Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#18
Caruso hat geschrieben:ersetze mal das Wort "Unterbewusstsein" durch Belohnungszentrum, dann wird es besser.
Das Belohnugszentrum erinnert sich permanent (im übrigen auch weit über die 30 Tage hinaus) an das, was ihm beigebracht wurde. Egal, um welche Sucht es sich handelt.

Diese 30 Tage-Frist halte ich für Quatsch, weil die Aktivierung des Suchtzentrums jederzeit wieder erfolgen kann. Die Rückfallquote bei Alkoholikern z.B. ist im ersten Jahr (also 360 Tage) am höchsten und beträgt 46% !!

lG
Caruso
Wie kommst du auf Belohnugszentrum?
Natürlich erinnert es sich, ich behaupte ja nicht, dass man alles vergiß, was war, aber das Suchtverhalten verringert sich deutlich.
Für den Anfang 30 Tage, habe aber gehört dass es mehr als 90 Tage sein sollen, damit sich das neue Verhalten fesetsetzt.

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#19
mir fällt dazu auch was ein:

gar nicht selten berichten hier leute, dass sie "ohne therapie" gesund geworden sind, einfach durch disziplin und eisernen willen, und arbeit an sich selbst. Oder, auch sehr häufig, sie sind seit (z.B.) 3 wochen clean, essen normal, alles ist so schön und wunderbar, die bulimie ist scheinbar besiegt.
schön und gut ... aber ich schätze, für so ca um die 90% derjenigen kommt irgendwann der tag, an dem hier steht: "hilfe, rückfall - was ist los, es ging mir doch so gut". weil sie eben nur auf der körperlichen ebene gearbeitet haben - ja, mit richtig essen kann man schon mal total gut FA vorbeugen! aber wenn die psychische komponente komplett außer acht gelassen wird, dann ist die gefahr eines rückfalls einfach enorm hoch.

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#20
Wie kommst du auf Belohnugszentrum?
Fachliteratur. Meine ehemalige Freundin war Bulimikerin und Alkoholikerin. Da liest man sehr viel und unterhält sich auch mit Ärzten in der Suchtklinik.

Das mit der Reduzierung des Suchtverhaltens ist richtig. Hier stimmen die 30-90 Tage Angaben. Das Belohnungszentrum ist Bestandteil des Gehirns. Also nichts unterbewusstes, sondern etwas sehr existentes. Und es vergisst nicht. Es wird durch ein geändertes Suchtverhalten "eingeschläfert". Aber es kann genau so schnell auch wieder aktiv werden. Nicht umsonst werden Suchtkranke nach einer stationären Therapie weiterversorgt durch ambulante Therapie und/oder Selbsthilfegruppen. Weil man das in der Therapie erlernte erst ins das "neue" Leben transportieren muss. Das ist nicht so einfach.

Deswegen ist auch der Prozentsatz der Personen, die sich selber, also ohne professionelle Hilfe, "heilen" konnten, sehr sehr gering. Weil es nicht nur mit dem "Willen" zu tun hat, sondern mit sehr viel anderen Faktoren des täglichen Lebens auch.

Ess-gestörte Personen z.B. können die "Droge" Essen nicht meiden, sie brauchen Essen zum Überleben. Das macht diesen Heilungsprozess doppelt so schwer. Und alleine durch Disziplin und/oder geändertes Essverhalten ist diese Krankheit lange nicht besiegt. Wenn es denn so einfach wäre, würden ihn viele nutzen. Deine Tipps sind völlig in Ordnung, aber sie sind nur ein Baustein auf dem Weg raus.

Den Titel des Threads "alles eine Frage der Gewohnheit" halte ich sogar schlechthin für falsch. Es ist es eben nicht alleine.

lG
caruso
Zuletzt geändert von Caruso am Do Jan 22, 2009 15:11, insgesamt 1-mal geändert.
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#21
Caruso hat geschrieben:
Wie kommst du auf Belohnugszentrum?
Fachliteratur. Meine ehemalige Freundin war Bulimikerin und Alkoholikerin. Da liest man sehr viel und unterhält sich auch mit Ärzten in der Suchtklinik.

Das mit der Reduzierung des Suchtverhaltens ist richtig. Hier stimmen die 30-90 Tage Angaben. Das Belohnungszentrum ist Bestandteil des Gehirns. Also nichts unterbewusstes, sondern etwas sehr existentes. Und es vergisst nicht. Es wird durch ein geändertes Suchtverhalten "eingeschläfert". Aber es kann genau so schnell auch wieder aktiv werden. Nicht umsonst werden Suchtkranke nach einer stationären Therapie weiterversorgt durch ambulante Therapie und/oder Selbsthilfegruppen. Weil man das in der Therapie erlernte erst ins das "neue" Leben transportieren muss. Das ist nicht so einfach.

Deswegen ist auch der Prozentsatz der Personen, die sich selber, also ohne professionelle Hilfe, "heilen" konnten, sehr sehr gering. Weil es nicht nur mit dem "Willen" zu tun hat, sondern mit sehr viel anderen Faktoren des täglichen Lebens auch.

Ess-gestörte Personen z.B. können die "Droge" Essen nicht meiden, sie brauchen Essen zum Überleben. Das macht diesen Heilungsprozess doppelt so schwer. Und alleine durch Disziplin und/oder geändertes Essverhalten ist diese Krankheit lange nicht besiegt. Wenn es denn so einfach wäre, würden ihn viele nutzen. Deine Tipps sind völlig in Ordnung, aber sie sind nur ein Baustein auf dem Weg raus.

Den Titel des Threads "alles eine Frage der Gewohnheit" halte ich sogar schlechthin für falsch. Es ist es eben nicht alleine.

lG
caruso
Danke, wertvoller Beitrag. :wink:
Aber heißt es dann, dass Menschen die an Bulimie leiden, immer einen Rückfall haben können?
Oder kann man das mit einer Therapie so hinkriegen, dass man nicht mehr ständig daran denkt?

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#23
Aber heißt es dann, dass Menschen die an Bulimie leiden, immer einen Rückfall haben können?
Oder kann man das mit einer Therapie so hinkriegen, dass man nicht mehr ständig daran denkt?
Man muss als ehemaliger Suchtkranker immer mit einem Rückfall rechnen. Der Rückfall an sich ist nicht das Problem, sondern wie man damit umgeht. Man muß ihn als Rückfall akzeptieren, um nicht wieder in das alte Suchtverhalten zurück zufallen. Man weiß es, dass es ihn gab und macht einen Haken dran. Man kann ihn auch bewusst zulassen, wenn man die Stärke dazu hat.
In einer Therapie ist auch der Rückfall ein Thema. Man kann lernen, damit umzugehen, wenn er denn passieren sollte. Nicht in eine Panik zu verfallen, dass nun alles wieder von vorne beginnt, sondern aus dem "Vorfall" eine Analyse zu bilden. Warum kam es zu dem Rückfall ? Welche Umstände führten dazu ? Und damit wieder ein Stück zu wachsen und den nächsten vielleicht in den Griff zu bekommen. Auch cleane Alkoholiker dürfen wieder Alkohol trinken. Aber erst wenn sie sich dieses Tuns so voll bvewusst sind, dass dieses Belohnungszentrum eben nicht aktiviert wird und alte Verhaltensstrukturen wieder aufbrechen.

Es ist nicht so sehr Aufgabe der Therapie das Denken an einen RF auszuschalten (das wäre etwa so, wenn Dir jemand sagt, Du darfst heute nicht an die Farbe Grün denken den ganzen Tag - du wirst ständig an Grün denken dann), sondern Dir Hilfsmittel an die Hand zu geben, mit diesem RF mental umzugehen. Weil auch ein passierter RF kann ein Sieg werden ! :wink:

Greetz
caruso
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#24
Einspruch euer Ehren

Bärchen, wir sind ausnahmsweise mal nicht einer Meinung
Caruso hat geschrieben:Und alleine durch Disziplin und/oder geändertes Essverhalten ist diese Krankheit lange nicht besiegt.
Ähm.... ich habe auch zu allererst mein Essverhalten geändert und dann erst ca 1,5 Jahre später eine Therapie begonnen. Und das nicht, weil ich mit dem Essen nicht zurecht kam. Mein Essverhalten habe ich einfach durch Disziplien normalisiert (und du weißt ja was bei rausgekommen ist).
Ich konnte schon vor meiner Therapie essen wann ich wollte, wo ich wollte, was ich wollte usw. Also alles, was hier immer so hoch angepriesen wird. Ich habe mich auch nicht mehr täglich auf die Wage gestellt, Kalorien gezählt oder ähnliches. In meiner Therapie war das Essverhalten völlig außen vor und hat nicht interessiert.
Ich habe nur eine Therapie begonnen, da eben diese ursprünglichen Auslöser noch nicht bewältigt waren. Denn wie es hier ja schon richtig gesagt wurde, hat es einen Grund warum ich irgendwann mal anfange zu fressen oder zu kotzen. Und da hat das Gehirn noch überhaupt garnichts gelernt, sondern dieses Verhalten ist neu.
Warum also, bleibe ich nicht bei meinem alten "erlernten" verhalten, sondern fange etwas neues an, was mir auch noch schadet und mich auf dauer unglücklich macht. Das muss ja irgendeinen Grund haben.
Genau diese Gründe könnte ich allein nicht bewältigen. Mein Essverhalten schon.
Wenn man so will, hatte ich die Krankheit also schon lange besiegt, denn Ausdruck einer Essstörung ist nunmal ein unkontrolliertes oder auffälliges Essverhalten, was der Betroffen in der Regel nicht mehr selbst regeln kann.
Ich hatte noch Probleme, ja. Aber ich hatte gelernt auf gesundem Weg mit diesen Problemen umzugehen. Und sein wir doch mal ehrlich, welcher Mensch hat denn keine Probleme oder mal einen schlechten tag?

Ich denke jedoch auch das es vielleicht für viele die falsche Reihenfolge ist, erst das Essen in Angriff zu nehmen und dann die Auslöser. Denn unter Umständen sitzen die Auslöser so tief, sind schwerwiegend und man ist so festgefahren in seinem Verhalten das man es garnicht schaffen kann aus diesem Kreis auszubrechen. Dann ist es einfach die falsche Reihenfolge beim Essen zu beginnen, denn man wird wieder und wieder scheitern, die motivation verlieren und alles wird eher noch schlimmer als besser. Dann also doch lieber erst die Ursache bekämpfen.
Wie das immer so ist, wir sind alle verschieden und für jeden gibt es einen anderen Weg. Für mich war es richtig mein Essverhalten wieder zu stabilisieren und mich dann an die Ursachen zu wagen. Für andere ist dies vielleicht genau der falsche weg. Ich denke das sollte jeder für sich selbst entscheiden und herausfinden.

LG
Bibi
"Die Moral ist immer die Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen" Oscar Wilde

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#25
*smile*

wir sind gar nicht uneinig, Bibi !

Ich schrieb ja nur, dass alleine durch die Umstellung des Essverhaltens diese Krankheit eher nicht besiegt ist.
Es ist ein Baustein auf dem Weg dorthin, Nahrung kontrolliert und vielleicht auch mit Genuß zu sich zu nehmen. Damit verbunden ist die Suche nach dem WARUM nutze ich das Essen und das Kotzen als Lösung zu irgendetwas, was mich belastet und beschäftigt. Beide Probleme müssen in Angriff genommen werden. Ich habe mich eingemischelt hier, weil es von Kate sich so anhörte, als wäre ausschließlich der kontrollierte Umgang mit Nahrung der Schlüssel zum Erfolg. Das ist er aber sicher nicht. Was nun zuerst priorisiert werden muss, das hängt vom Individuum ab, das ist richtig.

Bussi
Caruso
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#26
Caruso hat geschrieben:
Kate hat geschrieben:Wie kommst du auf Belohnugszentrum?
Fachliteratur.
Kate, ich hab den Verdacht, dass du dich noch nie wirklich mit Sucht (welche auch immer) mit deren biochemischen Reaktionen im Gehirn befasst hast.

Belohnungssystem ist aber schonmal ein gutes Stichwort (was aber auch nicht von dir kam) und auch ich schrieb schon zig mal von hormonellen und stoffwechselbedingten Abläufen im Körper bei z.b. übermäßiger Nahrungsaufnahme. Im Körper passiert was. Und diese körperlichen, sowie psychischen Aspekte laufen ineinander.

Nahrungskontrolle und "ein neuer Umgang damit" nennt sich "rumdoktorn am Symtom" - ganz klar. Nicht umsonst gibt es auch Suchtverlagerungen. Dämmst du die eine Sucht ein, wuchert woanders ne andere. Und warum ist das so? Weil das Hirn sich danach sehnt das Belohungszentrum heftig anzusprechen.

Beispiel: wenn ich meine Ernährung kontrolliere (schon allein aus gesundheitlichen Gründen - ständiges Kotzen geht ja auch ganz schön an die Substanz, ne?), dann bemerke ich, wie ich z.b. wieder öfter schwarz fahre, oder den Wunsch habe zu klauen, oder mein Konto überziehe... usw. usf. Denn das alles löst in mir Reaktionen aus - körperlicher Art: Angst, oder Glück. Welche auch immer, es werden Endorphine ausgeschüttet, ich fühl mich high. Und DAS brauche ich.

Das eigentliche Problem ist nicht aus der Welt geschafft wenn du dein Essen kontrollierst.

Und da du ja so gern übers Unterbewusstsein redest (hast du dich damit überhaupt schonmal näher beschäftigt?), manche Konflikte sind so unterbewusst, dass du sie mit Kontrolle nicht regeln wirst. Das schafft nur ein geschulter Betrachter von Außen: ein Psychologe.


Naja... usw. usw.

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#27
Belohnungssystem ist aber schonmal ein gutes Stichwort (was aber auch nicht von dir kam) und auch ich schrieb schon zig mal von hormonellen und stoffwechselbedingten Abläufen im Körper bei z.b. übermäßiger Nahrungsaufnahme. Im Körper passiert was. Und diese körperlichen, sowie psychischen Aspekte laufen ineinander.
Dann sollte man sich eine andere Belohnnug suchen, als Essen.

Gut jeder hat eine andere Vorstellung davon los loszu kommen, bei mir hat es geklappt, weil ich hart an meinen Problemen und meiner "Sucht" gearbeitet habe.
Jeder sucht sich seinen Weg, ob mit oder ohne Hilfe von Therapeuten.

Naja ich kann mein Leben leben ohne das Forum, denn das bringt mich eher von postiven Gedanken ab.
Viel Spaß noch.

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#28
Total spannend. Nur leider habe ich blöde Lernmaus keine Zeit angemessen zu antworten.

Und ja, Kate, ich bin der Ansicht, dass du teilweise wirklich Recht hast. Es geht auch viel um Gewohnheit und auch darum, dass Belohnungssystem umzuprogrammieren, einfach neue Verhaltensweise zu engrainieren, um dann gesund zu werden und zumindest das Essverhalten zu ändern.
Allerdings ist damit die Grundursache überhaupt nicht beseitigt, sondern man geht nur auf effektive Art und Weise das Symptom an. Das ist ja durchaus sinnvoll, aber ich persönlich halte das auch nicht für den Königsweg.

Du hast geschrieben, dass du auch so eine wundervolle Therapeutin hattest, die einfach meinstest, dass du das Erbrechen einfach reduzieren solltest. So etwas habe ich auch erlebt und da habe ich mir auch gedacht, dass ich keine Therapie brauche, das schaffe ich schließlich auch allein.
Kann ich auch. Schaffe ich auch. Kein Problem. Einfach machen.

Nur, ich weiß auch ganz genau, dass ich, obwohl ich schon ein knappes halbes Jahr symptomfrei, gesund und leistungsfähig bin, nicht wirklich gesund bin. Bin ich nicht. Ich kann kämpfen, ich kann das, ich schaffe das. Und ich bin verdammt gut. Nur geheilt bin ich deswegen noch lange nicht, auch, wenn es sich meistens so anfühlt und ich keinerlei Rückfälle habe.
Nur ist Härte und Disziplin auch nicht die Lösung. So sehe ich das. Ziehe meine eigenen Schlüsse daraus.

Alles Liebe, Colourful
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#29
Nur, ich weiß auch ganz genau, dass ich, obwohl ich schon ein knappes halbes Jahr symptomfrei, gesund und leistungsfähig bin, nicht wirklich gesund bin. Bin ich nicht. Ich kann kämpfen, ich kann das, ich schaffe das. Und ich bin verdammt gut. Nur geheilt bin ich deswegen noch lange nicht, auch, wenn es sich meistens so anfühlt und ich keinerlei Rückfälle habe.
Darf ich fragen warum? :(

Re: Alles nur eine Frage der Gewohnheit

#30
@colourful

ich glaube, dass bulimie ganz eng mit der psyche verwoben ist. beim aufhören geht es nicht nur ums physische (nicht mehr kotzen) sondern auch um das psychische (geistig von der krankheit loslassen). und das hast du vielleicht noch nicht zur gänze gemacht und deshalb fühlst du dich noch krank. Es geht ja doch irgendwie darum nach der langen kranken zeit einen strich zu ziehen und nicht immer mit den ängsten wegen einem rückfall oder dem abgebauten selbstwertgefühl leben zu müssen.

und ich glaube das ist der schwierige teil. weil du musst zuerst passiv aufhören (nicht mehr kotzen) und dann auch noch aktiv (dir wieder ein leben bauen)...

.... ... ... in letzter zeit lerne ich so viel, dass meine formulierungen schon ganz bescheurt sind :oops:


@ kate
ich finde du hast einen sehr guten ansatz. ich habe es auch ähnlich gemacht...