#6
von CordaLexis
zu eins: ich muss mich nicht mit mir selbst beschäftigen, mit den banalitäten der realität, ich muss nicht all diese gefühle, die ich habe und die aufkommen, empfinden und durchleben, die ich gar nicht möchte, nicht verstehe, naiv und kindisch finde oder unangenehm finde. wenn ich panik oder angst habe, kann ich mich damit kurz abschalten - danach geht es mir zwar noch viel schlechter, aber dann kann ich mich ja wieder abschalten usw usf
ich muss nicht erleben, etwas zu haben und glücklich zu sein, und die mögliche konsequenz, es wieder verlieren zu können.
die bulimie ist großteils eine illusion für mich - ich gehe von "grundannahmen" aus, die starr sind, die aber in wirklichkeit gar nicht so sind und auch gar nicht so von mir empfunden werden, z.b.: die assoziation essen mit wohlgefühl, fülle, wärme, genuss - deshalb so viel wie möglich in situationen, in denen ich mich schlecht fühle - doch wenn ich genau darüber nachdenke und meine gedanken und gefühle reflektiere, fühle ich mich schon, wenn der gedanke aufkommt, zu fressen und zu brechen, ein leid und unwohlsein auf, weil ich mich schuldig fühle es zu tun (mir gegenüber, anderen gegenüber) und weil ich ja schon weiß, dass wenns vorbei ist, es mir noch viel schlechter gehen wird...vor dem essprozess schwelge ich in überzeugungen wie lecker und gut und wohltuend all diese nahrungsmittel sind, während ich sie esse steigt allerdings enttäuschung und frust, da ich bemerke, dass sie mir gar nicht das geben, was ich eigentlich brauche, ich darauf verzichten hätte könne, es nicht gebraucht hätte, es gar nicht so gut schmeckt wie vorher eingebildet - frust = "eh schon wurscht, jetzt können wir gleich noch mehr reinfressen, auerdem ist eh alles sch* und hoffnungslos. ich schaff eh nix, bin schlecht, ungeliebt, ein versager" (bei mir ist das mich selbst in die opferrolle zu drängen total extrem)
großteils ist es halt so, dass sich gefühle unbewusst anstauen, weil ich einfach nicht daran gewöhnt bin, mich mit ihnen zu beschäftigen und deshalb oftmals darauf "vergesse", ich mich überreizt und überfordert fühle, weil es so viele gefühle auf einmal sind, ich nicht kann oder will (weil meine empfindungen sehr intensiv sind, ich sie teilweise unterschätze und als unwichtig abstemple, weil ich manche gefühle einfach nciht haben will weil ich sie kindisch und naiv finde)
ich identifiziere mich sehr mit meinen gefühlen, deshalb verreinnahmen sie mich oft komplett und ich verliere sozusagen die kontrolle über mich, werde von den gefühlen gesteuert. ich habe manchmal das gefühl, dass mich die gefühle regelrecht auffressen, weil ich noch nicht gelernt habe, mich davon abzugrenzen und zu distanzieren. genau, wie ich es noch nicht gelernt habe, mich von anderen und meiner umwelt abzugrenzen - oft identifiziere ich mich mit den gefühlen anderer oder stimmungen in meiner umwelt
wenn es negative gefühle sind, von denen ich "eingenommen" werde, verfalle ich dann in panik, denke oft alles ist verloren und vorbei, dass ich zb durch eine einzige prüfung, die ich nicht schaffe, alles verliere etc...also dieses extreme identifizieren und reinsteigern
momentan geht es mir schon besser, ich spüre mich etwas mehr, breche nur noch jeden 2ten tag 1x und meist nur ein kleinerer bis mittlerer FA, der auch nicht mehr so ausartet, mich nicht mehr so runterzieht und ich schaffe es, den rest des tages für mich zu nutzen - was mit freunden zu machen, lernen und arbeiten zu gehen.
dieser FA kommt aber nur deshalb, weil ich nach längerer zeit in der realität und der ständigen auseinandersetzung mit mir selbst und analyse meiner gefühle mir einfach die kraft fehlt, weiterzumachen...es ist dann sozusagen eine kleine "auszeit" - die in wahrheit aber keine entspannung ist, sondern eine zusätzliche anstrengung...ich muss mir da irgendwie wege überlegen, wie ich über diesen berg komme...am besten wäre natürlich kalter entzug, aber das war momentan nicht wirklich möglich...
und damit komme ich auch gleich zu 2: ich will raus aus der ES, weil: ich war schon immer kontra, konnte in meinem bewusstsein der krankheit keine positiven seiten abgewinnen, hatte aber kaum eine möglichkeit, an meine gefühle ranzukommen und war auch nicht fähig sie auszuhalten geschweige denn mich mit ihnen zu beschäftigen...
es ist halt sehr anstrengend, dauernd ist etwas (besonders ein paar stunden danach,wenn ich erbrochen habe, dann kommt wieder ein großer emotionsschub hoch) - hauptsächlich, weil ich ja doch noch oft erbreche udn immer wieder "von neuem anfange" mit nicht brechen
ich empfand die b schon immer als belastend, nicht gut, runterziehend, schädigend etc...aber andererseits hat die krankheit ganz am anfang für mich ja auch ganz gut funktioniert: ich kam vom BED - endlich nicht mehr den ganzen tag rumliegen und bauchschmerzen haben. und anfangs gab mir die krankheit komischerweise energie und ich war danach immer "erleichtert" und emotional befreit...abgesehen von den ersten paar malen brechen war en da sonst nur scham, schuld, depression, antriebslosigkeit, leere, hoffnungslosigkeit - aber ich hielt mich lange daran fest, dass das irgendwann wiederkommt, dieses "angenehme" nach dem brechen
die ES gibt mir nichts außer unnötiges, zusätzliches übertriebenes leid, hoffnungslosigkeit, auswegslosigkeit, psychische und physisches leiden, nimmt mir jegliche freude, raubt mir jegliche zeit und energie, und sowieso unmengen von geld und gesundheit, lebensqualität, entspannung und innerem wachstum, entfaltung.
umso mehr ich in der realität lebe, merke ich, dass gerade das leben voller hoffnung, chancen und möglichkeiten ist. nichts ist hoffnungslos, beängstigend oder aussichtslos - im wahren leben findet man immer möglichkeiten. wenn sich eine tür schließt öffnen sich 3 andere. ich bin die, die sich in ihre eigene hölle katapultiert, ich bin die die schwarz sieht und sich von ihren gefühlen verreinnahmen lässt. und das leben kann sich so gut anfühlen, wenn man es sich nicht gar so schwer macht und ständig schwarz sieht. man sollte darüber hinauswachsen und eine gewisse distanz dazu entwickeln, nicht alles persönlich nehmen. dann kann man genießen, den überblick behalten und das beste draus machen.aber bis dahin ist es noch ein sehr sehr weiter weg. momentan stehe ich noch vor dem problem, meine gefühle dauerhaft auszuhalten und es auf die reihe zu kriegen, in der realität auf dauer zu bleiben.und das essen endlich als essen zu betrachten, anstatt ihm ständig übermäßige emotionale bedeutung zuzuschreiben. es ist "nur" essen - mein körper benötigt es um zu überleben. aber das wars auch schon. mehr sollte essen an grundbedeutung nicht zukommen finde ich. natürlich auch genießen und sich daran erfreuen. aber nicht die eigentliche funktion aus den augen verlieren. bei mir zumindest kommt es dadurch dazu, dass ich diesen emotionalen wert des genusses (damals, an jenem schönen abend, da war das und das so gut, weil ich mich so gut gefühlt hab und es so gut geschmeckt hat) in fresszeiten wieder aufleben lasse und dann genau darauf sich mein heißhunger spezialisiert.