nichts bringt, weil sie ihr eigenen Probleme hat.

Das mit der WG fände ich echt toll, wenn das alles klappen würde! Mal schauen: Ich habe ja jetzt am Montag den Termin beim Jugendamt und am Mittwoch das Bewerbungsgespräch bei der Wohngruppe..*bibber*
:shock:
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#10
Kätzchen hat geschrieben:Das mit der WG fände ich echt toll, wenn das alles klappen würde! Mal schauen: Ich habe ja jetzt am Montag den Termin beim Jugendamt und am Mittwoch das Bewerbungsgespräch bei der Wohngruppe..*bibber*
Wow, Mädel,ich drück dir die Daumen!!!
Bild
Berichte nachher wie's gelaufen ist, ja?

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#12
Klar, werd ich davon berichten! :mrgreen:

Ich wünsche euch auch einen superschönen Sonntag, genießt ihn und macht ecuh keinen Stress!
Mit dem Lernen nicht übertreiben, ja crisu? :wink:
*gaaaaanzdollerknuddleraneuch*

Hey Hörnchen, darf ich noch deine Nuss sein? :mrgreen:
Ich weiß zwar, dass ich mir mit er PN Zeit lassen darf, aber ich wollt nur sagen, dass ich sie dir nächstes WE schreibe! :D
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#14
@Hörnchen

Oh, das ist echt ne süße Nuss!! :mrgreen:

@alle

So mir ist grad echt noch was durch den Kopf gegangen und ich finde einfach keine Antwort, weil ich einfach nicht genug Erfahrungen gesammelt habe.

Undzwar geht es darum, was für Gefühle bzw. wie intensiv man Gefühle wieder verspürt, wenn man es geschafft hat, mal für kürzer oder längere zeit clean zu sein.
Bei mir waren es eigentlich nur die 2 Wochen, wobei ich vor ca. einem Jahr auch noch längere Episoden hatte, aber das Ergebnis war nicht dasselbe.

Und ich muss echt sagen, dass mich die 2 Tage, bevor ich wieder einen FA hatte, echt fertig gemacht haben. Ich hatte so eine Agression und Trauer in mir, dass ich gar nicht wusste, wohin mit mir. Mein Magen hat sich zusammengekrampft, mein Kopf war mit Schimpfwörtern gefüllt und ich jeden, der mich angesprochen hat, hätte ich am liebsten geschlagen.

Ich war echt geschockt von mir selbst! :shock:
Bin das wirklich ich? Die Person die hinter der ES steckt? Eine Person, die jahrelang ihre Gefühle so stark unterdrückt hat, dass all die Aggression sich total angestaut hat?

Und meine wichtigste Frage: Wie schaffe ich es, diese Wut abzulassen ohne sie zu unterdrücken? Muss ich dafür einfach mal rennen, rennen bis ich nicht mehr kann? Mich sportlich verausgaben? Laute Musik hören?
Ist die Wut dann auch irgendwann weg, wenn ich sie zulasse, indem ich mich nicht mehr der ES hingebe?
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Das Gefühl, nicht krank genug zu sein

#15
Hey liebes Kätzchen!!

Ich wünsch dir auch alles Gute, dass du den WG-Platz bekommst und die nächste Zeit gut überstehst!!

Das was du da schreibst, genau die selben Fragen stell ich mir auch und genau so ist es auch bei mir: meine clean-Phasen waren noch nicht allzu lange, doch ich merke auch, dass ich dann total viele intensive Gefühle hab, teilweise verwirrt bin, Dinge aus reinem Affekt heraus sage und mir dann denke, dass das doch gar nicht ich bin/ war.
Aber ich glaube, das ist "nur" die erste Phase - die erste Phase des clean-Seins. Ich denke, wenn man lange Zeit alles weggefressen und weggek* hat, bzw eben seine Gefühle mit der ES reguliert hat, dann kommt man damit nicht mehr zurecht, wird überrannt von der Intensität und tut sich schwer damit, sie zu verarbeiten bzw sie zuzulassen sie nicht zu unterdrücken.

Hm, ich für mich merke immer mehr, dass Akzeptanz meinerseits dabei sehr wichtig ist - die Gefühle zulassen, akzeptieren - das Gute ist, du bist nicht schutzlos dem ausgeliefert - du selbst kannst bestimmen wie du damit umgehst, ob du sie nur zulässt, ob du sie irgendwie auslässt, ob du darauf eingehst, sie analysierst, sie für kreative Phasen nutzt etc...ich denke das wichtigste bei dem Prozess ist, dass du deine eigenen Wege findest, die dir am besten helfen, mit den Gefühlen umzugehen und sehr intensive Gefühle durch Ventile abzubauen.
Was mir z.B.: schon öfters hilft ist: analysieren, konkretisieren - schafft für mich Klarheit, damit weiß ich wenigstens, wem ihc gegenüber stehe, weil ich manchmal keine Ahnung hab was und warum ich mich gerade so fühle, darüber reden - das ganze von einem anderen Standpunkt aus betrachten, Sport - besonders bei Wut und Hass, wenn ich glaube, dass mir gleich der Kopf explodiert und ich nicht mehr klar denken kann - mal rausgehen und laufen bis es nicht mehr geht...ja, laut Musik hören ist auch gut, oder was auch toll ist, wenn du etwas zu hause hast, dass kaputt ist bzw du sowieso wegwerfen willst, zertrümmern. Das ist unglaublich erleichternd. Aber ich denke so ziemlich jedes Mittel ist recht, mit dem du dich ausdrückst und dass dir Erleichterung verschafft, solange du weder dihc noch jemand anderen verletzt.
Und was die Intensität der Gefühle angeht: ich denke, dass sich das mit der Zeit geben wird, du mehr kontrolle haben wirst, sie in "angemessener" intensität kommen werden. Ich denke, das ist einerseits so intensiv, weil ungewohnt, weil sich viel angestaut hat, und auch weil man keine richtige Umgangsweise damit kennt udn gewohnt ist.
Und ich glaube da hilft nur eine Kombi aus Durchhalten - Aushalten und Probieren von Bewältigungsstrategien.