Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#1
Hey ihr Lieben!

Mir sind gestern, nachdem ich mit Genuss ein wundervolles Stück Zwetschgenkuchen gegessen habe, verschiedene Dinge in den Sinn gekommen.

Es gibt keinen anderen Weg, als zu kämpfen. Mir würde es nie in den Sinn kommen, mich mit der Krankheit zu arrangieren, weil die negativen Aspekte einfach so sehr überwiegen. Weil das Aufgeben viel mehr Kraft kostet als das Kämpfen, weil ich einen klaren Kopf und Energie brauche, die ich nicht der Kanalisation überlassen kann.

Ein Beispiel ist, dass ich ja dieses Semester nur vier von sieben Prüfungen geschafft habe. Alle anderen mit jeweils 1-2 Punkten durchgefallen. Das sagt erstmal aus, dass ich sehr viel gelernt habe, mir aber das Bisschen, was ich zum Bestehen brauche, in diesen Fällen gefehlt hat.
Und es ist mir klar, dass ich in den Wochen, in denen ich für die nicht bestandenen Klausuren gelernt habe, durchschnittlich sehr viel mehr(Lebens-)Energie ausgekotzt habe, als in den Wochen vor den (okay nicht glorreich) bestandenen Klausuren.
:!:
Was sagt mir das? Das sagt mir, dass ich ohne meine vermehrten Rückfälle besser, konzentrierter, leistungsfähiger und glücklicher (ausgeglichener) bin.
Dass ich sehr viel mutiger und stärker bin, belastbarer.
Und ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich dieses Semester clean geblieben wäre.

Nachdem mir das gestern beim Laufen erneut so klar geworden ist (mir werden die Dinge immer beim Laufen klar, deswegen laufe ich ja), ist die einzige logische Schlussfolgerung, dass wir, wenn wir das tun wollen, was wir können, die Versionen von uns sein wollen, die wir sein möchten, nur eine Chance haben - uns unseren Problemen zu stellen und verdammt nochmal zu kämpfen...
Denn ansonsten bleiben wir unter unseren Möglichkeiten als Mensch.

Würde gern eure Meinungen dazu hören! Wie seht ihr das? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

Alles Liebe, eure Colourful
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#2
Ich kann Deine Worte nur unterstreichen!! Besonders der Satz, dass die Energie, die fürs Aufgeben verschwendet wird, im Endeffekt viel höher ist, als die durch den Kampf investiert wird, gefällt mir. Denn ich denke, genauso ist es!
Im ersten Moment ist Aufgeben natürlich wesentlich leichter, weil man vermeitlich denkt: Ach ich steck ja dann keine Energie rein. Aber dabei beachten viele wohl nicht den Energieaufwand, der nötig ist, sein Lügengebilde, das Gekotze, die Fas, körperliche Schäden, Depressionen usw usw. weiter zu vollziehen/zu durchleiden. Der ist garantiert kräftezehrender auf Dauer. Nur kann man sich so einfach vormachen, dass es nicht so ist, weil man sich hinter der Krankheit sehr gut verstecken kann und von eigentlichen Dingen ablenken kann.

Ich finde Deine Erkenntnisse super!! Mir kommen so manche auch beim Laufen;-)

LG Nadine

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#3
Hallo Colourful!

Du hast ja so recht!
Ich merke auch, dass ich viel leistungsfähiger, fröhlicher, stärker usw... bin, wenn ich ES nicht tue.

Gestern hatte ich einen RF, weil ich total fertig war, und ich wollte, dass es mir besser geht (fasse nur stark verkürzt zusammen, ihr wisst eh wie sowas ist), danach war ich natürlich noch fertiger...

Und aussrdem ist es so schön, ein Essen richtig zu geniessen!
wenn wir das tun wollen, was wir können, die Versionen von uns sein wollen, die wir sein möchten, nur eine Chance haben - uns unseren Problemen zu stellen und verdammt nochmal zu kämpfen...
Denn ansonsten bleiben wir unter unseren Möglichkeiten als Mensch.
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Stimmt.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#4
hey colourful

danke für das was du da geschrieben hast! brauchte das grad um meinen kopf wieder "grade zu rücken"

du hast recht! ich glaub ich werd das immer dann lesen wenn ich das gefühl hab es sowieso nicht zu schaffen....denn wenn man genug energie übrig hat um die fas, das kotzen, das einkaufen..und die schuldgefühle auszuhalten...dann hat man auch genug um glücklich zu sein, und das essen zu genießen...

also danke!!

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#5
Nads hat geschrieben:Im ersten Moment ist Aufgeben natürlich wesentlich leichter, weil man vermeitlich denkt: Ach ich steck ja dann keine Energie rein. Aber dabei beachten viele wohl nicht den Energieaufwand, der nötig ist, sein Lügengebilde, das Gekotze, die Fas, körperliche Schäden, Depressionen usw usw. weiter zu vollziehen/zu durchleiden. Der ist garantiert kräftezehrender auf Dauer. Nur kann man sich so einfach vormachen, dass es nicht so ist, weil man sich hinter der Krankheit sehr gut verstecken kann und von eigentlichen Dingen ablenken kann.

Ich finde Deine Erkenntnisse super!! Mir kommen so manche auch beim Laufen;-)
Ja, genau. Du triffst es. Man verbraucht unbewusst soviel Energie, die man für so viele Dinge verwenden könnte, die einem wichtig sind. Ja, obwohl das Kämpfen kostet auch Kraft, aber im positiven Sinne, man kämpft für sich, in sich, verliert sie nicht in dem Maße...
Ja, Laufen ist da toll. Ist sowieso toll.
petra1984 hat geschrieben:Du hast ja so recht!
Ich merke auch, dass ich viel leistungsfähiger, fröhlicher, stärker usw... bin, wenn ich ES nicht tue.

Gestern hatte ich einen RF, weil ich total fertig war, und ich wollte, dass es mir besser geht (fasse nur stark verkürzt zusammen, ihr wisst eh wie sowas ist), danach war ich natürlich noch fertiger...
Ja, das Erlebnis hat man doch viel zu oft, bevor man etwas daraus lernt, oder? Geht mir zumindest so. :wink: Ich hoffe, dass es dir besser geht!
lea_ hat geschrieben:danke für das was du da geschrieben hast! brauchte das grad um meinen kopf wieder "grade zu rücken"

du hast recht! ich glaub ich werd das immer dann lesen wenn ich das gefühl hab es sowieso nicht zu schaffen....denn wenn man genug energie übrig hat um die fas, das kotzen, das einkaufen..und die schuldgefühle auszuhalten...dann hat man auch genug um glücklich zu sein, und das essen zu genießen...


Ja. :oops: Bin ja erstmal gerührt, dass das bei dir so angekommen ist. Ja, auch, wenn ich gar nicht mal über das Glücklichsein reden würde, erstmal hat man, wenn man die Energie aufbringen kann, auch andere Methoden und Mittel anders mit sich umzugehen... Oder?

Alles Liebe, Colour
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#6
Hallo,

bin heute das erste mal in diesem Forum. Interessanterweise, obwohl ich seit 11 Jahren bulimisch bin. Ich habe 9 Jahre Therapie hinter mir, davon einige Monate in einer Klinik. Nichts davon hat mir wirklich geholfen. Letztes Jahr im Sommer habe ich meinen Therapeuten getroffen, der mir viele Dinge begreiflich machen konnte. Seitdem bin ich in einer sehr diskrepanten Situation - einerseits habe ich endlich verstanden, dass Bulimie als Krankheit zu komplex ist, um sie verstehen zu können - ich kann von himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt schwenken, ohne mir selbst erklären zu können, warum. Andererseits weiss ich jetzt nicht, wie damit umgehen. Ich sehe mich eigentlich als ehemalige, ich hatte für fast ein Jahr keine Rückfalle mehr, bis mich eine schwierige Lebenssituation wieder mein Gleichgewicht gekostet hat. Seitdem (Oktober 2007) schaffe ich es nicht mehr, mich zu stabilisieren.
auch ich laufe, und dabei scheine ich den Energieschub zu kriegen, den ich brauche, um clean zu bleiben. Doch er dauert offensichtlich zu kurz an.
In mir baut sich durch mir noch nicht feststellbare Faktoren in kurzer Zeit ein imenser Druck auf, den ich nicht anders loswerde als durch einen Rückfall.
Wie geht ihr damit um?

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#10
Interessante Frage...

Ja, einfach aushalten, ertragen, tragen. Ich bin noch nicht lange genug clean, um zu sagen, dass es immer funktioniert und weiß auch nicht, ob es die beste Alternative ist. Aber für mich, ist es die einzige, die bei mir funktioniert. Wenn sich dieser Druck aufbaut, also ein Gefühl aufkommt, das ich loswerden will, Gedanken, die ich nicht ertragen kann, dann gehe ich, wenn möglich, eine Runde raus, laufen, was im Moment nicht geht, oder, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, dann halte ich es aus.

Und warte, dass es vorbeigeht. Es geht vorbei. Wenn ich wirklich stark bin, dann versuche ich das Denken und Fühlen zu ändern, Schritt für Schritt dahinterzukommen, was dieses Gefühl auslöst und versuche dann daran zu arbeiten, in dem ich versuche den schmerzhaften Gedankengang durch einen anderen zu ersetzen. Das klappt auch öfters. Wenn es mir jedoch nicht gut geht, dann lenke ich mich ab; gucke meine Lieblingsserie, lese etwas. Obwohl lesen auch zu wenig Ablenkung ist, zumindest für mich.

Und was auch ganz wichtig ist, Fressen und Kotzen nicht als Alternative zu betrachten. Sage mir dann oft:
"Colour, das gibt es nicht mehr. Ende."
Erfordert vielleicht sehr viel Stärke und auch Selbstdisziplin, aber bei mir funktioniert das.

Alles Liebe, hoffe, dass ich dir zumindest etwas helfen konnte!
Colourful
Zuletzt geändert von Colourful am So Okt 05, 2008 10:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#11
Para hat geschrieben:Nicht unbedingt, anna.sophie.

Ihre häufigen Rückfälle können auch an falscher Ernährung liegen. Zu schwankender Insulinspiegel usw. ...
ich weiß nicht, ich denke mir immer, wenn jemand einen FA hat bzw. Rückfall, dann ist das, weil es ihm innerlich, seelisch so schlecht geht und nicht, weil irgednwas mit dem insulin nicht passt!
Ich glaube, diese Theorien mit Heißhunger und zu wenig von bestimmten Stoffen etc. als Auslöser eines Fas anzusehen, kann man höchstens auf gesunde, normal essende Menschen anwenden, aber nicht auf ESler.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#12
Colourful hat geschrieben:

Und was auch ganz wichtig ist, Fressen und Kotzen nicht als Alternative zu betrachten. Sage mir dann oft:
"Colour, das gibt es nicht mehr. Ende."
Erfordert vielleicht sehr viel Stärke und auch Selbstdisziplin, aber bei mir funktioniert das.

Colourful
Ich bin leider erst seit einigen Tagen clean, aber genau das funktioniert bei mir bisher auch! Momentan ist es natürlich die erste Bewältigungsstrategie, die mir einfällt, aber sobald ich dann zu mir sage, "Nein, das steht gar nicht zur Debatte, das hab ich jetzt hinter mir" bin ich erstmal ratlos, aber dann finde ich schon irgendeine alternative. Und hinterher bin ich natürlich froh, dass ich eine Alternative gewählt habe.

Was mir auch hilft, ist schon vorab die Konsequenzen zu überdenken, dass ich mir ganz detailliert vorstelle, wie ich mich nach dem Fressen und Kotzen fühle, dass ich mich wie ein Versager fühlen werde, dass der Kampf völlig umsonst war, dass ich mich so schlecht fühlen werde, dass dann nur weitere FAs folgen werden.
Und das ist sehr abschreckend! Ich weiß dass ich noch sehr gefährdet bin und ich habe Angst davor, dass ein RF meine Motivation aushebelt. Und gerade dieses Gefährdetsein schützt mich z.Zt.

Mir hilft sehr was du schreibst.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#13
[quote="anna.sophie
ich weiß nicht, ich denke mir immer, wenn jemand einen FA hat bzw. Rückfall, dann ist das, weil es ihm innerlich, seelisch so schlecht geht und nicht, weil irgednwas mit dem insulin nicht passt!
Ich glaube, diese Theorien mit Heißhunger und zu wenig von bestimmten Stoffen etc. als Auslöser eines Fas anzusehen, kann man höchstens auf gesunde, normal essende Menschen anwenden, aber nicht auf ESler.[/quote]



Sicher darf man die Psychische Komponete nicht vergessen, aber ich denke schon das eine grundvorraussetzung ist das man regelmäßig ißt und sich gesund ernährt, habe das bei mir gemerkt.
Hatte nach der Klinik die Zwischenmahlzeiten nach und nach weggelassen und dann das Abendbrot und soweiter und es kamm dann gehäuft zu Rückfällen und nun stecke ich wieder mitten drin und das weil ich meine Augen verschlossen habe.

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#14
denkst du wirklich, dass der grund für die rückfälle, dein unregelmäßiges essverahlten war?
die frage sollte doch lauten: warum hast du die zwmz wieder weggelassen? weil es offenbar innerpsychisch noch (immer) heftige ungelöste konflikte gibt!

ich denke, es ist nicht logisch zu sagen: eine grundvoraussetzung, um clean zu sein, ist, dass man gesund und regelmäßig isst, denn sonst kommt es zu rückfällen! Aber man vergisst dabei völlig, dass das ausreichend essen an sich, ja nur dann klappt, wenn man innerlich wirklich clean ist! verstehst du?

Re: Clean zu bleiben ist meine einzige Perspektive...

#15
bumble-bee hat geschrieben:
Was mir auch hilft, ist schon vorab die Konsequenzen zu überdenken, dass ich mir ganz detailliert vorstelle, wie ich mich nach dem Fressen und Kotzen fühle, dass ich mich wie ein Versager fühlen werde, dass der Kampf völlig umsonst war, dass ich mich so schlecht fühlen werde, dass dann nur weitere FAs folgen werden.
Und das ist sehr abschreckend! Ich weiß dass ich noch sehr gefährdet bin und ich habe Angst davor, dass ein RF meine Motivation aushebelt. Und gerade dieses Gefährdetsein schützt mich z.Zt.
Ja. Mache ich zwar nicht, weil ich grundsätzlich nach einem FA nicht zulasse, mich jetzt auch noch für einen Versager zu halten, aber auch gut. Ist aber meiner Meinung nach auch negative Motivation, du stellst dir die bösen Konsequenzen vor, während andere sich die positven Dinge ausmalen. Wenn es dir hilft, ist das doch super.

pasta hat geschrieben:Sicher darf man die Psychische Komponete nicht vergessen, aber ich denke schon das eine grundvorraussetzung ist das man regelmäßig ißt und sich gesund ernährt, habe das bei mir gemerkt.
Hatte nach der Klinik die Zwischenmahlzeiten nach und nach weggelassen und dann das Abendbrot und soweiter und es kamm dann gehäuft zu Rückfällen und nun stecke ich wieder mitten drin und das weil ich meine Augen verschlossen habe.
.
Na ja. Also mal ganz ehrlich, wenn ich nicht auf meinen Insulinspiegel achte, zu wenig esse, dann bekomme ich zwar Hunger, aber der hört dann auch, wenn ich etwas Vernünftiges gegessen habe. Denn mein Körper signalisiert mir, was er braucht und wann er satt ist. Und dass, ohne, dass ich auf die Idee komme, einen FA zu bekommen. Also, ja, das kann zu FAs führen, aber es muss nicht.

Natürlich, das begünstigt alles einen FA, aber es bedingt doch keinen. Stellen wir uns mal einen normalen, nicht essgestörten, und am besten noch normalgewichtigen Menschen vor, der am Tag nicht zum Essen gekommen ist. Wenn der abends nach Hause kommt, dann holt er sich die Kalorien, die er braucht und hört auf, wenn es wieder ausgeglichen ist. (Der Körper bemüht sich immer um ein Gleichgewicht.)

Das, was der Mensch dann isst, ist für uns wahrscheinlich ein FA, aber da der Mensch ja aufhört, wenn er genug hat, ist es keiner. Und ich beobachte das relativ häufig, wenn mein Schwesterherz den ganzen Tag viel Stress hatte. Das ist auch mal normal.

Und außerdem stimme ich anna.sophie zu, es gehört mehr dazu, um Mahlzeiten absichtlich ausfallen zu lassen. Und das sind keine physiologischen Faktoren.
:!:

Ich kann sagen, dass ich mich diesem normalen Essverhalten immer mehr annähere. Ich esse, wenn ich Hunger habe, soviel, bis mein Körper sagt, dass er genug hat. Ja. Und bei mir lösen Dinge wie Süßigkeiten und süße Sachen (Insulin) keinen FA aus, allerdings achte ich darauf mich ausgewogen (KH, Fett und Eiweiß) zu ernähren, aber wenn das mal nicht so ist, dann ist das auch nicht schlimm.

Alles Liebe, Colourful
Zuletzt geändert von Colourful am So Okt 05, 2008 13:31, insgesamt 1-mal geändert.
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