Hallo Kätzchen,
ich habe deinen Faden gerade erst entdeckt, nachdem ich nach einiger Zeit Abwesenheit mal im Forum herumgestöbert habe, wie es meinen alten Bekannten so geht.
Und jetzt mag ich dir auch mal wieder schreiben, ich hoffe du liest das nach ein paar Monaten noch.
Ich denke mal, du solltest weiterstudieren, eben weil es dir ja, wie du schreibst, Halt und Stabilität gibt.
Auch wenn da eine Leere ist, die du aktuell noch mit Essen füllen musst.
Ich glaube aber nicht, dass du Therapeutin werden solltest, weil dir das ja offensichtlich selber nicht gut tut.
Es gibt ja auch andere Dinge, die du mit Psychologie tun kannst, zum Beispiel Firmen beraten, welche Mitarbeiter zu ihnen passen und geeignet für sie sind, Bewerberauswahl treffen und evt Tests entwickeln, die das Einstellungsverfahren präziser machen.
Es gibt sicher auch noch andere Lösungen, ein Psychologiestudium ist ja recht vielseitig.
Ich denke, da könntest du einmal zur Studienberatung gehen, was für aufbauende Masterstudiengänge es eigentlich gibt.
Und ein Bachelorstudium ist noch kein Kriterium dafür, ob dir dieser Bereich überhaupt Freude machen kann, die sind oft sehr desillusionierend.
Ich kenne eine Freundin, die wollte immer schon Psychologie studieren, und bis zum Ende des Bachelors hat sie ihr Fach gehasst, weil es nur noch darum ging, Noten und Leistungspunkten hinterherzulaufen, und die Inhalte kaum noch zählten. Allerdings hat sie ihr Interesse dann im Masterstudium wiederentdecken können.
Vielleicht gibt es auch das absolut perfekte Studium für dich gar nicht.
Weil deine Werte woanders liegen.
Ich kenne jemanden, die stabilste und zufriedenste Person in meinem Bekanntenkreis, die ist da ganz pragmatisch rangegangen, hat gesagt, ihr ist letztendlich eine Familie ohnehin wichtiger, und einfach irgendeine Banklehre gemacht und eben ein bisschen Geld da verdient, ohne sich darüber zu definieren.
Und aktuell ist sie wegen Kindern zuhause, hat einen Mann, mit dem es zwar manchmal kriselt, aber da geht sie eben auch mit der Einstellung heran, Männer sind halt seltsame Wesen, man muss halt einfach mit ihnen umgehen können, und grundsätzlich gibt er ihr doch das, was sie braucht.
Und privat ist sie halt super lernwillig, wenn eins ihrer Tiere krank ist, dann informiert sie sich genau über die Krankheiten, die infrage kommen, weiß genau über verschiedene Diagnoseverfahren bescheid und wie Röntgenbilder aussehen müssen, damit ein Tier gesund ist oder eben eine bestimmte Krankheit hat, und wenn einer ihrer Freunde etwas hat, dann informiert sie sich da auch über alles Mögliche, arbeitet also ständig an ihrer Bildung und ist absolut informiert über alles, was ihr wichtig ist.
Es geht also auch ohne Selbstverwirklichung über einen Job, an dem dann alles hängt.
Bei mir ist es ja so, ich wollte etliche Male mein Studium abbrechen und etwas machen, an dem ich mehr hänge, aber ich habe nie etwas gefunden, und letztendlich habe ich dann doch, nach vielen halbkranken Semestern, weitergemacht. Und ich zweifele immer noch, was habe ich von Grundlagenforschung, was bringt das, wenn ich mehr über Elementarteilchen herausfinde, die niemand beobachten kann, außer in Milliardenteuren Teilchenbeschleunigern, das ist doch sowas von sinnlos. Und außerdem sind doch in dem Bereich nur absolute Überflieger, Nerds, und ich werde niemals gut genug sein.
Und doch finde ich es spannend, ich mag das akademische Umfeld, ich bin gern an der Uni, und meine Professoren halten mich nicht für zu dumm, sonst würden sie mir ja nicht anbieten, auch für den Master in der Arbeitsgruppe zu bleiben, und deshalb mache ich einfach weiter, trotz Zweifeln.
Und die Sache mit der Leere, ich weiß nicht, ob man das jemals füllen kann, wenn man einmal seelisch angeknackst war, aber die Hoffnung ist da.
Und vielleicht kannst du es in einer weniger stressigen Phase, bald sind ja Weihnachtsferien, und du musst einmal nicht an der Uni funktionieren, mal schauen, ob du es aushalten kannst, die Leere zu ertragen, und gucken, was passiert, vielleicht merkst du ja dann, was dir eigentlich fehlt und wie du sie sinnvoller ausfüllen kannst, ohne auf Essen zurückgreifen zu müssen.
Ich glaube, Bulimie hängt ganz eng mit Erfüllung zusammen, dass man eben nicht akzeptieren möchte, dass das Leben leer und sinnlos ist, aber manchmal scheint es das doch zu sein, und das Einzige, was dann doch verfügbar ist, ist halt das Essen.
Und ich denke nicht, dass man deshalb die Sehnsucht und das Träumen aufgeben sollte, es ist sicher möglich, auch seinen Platz im Leben zu finden, der einem wirklich etwas bedeutet, aber vielleicht tatsächlich nur, wenn man zeitweilig die Leere ertragen kann, denn wenn man schon gefüllt ist, wenn auch nur mit Essen, dann sucht und träumt man nicht mehr weiter, es ist ein Stillstand, ein dahinexistieren.
Aber es kann sein, dass es ein langer harter Weg ist, mit viel zwischenzeitlicher Leere, die man ertragen muss.
Und da bleibt nur, entweder weiterträumen, oder reiner Pragmatismus.
Einfach annehmen und sich seine Nische suchen.
Ich wünsche dir, dass du eine Träumerin bleibst und irgendwann deinen Platz findest.
Und vielleicht ist es das auch im Kleinen, nicht mit dem perfekten Studium, sondern mit dem genau richtigen Arbeitsplatz und einer Umgebung mit Menschen, die dir wichtig sind, unabhängig davon, welche Ausbildung du gemacht hast.
Und deshalb finde ich, solltest du weitermachen, denn nur dann kannst du herausfinden, ob dich zwar das Studium unglücklich macht, aber vielleicht das, was du damit tun kannst, doch glücklich.
Ich schicke dir mal liebe Grüße, kann mich noch gut an dich erinnern
