#43
von awan
Hallo Weltenbummlerin!
Sorry für die späte Antwort - hab grad sehr viel um die Ohren...
Also - ich versuch mal so gut wie möglich deine Fragen zu beantworten...
Der Therapieplan ist an sich relativ dicht - wenn wirklich alles stattfindet kann es wohl auch ganz schön stressig werden... Ich war aber im Sommer (= Urlaubszeit) dort, und es ist leider echt sehr viel ausgefallen... Wahrscheinlich fast die Hälfte aller geplanten Therapieeinheiten... Es war immer irgendjemand im Urlaub, im Krankenstand, auf Kur oder in Karenz.. Teilweise auch mehrere Therapeutinnen gleichzeitig... Ich hab mich zwar manchmal darüber geärgert, aber in Summe wars für mich trotzdem OK so, weil ich die viele freie Zeit gut für mich nutzen konnte, und so auch gleich noch ein bisschen "Urlaub" (schwimmen, Ausflüge, Spaziergänge, etc.) machen konnte... Ich könnte mir aber vorstellen, dass es zu anderen Jahreszeiten, wenn weniger ausfällt, auch ganz schön dicht und stressig werden kann....
Gewogen wirst du in den ersten beiden Monaten immer DI und FR, im dritten Monat dann nur noch DI... Und zwar immer so gegen 5 Uhr früh... Theoretisch musst du dir die Zahl auf der Waage nicht ansehen, aber im Laufe des DI kriegst du dann immer einen Zettel auf dem dein aktuelles Gewicht, dein Wochen-Gewichtsziel und deine Ausgangsstunden draufstehen... Theoretisch könntest du diesen Zettel immer noch ignorieren, zumindest solange du dein Gewichtsziel erreicht hast... Andernfalls wirst du sowieso spätestens in der EVA (Essverhaltensanalyse) am DI darauf angesprochen... Ich glaube also nicht, dass du es wirklich vermeiden kannst, deine Gewichtszunahme mitzuverfolgen... Würd auch nicht viel Sinn machen - du sollst ja lernen, dass dein Selbstwert nicht von der Zahl auf der Waage abhängt!
Und ja, mit der Gewichtszunahme sind sie tatsächlich sehr streng! Ich hab mehrere Personen miterlebt, die nach Hause gehen mussten, weil sie ihr Gewichtsziel um 100 oder 200 Gramm verfehlt haben. Aber du kriegst schon ein paar Chancen, bevor es soweit ist. Beim ersten Mal kriegst du quasi nur eine "Verwarnung" und keine zusätzlichen Ausgangsstunden, beim zweiten Mal kommst du dann ins Timeout (eine Woche lang "Hausarrest" und keine Therapien), und beim dritten Mal wirst du dann entweder direkt nach Hause geschickt, wenn kein Therapiefortschritt bemerkbar ist, oder du bekommst noch eine "letzte Chance Woche" - das ist dann abhängig von der Gesamtsituation... Das *kg Gewichtszunahme pro Woche ist übrigens nur die Untergrenze... Es kann auch durchaus sein, dass du mehr als *kg pro Woche zunimmst - das ist durchaus im Rahmen des normalen... Und das *kg ist an sich auch leicht schaffbar, wenn man sich an alle Ess-Vorschriften hält, und nicht heimlich kompensiert...
Insofern liegts fast immer am (Fehl-)verhalten der PatientInnen selbst, wenn sie die Gewichtsvereinbarungen nicht schaffen. Und das wissen die Therapeutinnen natürlich auch. Also werden auch keine Ausnahmen gemacht.
Nein, es gibt keine fixen Gruppen. Wir waren zwar zufällig über mehrere Wochen ziemlich konstant, aber an sich ist es ein ständiges kommen und gehen. Sobald ein Bett regulär frei wird, oder jemand früher gehen muss, wird der Platz sofort wieder nachbesetzt. Und was Alter, Geschlecht, Diagnosen, etc. betrifft, ändert sich das dann natürlich auch ständig. Bei mir waren es zum Großteil Frauen zwischen 18 und 42 Jahren, mit Bulimie und Anorexie, bzw. teilweise auch mit atypischen Essstörungen. Und insgesamt 3 Männer waren auch in meiner Gruppe im Lauf der 3 Monate.
Du musst dich mit dem Gedanken abfinden, dass du zunehmen wirst/musst, wenn du gesund werden willst! Das geht Hand in Hand! Du musst dich von dem Gedanken verabschieden, dass du zuerst im Kopf gesund werden kannst/musst, bevor du eine Zunahme akzeptieren kannst bzw. zulassen willst. Das "im Kopf gesund werden" funktioniert nur gleichzeitig mit der Annäherung an ein normales/gesundes Gewicht. Und deswegen gehst du ja auch in die Klinik: damit du lernen kannst, mit der notwendigen Gewichtszunahme umzugehen und deinen Selbstwert davon abzukoppeln. Da spielt ja auch das Thema "Körperschemastörung" eine große Rolle. Insofern kann dir die Gewichtszunahme in der Klinik dein "Körper annehmen" gar nicht wieder kaputt machen. Denn du hast deinen Körper noch gar nie angenommen, solange du ihn dafür im Untergewicht halten musst. Du hast NICHTS zu verlieren, nur ganz viel zu gewinnen!
Dein "gut auf dich schauen" ist vielleicht für deine Verhältnisse ein Fortschritt, aber ganz sicher noch weit entfernt von "gesund".
Ja, ich würde es auf jeden Fall wieder machen! Die leisten gute Arbeit dort in der Klinik!
Und nein, ich bin nach wie vor nicht gesund oder "fertig" mit der Therapie - ich muss jetzt auf jeden Fall auch ambulant noch weiterarbeiten und es gibt noch vieles zu schaffen.
Ja, mittlerweile (seit Anfang dieser Woche) gibt es nur noch Einzelzimmer. Da hast du also auf jeden Fall schon mal einen Stressfaktor weniger.
Was meinst du mit Bad? Du hast natürlich eine Dusche/WC in deinem Zimmer... Wenn du das Hallenbad meinst - das hat leider nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten, und man kann es leider kaum nutzen, weil oft parallel dazu irgendwelche Pflicht-Therapien stattfinden.
Und ja, in den ersten 2 Monaten musst du auch alles essen. Also halt alle Komponenten des Menüs, das du dir aus 3 Optionen ausgesucht hast. Da ist zwar immer eine vegetarische Option dabei, aber teilweise gibt es eben nur eine einzige vegetarische Option, und die musst du dann halt nehmen, wenn du kein Fleisch essen willst, auch wenn dir das Menü vielleicht gar nicht schmeckt. Und im ersten Monat sind auch die Zwischenmahlzeiten fix vorgegeben (im zweiten Monat kannst du Zwischenmahlzeiten dann innerhalb der Klinik austauschen, und dir z.B. statt dem Joghurt einen Kuchen nehmen). Beim Frühstück kannst du Joghurt und Müsli ganz gut vermeiden, denke ich... Da kannst du auch einfach Brote mit Butter und süßen Aufstrichen (Marmelade, Nutella, etc.) essen. Aber zu Mittag gibts dann halt als vegatarisches Gericht häufig etwas, was mit Käse überbacken wurde (Aufläufe, Laibchen, etc.), und zum Abendessen wirst du dir wahrscheinlich hin und wieder einen Käseteller nehmen müssen, wenn die anderen Optionen alle mit Fleisch sind. Und als Zwischenmahlzeiten gibts relativ häufig Milchprodukte (Joghurts, FruFru, manchmal Buttermilch, etc.).
Wenn du da ein krasses Problem damit hast, kannst du natürlich versuchen von Anfang an mit der Diätologin darüber zu reden und eine Vereinbarung zu treffen, dass du diese Produkte dann immer durch etwas anderes ersetzen kannst. Die Chancen hierfür sind aber äußerst gering, denke ich. Ausnahmen werden im Normalfall nur dann gemacht, wenn sie medizinisch begründet sind. Und selbst die Anorektikerin mit der bescheinigten Laktose-Intoleranz musste dann irgendwann wieder damit beginnen, Milchprodukte zu essen, weil die Laktose-Intoleranz wahrscheinlich auch durch die Anorexie bedingt war (durch langjähriges Meiden von Milchprodukten verlernt der Körper, diese gut verwerten zu können).
Also stell dich drauf ein, dass du auch Sachen essen musst, die du freiwillig nicht essen würdest. Das geht allen so. Da sitzen alle im gleichen Boot.
Versuch dir einfach vorzustellen, dass das Essen, das dir nicht schmeckt, wie eine bittere Medizin ist, die du deiner Gesundheit zuliebe halt runterschlucken musst.
Klar ist es normal, dass man gewisse Dinge nicht mag, und diese deswegen meidet. Aber du bist halt momentan nicht normal. Und deine Essstörung kontrolliert dein Essverhalten - nicht du selbst. Das ist die Prämisse der Therapeutinnen. Sie können nicht für jeden Einzelnen Ausnahmen machen. Daher gelten die gleichen Regeln für alle. Und wenn du dann in der dritten Phase (also im dritten Monat) bist, oder wenn du dann wieder zu Hause bist, kannst du ja wieder das essen, was dir schmeckt. Bis dahin musst du dich erstmal damit abfinden, dass du an einem Punkt bist, an dem du diese Freiheit vorübergehend nicht mehr hast. Weil jemand anderer die Kontrolle für dich übernehmen muss, weil du sie längst an deine Essstörung verloren hast.
Und im Übrigen gehen Veganismus und Essstörungen auch ganz oft Hand in Hand. Ich will dir nichts unterstellen - aber auch ich hab aus essgestörten Gründen begonnen vegan zu leben. Irgendwann war ich natürlich selbst auch an dem Punkt, an dem ich davon überzeugt war, dass ich das nur aus ethischen Gründen mache. Man kann sich manche Dinge solange selbst einreden, bis man sie tatsächlich selbst glaubt. Und dieser Verdacht liegt bei essgestörten VeganerInnen auch immer sehr nah. Und das ist auch etwas, mit dem die Therapeutinnen in Eggenburg viel Erfahrung haben.
Achja, wenn du gewisse Speisen verweigerst, ist es so, dass du jedesmal wenn du dich nicht an den Essplan hältst, eine Verhaltensanalyse schreiben musst. Nach der dritten Verhaltensanalyse (SEVT) kommst du auch ins Timeout. Und wenn du danach dann nochmal eine SEVT schreiben musst, fliegst du.
So, ich hoff ich hab nix wichtiges vergessen. Falls du noch Fragen hast - gerne!
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