Systemische Deutung der Bulimie

#1
Hallo,

ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit Bulimie, da meine Freundin seit vielen Jahren darunter leidet. Ich habe in der systemischen Psychotherapie einen interessanten Erklärungsansatz gefunden. Ich würde Euch gerne mal mit einem Absatz aus einem meiner Bücher konfrontieren. Es heisst "Ordnungen der Liebe" und ich bin sehr angetan davon.

Die Familienstruktur scheint oft so zu sein, dass die Mutter den Vater nicht achtet und ihn vor den Kindern schlecht macht bzw. die Kinder in Geheimnisse der Partnerschaft einweiht die den Vater in einem schlechtne Licht erscheinen lassen. Solche Sachen gehen aber die Kinder überhaupt nichts an.

Das Spannende daran ist, dass es bei meiner Freundin genau so zu sein scheint. Sie war jedenfalls sehr berührt, als ich ihr das vorgelesen habe. Bei ihr hat es einiges in Ganz gesetzt.

So hat sie mir z.B. erzählt, dass sie sich sehr mit ihrem toten Vater verbunden fühlt beim Kotzen.

Liest es Euch durch, ohne Euch an der etwas seltsamen Sprache zu stören und horcht in Euch rein und lasst es auf Euch wirken. Sagt mir dann bitte, was ihr davon haltet:

"Bei der Bulimie ist die Familiensituation so, dass das Kind nur von der Mutter und nicht vom Vater nehmen darf. Dann nimmt es von der Mutter aus Treue zu ihr (das ist der Fressanfall), und aus Treue zum Vater spuckt es wieder aus. Auf diese Weise ist es beiden Eltern gegenüber loyal.
Die Therapie der Bulimie ist sehr einfach. Die Standardanweisung an die bulimische Patientin ist, dass sie, wenn sie den Essanfall bekommt, lustvoll alles einkauft, was sie essen möchte, und alles auf dem Tisch ausbreitet. Dann nimmt sie einen Teelöffel, stellt sich vor, sie sitzt auf Papas Schoß, nimmt den ersten Bissen, schaut den Papa an und sagt ihm: "Bei dir schmeckt's mir, von dir nehme ich es gerne", und isst es mit Lust. Bei jedem weiteren Bissen macht sie es ebenso. Schon die Vorstellung allein genügt in der Regel. Man darf es aber nicht als ein Ritual machen, sondern muss sich in jeden Fall neu einfühlen und die Anweisung entsprechend verändern."

#2
Hallo!

Kann nur sagen, dass es bei mir so ist.

Ich habe schon als Kleinkind Streitigkeiten und Handgreiflichkeiten (Folge waren zerbrochene Glastüren, Krankenhausaufenthalte meiner Mutter usw.) zwischen meinen Eltern mitgekriegt und meine Mutter hat mich immer auf ihre Seite gezogen, bzw. versucht, meinen Vater schlecht zu machen.
Oft dachte ich mir dann aber, "nein, der Vati ist doch ganz in Ordnung.."
Auch in Sexualdingen hat sie mich eingeweiht, wie schlecht, überflüssig und eklig doch Sex ist und lange Zeit habe ich das geglaubt.

Noch heute habe ich keine eindeutige Position zu meinem Vater und ich weiß nicht, ob ich ihn lieben darf, soll oder muss.
Muß ich ihn lieben, weil er mein Vater ist, mich großgezogen und mir alles ermöglicht hat?
Oder habe ich das Recht ihn zu hassen? Bin ich dann ein undankbares Kind?

Ich merke, während ich diese Zeilen schreibe, dass da bei mir wohl einiges geklärt werden sollte...

Eure Laetitia

An Laetitia

#3
Hallo Laetitia,

das erstaunt mich alles überhaupt nicht. Was Du beschreibst, ist wirklich eine klassische Bulimiestruktur.

Du musst Deinen Vater nicht lieben, aber achten solltest Du ihn und dankbar sein für alles, was er Dir gegeben hat, das Leben nämlich. Das gilt auch für Deine Mutter.

Das was zwischen Deinen Eltern war und Dich nichts angeht, musst Du vergessen. Es ist bei Dir am falschen Platz!

Eltern bringen in eine Partnerschaft jeweils für sich Vorstellungen von der richtigen Beziehung mit. Das sind erstens Dinge, die sie selbst als positiv erlebt haben, als sie klein waren und zweitens Sachen, die sie besonders negativ erlebt haben und daher besser machen wollen.

Setzt sich nun ein Elternteil mit seinen Vorstellungen durch (und das ist meistens die Mutter!), solidarisiert sich das Kind mit dem Elternteil, der verliert. Nach außen tut es dann das, was die Mutter sagt und innerlich, im Geheimen, tut es das, was der Vater sagt. Das ist der Zwiespalt!

Wenn Du davon sprichst, dass einiges bei Dir geklärt werden sollte, dann kann ich Dir zum Einstieg das Buch "Was die Seele krank macht und was sie heilt." von Thomas Schäfer empfehlen!

Ich wünsch' Dir was!

#4
hallo trond-erik!
schön das du dich mit dem thema ausseinandersetzt und keine scheu vor dem doch heiklen thema zeigst!
dass was du pber die familiensituation ansprichst kling ehrlich interessant und kann ich auch teilweise in meine lebensgeschichte einbauen, so eine therorie habe ich noch nie gehört, klingt aber echt plaussiebel!
darf ich dir einen kleinen tipp geben, um deine theorie zu erweitern?
bulimie hat seelisch und AUCH(!!!) körperliche ursachen, die leiter in europa (nich) nicht berrücksichtigt und in die behandlung von bulimieschen patienten leider nicht miteinbezogen werden!!
im amerika und england hat man jede menge studien durchgeführt, und heruasgefunden, dass bulime auch mit einem überschuss an männlichen hormonen verursacht wird, die durch vererbung und/oder/auch durch seelische verletzungen in der kindheit entstehen.
es kann also durchaus auch medikamentöse behandlung eine großen erfolg bringen(siehe mich und etliche andere patienten, die dieses "neue" aber doch alte medikament nehmen)
seit ich medikamentös behandelt werde, habe ich keine fressanfälle mehr und meine gedanken kreisen nicht mehr die ganze zeit ums essen, und so geht es auch etlichen anderen patienten, die in dieser medikamentösen behandlung stehen.
wenn du mehr darüber wissen willst, dann frage mich einfach oder schick mir eine mail, ganz wie du willst.
mir war es nur wichtig, dich zu informieren, denn mit dieser neuen behandlung könnte sehr vielen bulimikern geholfen werden!
liebe grüße und ich wünsche dir ein weiteres frohes forschen :D
mausa

#5
naja bei mir war das ne Zeitlang so, dass meine Mutter sich bei mir ausgeheult hat (ich war damals ungefähr 12 Jahre alt) und sie sagte sie könne das bei meinem Vater halt nicht.
ich hab ihrnatürlich immer zugehört und sie getröstet.
Weiß jetz nich ob das damit was zu tun hat...
Auch wenn mein Vater zuhause arbeitete hab ich doch so gut wie nichts von ihm mitbekommen..

An Kleine_Elfe

#6
Hallo Kleine_Elfe,

der erste Punkt ist der entscheidende! Deine Mutter hat Dich in schlimme Sachen eingeweiht, die ihre Paarbeziehung zu Deinem Vater betreffen. Das darf sie nicht und Du musst das vergessen.

Vergiss nicht: Du bleibst ein Leben lang das Kind Deiner Eltern. Was zwischen Deinen Eltern ist, geht Dich nichts an. Das musst Du vertrauensvoll aber bestimmt auch bei Deinen Eltern lassen. Das kannst Du ruhig guten Gewissens machen, es ist in Ordnung so.

Hello!

#7
Hello!

Ich weiß ja nicht, ob meine situation auch schuld an meiner bulimie ist, aber vielleicht weißt du was darüber...

Also ich habe meinen vater nie gekannt und auch kein foto von ihm gesehen. Ich weiß grad mal sein Sternzeichen, seine größe und seine Haarfarbe.
Aber ich hatte einen gestörten Stiefvater, ca. von meinem 5.-12. Lebensjahr. Der hat mich total tyrannisiert und mich gegen meine familie ausgespielt, die ihm zu meinem glück geglaubt haben und auch auf mich losgegangen sind. Erst wie er mit meiner mutter an einen baum anfahren wollte und unser haus anzünden wollte, haben sie mir geglaubt...da war ich dann 12.
Dann hatte meine mutter einen freund, der war absolut so, wie man sich den perfekten vater vorstellt. Er hat mir zugehört und war einfach für mich da! Ich war echt so froh, endlich auch einen "dad" zu haben! Aber wie es eben so war ist er einfach so nach ca. 2Jahren über nacht gestorben!

Ich weiß nur noch, dass ich kurz darauf meine Bulimie bekam!

Tut mir leid, wenn ich euch damit genervt habe... :(

Ganz liebe grüße
Bamby

#8
Ja das frühe Kindheitserlebnisse und Einflüsse auch dazu gehören, da stimme ich auch zu, doch hier in diesem Forum wurde auch schon des öfteren berichtet, daß die familiären Verhältnisse in Ordnung ja viele eine positv verlaufenen Kindheit hatten, wie paßt dies zusammen.
Ich selbst würde mich sogar an dem Borderline Syndrom anlehnen, da finde ich mehr Parallelen. Ungewolltes Kind, Mutter Tabletten abhängig, von der Mutter verlassen, beim Vater bis zum 5 Lebensjahr, der wiederum sehr viel unterwegs war und jede Woche eine andere "Stiefmutter" heimbrachte, hin und hergerissen, Mittleres von gesamt 5 Kindern, der Älterste so gscheit und brav, die Jüngste so hübsch und niedlich und für mich blieb nichts über. Mit 5 zu meinen Großeltern gekommen, ansonsten Heim, Großeltern sehr fürsorglich und liebevoll. Ich von jeher zurückgezogen, Einzelgänger. Mit 13-14 Selbstverstümmelung, Magersucht-Bulimie..............

#9
Hallo Banshee,

wenn man sich Familien anguckt, reicht es oft nicht, nur eine Generation zurückzublicken und auf seine Eltern und Geschwister zu gucken. Es kann notwendig sein, weiter in die Vergangenheit zu forschen.

Oft tritt das auf, was man "Schicksalsbindung" nennt. Darunter versteht man die Erscheinung, dass sich Schicksale in Familien wiederholen können. Es gibt hier wirklich die erstaunlichsten Dinge und die Wissenschaft steht hier erst noch am Anfang.

Man tapst da in eine Falle, wiederholt unbewußt das Schicksal eines Vorfahrens oder einer ungerecht behandelten, ausgeschlossenen Person, die für einen Vorfahren gewichen und dadurch einen Nachteil erlitten hat. Dieser Vorgang ist unbewußt. Erst wenn man ihn sich bewußt macht, kann man da wirklich raus.

Das ist auch ein Ansatz, um die tiefe Persönlichkeitsspaltung zu erklären, die es bei Eßgestörten oft gibt. Das wirkt oft wie ein Sog, der einen in eine bestimmte Richtung drängt, einen Dinge tun lässt, die rational nicht erklärbar sind, die einfach nicht zu einem passen. Ist eine Extremform davon nicht die von Dir angesprochene "Borderline-Störung"?

Wenn eines der Kinder dieses Schicksal, diese Schuld auf sich nimmt, sind die anderen natürlich davon befreit. Das erklärt vielleicht, warum es den Geschwistern prächtig geht, während eines davon undendlich leidet. Bei meiner Freundin ist das so. Ihrem Bruder geht's prächtig! Er hat eine Frau, zwei Kinder und lebt ein glückliches Leben. Der Hammer ist aber, dass er sich aus seiner Herkunftsfamilie völlig verabschiedet hat. Von einem Tag auf den anderen ist er abgehauen, hat nach der Hochzeit sogar den Namen seiner Frau angenommen. Seine Mutter kennt seine beiden Söhne gar nicht, darf nicht die Rolle der Großmutter spielen. Ich erkläre das so, dass er eigentlich "an der Reihe" gewesen wäre, das Schicksal zu übernehmen und er sich gewaltsam rausreissen mußte, um dem zu entgehen. Nun hat's halt seine kleine Schwester übernommen und das hatte drastische Auswirkungen.

Ich weiß, dass das alles sehr abgedreht klingt. Ich selbst bin ein sehr rationaler Mensch und als Physiker sehr logik- und naturwissenschaftlich orientiert. Aber die Zusammenhänge, die ich hier sehe und die es, in anderer Form, auch in meiner eigenen Familie gibt, beeindrucken mich immer wieder aufs Neue.

Wenn's Dich interessiert: Besorg' Dir mal das Buch "Oh, meine Ahnen". Es ist von einer französischen Psychologieprofessorin die sich mit sogenannten "Genosoziogrammen" beschäftigt. Sie hat Dinge beobachtet, die über den Verstand gehen, die man nur beobachten und so hinnehmen kann wie sie sind. Hier von "Zufall" zu sprechen, wäre m.E. nach vermessen.

Da gibt es z.B. das sogenannte Jahrestagsyndrom. Das ist die Erscheinung, dass in einer Sippe in verschiedenen Generationen mehrmals an bestimmten Jahrestagen Selbstmorde, Unfälle und Tragödien passieren. Das ist eine krasse und sehr augenfällige Form der Schicksalsbindung.

Bert Hellinger ist von einem anderen Ausgangspunkt zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Hier schließt sich der Kreis wieder!

#10
hallo trond-erik,
zu deiner these habe ich die anti-these: carl gustav jung (psychoanalytiker) geht davon aus, dass die bulimie entsteht, da die mutternähe, -liebe fehlte..
ich bin ohne mutter aufgewachsen, habe also nie erlebt, dass mein vater diffamiert wurde.
ich glaube, das schlimmste ist es, wenn man versucht, zu pauschalisieren - jede/r hat seine eigene anamnese, oft sind wir außerdem blind, was die ursachenfindung angeht und nehmen dankbar an, was uns ein anderer auftischt.. denn im grunde will man ja nur gesund werden, auf welchem wege auch immer..
hoffe, du nimmst mir die kritik nicht übel.
pecosa

familien

#11
hallo,

ich kann mich trond-erik nur anschließen. ich mache selbst familienaufstellungen (hab eine ausbildung gemacht) und habe es in sehr vielen aufstellungen mit essgestörten erlebt, dass es verstrickungen hinsichtlich des vaters gibt.

natürlich kann man das nicht verallgemeinern, für jeden trifft ein anderes bild zu. aber auffällig ist trotzdem, dass es so gehäuft auftritt.

auch bei mir hatte es eine solche struktur.

familienaufstellungen sind eine sehr sehr effiziente art, die dinge in den griff zu kriegen. Grundvoraussetzung wie bei jeder therapie: es muss tatsächlich ein anliegen da sein, die situation jetzt zu ändern.
wenn ich bemerke, dass der wunsch nur oberflächlich da ist, stelle ich nicht auf. da arbeite ich vorher noch mit anderen methoden.

liebe grüße
schneewittche

#12
Hallo Schneewittchen,

danke für Deine Antwort. Ich finde es spannend, hier mal was von einer professionellen Aufstellerin zu hören.

Ja, ich stimme Dir zu. Im psychologischen Bereich kann man grundsätzlich nichts verallgemeinern, aber schon Dein Hinweis, dass Du diese Strukturen in Deiner Arbeit gehäuft beobachtet hast, kann vielleicht für einige Betroffene hier wertvoll sein.

Kannst Du uns was über Deine Erfahrungen berichten, wie es den Betroffenen nach so einer Aufstellung geht? Wenn Du auch von anderen Methoden sprichst, die Du anwendest, gibt es da doch sicherlich öfter mal eine Nachbearbeitung, oder?

Mich interessiert das echt brennend!

Welche innere Haltung ist Deiner Meinung nach bei einer Aufstellung für deren Erfolg wichtig bzw. nützlich?

Liebe Grüße,
Trond-Erik

#13
Huhu ihr!

also bei mir ist das total anders.ich habe vater und mutter,die alles für mich tun....weder geschieden noch sonst was in dieser art!Hatte auch ne sehr schöne "Kleinkindheit":)!
also kann es ja anscheinend nicht immer mit der familien situation zusammenhängen.... oder nicht!?


MFG
Sissi

#14
Hallo Sissi,

freut mich, dass Du so eine schöne Kindheit gehabt hast. Wie das bei Dir klingt, ist das was besonderes!

In der systemischen Familientherapie guckt man aber nicht nur auf die Eltern und Geschwister, sondern meist auch weiter zurück, d.h. auf Großeltern oder sogar Urgroßeltern und deren Geschwister und Partner.

Es sieht so aus, als würden manche Menschen Schicksale von Verwandten Vorfahren übernehmen, die längst tot sind, die den Betroffenen nicht mal bekannt sein müssen. Oft handelt es sich hierbei um Personen, die in irgend einer Form benachteiligt bzw. ausgeklammert waren oder für jemand anderen Platz gemacht haben. Werden diese Leute nicht ausreichend gewürdigt bzw. entsteht Schuld in der Familie, die nicht gesühnt wird, kann dies an spätere Generationen weitergegeben werden und viele Jahre später nimmt jemand diese Schuld auf sich (die gar nicht seine ist) und büßt dafür.

Ich will hier ja nicht behaupten, dass das immer so ist bei Eßstörungen (bzw. dass das bei Dir so ist), nur ist es eine von vielen Möglichkeiten.

Solche Dynamiken können durch Familienaufstellugen bzw. sog. "Genosoziogrammen" aufgedeckt werden.

Viele Grüße,
Trond-Erik

#15
Hi!

also meinst du dass irgendwem aus meiner familie mal so scheisse ging dass ich das jetzt ausbüssen darf!?
aber wie kann sowas weitergegebn werden?!
das ist ja keine krankheit oder so... es ist ja psychisch.

MFG
sissi