Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#1
Hallo zusammen,
bin neu hier und kann mit keinen so richtig über dieses Thema reden, der mich verstehen würde, warum ich helfen will, wo es nichts zu helfen gibt!
Eine sehr gute Freundin hat bereits seit mehreren Jahren Bulimie/ Magersucht!
Ich besuche sie des öfteren, aber sehe leider kein weiterkommen, würde ihr so gern helfen, sie erzählt mir immer wie gut sie unser treffen findet und das es ihr viel bringt, so einen guten Freund zu haben, was ich ihr auch glaube.
Früher machten wir noch Sport zusammen, fühlt sich aber jetzt leider nicht mehr fit genug dafür, was verständlich ist.
Schaut auch oft sehr traurig wegen ihrem Körperlichen Zustand, würde sie dann auch gern in den Arm nehmen um zu zeigen, das jemand ist für Sie da, aber sie vermeidet jegliche Nähe.
Wir sahen uns von Anfang an als Freunde, die über alles sprechen können, das blieb bis heute so!
Gefühle gab es wenn dann nur von meiner Seite, die gingen aber nicht weit, denn ihr Untergewicht, hat mich leider immer abgeschreckt-Glaube auch das sie die körperliche Nähe meiden will, hat auch keinen festen Freund, sie braucht auch keinen, nur gute Freundschaften - Ich frage mich ob das nicht zu isolation weiter beiträgt?
Immer wieder anhören zu müssen (was ich zwar gern tue), wie schlecht es ihr täglich geht, ohne wirklich helfen zu können, macht einen wirklich down.
Will aber niemals den Kontakt abrechen, weil ich weis das es ihr gut tut und sie hat an diesen Tag auch keinen Essanfall.
Nur mir kommen immer die Gedanken, das ist nur den Tropfen auf den heißen Stein!
Es gibt dann schon immer wieder mal Vorwürfe, warum sie sich nicht meldet, wenn ich sie anrief oder schrieb, aber dann erzählte sie mir, warum sie sich nicht melden konnte, was man ohne Sucht nicht immer gleich verstehen kann/will, aber immer wieder akzeptieren muß!
Es ist sehr schwer, immer wieder zuhören zu müssen wie schwer es ihr fällt nicht permanent ans Essen zu denken!
Sie sagte sie will so bleiben, auf gar keinen Fall (viel) zunehmen > Ich weis dass das heißt, es wird sich am Krankheitsbild nichts ändern, was ich natürlich nicht akzeptieren will!
Was tun - hilflos zusehen und warten bis es ihr noch viel schlechter geht???
Man könnte noch soviel mehr schreiben was ein Außenstehender über die Krankheit denkt,
und immer wieder versucht den Menschen aufzubauen, aus dem Teufelskreis herauszuziehen und immer aber wieder auf Hindernisse stößt!
Würde mich freuen auf AW von beiden Seiten, vielen Dank soweit!
Zuletzt geändert von bluefish am Sa Nov 01, 2008 7:37, insgesamt 5-mal geändert.

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#2
hilflos zusehen und warten bis es ihr noch viel schlechter geht???
Ich kann deine Hilflosigkeit wirklich sehr gut nachvollziehen!
Ich bin zwar ursprünglich Betroffene, war aber auch bereits Anghörige bei einer suizidgefährdeten Person. Das ist vielleicht auf den ersten Blick nicht das Gleiche, aber diese regelmäßigen Gespräche über das Leid des Betroffenen kenne ich nur zu gut. Es zermürbt auf Dauer, auch wenn man wirklich da sein will!!!

Mir ging es irgendwann folgendermaßen:
Ich konnte nicht mehr, ich wollte nicht mehr alles auf meinen Schultern tragen. Ich wusste zwar ich helfe damit, denn erzähltes Leid ist geteiltes Leid, aber ich war irgendwann am Ende. So geht es dir vermutlich auch, oder?
Ich habe die Person zu einer stationären Therapie überreden können und ein Limit an Treffen vereinbart, z.B. alle zwei Wochen von 18 bis 20 Uhr. Das empfand ich zwar als hart, aber man sollte sich selbst auch noch genug wert sein, um nicht daran zugrunde zu gehen. Es ist wirklich schwierig eine Lösung für so etwas zu finden ...

Vielleicht ist es irgendwie möglich, die Last auf mehr, als auf vier Schultern zu verteilen? Bzw. verbessert sich ihre Situation eigentlich im Laufe der Zeit?

Alles Gute!

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#3
Ihre Situation verbessert sich zur Zeit nicht, aber verschlechter sich auch nicht dramatisch!
Man ist oft am verzweifeln, aber man gibt, bzw Ich gebe nicht auf
um Ihr weiter beizustehen, obwohl alles manchmal so sinnlos erscheint, weil sie auch nichts ändern will/bzw kann.
Die Stimmungsschwankungen sind auch zu meist schwierig zu ertragen, wie auch ihre Isolation.
Alles sehr schwer und zuleicht wenn man sagt das wars, mach was du willst...
Ich denke mir immer wieder, was für ein Horror, diese Krankheit zu haben!
Darum beistehen wo immer es geht!
Nur wenn man sieht es ist ihr egal, dann loslassen!
Zuletzt geändert von bluefish am So Nov 02, 2008 23:01, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#4
Lieber blufish,

erstmal: Ich finde es großartig, dass es Menschen gibt, die beistehen, da sein wollen.

Und ansonsten, glaube ich: Man ist manchmal sehr 'abwesend' bei dieser ganzen Sache (Bulimie).
Vielleicht scheint das nun ersteinmal wie ein etwas komischer Vergleich, aber: Man kann (auch) niemanden dazu bringen, schneller erwachsen zu werden.
Manche Gefühle und Einsichten können sich nur über einen sehr langen Zeitraum entwickeln.

Es scheint aus deiner Beschreibung herausgelesen, dass deine Freundin keine Therapie machen würde. An die Notwendigkeit einer solchen würde ich sie an deiner Stelle jedoch evtl. 'erinnern'.
Je nachdem, wie lange Deine Freundin dieses Problem schon hat (und aus welchen Gründen) reicht es nicht aus, einen guten Freund an seiner Seite zu haben. Plus: Vergiss nicht dein eigenes Leben.

Ich kann nur sagen: Als Menschen mir zeigten, dass sie einfach nicht mehr können, dass sie es nicht länger ertragen, da habe ich so einiges verstanden. Z.B., dass es bei allem nicht immer und nur um mich geht, sondern auch um jene, die mich lieben. Und dass ich etwas tun muß, um quasi 'unser aller Glück' so etwas wie "neu zu begründen" oder "wieder herzustellen". Mir hat das geholfen.

LG,
Anna

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#5
Liebe Anna,
sie hat schon sehr viele Therapien hinter sich, leider ohne längeren Erfolg.
Erkrankt nach einen Diätwahn in der Jugend, seit über 10 Jahren.
Zur Zeit wieder in Einzeltherapie!
Habe ihr immer wieder mal geraten sich mal in die helfenden Person hinein zuversetzen um zu sehen und zu verstehen, was auch Diese Empfinden.
Ich weis von Büchern und von Ihren Erzählungen, was in einem vorgeht, der mit dieser Sucht leben muß >Wahnsinn< Man kann eigentlich nicht wirklich erahnen wie schlimm es ist wenn man nicht selbst betroffen ist.
Darum verzeit man Einiges oder sollte man vieles Akzeptieren, aber nicht alles und nicht immer!
Man muß dann ab und an mal wieder sagen, was doch (für einen ohne Sucht) "so normal" wäre!
So lang der eine dem Anderen noch zuhört und vertraut ist alles OK (und das auch schon über 2 Jahre)...
Zuletzt geändert von bluefish am Mo Nov 03, 2008 17:19, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#6
Hey :)

Ja, also ich glaube 'Therapie machen' und 'Therapie wirklich machen wollen' sind zwei verschiedene Dinge. 20 Therapien nützen nichts, wenn keine 'Krankheitseinsicht' vorhanden ist. Und da bin ich mir eben nicht sicher, ob das tatsächlich bei deiner Freundin der Fall ist. Bis Du Dir da sicher?

Das andere ist:
Zuviel Rücksicht ist glaub auch nicht gut. Ich glaube auch, dass es für Außenstehende evtl. noch viel schlimmer klingt (was man da so fühlt, durchmacht etc.) als es im Erleben des Kranken ist, der sich quasi langsam daran gewöhnt hat. Er hat diese Situation nicht auf einmal, so, wie ein Leser entsprechender Ausführungen. Es verbindet sich viel mehr mit seinem Leben.
Dennoch will ich nicht sagen, dass es schön wäre, einfach zu ertragen und überhaupt nicht dramatisch oder so. Aber man muß sich halt als Patient auch irgendwo 'anfreunden'. Es ist eben ein 'Päckchen'. So, wie andere andere Päckchen tragen.
Trotzdem würde ich mal meinen - das klang bei dir meine ich auch an: Auch wir sind ganz normale Menschen. Mit auch einfachen Gefühlen, auch unbeschwerten Zeiten und Gedanken, auch mit völlig, ausnahmslos 'normalen' Momenten.
Ich vertrete den Standpunkt, dass man diese 'normalen Dinge' fördern sollte, und nicht nur das sozusagen "Böse" 'bekämpfen'.
Honey - auch ein mitglied hier - sagte das mal so schön, und ich drücke es mal noch ein bißchen freier aus: Es ist auch 'nur' eine Diagnose. Es ist nicht (das ganze) Leben. Es ist eine temporäre Sache. Als solche sollte man sie zumindest wenigstens verstehen. Der Mensch dahinter ist aber ein ganz anderer.

Das klingt blöd, aber ich glaube man sollte das in der Tat manchmal mit einem Beinbruch vergleichen. Manchmal ist es ganz gut die Dinge zu "banalisieren" bzw. ihnen diese "Macht" des 'völlig erdrückenden' zu nehmen.

Will sagen: Behandle sie mal so, als ob sie die Krankheit nicht hätte. Und schau, was passiert. Fängt sie dann evtl. auf einmal selbst an, davon zu reden (und merkt, dass sie das, warum auch immer, im Gegensatz zu anderen braucht) -> da könnte sie Krankheitseinsicht kriegen. Oder zieht sie sich zurück -> dann kann sie dir eigentlich auch keine Freundin sein, wenigstens nicht gerade, weil sie dann letzlich momentan doch nur an sich denken kann.

Ich warne sozusagen vor allzu vielen 'Sammthandschuhen'. Damit ist niemandem geholfen.
Ich z.B. habe gefunden, dass ich nicht nur einfach krank war, sondern selbst auch ein paar Dinge falsch gemacht hatte. Es war hart, das einzusehen, aber im Endeffekt bin ich auch dadurch gesund geworden.
Man kann nichts dafür, wenn man Dinge 'falsch' macht, vielleicht sind sie per se auch gar nicht falsch. Aber sie waren eben falsch im Bezug auf das glückliche Leben. Und man kann auch nicht immer alles richitg wissen, aber man kann manches einsehen, und so schlimm und mühseelig, manchmal scheinbar völlig unverständlich es auch ist: dann daraus und neues Lernen. Ich selbst habe das so neu gelernte immer als äußert gut, bereichernd un beglückend empfunden.

LG,
Anna

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#7
Ich z.B. habe gefunden, dass ich nicht nur einfach krank war, sondern selbst auch ein paar Dinge falsch gemacht hatte.
Das kann ich auf jeden Fall sehr bestätigen!

Denn wenn man nach 10 Jahren seine Krankheit bewältigen will, reicht es meist nicht nur aus, sein Essverhalten zu ändern. Da spielen viel mehr Faktoren mithinein. Meistens ist es so, dass man daran arbeitet, seine Denkweise, Einstellung und Haltung gegenüber der Umwelt und den Personen, die einem trotzdem ständig das Gefühl geben geliebt zu werden, zu ändern.
ABER: Wie Anna bereits deutlich gemacht hat: Das muss man wollen!

Mit Sicherheit spielt es eine große Rolle, wenn man von jemandem geliebt wird. Besitzt man jedoch selbst nicht das Gefühl geliebt zu werden, verläuft sich diese Liebe im Sand.
Das ist genauso mit dem Alleinsein: Viele Menschen fühlen sich allein, obwohl sie täglich in zahlreicher Gesellschaft sind, verstehst du?

In gewisser Weise hast du schon selbst einen Vorschlag gemacht:
Nur wenn man sieht es ist ihr egal, dann loslassen!
Halt sie fest, gib ihr Halt, UM sie loslassen zu können!
Verstehst du? Anna sagt:
man diese 'normalen Dinge' fördern sollte
Also, sozusagen im richtigen Zeitpunkt sie loslassen und freigeben, damit sie lernt auf eigenen Füßen zu stehen und sich sicherer fühlen kann und damit vielleicht lernt, dass die Realität doch eine ganze Menge für sie übrig hat, was sie verpassst.

Alles irgendwie ziemlich kompliziert.
Zumindest bist du wahnsinnig stark und das ist Etwas, auf das du wirklich stolz sein kannst!
Zuletzt geändert von tomma4 am Mo Nov 03, 2008 18:58, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#8
Sie weis das sie zunehmen müßte aber sie will/kann es nicht.
Sie ist ein herzensguter Mensch, und als diesen betrachte ich sie, und nicht als Kranke.
Wenn ich nur gegen die Krankheit kämpfen würde wäre es aussichtslos und wir hätten uns schon längst nicht mehr gesehen!
Wir wollen beide nicht loslassen, weil das Gefühl dem Anderen egal zusein nicht da ist-außer wenn sie mit iheren Eßanfällen beschäftigt ist!
Wir machen so vieles zusammen, wir verstehn uns wirklich sehr gut und ständig läuft (wenn wir uns sehen) alles "normal".
Nur wenn wir uns nicht treffen, ist sie mit Ihren Eßanfällen allein und alles gerät aus dem Ruder!
Zuletzt geändert von bluefish am Mo Nov 03, 2008 20:07, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Hilflos - zusehen, ohne wirklich helfen zu können!

#9
Lieber bluefish,

ich glaube, ich kann Dir jetzt nicht mehr antworten.

Ich weiß nicht, ob es hier um Liebe geht, zwischen euch beiden. Liebt sie Dich, und will es Dir nicht zumuten? Liebst Du Sie, und traust Dich nicht, es ihr zu sagen?

Versteh mich nicht falsch, aber: Wenn es ihr so gut geht, wenn ihr zusammen seid, und alles so schlecht läuft, sobald sie wieder alleine sein muß: Wieso seid ihr dann nicht (immer) zusammen?

Ganz ehrlich: Mit dieser Frage würde ich sie an Deiner Stelle 'konfrontieren'.

Und wenn ich hier also tatsächlich die Zeilen eines Liebenden lese, und den Kummer einer Liebenden darin auch gleich noch mithöre, dann würde ich sagen: Nehmt das Glück und vergesst andere Zeiten.

LG,
Anna