Fehlendes Grundverständnis

#1
Vor ein paar Wochen hab ich zwei meiner besten Freundinnen von meiner Bulimie erzählt und sie haben auch beide wirklich toll und verständnisvoll darauf reagiert, wobei wir danach eigentlich auch nicht mehr davon gesprochen haben.

Nachdem ich es ihnen erzählt hatte hab ich erstmals seit eineinhalbjahren für mehr als ein paar Tage aufgehört zu kotzen und mittlerweile sind es auch schon fast fünf Wochen in denen ich nur drei mal rückfällig geworden bin (alles innerhalb der letzten acht Tage), wobei ich aber seither einfach viel zu wenig esse.

Jetzt hab ich einer dieser zwei Freundinnen erzählt wie stolz ich einerseits bin nicht mehr zu kotzen, wie schwer es mir aber gleichzeitig fällt zu essen, dass ich mich wirklich bemühe, aber ich es oft einfach nicht schaffe, dass es mir schon fast Angst macht wie viel ich in dieser Zeit abgenommen hab. Ich wollte sie eigentlich fragen ob sie nicht manchmal mit mir essen könnte...

Aber ihre Antwort auf meinen Satz "Ich weiß nicht wie ichs schaffen soll mehr zu essen." ging eher in die Richtung "Wieso mehr essen?" Sie meinte dann zu mir, ich hätte so toll abgenommen, sie wünschte sie könnte das auch, dass das doch auch der beste Grund sei nicht wieder mit dem kotzen anzufangen, wenn ich ohne die viel bessere Figur bekomme...

Ich war so perplex, dass ich erstmal auch gar nichts antworten konnte, aber mittlerweile frag ich mich wirklich ob sie überhaupt verstanden hat was eine ES bedeutet?????
Sie hat mir zwar erzählt, dass sie mit 16 selbst mal eine Zeit hatte in der sie Probleme mit dem Essen hatte, aber scheinbar hat sie das selbst und ohne irgendwas davon zurück zu behalten überwunden.
Sie meinte dann sogar, sie würde diese SCHÖN dünnen Zeiten sehr vermissen, könne aber einfach nicht die Disziplin aufbringen wieder dahin zu gelangen...

Prinzipiell ist es so, dass sie auch dauernd über ihre Figur und ihr Gewicht redet, was mich einfach auch triggert!!

Wie kann ich ihr klar machen, dass an meiner Situation grade nichts, wirklich gar nichts, toll ist?

Re: Fehlendes Grundverständnis

#2
Das erste was mir in den Sinn kam:
Ich denke von IHRER essgestörten Zeit ist noch viel hängen geblieben..
Vielleicht führt sie selbst jahrelang noch einen Kampf gegen das essen und "bewundert" daher Menschen, die abnehmen.. Vielen von uns geht es ja ähnlich..
DU bist auf dem richtigen weg.. Du weißt dass du zu wenig isst.. Für sie gibt es vielleicht kein zu wenig essen, weil man in ihren Augen vielleicht nicht schlank genug sein kann..

Ich denke ehrlich gesagt nicht, dass dir jemand helfen kann, der selbst eine Störung im essverhalten hat.. Das Thema essen solltet ihr glaub ich für euch beide sein lassen.. Nicht dass ihr euch gegenseitig triggert..

Wäre es eine Option, sich an die andere Freundin zu wenden, der du es erzählt hast?
Manche Hähne denken, dass wegen ihnen die Sonne aufgeht

Re: Fehlendes Grundverständnis

#3
Hallo flora!

Ich muss mich erstens gleich mal Napoleona anschließen, das klingt wirklich als habe deine Freundin selbst noch immer ab und an Gedanken in diese Richtung.

Vielleicht versteht sie aber auch nur nicht, dass du wirklich viel zu wenig ist.
Nicht nur Leute die eine Diät brauchen oder in Betracht ziehen, sondern auch "Außenstehende" haben oft eine völlig falsche Vorstellung von richtigem Abnehmen.
Da denkt man dann eben "Je weniger jemand isst, desto besser!" und es fehlt völlig das Verständnis, dass man für gesundes Abnehmen genug, aber nicht zu viel essen muss. Da die Mitte zu finden ist wahnsinnig schwer, ich selber esse auch noch viel zu wenig und bekomme nur zu hören wie toll ich abgenommen hätte.
Kann mich über solche Komplimente gar nicht mehr freuen, weil ich immer nur denke "Wenn die wüssten..."

Es ist aber toll, dass du so lange schon fast komplett durchgehalten hast. Vor allem, dass du gemerkt hast, dass man durch Erbrechen nicht abnimmt. Das hat bei mir auch recht lange gedauert, aber das ist ein erster Schritt davon los zu kommen!

Versuch vielleicht nochmal mit deiner Freundin zu reden und ihr klar zu machen wie die Situation wirklich aussieht, dass es beim Abnehmen nicht um Hungern gehen sollte und dass du deshalb einfach auf ein Gesundes Esslevel kommen willst, das auf Dauer auch viel besser für die Figur ist. ;)

Viel Glück und Durchhaltevermögen weiterhin! :)

LG,
jiji

Re: Fehlendes Grundverständnis

#4
Ich kann mich nur anschließen. Ich habe auch eine Freundin, die mal "Probleme mit dem essn hatte" ( ihre Aussage ) und deswegen auch mal bei einer Beratungsstelle war. Aber ich denke, es war noch keine richtig ausgeprägte Esstörung. Sie konnte von alleine damit aufhören und hat eine super Figur. Ist auch insgesamt ein fröhlicher und ausgeglichener Mensch. Nur versteht sie mich nicht, weil sie irgendwie denkt, ich könnte das auch, wenn ich es wollte. Es kommen immer nur Kommentare wie "iss doch einfach normal und mache Sport" etc... Ich weiß ja, dass das nicht böse gemeint ist und bin j auch froh, dass sie mir helfen will, nur sind solche Bemerkungen nicht wirklich hilfreich. Wenn alles so einfach wäre, dann hätte ich das ja schon längst gemacht. Es muss aber auch unheimlich schwer sein, unsere Denkweisen zu verstehen, bzw. nachzuvollziehen können...
« On ne voit bien qu’avec le coeur. L’essentiel est invisible pour les yeux. »

Re: Fehlendes Grundverständnis

#5
Danke für die Antworten! Es tut wirklich gut zu wissen, dass man hier im Forum Menschen hat, die verstehen wie es einem geht! Es tut mir gut hier zu lesen und zu schreiben!

Ihr habt vielleicht alle bis zu einem gewissen Grad recht. Ich kenne die betreffende Freundin schon ziemlich lange, ungefähr zwölf Jahre, also eigentlich auch schon aus der Zeit in der sie ein leicht anorektisches Verhalten an den Tag gelegt hat.

Damals war ich 14, hatte meine erste gemischt anorektisch-bulimische Phase grade hinter mir und war eher in Richtung Binge unterwegs. (Ja, ich hab alles schon ausprobiert.) Sie war damals wirklich sehr dünn, während ich phasenweise eher ein wenig pummelig war. - Ich hatte sie dann auch immer als Vorbild. Auch nachdem ich mit 18 angefangen hatte abzunehmen (damals sogar auf relativ gesunde Art und Weise) und sie aus dem UG rauskam, als sie ihren Langzeitfreund kennen lernte und mit ihm sehr glücklich wurde, war trotzdem immer noch sie die mit der besseren Figur.
Erst mit den Jahren hat sie zugenommen, wobei sie immer noch schlank ist, während ich in den letzten zwei Jahren seit meiner Trennung immer stärker abgenommen hab, so dass wir mittlerweile ungefähr gleich viel wiegen, nur dass ich halt 15 cm größer bin.

Ich find eigentlich trotzdem noch immer ihre Figur schöner, aber sie kann glaub ich nicht so gut damit umgehen, dass ich jetzt irgendwie dünner bin.
Schon bevor ich ihr von der B erzählt hab, hat sie eigentlich dauernd mit mir über ihr Gewicht gesprochen und mich dadurch auch teilweise getriggert. Leider hat es nun scheinbar auch nicht geholfen ihr von meinem Problem zu erzählen, ich hab wirklich ein wenig das Gefühl sie beneidet mich um die ES, wobei ich glaube, dass sie einfach nicht begriffen hat, dass es für mich um einiges Ernster ist als bei ihr damals.
Sie meinte auch zu mir, wie die Freundin von Loeckelchen, sie hätte halt dann EINFACH wieder normal gegessen und das könne ich doch auch und, dass es doch eben auch gar keinen Grund gäbe zu kotzen wenn ich dadurch eh nicht abnehme...
Sie hat nicht begriffen, dass die B bei mir nichts ist, was ich halt einfach mal so nebenher mache weil ich nicht zunehmen will, sondern, dass teilweise ganze Tage und Wochen nur von der ES bestimmt werden...

Ich würd mich sehr gern an die andere Freundin wenden, die zwar selber auch mal fast reingerutscht wäre, die aber trotzdem mehr verstanden hat, dass ich ein ernstes Problem hab. Nur leider ist sie noch drei Wochen am anderen Ende der Welt und nicht erreichbar.

LG, flora
cron