Hallo allerseits,
ich bin sehr froh auf Euer Forum gestoßen zu sein. Ich beschäftige mich schon seit geraumer Zeit mit dem Thema Essstörungen, genauer gesagt Bulimie. Meine Freundin, mit welcher ich seit ca. 2 Jahren zusammen bin, ist davon seit ihrem 16.Lebensjahr betroffen.
Nach ca. 1 Jahr unserer Beziehung erzählte sie mir von ihrer Krankheit. Für mich war dies natürlich ein riesen Schock. Die größten Sorgen und Ängste kamen in mir auf, schließlich sehe ich ihre Gesundheit gefährdet und möchte sie nicht verlieren.
Ohne zu wissen was es bedeute an dieser Krankheit zu leiden und welche Auswirkungen es hat, habe ich ihr meine uneingeschränkte Unterstützung - leider zu leichtfertig - zugesichert. Ich wollte ihr einfach Zuversicht oder etwas Ähnliches geben. Sie hat mich damals, verständlicherweise, beim Wort genommen und baut auf meine Hilfe, Toleranz und Unterstützung.
Nun trug es sich zu, dass sich unsere Beziehung im letzten 1/2 Jahr zusehens verschlechterte. Das Problem für mich sind ihre sehr wechselhaften Launen, welche sich auch als Aggressionen äußern. Aggressionen gegen sich selbst und gegen mich. Mit ihrer schlechten Laune, ihrer "Mauligkeit" konnte ich in der Anfangszeit eigentlich gut umgehen. Zu einem gewissen Anteil lag dies wahrscheinlich auch an meiner "Rosa-Brille" in der Verliebtheit.
Mittlerweile fällt es mir sehr schwer ihre tägliche, durchaus auch berechtigte Kritik, Wut und Laune zu ertragen. Ich fange selbst an sie zu beschimpfen usw. Mir tut dies auch danach sehr leid, nur das kann keine Ausrede oder Lösung auf Dauer sein. Ich habe dann das Gefühl versagt zu haben oder sie zu wenig zu lieben.
Ich frage mich woher kommen solche Aggressionen. Ich weiß mir langsam keinen Rat mehr. Eine Therapie gestaltet sich schwierig, da sie darauf baut, dass ich mich darum kümmere. Ich bin aber der Meinung der Wunsch nach einer Therapie muss von ihr kommen. Ich glaube sie ignoriert etwas ihre Krankheit. Ich möchte sie auch nicht einfach zu einer x-beliebigen Therapie stecken oder gar mit Medikamenten vollpumpen lassen. Sie soll ihren Charakter behalten und ich habe Angst, sie zu irgendwas zu drängen.
Bin ich vielleicht zu intolerant oder nicht verständnisvoll, weil ich mit den täglichen Problemen nicht mehr zu recht komme und mich etwas passiv verhalte? Bin eben sehr Harmonie-Bedürftig.
Ich liebe sie sehr und möchte ihr auch helfen, kann mich aber nicht selbst aufgeben. Wäre ein Schritt zu einem Psychologen ratsam. Also erstmal ich allein um zu besprechen, wie es weiter gehen könnte?
Vielen Dank für Eure Geduld beim Lesen und Eure Antworten
Christian
Re: Aggressionen und Essstörung
#2Hallo Christian!
Willkommen hier! Ich finde es ja immer sehr rührend, wenn sich Angehörige hier anmelden um Hilfe zu suchen! Respekt an Dich!
Kannst Du mit ihr über das Thema Therapie reden? Hat sie schonmal eine gemacht?
LG Nadine
Willkommen hier! Ich finde es ja immer sehr rührend, wenn sich Angehörige hier anmelden um Hilfe zu suchen! Respekt an Dich!
Den Satz finde ich äusserst bedenklich. Ich finde, dass sie ihre Eigenverantwortung damit komplett abgibt. Is doch logisch, dass man einen Partner damit heillos überfordert was sich natürlich auch nicht positiv auf die Beziehung auswirkt! Es hört sich so an wie: Du hast versprochen dass Du mir hilfst, also mach was. Wenns dann nicht richtig ist, kann ich Dich dafür anmeckern (schließlich wars ja Deine Idee) und wenn Du nix machst, hälst Du Dich nicht an die Vesprechungen mir zu helfen. Mal so überspitzt dagestellt. Dass Du damit nur auf dem Bauch landen kannst, ist sonnenklar! SIE ist für sich verantwortlich. Sicher kannst Du sie auf ihrem Weg unterstützen, ab nicht die Verantwortung übernehmen.Es ist allein ihr Weg, ihre Krankheit und da ist es auch ganz allein an ihr den Arsch hochzukriegen (sorry) und was dagegen zu tun.Eine Therapie gestaltet sich schwierig, da sie darauf baut, dass ich mich darum kümmere.
Vollkommen korrekt! Wie lange ist sie schon essgestört?Ich bin aber der Meinung der Wunsch nach einer Therapie muss von ihr kommen.
Das wäre ja auch noch schöner! Den Gang zur Thera muss sie selbst wollen und machen. Sonst bringt das mal garnix!!Ich möchte sie auch nicht einfach zu einer x-beliebigen Therapie stecken oder gar mit Medikamenten vollpumpen lassen.
Ich glaube nicht dass Du intolerant, bzw. verständnislos bist. Es ist normal, dass an als Angehöriger überfordert ist. Man will helfen, weiß aber nicht wie. Is ja auch bei jedem sehr individuell verschieden. Auf keinen Fall sollte es Deine Lebensaufgabe bzw. Hauptpunkt der Beziehung sein, dass DU IHR Problem löst und Dich damit automatisch selbst aufgibst. Es gibt sowas wie Coabhängigkeit und da is man schneller drin, als man gucken kann. Und DANN wirds haarig. Launen ab und zu sind eine Sache, aber irgendwann is auch mal gut.Bin ich vielleicht zu intolerant oder nicht verständnisvoll, weil ich mit den täglichen Problemen nicht mehr zu recht komme und mich etwas passiv verhalte? Bin eben sehr Harmonie-Bedürftig.
Kannst Du mit ihr über das Thema Therapie reden? Hat sie schonmal eine gemacht?
Glaube ich nicht. Jedenfalls nicht ohne sie und auch nicht ohne, dass sie selbst wirklich ne Therapie machen will.Wäre ein Schritt zu einem Psychologen ratsam. Also erstmal ich allein um zu besprechen, wie es weiter gehen könnte?
LG Nadine
Zuletzt geändert von Nads am Fr Okt 30, 2009 17:09, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Aggressionen und Essstörung
#3Buchrezension, ISBN-Nummer etc. findest Du hier
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....
Re: Aggressionen und Essstörung
#4Erstmal vielen Dank für die Antworten.
Das Buch habe ich mir gleich mal bestellt.
Nun zu den Fragen: meine Freundin ist seit 8 Jahren betroffen. Bei einem Psychologen war sie auch schon einmal. Leider fand sie es bei diesem überhaupt nicht angenehm. Ich weiß leider nicht mehr, was da vorgefallen ist. Sie hat mittlerweile große Befürchtungen vor einem Psychologen, sie denkt dass das wirkliche Problem in ihr nicht behoben wird. Sie will eben nicht zu einem Therapeut der nur auf die Essstörung fixiert ist und dann mit Essensplänen etc kommt.
Ich kann das leider überhaupt nicht beurteilen, was sinnvoll wäre.
Ein Hauptproblem zwischen uns ist, dass ich ihrem Perfektionismus nicht gerecht werden kann. Sie sagt mir die Dinge, die es gilt einzuhalten zwar mehrmals und auch normal, aber irgendwann hat sie keine Geduld mehr. Das Problem dabei: ich bin alles andere als Perfektionistisch. Bin eher das Gegenteil davon. So kommt es eben oft vor, dass wir uns streiten, weil ich Dinge missachte die ihr wichtig sind. Ich habe das Gefühl, ich schaffe es einfach nicht alles zu beachten.
Manchmal sehe ich es auch nicht ein und äußere das ihr. Dann streiten wir uns meistens sehr heftig. Habe dann auch oft das Gefühl ich hätte es wissen müssen.
Grundsätzlich ist sie einer Therapie aufgeschlossen, im Weg steht leider ihr eigener Wille dazu. Ich versuche jedenfalls sie nach besten Kräften auf den Weg dorthin zu unterstützen.
Das Buch habe ich mir gleich mal bestellt.
Nun zu den Fragen: meine Freundin ist seit 8 Jahren betroffen. Bei einem Psychologen war sie auch schon einmal. Leider fand sie es bei diesem überhaupt nicht angenehm. Ich weiß leider nicht mehr, was da vorgefallen ist. Sie hat mittlerweile große Befürchtungen vor einem Psychologen, sie denkt dass das wirkliche Problem in ihr nicht behoben wird. Sie will eben nicht zu einem Therapeut der nur auf die Essstörung fixiert ist und dann mit Essensplänen etc kommt.
Ich kann das leider überhaupt nicht beurteilen, was sinnvoll wäre.
Ein Hauptproblem zwischen uns ist, dass ich ihrem Perfektionismus nicht gerecht werden kann. Sie sagt mir die Dinge, die es gilt einzuhalten zwar mehrmals und auch normal, aber irgendwann hat sie keine Geduld mehr. Das Problem dabei: ich bin alles andere als Perfektionistisch. Bin eher das Gegenteil davon. So kommt es eben oft vor, dass wir uns streiten, weil ich Dinge missachte die ihr wichtig sind. Ich habe das Gefühl, ich schaffe es einfach nicht alles zu beachten.
Manchmal sehe ich es auch nicht ein und äußere das ihr. Dann streiten wir uns meistens sehr heftig. Habe dann auch oft das Gefühl ich hätte es wissen müssen.
Grundsätzlich ist sie einer Therapie aufgeschlossen, im Weg steht leider ihr eigener Wille dazu. Ich versuche jedenfalls sie nach besten Kräften auf den Weg dorthin zu unterstützen.
Re: Aggressionen und Essstörung
#5ohne den eigenen willen ist jede therapie rausgeschmissenes geldGrundsätzlich ist sie einer Therapie aufgeschlossen, im Weg steht leider ihr eigener Wille dazu
"Sie hatte kein eigenes Leben. Sie existierte bloß. Sie hatte keine Hoffnung, keinen "Antrieb", keine Bedeutung für sich selbst. Sie fühlte, wie sie sagte, daß "sie" unlängst "geradewegs untergegangen" war...
Re: Aggressionen und Essstörung
#6Dieser Drang nach Perfektion tritt sehr häufig auf im Zusammenhang mit Ess-Störungen. Das äußere Erscheinungsbild, die "Maske" nach außen, wird so gestaltet, daß es fehlerlos erscheinen soll. So sehr man im Inneren "schwach" und verletzlich ist, soll dies in der Außenwirkung niemand merken. Es ist der Wunsch nach Anerkennung und damit auch nach Liebe. Weil ein perfekter Mensch muß doch geliebt werden.Das Problem dabei: ich bin alles andere als Perfektionistisch. Bin eher das Gegenteil davon. So kommt es eben oft vor, dass wir uns streiten, weil ich Dinge missachte die ihr wichtig sind. Ich habe das Gefühl, ich schaffe es einfach nicht alles zu beachten.
Manchmal sehe ich es auch nicht ein und äußere das ihr. Dann streiten wir uns meistens sehr heftig. Habe dann auch oft das Gefühl ich hätte es wissen müssen.
Schlimm wird es dann, wenn dieser Perfektionismus in eine Partnerschaft übertragen wird. Und zweimal schlimm, wenn der Partner eben alles andere als perfekt ist oder sein will.
Du hast dann zwei Möglichkeiten. Entweder verbiegst Du Dich selbst, um dem Perfektionismus gerecht zu werden und den Frieden zu erhalten. Das geht eine Weile gut, aber niemals auf Dauer. Und ist bereits Nahe an der Co-Abhängigkeit angesiedelt.
Du ordnest Deine eigene Persönlichkeit der Deiner Freundin unter. Du versuchst einen künstlichen Frieden aufrecht zu erhalten, damit es ihr gut geht. Ihre Ansprüche werden immer höher werden, was Du alles zu beachten hast. Es ist eine Schraube ohne Ende, die, wenn Du dem Ganzen nicht irgendwann Einhalt gebietest, im Chaos und in der Trennung enden wird.Ich habe das Gefühl, ich schaffe es einfach nicht alles zu beachten.
Du bist Du. Und sie hat Dich ja auch als den Non-Perfektionisten kennen und lieben gelernt. Also laß Dich jetzt nicht versuchen umzuerziehen. Setze Grenzen und wenn es Streit gibt - ja, dann gibt es ihn. Aber sie muß wissen, daß ihr Perfektionismus zumindest in der Parterschaft Grenzen hat. Behalte und bewahre Deine eigene Persönlichkeit. Das ist ganz wichtig.
Und kommuniziere ihr, warum Du nicht bereit bist, dies oder jenes zu tun. Sie muß es hören, das warum.
Diese Krankheit schleicht sich mit ihren Symptomen sehr schnell in eine Beziehung. Und nur die Existenz der Krankheit entschuldigt in keinem Fall jedes Verhalten in einer Partnerschaft. Solange aber die Kommunikation stimmt untereinander, hat auch diese Beziehung eine echte Chance. Redet miteinander, vernünftig und ohne Streit. Aber verrate in einer solchen Gemeinschaft nie Dich selbst.
lieber Gruß
Caruso
Die Weisheit lief mir nach, doch ich war schneller .....