Liebe Leute,

ich habe so eben erfahren, dass ich morgen einen Termin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie habe...
So paradox es auch klingen mag aber einerseits fühl ich mich erleichtert, glücklich und entlastet aber andererseits habe ich Angst, bin skeptisch und nervös. Außerdem hab ich so viele unbeantwortete Fragen und wäre echt sehr dankbar, wenn sich da jemand auskennt und mir vllt die Angst nehmen könnte.
Zunächst einmal zu mir: Ich bin 18 Jahre jung, hübsch und hilfsbereit, besuche zur Zeit noch das Gymnasium, arbeite neben der Schule, führe eine Beziehung, habe einen großen Freundeskreis, und einen Vierbeiner - Die Fassade scheint also nahezu perfekt...
Naja aber jeder weiß: Keine Rose ohne Dorn, denn die Wahrheit sieht anders aus!
Regelmäßige Selbstverletzungen seit dem 5. Lebensjahr ( Fingernägel knabbern, Haut aufkratzen später ritzen, Kopf gegen die Wand schlagen bis zur Bewusstlosigkeit, waghalsige Aktionen, mehrere Suizidversuche, Anorexie, Bulimie... etc. ). Eltern sind seid Geburt getrennt; Leben bei Mutter; Mutter ist psychisch krank ( Depressionen / Burn-out ) kann sich nicht immer um mich kümmern Abschiebung zum schizophrenen Vater, der sowohl Alkohol- als auch Drogenabhängig ist. Aggressivität -> m*ssbr**ch -> Dissoziation 1. Therapie ( wegen Berührungsängsten ) mit 6 - erfolglos 2. und 3. folgen mit geringem Erfolg. Anorexie bekommt Höhepunkt mit 11 Jahren, 1. mal ritzen mit Klinge -> Therapie erfolglos nächste folgt mit 12 Jahren... Und heute vergeht kein Tag ohne Selbstverletzungen die Liste meiner Ängste scheint unendlich lang zu sein: Menschen(massen), Berührungen, Verluste, Schlafen (-> Albträume ), Dunkelheit, Vertrauen... , ich hab sogar Angst davor diesen Thread zu veröffentlichen und auch habe ich Angst davor, in die Psychiatrie zu gehen, Hilfe anzunehmen, abhängig zu werden und und und...

Jetzt meine Fragen:
- Im Zentrum der Therapie steht die Traumabewältigung - bin ich da überhaupt richtig am Platz?
- Fragen die einen direkt aus, oder lernt man sich erstmal kennen? ( ich fasse nämlich nur sehr schwer Vertrauen, weshalb die meisten Therapien gescheitert sind )
- Sollte ich von meinen Selbstverletzungen / ES überhaupt berichten? -> können die mich zwangseinweisen, wenn ich sage, dass ich mir tiefe Schnittwunden zufüge und oft über Suizid nachdenke?
- Besteht wirklich 100%ige Schweigepflicht, egal was passiert ist? also die können doch niemanden vor Gericht bringen, der mich falsch behandelt hat, oder?
- Darf ich Dinge für mich behalten, wenn ich noch nicht darüber reden will?
- Finden auch körperliche Untersuchungen statt? ( panische Angst vor Ärzten )
- Und das wichtigste überhaupt: wie war das bei euch?? wie habt ihr euch gefühlt? was ist da passiert? hat es geholfen? war man einfühlsam zu euch? habt ihr es bereut?

Liebe Grüße und hoffe auf gaaaaaaaaanz schnelle Antwort,
ein etwas durcheinander geratener KleinerEngel.

Hallo kleiner Engel!

Mannoman...da hast Du aber schon echt so einiges hinter Dir!! Und genau DAS sollte Dir den Mut geben, dort morgen so offen wie möglich zu sein! Guck doch mal, was Du schon alles "überstanden" hast und Du hast nicht einfach aufgegeben und kämpfst! Das verdient doch nun wirklich größten Respekt, oder meinst Du das sei einfach selbstverständlich?? Nein, ist es sicherlich nicht! Dass Du Angst vor morgen (und eben dem Unbekannten) hast, ist doch völlig normal! Aber ich bin sicher, dass sich das bessern wird, wenn Du erstmal dort warst und weißt, wie die Abläufe sind.
Wie die sind, kann ich persönlich Dir leider nicht sagen (aber ja vielleicht jemand anders hier). Aber selbst wenn nicht, wirst Du sicherlich alle Fragen beantwortet bekommen. Sei einfach offen und berichte doch ruhig auch über Deine Ängste und Befürchtungen! Die sind doch ganz normal!!

- Sollte ich von meinen Selbstverletzungen / ES überhaupt berichten?

Ja! JA!! Ich mein, das ist ja eine elementare Sache und darauf kann man doch auch die Therapieverläufe anpassen und aufbauen. Sei offen und ehrlich. Es bringt Dir doch nix, wenn Du Sachen verschweigst! Wenn die Leute da elementare Dinge nicht wissen, könne sie ja auch nix machen!
Und was eine Zwangseinweisung angeht: So einfach ist das nun auch nicht. Über Suizid NACHDENKEN Ist nicht gleichbedeutend mit: Suizid akut begehen wollen. Und das wissen diese Leute dort sicher am Besten. Also mach Dir nicht so viele Sorgen, ok? Ich denke man wird (wenn Du nicht akut suizidgefährdet bsit- und das wirst DU SELBST Dir am Besten beantworten können) auch keinen Grund sehen, Dich zwangsweise dort zu behalten.

- Besteht wirklich 100%ige Schweigepflicht, egal was passiert ist? also die können doch niemanden vor Gericht bringen, der mich falsch behandelt hat, oder?

Ärzte/Therapeuten haben auf jeden Fall eine Scheigepflicht. Ausserdem bist Du 18 Jahre alt, somit volljährig und kannst somit selbst entscheiden, wen Du ggf. von Schweigepflichten ect entbindest. Also mach Dir keinen Sorgen. Wenn es Leute gibt, die angezeigt werden könnten, müssten sie von Dir angezeigt werden. Mach Dir deswegen bitte KEINE Sorgen!!

- Darf ich Dinge für mich behalten, wenn ich noch nicht darüber reden will?

Na es kann Dich ja schlecht jemand zwingen, etwas zu sagen, was Du selbst nicht sagen willst!! Du kannst doch auch da ruhig offen sein und sagen, dass Du eben erst langsam Vertrauen fasst. Finde ich im übrigen auch völlig normal. Ich mein, wer erzählt denn schon sofort jemandem völlig Fremden alles?? Niemand. Vertrauen muss doch erst wachsen!

Zu dem Rest Deiner Fragen, kann ich Dir leider keine Auskunft geben, weil ich noch in keiner Klinik war. Und falls Du hier vorher auch keine für Dich zufriedenstellenden Antworten bekommst, dann lass Dir doch einfach den Ablauf morgen vorher erklären und sag, dass das eben auch Neuland für Dich ist. Ich gehe mal nicht davon aus, dass die da morgen irgendwas machen, was sie Dir nicht vorher erklären. Wie gesagt, sei offen, stell Fragen und ich wette, dass Du bald ein wenig beruhigter bist. Und wenn Dir irgendwas widerstrebt oder Du was nicht verstehst: Mund aufmachen. Hellsehen können ja auch die Leute nicht, die einem helfen wollen und Du musst es ja auch sorum sehen: Die Theras/ Ärzte dort kennen Dich ja genausowenig, wie Du sie und ihr müsst Euch gegenseitig eben erst kennenlernen!

Ich drücke Dir die Daumen und würd mich freuen, wenn Du mal wieder von Dir hören lässt und auch schreibst, wie es nun war und ist!

LG Nadine

Hallo Nads,

vielen lieben Dank, dass Du mir so viel Mut zusprichst
Dass es normal ist, davor Angst zu haben beruhigt mich auch enorm! Ich werde auf jeden Fall versuchen so offen wie möglich zu sein, jedoch wird mir das echt verdammt schwer fallen, da es nur eine Person gibt, der ich vertraue und diese hat dieses Vertrauen jahrelang mühsamst aufbauen müssen. Aber die Tatsache, dass sie der Schweigepflicht unterliegen, lässt mich vermuten, dass sie ihren Beruf nicht riskieren würden für ein Gespräch mit jemandem.

Nads hat geschrieben: Ich denke man wird (wenn Du nicht akut suizidgefährdet bsit- und das wirst DU SELBST Dir am Besten beantworten können) auch keinen Grund sehen, Dich zwangsweise dort zu behalten.

Da fällt mir jetzt echt ein Stein vom Herzen!! Akut suizidgefährdet bin ich meiner Meinung nach ganz und gar nicht, auch wenn die Schnittwunden etwas anderes behaupten. Ich hoffe die hören mir da zu und nehmen das auch ernst, was ich sage...

Nads hat geschrieben: Und wenn Dir irgendwas widerstrebt oder Du was nicht verstehst: Mund aufmachen. Hellsehen können ja auch die Leute nicht, die einem helfen wollen und Du musst es ja auch sorum sehen: Die Theras/ Ärzte dort kennen Dich ja genausowenig, wie Du sie und ihr müsst Euch gegenseitig eben erst kennenlernen!

Aaaargs... Ich bin doch so super schüchtern Ich trau mich ja kaum hier etwas zu fragen Es heisst zwar "Wer nicht fragt bleibt dumm" und ich weiß, dass mir niemand den Kopf abschlagen würde, aber ich trau mich ja kaum jemandem auch nur "Guten Tag" zu sagen - geschweige demjenigen dabei in die Augen zu sehen...

Aber wirklich vielen Dank für die mutmachenden Worte, das hat mich tatsächlich um einiges positiver gestimmt Ich mein natürlich hab ich immer noch Angst und ich glaube kaum, dass ich heute noch schlafen gehen werde aber es tröstet einen ja doch, wenn man merkt, dass das normal ist...
Selbstverständlich werde ich berichten...

Vielen Dank & Liebe Grüße,
KleinerEngel