So, Achtung, ich werde etwas länger ausholen
Ja, es ist definitiv auch eine Glaubenssache, du kannst also wohl hier keine abschließende Antwort kriegen.
Trotzdem ist es immer spannend, neue Inspirationen zu kriegen, auch wenn sie vielleicht teilweise auch nur noch mehr inneres Chaos verursachen.
Hermann Hesse hat geschrieben:Meine Bücher führen den Leser, wenn er willig ist, bis dahin, wo er hinter den Idealen und Moralen unserer Zeit das Chaos sieht. Wollte ich weiter "führen", so müsste ich lügen. Die Ahnung der Erlösung, die Möglichkeit, das Chaos neu anzuordnen, kann heute keine "Lehre" sein, sie vollzieht sich im unaussprechbaren innersten Erleben Einzelner.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine Seele gibt.
Nur was sie genau ist und ob man sie einer Religion zuordnen kann und ob Bulimie der Seele eher nach dem Tod schadet oder schon im Diesseits, ist halt etwas schwieriger zu beantworten.
Erstmal fällt mir bei dem Thema mein Lieblingsbuch ein, "Die Wolfsfrau" von Clarissa P. Estés. Die Autorin behandelt da ein Kapitel zum Thema Seele und Rückzug in sich selber.
Es ist ähnlich wie bei "Die Frau, die im Mondlicht aß", Erläuterung eines Themas anhand von Märchen.
Ich versuche mal, das Seelenmärchen nachzuerzählen.
Es geht um einen sehr einsamen Eskimofischer, der abends irgendwann sehr spät noch mit seinem Boot unterwegs ist und eine Gruppe von Frauen beobachtet, die im Mondlicht tanzen. Diese Frauen sind aber eigentlich Seehündinnen, die ihre Felle abgelegt haben. Er nimmt eines der Felle weg und überredet die Frau, ihn zu heiraten, und verspricht ihr, dass sie nach 7 Jahren ins Meer zurückkehren darf.
Die beiden heiraten und bekommen ein gemeinsames Kind, aber der Frau geht es immer schlechter, ihre Haut vertrocknet und sie magert ab, weil sie nicht ohne ihr Fell und ihre Meeresheimat leben kann.
Nach den sieben Jahren möchte sie ihr Fell wiederhaben, aber ihr Mann möchte sie nicht gehen lassen, sodass sie im Streit flieht und ihr Kind mitnimmt.
Beide verbringen sieben Tage am Grund des Meeres, die Mutter erholt sich wieder, möchte aber in ihrer Heimat bleiben, doch der Sohn kann nun in beiden Welten leben, er geht oft ans Meeresufer und unterhält sich mit den Seehunden, um seine Seele zu erleichtern, aber ansonsten lebt er in der Welt seines Vaters.
Die Autorin interpretiert das so, dass man regelmäßig in Kontakt zu seiner Seele bleiben muss, um nicht auszutrocknen, also so wie der Junge, nachdem er einmal einen Weg zu seiner Seele gefunden hat, (als er die sieben Tage am Meeresgrund war), regelmäßig ans Ufer zurückgehen und mit den Seehunden reden.
Wenn man das auf einen Glauben beziehen will, dann kann man das vielleicht so sehen, dass man nach der Taufe wieder regelmäßig in die Kirche geht.
Ich glaube, hier geht es auch sehr um das Thema Heimat. Die Heimat der Seele. Nicht jeder hat seine Heimat am Grund des Meeres, der Mann im Märchen zum Beispiel ist ja fest am Land verwurzelt.
Und die Seele des einen hat vielleicht ihre Wurzeln im Christentum, der andere fühlt sich im Buddhismus heimisch.
Oder vielleicht sind es auch bestimmte Bücher, oder Gespräche, oder lange Wanderungen, die man braucht, um die Seele atmen zu lassen. Ich glaube, nicht jeder kann sich in einem festen Glauben wohlfühlen, aber jeder braucht etwas, wo sich auch seine Seele entfaltet.
Ich habe ein paar Zweifel daran, dass die Bestrafungen für irgendwelche Taten erst im Jenseits kommen.
Da glaube ich auch eher an ein Ursache-Wirkungsprinzip, das schon sehr sehr früh festgelegt wurde. Und davor kann uns dann ein Gott auch nicht bewahren, was geschehen muss, muss eben geschehen. Vielleicht helfen Jahrtausende alte Weisheiten, wie sie in der Bibel gesammelt sind, oder auch in anderen überlieferten Geschichten, dabei, zu verstehen, vielleicht kann man das auch als eine Botschaft Gottes begreifen, der alles schon besser durchschaut hat und uns helfen will. Aber es muss nicht unbedingt ein Gott sein, Weisheiten der ganzen Menschheit sind für mich genauso befriedigend, das kann aber jeder für sich entscheiden, das geht eben schon wieder sehr in Richtung individuellen Glauben.
Ich stelle mir vor, wenn jemand etwas Böses tut, dass sich dann seine Seele von ihm zurückzieht oder sogar Teile von ihr abgespalten werden (das wird ja sogar in Harry Potter aufgegriffen, wo Voldemort bei jeder Untat ein Stück seiner Seele abgerissen wird), dass das dann schon die automatische Strafe ist. Nicht, weil wir ohne Seele schlechter in den Himmel kommen können, das kann ich vom Diesseits aus nicht beurteilen, sondern weil uns etwas fehlt. Manche stört es vielleicht nicht, es ist sogar angenehmer, ohne Seele zu leben, weil man dann mehr böse Taten begehen kann, ohne dass es wehtut, aber so insgesamt glaube ich, man durchlebt seine Hölle schon auf Erden. Wenn man immer seelenloser wird, kann man ja keine wahren Freundschaften finden, leidet immer mehr unter innerer Leere usw. Deshalb finde ich das Himmel-Hölle-Konstrukt, das da künstlich für nach dem Tod zusammengebastelt wird, eigentlich für obsolet.
Aber ich glaube, nicht nur, wenn jemand etwas Böses tut, sondern auch wenn er etwas Böses erlebt, oder jahrelang alles, was an Lebendigkeit aus dem Innersten kam, unterdrückt wurde, oder..., dann zieht die Seele sich ein Stück weit zurück, was sich wohl in der krassesten Form bei den Dissoziationen von schwer Traumatisierten ausdrückt.
Und vielleicht ist es dann ein Teufelskreislauf, wenn man immer seelenloser wird, ist man eher versucht, die Leere mit Bulimie zu füllen, Bulimie ist Gewaltanwendung an Körper und Seele, und die zieht sich noch weiter zurück.
Ja, ich glaube, wir schaden unserer Seele sehr, und wir sollten unbedingt einen Weg finden, wieder Zugang dazu zu finden. Insofern ist die Heilung von psychischen Problemen auch eine sehr spirituelle Sache.
Mit dieser wertenden Einteilung von Gut und Böse habe ich ehrlich gesagt große Probleme. Das ist zu sehr Schwarz-weiß-denken, und es widerspricht meinem Gefühl von Ganzheit. Es erinnert zu sehr an die wertende Trennung von Männern und Frauen, und außerdem, wer will beurteilen, was wirklich das Böse ist? Wenn man das Böse als Negativ bewertet, will man es ja vermutlich auch bekämpfen, und da ist vieles nicht so klar. Ok, wir könnten zum Beispiel die Bulimie als Böse bezeichnen, aber ist sie das denn auch? Schien sie uns am Anfang nicht sogar als rettend gegenüber einer Situation, die wir als noch schlimmer empfanden? Kann etwas, das uns scheinbar geholfen hat, ganz und gar böse sein? Können wir etwas, das nicht ganz und gar böse ist, einfach so ausrotten? Maßen wir uns da nicht etwas an?
Und außerdem, es ist doch einfach dermaßen unrealistisch, dass immer nur Gutes passieren kann. Und außerdem auch völlig unnötig. Wenn alles nur Licht und hell wäre ohne einen einzigen Schatten, dann würden wir nicht sehr viel sehen, erst durch die dunklen Aspekte bekommt doch alles Kontur. Ohne schwierige Zeiten im Leben einzelner Menschen wären viele große Kunstwerke nicht entstanden, ohne eine schwierige Pubertät würden wir nicht zu verantwortungsvollen Erwachsenen werden können.
Leben ist doch gerade der Spannungsbogen zwischen Gut und Böse, wie will man da das Böse so leichtherzig abwerten können?
Trotzdem ist es wohl wichtig, das Böse, wenn man es denn erkennen kann, zu reduzieren, weil sonst wohl auch kein Leben mehr möglich ist. Genauso wie aus Sicht der Physik die Erde und das Universum nur deshalb existieren können, weil es mehr Materie als Antimaterie gibt, gäbe es genau gleichviel, würden sie sich gegenseitig auslöschen (vielleicht hat wer Dan Brown - Illuminati gelesen

).
Also nur dass es schwierig ist, zu werten, heißt noch nicht, dass wir nicht immer weiter und weiter kämpfen sollten. Für unsere Seele, dass sie endlich wieder zu uns zurückkommt und uns ermöglicht, ganz lebendig zu werden. Und nicht nur dahinzuvegetieren.
Seufz. Trotzdem kann ich mir vieles im Leben nicht erklären und es bleiben so viele offene Fragen.
Das ist vielleicht auch mit der Vertreibung aus dem Paradies in der Bibel gemeint, wir sind zu intelligent geworden, und haben zu viele Fähigkeiten, über zu komplexe Sachverhalte nachzudenken, als dass wir noch glücklich dahinleben können.
Und trotz all unserer Intelligenz bleiben immer offene Fragen.
So, habe ich es geschafft, noch ein paar Klarheiten zu entfernen?
Und tut mir leid, dass ich auf die späteren Antworten nicht eingegangen bin, ich wollte erstmal meinen eigenen Gedankengang zusammenschreiben.
Ok, doch noch: Ich mag Paulus nicht. Der hat zu viel Blödsinn geschrieben, mit dem ich nicht übereinstimmen kann.
Der hat Frauen abgewertet und er hat die Menschen abgewertet, die Jesus persönlich kannten, und glaubte selber, er sei allwissend. In den Paulusbriefen ist mir zuviel fundamentalistisches Gedankengut und zuwenig Weisheit. Er hat nichts von irgendwelchen anderen Menschen oder Jesus selber übernommen, sondern einfach beschlossen, dass er erleuchtet ist und dann fröhlich alle um sich herum bekehrt. Und dabei nur seine eigene Meinung verbreitet.
Aber das ist meine persönliche Meinung.
Nur schade, dass die Kirchen so sehr auf Paulus aufbauen.
(Ich oute mich mal als Fan von Jesus und der Bibel, aber nicht von den heutigen Kirchen.)
Und wie gesagt, ich finde nicht, dass jeder Mensch eigentlich schlecht ist. Jeder Mensch ist Mensch, mit guten und schlechten Anteilen. Aus denen er das Beste machen kann, oder halt nicht.
Aber sich mal schlecht fühlen, da muss man durch, da kann man draus lernen, weil man zum Nachdenken angeregt wird.
Und deshalb hat auch Schlecht fühlen sein Gutes in sich.
Es gibt so viele Graustufen und Farbstufen zwischen dem ganz Hellen und Dunklen.
Das müssen wir lernen und unserer Seele da ihre Freiheit lassen, bunt aufzuleuchten.
So, ich erwähne noch, das war alles meine persönliche Meinung und hat weder Anspruch auf Wahrheit noch auf Vollständigkeit noch darauf, dass es in sich schlüssig ist. Ich habe mir vermutlich selber zigmal widersprochen und mich völlig verzettelt
Ich hoffe, es regt trotzdem zum Denken und vielleicht zu noch weiteren Diskussionen an.