Ja, das ist es Mimi
Caruso hat geschrieben:Es wird Dir den Schmerz nicht nehmen, Naturelle, wenn der Tag gekommen ist. Auch nicht die Tage und Wochen danach. Aber es ist leichter, sich mit diesem Gefühl der Liebe zu verabschieden, als im Haß oder Zorn.
Hass oder Zorn kann ich auf meinen Dad nicht empfinden, auch nicht für alles was er getan hat. Eher Dankbarkeit, denn auch seine Fehler haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
Ich bin für einige Eigenschaften auch dankbar, die mir meine unschöne Kindheit mitgegeben hat.
Danke, Caruso.
Den Menschen loszulassen bedeutet dann auch, mit sich selber wieder ins Reine zu kommen. Du wirst nun irgendwann am Grab Deines Papas stehen. Lege einen Teil Deiner Last dort mithinein. Das hat nichts mit verzeihen zu tun, sondern etwas damit, einen Teil Deiner Seele, den dunklen und schmerzvollen Teil, ihm anzuvertrauen.
Klingt vielleicht etwas absurd, weil warum solltest Du ihm noch Vertrauen. Es hat etwas mit der Liebe zu tun, die Du für ihn empfindest. Gib ihm Deine Last schweigend mit auf seinen letzten Weg. In Deiner Art zu glauben, kann er damit umgehen, auch nach seinem Tod.
So seltsam das klingt: Ich verstehe und es fühlt sich auch stimmig an für mich es so zu sehen.
Ich fühle mich mit ihm im Reinen. Ganz gleich, was war: Ich liebe ihn und kann das aus tiefstem Herzen herraus sagen.
Aber ich zweifle auch wieder, ob meine Erinnerungen echt sind, da sie sich nicht mit dem guten Menschen, der er in meinen Augen war und ist, vereinbaren lassen. Und doch weiß ich, dass es seine cholerischen und schlimmen Seiten auch gab.
Morgen fahre ich wieder hin.
Der Arzt meinte, er würde nun immer mehr schlafen... Er ist sehr, sehr müde.
Mitte der Woche war er wieder im Krankenhaus, weil er Blut und Gewebe spuckte. Der Krebs frisst den Magen auf

Ich find das so schrecklich und denke, wenn es mir so gehn würde, ich würde verrückt werden, wenn ich das mitmachen müsste.
Gestern Abend hab ich eine halbe Stunde mit ihm telefoniert.
Er weint sehr viel, sagt immer wieder, er hätte so tolle Töchter und eine so tolle Frau...
Er würde viel darum beten, dass wir uns irgendwann wieder sehen. Das tu ich auch.
Er ist ja Zeuge Jehova und glaubt daran, dass es die Wiederauferstehung und das Paradies gibt.
Nun ich glaube an ein anderes Wiedersehen und bin überzeugt, dass die Seelen derer, die so eng verbunden waren im Leben, über das Leben hinaus nicht getrennt sind,
Ich sage ihm auch immer wieder, dass dieses Leben hier nicht alles ist, sondern nur ein Teil eines Größeren Zusammenhanges.
Insofern sind wir uns einig.
Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen Dad mal so gefühlvoll kennenlerne, dass ihm solch kleine Dinge wichtig sind. Früher versuchte ich vergeblich ihm eine Freude zu machen und heute freut er sich über kleine Gesten.
Ich denke, wenn er nie so krank geworden wäre, dann hätte es diese Entwicklung nie gegeben...
Er meinte auch, er würde heute so vieles anders machen und er hätte so viele Fehler gemacht. Er scheint sehr vieles aufrichtig zu bereuen. Doch wie es mit dem m*ssbr**ch aussieht weiß ich nicht. Keine Ahnung ob er es noch weiß, oder ob seine Psyche es jetzt verdrängt, weil sie die Kraft braucht sich auf das kommende vorzubereiten.
Aber er bereut vieles,... Ich kann ihm verzeihen und mit ihm in Liebe auseinander gehen.
Oft hab ich Angst, dass sich das mal ändert, wenn mehr Erinnerungen hochkommen sollten

Vielleicht kurzfristig... aber doch hoffentlich nicht grundlegend.
Momentan hab ich jeden Tag Angst, dass der Anruf oder eine SMS kommt mit der Botschaft, dass er gestorben ist... Auch Angst, dass er morgen schon nicht mehr lebt, wenn ich hinfahre.
Keine leichte Zeit.
LG Naturelle