ich kann noch gar nicht fassen, was ich heute festgestellt habe.
Ich besitze eine eng geschnittene Jeans, die ich mir kurz vorm Ausbruch meiner Bulimie gekauft habe, als ich gerade so ziemlich meine Traumfigur hatte (nicht mein Tiefstgewicht, auch nicht Untergewicht!). Ein natürliches Essverhalten hatte ich damals allerdings trotzdem absolut nicht, ich litt unter einem fürchterlichen Kontrollzwang, war geradezu besessen vom Kalorienzählen und allem was damit zusammenhängt.
Kurz darauf rutschte ich in die Bulimie, begleitet von vielen unangenehmen Nebenerscheinungen - unter anderem Gewichtsschwankungen (was rückblickend noch das Harmlosere war). Die Jeans saß manchmal gut, manchmal schrecklich ... irgendwann verbannte ich sie ganz weit nach hinten in den Kleiderschrank.
Seit einiger Zeit bin ich relativ symptom- oder zumindest kotzfrei. Nun bin ich heute in der Situation, dass ich am Abend noch etwas vorhabe und diese Jeans die einzige halbwegs vernünftige Hose in Reichweite ist! Ich war deswegen den ganzen Tag über schon grantig und wollte sie gar nicht erst anprobieren. Nach anfänglicher Gefahr des Binge Eatings esse ich nun seit einiger Zeit sowas wie "normal", meiner Einschätzung nach vielleicht sogar eher etwas zu viel (aber ohne Fressattacke, einfach über den Tag verteilt!) und fühle mich deswegen gerade relativ fett.

Und da ich weiß, dass diese Jeans aus einer Zeit stammt, als jegliche Kalorienaufnahme in akribische Wissenschaft ausgeartet ist, war ich der Meinung, sie KANN mir gerade unmöglich passen!
Ja, was soll ich sagen ... habe sie vorhin doch probiert. War beim Anziehen schon überrascht, wie locker sie über Schenkel und Po ging, und dass ich beim Zuknöpfen nicht mal den Bauch einziehen musste ... ein Blick in den Spiegel gab mir dann den Rest. Die Hose sitzt TOP!!! Zwar eine Spur enger als zu dem Zeitpunkt, wo ich sie mir gekauft habe, aber rein optisch sieht sie dennoch einfach ... gut aus! Ich konnte es kaum glauben, habe mich sicher eine Viertelstunde lang fassungslos vorm Spiegel hin und her gedreht und alle möglichen Körperhaltungen eingenommen ... aber es stimmt, sie passt!
Warum ich euch das alles erzähle?
1. Während meiner (akuten) Bulimie passte ich phasenweise nicht mal in die Hose, oder ich sah darin aus wie eine Presswurst und konnte den Bund kaum schließen. Kotzen der Figur zuliebe ist also eindeutig ein Schuss ins Ofenrohr!
Gut, das wissen viele hier.
2. Ich vergleiche gerade, was ich während meiner anorektischen Phase alles gegessen (oder besser gesagt nicht gegessen habe), und was jetzt. Wie groß damals meine Angst vor Fett und Kalorien war, und wie klein jetzt. Wie vermindert meine Lebensqualität durch diese Besessenheit damals war im Vergleich zu jetzt! Und WOZU das alles? Für einen verschwindend geringen Gewichtsunterschied, kaum wahrnehmbar im Vergleich zu heute, wo ich schön langsam wieder fast ein normales Verhältnis zum Essen entwickle ...
Vielleicht war das der entscheidende Kick, der meinem Kopf noch gefehlt hat, um zu glauben, dass meine Figur wirklich ok ist. Dass ich weder mit Magersucht (und schon gar nicht mit Bulimie) merklich schlanker (und garantiert nicht besser

Ich hoffe so sehr, dass meine seltenen Rückfälle nun ganz aufhören und ich auch innerlich schön langsam wieder einen wirklich normalen Zugang zum Essen finde! Ich will Nahrungsaufnahme oder -verweigerung nie wieder als seelisches Ventil für ganz andere Probleme m*ssb**ch*, und ich will mich nie wieder mit soviel Diätgedöns beschäftigen ... unter anderem, da meine Figur scheinbar auch (oder gerade?) dann mehr als in Ordnung ist, wenn ich am wenigsten Panik vorm Essen schiebe ... auch wenn ich das noch nicht 100% realisiert habe. Aber vielleicht wird's jetzt!

Wenn ich Gefahr laufe, in irgendeiner Weise rückfällig zu werden, werde ich das hier lesen. Und wenn mein Bericht auch nur bei einer einzigen Essgestörten irgendetwas Positives bewirkt, bin ich glücklich!
Eve