Familiendynamische Aspekte / Beziehungen

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Auszüge aus dem Buch 'Wie lasse ich meine Bulimie verhungern?' - Margret Gröne


Familiendynamische Aspekte:


Wie bereits beschrieben, erleben bulimische Frauen ihre Herkunftsfamilien als eher konflikthaft und wenig stabil. Scheidungen, Trennungen, Kontakabbrüche und schwere Krankheiten oder verschiedene Formen von Süchten sind häufige Familienthemen.
Deshalb lässt sich in den betreffenden Familien immer wieder eine Dynamik beobachten, die Gianfranco-Cecchin wie folgt beschreibt:

'Wenn Eltern die Verantwortung für den Zusammenhalt, die Entwicklung und Sicherheit des Familienlebens nicht mehr übernehmen (können), dann springt eines der Kinder ein und übernimmt Verantwortung. Es ist wie die Wiederherstellung eines ökologischen Gleichgewichts.'

In den Familien der Frauen, die bulimisches Verhalten entwickelt haben, waren oft sie es, die sich als Töchter aufgerufen fühlten - unter Hintenanstellung ihrer kindlichen Bedürfnisse - früh Verantwortung zu übernehmen.
Relativ früh - in der Regel vor Beginn der Pubertät - entwickeln die später bulimischen Frauen ein hohes Mass an Verantwortlichkeit für die Familie. Mit viel Einfühlung und unter Hintanstellung eigener Bedürfnisse, sind sie darum bemüht, das ökologische Gleichgewicht der Familie aufrechtzuerhalten, indem sie den Eltern (vor allem dem aus ihrer Sicht schwächeren Elternteil) versuchen, das zu geben und zu ersetzen, was ihm in der Partnerschaft fehlt. Gleichzeitig sind sie darum bemüht den Geschwistern den abwesenden (bei Scheidung) oder wenig verfügbaren (bei Krankheit/Sucht) Elternteil zu ersetzen. Ihre Position ist damit nicht mehr die eines Kindes, sie werden zur 'sorgenden Grossmutter der gesamten Familie', wie eine Frau selbst ihre Position in einem Interview beschrieb.
Bei Trennungen oder Koflikten werden sie - je nachdem wen sie als bedürftiger oder schwächer erleben - entweder zur besten Freundin der Mutter oder zur engen Vertrauten des Vaters.
Die Position als Vertraute des Vaters, enge Freundin der Mutter oder Grossmutter der Familie sind ambivalent. Zunächst erleben die Frauen/Töichter sehr grosse Wertschätzung und Anerkennung. Ihnen wird viel Vertrauen erntgegengebracht, sie schätzen es, schon früh als erwachsen behandelt zu und ernstgenommen zu werden, und fühlen sich häufig allmächtig und grandios. Doch handelt es sich um eine trügerische Wichtigkeit, einen Platz, der bindet und auf Dauer nicht sicher und angemessen ist. Die Gefühle der Wichtigkeit und Allmacht verkehren sich schnell ins Gegenteil. Ohnmacht, Schuld oder das Gefühl, um eigene kindliche Bedürfnisse und Entwicklungen betrogen worden zu sein. Langfristig bedeuten diese Positionen eine tiefe Enttäuschung.

Beziehungen:

[...]
Diese Bindungswünsche können jedoch gleichzeitig heftige Befürchtungen vor zu viel Intimität und Nähe (und damit Angst, verletzlich zu werden und sich ausgeliefert zu fühlen) aktivieren. Der Wunsch und gleichzeitig die Angst davor, Nähe und Intimität zuzulassen, endet deshalb meist in dem Bemühen, die eigenen Gefühle zu kontrollieren.

Dieser 'Schutz' kann unterschiedlich aussehen:
- Die Bulimie wird verstärkt, sobald ein Partner wichtig wird (Gefühle werden 'weggefressen')
- die Wünsche nach Nähe und Intimität werden auf mehrere Partner verteilt
- die Partner werden abgewertet
- die Frauen gehen eher oberflächliche und häufig wechselnde Beziehungen ein

All' diese Verhaltensmuster dienen letzlich dazu, die 'Fäden in der Hand zu behalten'. Die Bulimie ist kontrollierbar (bei Bedarf verfügbar) und deshalb im Zweifelsfall der verlässlichere 'Beziehungspartner'. 'Unkontrolliertes' Erleben von Begeisterung und Freude, aber auch Traurigkeit und Angst, scheinen zu gefährlich. Das Sich-Einlassen auf Emotionen ist immer mit Gefühlen des Ausgeliefertseins und der Schwäche verknüpft.

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Vielleicht erkennt sich jemand wieder.. (So wie ich es tue.)
Zuletzt geändert von facilité am So Jun 09, 2013 22:34, insgesamt 1-mal geändert.
Der Zustand, in dem ich alles an Essen da habe, ohne auch nur den geringsten Essdruck zu verspüren, ist mein normaler Zustand. Mein Körper sagt mir, was, wann und wie viel er will. Immer, wenn ich Essdruck verspüre ist etwas nicht in Ordnung.