Hallöchen, schon zur Stelle mit meiner Meinung
Prüfungsschritt 1: Hast du die richtige Studienwahl getroffen?
Da ich zwischendurch auch sehr unsicher war, ob es das wirklich sein soll, hab ich mir folgende Dinge durch den Kopf gehen lassen, die dir vielleicht auch beim Überlegen helfen:
...der Anfang einer neuen Rechtsmaterie ist immer hart, also die ersten Seiten in einem neuen Buch kosten furchtbar viel Überwindung, da ist mir auch sehr schnell die Lust vergangen. Aber macht es dir dann Spaß, wenn du schon gut eingelesen bist Fälle zu lösen, die Knackpunkte zu erkennen, in der Übung mitzumachen, mit Kollegen auch mal über die ein oder andere Sache zu diskutieren? Oder bringt es dir überhaupt keine Freude dich mit diesen Materien zu beschäftigen?...
...könntest du dich gut damit identifizieren eine Juristin zu sein? Als Frau Doktor LLM im schicken Kostüm in der Großkanzlei wichtige Deals betreuen? Oder als kluge Richterin gemütlich an einem Gericht? Vielleicht aber auch in einem coolen Weltkonzern in der Rechtsabteilung? Oder als patente Einzelanwältin ein Bahö im Verhandlungssaal veranstalten? Oder in der Lehre? Oder smarte Verwaltungsbeamtin in einer Behörde? Könntest du dir irgendwas davon für dich vorstellen oder erwartest du dir etwas anderes vom Leben? Willst du lieber etwas mit Kindern machen oder in der Natur? Oder ist es für dich eh angenehmer die Nase in Bücher zu stecken und an Schriftsätzen herumzufeilen? Also wären diese Berufe Ziele für dich, für die es sich zu kämpfen lohnt?...
...das ist jetzt zwar nicht so wichtig für die Studienwahl an sich, aber bist du gern auf der Uni? Freust du dich Studienkollegen zu treffen und mit ihnen zu plaudern? Weil ich glaub, wenn man schon prinzipiell ganz ungern am Juridicum ist und einen alles dort annervt, dass das die Sache nicht leichter macht. Ich bin gern dort und freu mich immer jemanden zu treffen und sich gegenseitig zu motivieren, weil lernen mag eh keiner so gern. Aber wenn man sieht wie alle leiden, dann macht es die Sache schon leichter

...
...würden dir denn Alternativen zu Jus vorschweben? Hast du das Gefühl etwas anderes zu verpassen, was dir viel mehr liegt und Jus ist für dich eigentlich nur ein Verbiegen? Als ich damals darüber nachgedacht hab, ist mir nämlich im Endeffekt gar nichts eingefallen, was vom Gesamtbild (Jobaussichten, meiner Persönlichkeit und meinen Fähigkeiten entsprechend, Spaß) besser gepasst hätte (hatte damals also eher die Einstellung: Jus als Mangel aus Alternativen, aber ganz ok). Würde dir etwas vorschweben, womit du dich identifizieren kannst?...
...würdest du jetzt, nachdem du schon einige hundert Höhenmeter erklommen hast, gewschwitzt und gekämpft hast, das Gipfelkreuz (BR) mit einer wunderbaren Aussicht kurz vor Augen hast, gefolgt von einem stolzen Gefühl während des Abstiegs, der dir dann bevorsteht, wirklich aufgeben?
Prüfungsschritt 2: Ob dein Papa recht hat?
Du hast ja mal geschrieben, er ist Anwalt, also hat er gewisse Anforderungen an Leute, die er einstellt. Heißt aber noch lange nicht, dass alle Arbeitgeber die gleichen Anforderungen oder Ansichtsweisen haben. Außerdem weiß er vielleicht sonst nicht, wie er dich "motivieren" kann.
Meine Ansichtsweise zu dem Thema bzw. was für mich wichtig ist: Also Mindeststudienzeit ist nun wirklich nicht das A und O, würd sagen alles bis 12 Semester ist durchaus vertretbar. Vor allem, wenn man nebenbei einen Studentenjob hat (aber dazu komm ich noch) oder sich sonst wie außercurriculär betätigt hat. Mir wäre ein Konzipient tausendmal lieber, der ein paar Semester länger gebraucht hat, dafür aber die Sachen auch wirklich verstanden hat als einer, der das in 6 Semestern durchgepeitscht hat und man dann schnell draufkommt, dass es dann schon an den Grundlagen happert. Noten sind glaub ich auch nicht so das Drama, weil jeder der mal an der Uni war, weiß wie willkürlich das manchmal sein kann. Was sicher auch nicht schlecht ist, ist ein Wahlfachkorb. Aber ja, schau einfach was es sonst noch so für Veranstaltungen, etc. gibt, die sich gut im Lebenslauf machen. Und natürlich kommt es auch auf das Auftreten, also die Persönlichkeit, bei einem Bewerbungsgespräch an. Ich kenn durchaus einige, die fachlich wirklich was am Kasten haben, aber mit denen du kein gewöhnliches Gespräch führen kannst. Als Juristin muss man sich auch gut verkaufen können, das ist die halbe Miete.
Aber das Wichtigste ist sicher (also derzeit), hat Hedi auch schon betont, ein Studentenjob. Du hast dein eigenes kleines Einkommen, deine Eltern können dir nicht vorwerfen, dass du faul bist, du bekommst Einblick in die Praxis, kannst was mit dem Kram anfangen, der sonst immer eher abstrakt ist; wenn du so ein bis zwei Tage machst, hält dich das nicht wirklich beim Studium auf, aber es wird kein Arbeitgeber maulen, wenn du ein paar Semester länger gebraucht hast, weil du ja immer sagen kannst, dass es wegen der Arbeit war und du lernst verrückte und nette Leute kennen. Und du hast dann auf jeden Fall schon mal einen Fuß in der Tür einer Kanzlei. Und ich hab noch keine Kanzlei erlebt, die ihre Studenten nicht mit offenen Armen nach Studienabschluss empfangen hätten. Also schreib dir nen schicken Lebenslauf und ein kurzes Motivationsschreiben zusammen und bombardier diverse Kanzleien per E-Mail damit (entweder auf gut Glück oder du schaust, wer was sucht, z.B. auf der Homepage der Fakultätsvertretung). Da hast du schneller einen Job als du schauen kannst und das baut dich vielleicht auch wieder ein Stück auf

(und damit wären deine Eltern auch ruhig gestellt)
Endergebnis: Das musst du für dich entscheiden, aber ich hoffe, ich konnte dir Denkanstöße und Argumente liefern.
Und NEIN du bist KEINE Versagerin, das muss hier schon mal klar gestellt werden. Du bist ein sensibles Geschöpf und lässt dir Dinge schnell schnell zu Herzen gehen. Das es sich damit dann wohl nicht gut auf die Bücher konzentrieren lässt, ist ja logisch. Kann keiner so gut, wenn einen etwas belastet.
Achja und wegen Freund (das Thema wär hier fast schon untergegangen): triff dich doch einfach öfter mit ihm, dann wirst du ja sehen was passiert. Und wenn du Angst vor einer fixen Beziehung hast, dann kannst du das ja auch zu gegebenem Zeitpunkt besprechen. Und wenn er seine Freundin von sich aus, aus freien Stücken, verlässt, dann kannst du doch nichts dafür. Also natürlich wird's dann Trara geben, aber es gibt nichts Schlimmeres als in einer Beziehung gefangen zu sein mit einem Menschen, den man gar nicht so richtig liebt. Das bringt keinem was. Also lass die ganze Sache gaaanz entspannt auf dich zu kommen und hör auf dein Herz (und sowas sag ich rationale Juristin nur ganz selten).
Und wegen der Wohnung brauchst du dir ja auch noch nicht den Kopf zu zerbrechen. Du wirst ja nicht gleich beim ersten Date mit ihm in die Kiste hüpfen, oder? Also der Anfang meiner Beziehungen war immer mehr außerhalb, an neutralen Orten. Wenn es dann wirklich so weit ist, dann sind doch deine Eltern auch ab und zu weg, wenn ich das richtig gelesen habe. Da habt ihr dann ja keinen, der euch stört. Und irgendwo muss er ja auch wohnen und ein Bett stehen haben?
So, ich hoffe, ich hab jetzt überall meinen Senf dazugegeben, ich kann eh nimmer schreiben...

Wünsch dir noch einen schönen Abend