Hey Laona. Danke für deine Denkanstöße und deine Gedanken. Ich verstehe, was du meinst und denke du hast zum Großteil auch ziemlich ins Schwarze getroffen.
Laona1 hat geschrieben:Hi Scott,
um einen kritischen Ton einzuwerfen, den ich nicht böse meine(!): Ich habe den Eindruck, dass es in dieser Beziehung auch um Dich, nicht nur um Deine Freundin und/oder ihre Bulimie geht. Das ist natürlich auch gut so, weil zu Beziehungen immer zwei gehören und wir alle Menschen sind, egal ob bulimisch oder nicht.
In Deinem Schreiben klingt es manchmal so, als ob Dich da ein Schicksal überkommen hätte, dass Du Dich um diese Frau, also Deine Freundin, kümmern müssest. Und so, als ob Du das dann vollkommen geduldig und selbstlos, fast dem Schicksal ausgeliefert tun würdest. Also als ob das mit Dir gar nichts zu tun hätte, als ob Du keinerlei Wahl hättest.
Ich hab darüber nachgedacht. Die Wahl ... schwierig zu sagen. Ich sehe meine Wahlmöglichkeiten bzw. meine Optionen, aber ob ich wirklich frei bin zu wählen, ihr zu versuchen beizustehen oder eben nicht, das weiß ich nicht. Denn Fakt ist, ich werde versuchen ihr beizustehen, sie zu verstehen, sie zu stützen, auch wenn das heißt nur ein Freund zu sein und nicht "ihr Freund" zu sein. Ich weiß sie ist manchmal unglaublich einsam, unsicher und unglücklich und ich weiß auch, dass sie niemanden hat, dem sie sich gegenüber vollkommen öffnen kann. Sie ist jemand ganz besonderes und mir als Freund überaus wichtig geworden und ich möchte ihr nicht nur helfen, nur um ihr zu zeigen, ich bin ein toller Kerl und sei doch bitte meine Freundin. Das ist mir nun klar geworden. Ich bin kein Therapeut und kann mir nur anhören, wie es ihr geht, was sie zur Zeit bedrückt, sie versuchen aufzumuntern und mit ihr bei Gelegenheit vielleicht über eine Therapie zu reden. So jemanden gibt es in ihrem Leben leider nicht (ihre Mutter weiß nichts von der B und ihr Vater ignoriert es, ihr ehemaliger Vertrauenslehrer ist noch manchmal für sie da und ansonsten noch 2-3 Freundinnen, die ihr immer vermitteln wollen "Du schaffst das, du bist doch so eine starke Frau, Julie").
Tatsächlich glaube ich aber, dass Du darin auch irgendeine Art von Gewinn für Dich siehst. Oder - anders formuliert - dass es Dir aus irgendeinem Grund eigentlich (unbewusst) quasi auch recht ist, dass sie so ist, wie sie ist, und Du da nun so viel Reflektieren musste. Ich glaube Du reflektierst dabei auch über Dich. Und ihr Leid - um es mal so zu formulieren - hilft Dir dabei.
Ich sehe ihr Leid und die momentane Situation nicht als einen Gewinn, aber ich verstehe was du meinst. Ich bin natürlich froh, zu wissen, wo der Grund für dieses Nähe-Abstand-Problem liegt. Es hilft mir zu verstehen und dafür bin ich dankbar, ich bin auch etwas erleichtert, nicht mehr im Dunkeln zu wandern, warum und weshalb. Und ja es ist ok für mich, dass sie immer wieder mal Distanz aufbauen muss. Ich habe sie nicht anders kennen gelernt und bin damit auch früher schon klar gekommen, auch wenns nicht leicht ist. Naja ich muss schon gestehen, es wird immer schwerer je näher wir uns zuvor kommen. Ja ich reflektiere auch seither ständig über mich, über meine Probleme, über meine Gedanken und Wünsche und über meine Familie und Freunde. Es tut immer so gut mit Julie über all sowas zu reden und ein bisschen fühlte ich mich auch allein gelassen, durch ihren Abstand.
All dies schreibe ich, weil es manchmal vielleicht auch hilft, ganz bei sich zu sein und zu bleiben, und zu sehen, welche eigenen Probleme, Sorgen, Ängste, Nöte man in eine Beziehung mitbringt. Vielleicht geht es gar nicht so sehr um Deine Freundin, vielleicht geht es mindestens genauso viel um Dich, aber wegen der Probleme Deiner Freundin, kannst Du darüber reden und nachenken.
Ohje, vermutlich war das komplett unverständlich.
So oder so wünsche ich Dir alles Gute!
Laona
Sie öffnet sich mir sehr und gibt mir gleichzeitig das Gefühl, mich ihr zu öffnen und anzuvertrauen. Wenn ich so darüber nachdenke gab es so eine Person in meinem Leben noch nie. Keine Frau und auch keiner meiner besten Freunde. Sie ist mir wohl vor allem dadurch so wichtig geworden. Weil ich ihr auch wichtig bin, weil ich ihr beistehen will aber auch aus Angst sie zu verlieren, habe ich ihr gestern (wir waren gestern Abend etwas trinken) auch gesagt, dass es ok ist, wenn sie mich jetzt mehr als einen Freund und nicht als ihren festen Freund braucht und sieht. Das war für sie sehr überraschend und befreiend, das habe ich gemerkt. Und wenn ihr das gut tut und es auch unserer tiefen freundschaftlichen Beziehung gut tut, dann ist es hoffentlich auch wirklich ok für mich.
Zum Treffen gestern:
Die erste Stunde haben wir einfach erst mal geplaudert. Haben uns ja seit dem Abend ihrer Offenbarung mir gegenüber nicht mehr gesehen, sondern hatten nur bei Facebook und per SMS Kontakt. Es war irgendwie surreal für mich. Sie kann so perfekt ihre Fassade hochziehen, als hätte es dieses Abend nicht gegeben. Das war schmerzhaft zu sehen. Ich habe auch gemerkt, dass sie eigentlich nicht noch Mal darüber reden möchte. Ich habe sie trotzdem gefragt, ob wir über besagten Abend reden können. "Nein" Sie wolle nicht und wüsste auch nicht, was wir da noch bereden wollten. Distanz, Fassade, Selbstschutz. Ich hab ihr vorgeschlagen, dass sie mir nur zuhört und ich einfach rede, über meine Gedanken und Gefühle. Das war in Ordnung. Also habe ich ihr noch Mal gesagt, dass ich sie nun nicht anders sehe, aber dass sie mir gestattet hat sehr viel zu verstehen. Dass sie beispielsweise oft sehr unsicher ist und sich vermutlich oft sehr einsam fühlt. Auch dass sie jeder als starke Frau sieht und sie sich vermutlich fragt, warum sie das als einzige anders sieht und dass ich verstehe, warum sie Abstand gesucht hat und auch gerade sucht.
Dann hat sie sich doch noch mit mir darüber unterhalten. Sie bedaure es, dass sie mir von der B erzählte. Das hat mich kurzzeitig sehr erschüttert, aber ich weiß, dass ein großer Teil in ihr das anders sieht. Sonst hätte sie mir ja auch tatsächlich nichts davon erzählt. Ich sagte ihr, dass sie sich mir gegenüber ja sehr verletzlich gemacht hat und dass das wohl beängstigend für sie ist, zu wissen, mein gegenüber kennt einige meiner tiefsten Abgründe. Ich habe weiter gemacht und versucht ihr zu zeigen, wie wichtig sie mir ist und dass es ok ist, wenn sie zur Zeit nur einen Freund in mir sieht und nicht ihren festen Freund. Wie schon erwähnt, war das für sie überwältigend und ihre Fassade fing an einzustürzen. Wir haben noch viel geredet über unsere Gefühle, ihren Vater, über Verständnis, über mein vergangenes Alkoholproblem (davon erzählte ich ihr schon Mal) und über vieles mehr. Sie meinte auch, dass sie nun wieder froh sei, dass wir doch noch mal das Thema beredet haben. Ich hatte ihr in der vergangenen Woche eine lange Nachricht geschickt und dort schon direkt das Thema B und unsere Beziehung angesprochen. Sie sagte mir, beim Lesen war sie so überrumpelt, als sie bloß dieses Wort Bulimie las. Das wäre ja sie und sich damit auseinanderzusetzen ist ja natürlich hart. Noch dazu zu wissen, der andere weiß nun davon. Das verstehe ich.
Ich bin froh, dass es so ausging. Ich hoffe ich konnte ihr wirklich klar machen, dass ich verstehe, warum sie nach Nähe wieder Abstand sucht und dass es ok ist, weil sie mir so wichtig ist. Auch dass ich für sie da bin, wenn sie mich braucht als Zuhörer und als Freund. Vielleicht können wir somit füreinander da sein.