Wenn ich 3 Tage nicht erbreche, fühle ich micht zumeist wahnsinnig stark und gut - auch wenn 3 Tage selten sind. doch dann passiert eine Kleinigkeit, etwas Banales. Irgendwas. Kränkt mich jemand, erbreche ich, um mich damit zu trösten. Ärgere ich mich über mich selbst, erbreche ich, um mich zu bestrafen. Komme ich das ersten Mal nach Tagen in meine Wohnung nachhause und bin allein, erbreche ich, weil ich mich nicht mehr beschäftigen kann. Hab ich Streit mit meinem Freund, erbreche ich, weil eh schon alles egal ist.
Manchmal reicht ein Telefonat mit meiner Mutter, ein Fehler in einer einfachen Berechnung, ein versäumter Zug.....
Sind das Gründe, die die Bulimie rechtfertigen? Wohl kaum. Mich verbindet mein halbes Leben mit der Krankheit. Innig haben wir uns geliebt. Abgrundtief hasse ich sie heute. Und trotzdem fehlt etwas in meinem Leben. Ein Leben ohne Kotzen lässt mich hilflos in der Luft baumeln. Lässte mich aggressiv werden, dann wieder total anhänglich. Ohne sie fällt es mir schwer, konzentriert zu bleiben.
Jedoch. Das ist kein Vermissen. Mit diesem Terminus verbinde ich etwas Liebevolles. Ich vermisse alte Zeiten, die Sommerferien am Bauernhof, die Verantwortungslosigkeit in Kindertagen, das Meer, den klaren Sternenhimmel oder was weiß ich.
Die Bulimie ist ein Werkzeug, mit dem ich mein seelisches Erleben steuere. Ein Verhaltenssucht, von der ich erwarte, dass sie mir Phasen der Befriedigung verschaffte, in denen ich nicht Nachdenken, sondern einfach nur handeln muss.
Ich frage mich, warum sich jemand, den du vermisst, bei dir einschleichen muss. Würdest du die ES vermissen, hättest du ihr die Tür doch weit geöffnet. Doch das hast du nicht. Ich weiß das, Jan.
Setz die Schlampe vor die Tür.
Lg Paula