#11
von aire
Hallo Zimtsternchen,
wir hatten heute spontan einen Vortrag über Allgemeine Psychologie. Genauer: Eine Darstellung über die Psychologischen Ausrichtungen. Es gibt fünf Ausrichtungen.
1) Der biologistische Ansatz
Die Nähe zur Biologie ist recht leicht erklärt. Die Sinnesfunktionen (wie Sehen, Riechen, Schmecken) bestimmen, wie wir etwas wahrnehmen, was wiederum unser Erleben und Verhalten beeinflusst. Psychologie ist die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben des Menschen. Die Biologen behaupten, Verhalten sei genetisch bedingt. Bei der Partnerwahl behaupten sie z.B., dass die Frauen weiterhin nach maskulin ausschauenden Kerlen suchen und die Männer weiterhin nach dem gebärfreudigen Becken. „Wenn man sich die Kontaktanzeigen in den Zeitungen durchliest, könnte man meinen, das stimmt“, meinte die Dozentin. „Alle Frauen beschreiben sich als gut aussehend, gute Figur, häuslich…“ Oder bei den Aggressionen würden die Biologen argumentieren, dass die Jungs aggressiver sind als die Mädels, weil die mehr Testosteron haben und das macht sie aggressiv.
2) Die zweite ist die Psychodynamische Perspektive. Sie wird oft als die einzige hingestellt. Der bekannteste Vertreter ist Sigmund Freud. Begriffe wie „Ödipuskomplex“, „anale Phase“ und so weiter sind stark im Allgemeinwissen verankert. Durch eine spektakuläre Theorie und brilliantes Autorentm. Es ist einfach eine griffige Theorie. Sie sagt aus: Verhalten wird angetrieben durch starke innere Kräfte, die Triebe. Dies gibt es auch bei den Tieren. Die Zugvögel schauen ja nicht in den Kalender und stellen fest „Oh, September, so spät schon, wir müssen starten!“ Sondern das macht der Instinkt. Instinkte und biologische Triebe (nach Nahrungsaufnahme, Fortpflanzungstriebe) und soziale Erfordernisse bestimmen den Menschen. „Wenn Sie jetzt gleich Hunger kriegen aufs Mittagessen gehen Sie auch nicht ins Restaurant und nehmen sich möglichst viel mit ohne es zu zahlen.“ Aus den widerstrebenden Trieben entstehen Konflikte. Eltern/Kultr/Gesellschaft verbieten alles Mögliche. „Das fängt schon im Sandkasten an. Da nimmt ein Kind dem anderen den schönen blauen Eimer weg. Dann fängt das andere Kind an zu heulen. Dann kommt die Mutter und sagt ‚Das geht doch nicht, das kannst du nicht machen, das ist doch nicht deiner! Das ist verboten!’ Es wird also vom Kind gelernt, die Waage zu halten zwischen den Bedürfnissen und dem, was ich denken, tun, sagen darf usw.
Die Instanzen: Das ‚Es’ beeinhaltet Bedürfnisse aller Art. Zum Beispiel, Eimer zu klauen. Das ‚Über-Ich’ sind die Eltern, die verinnerlichten Normen der Gesellschaft. Zum Beispiel mldet sich das ökologische Gewissen, wenn wir Batterien in den Hausmüll schmeißen und sagt ‚Das war jetzt aber nicht korrekt’. Dann denkt man sich ‚Ach, na ja, in Spanien gibt’s keine Mülltrennung. Und es wird auf der Mülldeponie ja doch alles zusammen gekippt.’ Hört man ja manchmal davon. Und das ist dann das ‚Ich’, was das sagt, das Realitätsprinzip, das zwischen den anderen beiden Instanzen vermittelt. Manchmal wird das ‚Ich’ von den anderen Instanzen regelrecht zerrieben. Zum Beispiel (Extrembeispiel) bei Pädophilie oder bei Geschwisterliebe oder Menschenfresser. Auf der einen Seite gibt es da die starken Triebe. Auf der anderen Seite starke gesellschaftliche Tabus. Das ‚Ich’ kann das nicht ausgleichen, es entstehen (nach Freud) Neurosen, Psychosen, Ängste, Persönlichkeitsstörungen, Sucht.
Kommen wir zur Therapie: Freud würde Aggressionen als Verschiebung eines kindlichen Konfliktes betrachten. Zum Beispiel hat an mal als Mädchen einen Jungen geschlagen und alle waren entsetzt und haben gesagt ‚Das kannst du doch nicht machen, du bist doch ein Mädchen, ein Mädchen macht das nicht.’ Dann hat man das verboten bekommen. Und als erwachsene Frau kommt es dann zu einem abwertenden Verhalten dem (männlichen) Chef gegenüber, der ihr verboten hat, im Rock zur Arbeit zu kommen. Und das führt zu Aggressionen. Phobie ist eine Verschiebung von Trenunngsangst (laut Psychoanalyse)
Bei der Therapie gibt es noch Abarten von Alfred Adler und C.G. Jung. Die Therapie geht so vor, dass geredet wird. Den Löwenanteil dabei bestreitet der Patient. Der Analytiker schreibt auf und deutet. Zwei Mal pro Woche Kontakt. Es ist keine Kurzzeittherapie, sondern etwas, wofür man einen längeren Atem braucht, das bringt das Konzept schon mit sich. Diese Therapieform/das Modell ist in Österreich entstanden.
3. Die dritte Form ist der Behaviorismus. „Ich hab hier ein Bild von Skinner. Weil der so eine schöne Frisur hat. Wie ein Kauz. Und es war auch ein komischer Kauz.“ Die Bahavioristen sagen: Uns interessiert nur das Verhalten, nicht das Erleben. Das Erleben ist nur Spekulation. Denken ist irrelevant. Zum Beispiel bei einem Waschzwang. Da würde der Behaviorist sagen ‚Die arme Frau. Die wäscht sich 500 Mal am Tag die Hände. Das stört sie, das stört ihre Umgebung. Da müssen wir was gegen machen.’ Das Verhalten korrigieren. Die Ursache ist egal. Dasselbe gilt für Phobien. ‚Was glaubt ihr, ist der Behaviorismus vor oder nach Freuds Theorie entstanden?“ Jemand meinte ‚Davor’. ‚Nein. Der Behaviorismus ist eine Gegenreaktion auf die Psychoanalyse, der es nur um das innere Erleben geht. Die Psychoanalyse ist sehr erfolgreich nach USA exportiert worden. In Manhatten gibt es die höchste Dichte von Psychoanalytikern. Um 1920 entstand also der Behaviorismus, um die Analytiker ein bisschen zurück zu drängen. Beobachten und messen spielte eine große Rolle. Es wurden viele Experimente mit Tieren gemacht. Bei Aggressionen würden also die Behavioristen sagen, wir müssen den Umweltauslöser finden, den so genannten Verstärker und schauen, was sind die Konsequenzen dafür. Zum Beispiel ein Kind sieht, dass Gewalt funktioniert. Es hat auf dem Spielplatz den Platz auf der Schaukel bekommen, indem es ein anderes Kind von der Schakel geschubst hat. Und zu Hause hat der Vater, der gerade Zeitung las, gesagt‚ gut gemacht, Kind. Jeder muss schauen, wo er bleibt. Du kommst mal durch.’
Die Therapierichtung wäre die Verhaltenstherapie ursprünglich. Bei Depressionen würde man also die Leute verstärken, wenn sie statt um elf Uhr um neun Uhr aufstehen und ihr Bett machen. ‚Das ist natürlich nur ein Anfang. Bei Menschen geht das nicht so einfach. Das reicht nicht. In der modernen Therapie werden auch die Gedanken betrachtet. Zum Beispiel ‚Warum soll ich um neun Uhr aufstehen, ist doch eh alles so sinnlos, mein Leben.’ Oder bei einer Haarbürstenphobie. Wenn wir einen Mensch haben, der sagt, mir geht’s eigentlich gut, ich hab nur eine Haarbürstenphobie – nicht lachen, das gibt es wirklich, und das ist nicht schön, das schränkt mich total ein, ich kann in kein Geschäft gehen, weil da könnte ja eine Haarbürste liegen.’ Dann ist es oft so, dass eine Verhaltenstherapie, das reine Abtrainieren dieser Angst reicht und dann ist gut.
Ein Verstärker ist etwas, das die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten erhöht. Zum Beispiel: Warum gehe ich hier zur Arbeit? Genau, weil ich ein Mal im Monat Geld auf mein Konto kriege. Gratifikation nennt man das. Essen ist auch eine Form von Lob. Sollte man bei Menschen aber nicht einsetzen. Das gibt dann übergewichtige Kinder. Und Geld ist nur beschränkt sinnvoll. Es gibt ja Eltern, die geben Geld für alles, auch fürs Rasen mähen, Müll runter bringen Zimmer aufräumen usw. All die Arbeiten, die Kinder nicht so gerne machen. Irgendwann hat das Kind sich dann alles gekauft, was es gerne hätte. Dann denkt es sich ‚Wozu soll ich noch mein Zimmer aufräumen, ich hab doch schon alles?’ Da wird diese Verstärkungsmethode ad absurdum geführt. Es gibt Studien, die sagen, ab 2.000 Euro im Monat zieht Geld als Verstärker nicht mehr wirklich, wird inflationär. Die Konsequenz ist die Hoffnung, dass das Kind sich in Zukunft bemüht, in Mathematik immer eine eins zu schreiben, wenn man das positiv verstärkt. Verhaltenstherapeuten gehen mit ihren Patienten auch schon mal auf den Kölner Dom bei Höhenangst.
4. Die Humanistische Perspektive. Einer der Begründer ist Carl Rogers. Er sieht den Menschen als aktives, gutes Geschöpf, das nach Wachstum und Entwicklung seines Potentials strebt. Mit dieser Definition habt ihr vermutlich weniger Probleme als mit den anderen, oder? Carl Rogers war Theologiestudent in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Er hatte den ersten und den zweiten Weltkrieg als Erfahrung. Der Ansatz ist ein christlicher, geht aber darüber hinaus und ist auch z.T. problematisch. Das positive daran ist aber, dass er den Menschen nicht defizitorientiert sieht. Sondern sagt: Der Mensch kann im Prinzip das auch selbstständig machen, dieses Streben nach Entfaltung seines Potentials. Er weiß auch, was gut für ihn ist. Da es kein Defizitansatz ist, ist auch zunächst mal keine Therapie nötig. ‚Das ist nicht so leicht, dieses Menschenbild aufrecht zu erhalten, wenn man 20 Jahre in der Drogenberatung gearbeitet hat. Es geht um die Konzentration auf subjektive Erfahrungen, nicht äußere Umstände. Beispiel Aggression: Die Humanisten würden sagen, da wurde Entwicklungspotential gebremst. Dadurch entstehen Aggressionen. Gegen sich selbst oder gegen andere.
Die Therapie ist hier auch die Geprächstherapie, Personenzentrierte Therapie, man spricht dabei, macht keine praktischen Übungen. Es ist außerdem nondirektiv, das heißt, der Therapeut gibt keine Ratschläge. ‚Was sagt der Therapeut dann?’ fragte die Dozentin. Ein Student antwortete „’Mmh’, ‚mmhmh’. ‚Ja.’ ‚Genau’.“ ‚Ja, jetzt muss man aber schauen, dass das nicht zur Persiflage wird. Aktives Zuhörern erfordert mehr als alle zwei Sätze ‚mm’ zu sagen. Es erfordert unendliche Geduld, wenn der Patient einem zum fünften Mal dasselbe erzählt, nicht einfach hinzugehen und zu sagen ‚So, jetzt pass mal auf Mädel, du mahcst das jetzt so und so’. Der Patient muss Selbsterkenntnis haben. Der Therapeut fragt nach, spiegelt, was er verstanden hat und regt so die Selbstreflexion des Patienten an. Er fragt z.B. auch nach einem Perspektivenwechsel ‚Wie würde Ihre Frau Ihr Problem beschreiben?’ Das bezahlt die Kasse auch. ‚Es ist eine schlimme Hypothek, mit einem Gesprächstherapeuten befreundet zu sein’, meinte die Dozentin. Die kommen manchmal aus dem beruflichen nicht raus, und sagen immer noch ‚mhmh’, wenn man sich eigentlich mal ganz normal über die Wochenendplanung unterhalten will. ‚Egal, in welcher Therapierichtung man steckt, man sollte aufpassen, das man nicht in allen Freunden die defizitären Klienten sieht. Das ist wohl der Grund, warum innerhalb des Bereichs so häufig gewechselt wird. Auf die Frage, ob ‚einfach nur Zuhören’ nicht etwas sei, was auch Freunde leisten könnten, meinte die Frau Professor ‚Nein, da geht nicht. Zu Freunden hat man eine andere Beziehung, die kennen einen schon und die erwarten eine Gegenleistung. Das tut ein Therapeut ja nicht.’
Das Problematische an dem Ansatz ist: Als humanistischer Therapeut müssten Sie allen Leuten so vorurteilsfrei begegnen. Auch dem Amokläufer aus Winnenden, wenn er noch leben würde und zu Ihnen in Therapie käme. Der wäre dann auch einer mit Potential. Für Therapeuten ist es allgemein schwer, sich eine Frische zu bewahren, Leute nicht gleich in eine Schublade zu stecken nach langjähriger Berufserfahrung. Das gilt für alle Leute im sozialen Bereich: Kein Zyniker werden, der alles weiß und den nichts mehr erschrecken kann. Aber auch keine zweite Mutter Theresa.
5. ist die Kognitive Perspektive. Beschäftigt sich mit dem menschlichen Denken und allen wissensbasierten Prozessen. Das klassische Beispiel ist hier Prüfungsangst. Zwei Leute stehen vor der Diplomprüfung. Der eine denkt ‚Oh nein, ich hab immer Pech. Bestimmt kommt eine Frage dran, die ich nicht kenne. Und ich bin schon drei Semester über der Regelstudienzeit.’ Und der andere denkt sich ‚Komm, andere schaffen das doch auch. Oder fallen durch, aber die leben auch alle noch.’ Lachen ‚Zumindest die meisten’. Noch mehr Lachen.
Ein anderes Beispiel ist, wenn ein sozialer Hinweisreiz falsch verstanden wird. Ich schaue jemanden an – irgendwohin muss ich ja sehen, ne? Und der sagt „Was guckst du?“
Die kognitive Therapie beschäftigt sich entsprechend damit, gedankliche Prozesse aufzuspüren, zu analysieren und zu verändern. Zum Beispiel bei Prüfungsangst die Kognitionen aufspüren. Oder bei Depressionen. Wobei das bei leichten Depressionen geht. Bei schweren Depressionen braucht man erst eine medikamentöse Therapie.
Das waren soweit die Reinkulturformen. Die Realität ist, wenn man ins Telefonbuch schaut und die Psychologischen Psychotherapeuten nimmt. (Das sind die mit einer Kassenzulassung.) Und dann ruft man einen an, der einen sympathisch klingenden Namen hat. Oder man ruft den an, der am nächsten wohnt. Oder nein, den, der im entferntesten Stadtteil wohnt, damit man nicht gesehen wird, wie man ein Mal wöchentlich zu dem in die Praxis geht. Die Kasse bezahlt drei probatorische Sitzungen. Und dann schaut man nach Sympathie und wie der Therapeut arbeiten will. Was bietet er an für eine Erklärung für mein Problem? Was will er mit mir machen? Der Therapeut schaut auch, ob er sich vorstellen kann, mit dem Patienten zu arbeiten. Und dann stellt er einen Antrag bei der Kasse. Nur 12% der Therapeuten praktizieren heute noch nach ausschließlich einer Methode, die meisten kombinieren verschiedene Elemente aus den verschiedenen Richtungen. Auch wenn sie es nicht so explizit sagen. ‚Wobei, wenn Sie einen Therapeuten anrufen, dann werden Sie auch für ein Erstgespräch eine Wartezeit von einem halben Jahr haben mindestens. Daran sieht man z.B. dass es eine Unterversorgung gibt. Auch wenn die Kassenärztliche Vereinigung sagt, dass es nicht so ist. Wenn Sie’s nicht mehr aushalten, weil Sie sich sonst etwas antunt, dann müssen Sie in eine Psychiatrie gehen. Ist hier so. Na ja, probieren Sie’s mal in Mecklemburg Vorpommern, da ist es glaub ich besser. Noch schlimmer ist es bei den Kinder- und Jugendtherapeuten. Da ist die Wartezeit ein dreiviertel Jahr und länger. Und für Kinder ist das ja noch länger. Also wenn Sie ein Kind haben, dann machen Sie schon mal einen Termin beim Kinder- und Jugendpsychotherapeuten aus, bis sie dran kommen, hat ihr Kind dann auch ein Problem.’
Literaturgrundlage: Der Zimbaro, Ph. & R. Gerrig (2008). Psychologie. 18. Auflage. München: Pearson