nach Therapie wird es jetzt wieder schlimmer...

#1
Hallo,
ich bin neu hier und finde mich in den zahlreichen Beiträgen nur schwer zu recht, deshalb jetzt mein eigenes neues Thema.

Eine gute Freundin hat Bulimie und mir und anderen engen Freunden davon erzählt. Sie ist mit ihrer Therapie schon so weit gekommen, dass sie jetzt nur noch selten hingeht.

Jetzt machen wir uns allerdings Sorgen, weil sie seit der Verbesserung einige ganz andere private Rückschläge im Leben erlitten hat, was sie auch im Hinblick auf die Bulimie wieder zurückgeworfen hat...

Meine hauptsächlichen Fragen sind:
1. Sollten wir ihr raten, die Therapie wieder zu intensivieren, oder uns da lieber ganz raushalten?
2. Ist es gut, sie direkt auf die Bulimie anzusprechen?
3. Unter den Regeln zu diesem Forum steht, dass man Zahlen vermeiden soll... wie sieht das im RealLife aus? Sollte man Themen wie Gewicht und Essverhalten (die sich gar nicht speziell auf sie beziehen, sondern eher unsere eigenen Probleme darstellen) lieber vermeiden? Ist das nicht zuviel Rücksicht und damit vielleicht gar nicht förderlich?

Bisher haben wir versucht einfach so normal wie möglich mit ihr umzugehen, wir haben alle aber keinerlei Erfahrungen mit der Krankheit, so dass wir uns nicht mehr sicher sind, ob wir mit einigen Themen oder "Hilfs"versuchen nicht mehr kaputt machen, als dass wir helfen...

Hier geht es auch gar nicht so sehr um Bulimie als Symptom, sondern um schräge Züge, die sie im Moment entwickelt... Sie bezieht alle möglichen Themen ständig auf sich und ist extrem unsicher, sucht in jeder Situation Bestätigung usw. Wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen...
Ganz "normal" oder eher vorsichtig?

Wir wissen nicht mehr weiter und sind vor allem eins: unsicher und beunruhigt :(
Und ich hoffe, dass uns irgendjemand hier vielleicht einige Ratschläge geben kann...

Vielen Dank!
styx

#2
Huhu!!

Erstmal willkommen!! Man da kann Eure Freundin sich aber glücklich schätzen, solche Freunde zu haben! Ganz großen Respekt. Find ich echt super, dass ihr so engagiert seid!!!!

Es ist schwierig da was zu raten, da jeder anders ist und auch anders reagiert. Auch kann der Zeitpunkt entscheidend sein. Bei mir wars früher so (ich bin damit auch ziemlich offen bei meinen Freunden umgegangen-war aber auch von Anfang an dabei mich aus der scheiße rauszuziehen), dass es Tage gab, da war das Thema kein Problem und es gab halt Tage, da hätte ich nicht reden wollen. Bei meinen Leuten hatte es sich dann so eingependelt, dass die eigentlich immer drauf gewartet haben, bis ich was sag (also das Thema anspreche) und man dann drüber geredet hat. Zumal es für Aussenstehende auch wirklich nicht leicht ist. Man versteht sich ja als Betroffener meist selbst nicht :roll:

Redet sie denn so zwischendurch auch mal über das Thema? Wenn es schlimmer ist, wie die Tera läuft, wie es ist und so weiter? Oder wie macht ihr das?
Das ist ein ziemlich sensibler Bereich, aber ich halte gar nix davon jemanden nun mit Samthandschuhen anfassen zu wollen. Davor hatte ich, als ich es meinen Freunden gesagt habe, am meisten Angst. Dass Themen gemieden werden, keiner sich traut was zu sagen und kein Wort mehr über essen Gewicht oder oder zu verlieren. Also ich persönlich bin für "Normalbehandlung". Alles andere bringt meiner Meinung nach nicht so viel.

Aber die Menschen sind eben verschieden und wie Deine Freundin das empfindet und es "gern hätte" kann wohl nur sie beantworten. Also da sie es Euch gesagt hat, hat sie auf jeden Fall Vertrauen und das Vertrauen ist ja auch nicht m*ssb**ch* worden. Also frag sie einfach!! Sag was Dir aufgefallen ist, sag dass Du glaubst, öfter Thera wäre vielleicht mal zu überlegen und um Gottes Willen: Packt sie jetzt nicht total in Watte!
Sie wird Euch schon sagen was sie will. Vielleicht traut sie sich auch nix zu sagen im Moment, weil sie eben denkt: Mensch ich war schon so weit und die anderen wissen das doch..und jetzt muss ich "zugeben" dass ich Rückschritte mache.
Es ist sicher nicht leicht 1. überhaupt mit Rückschritten umzugehen, 2. sich das selber einzugestehen und 3. das dann anderen ggü einzugestehen, die vielleicht auf einemganz andren Kenntnisstand sind. Weißt Du was ich meine?

Aber zu einer Freundschaft gehört für mich auch, dass ich sagen kann, wenn ich mir Sorgen mache, oder irgendwas blöd finde, oder frage, wie jemand vielleicht in diesem speziellen Fall "behandelt" werden will. Dafür sind ja Freunde da. Und dass ihr verdammt gute Freunde seid, sieht man allein schon daran, was für Gedanken ihr Euch macht und das sie dieses Vertrauen zu Euch hat!!

Nur Mut, sprich es mal an und dann hab vielleicht ein bisschen Geduld, wenn es vielleicht ein bisschen schräg läuft. Sie ist ja im Moment auch in einem "Ausnahmezustand". Das wichtigste ist, dass sie weiß, dass ihr da seid wenn was ist und sie kommen kann, wenn sie quatschen will. Den Rest (Therapie ob und ie oft und so) muss sie eh selbst entscheiden. Aber gg Berater spricht ja nix :lol:

Ich find Euch super!

LG Nadine

Re und vielen Dank! :)

#3
Hey und danke für deine schnelle Antwort! :)
Du hast uns schon allein dadurch sehr weitergeholfen, dass es scheinbar nicht völlig verkehrt gewesen ist, wie wir das Thema bisher angegangen sind.

Redet sie zwischendurch über das Thema?
Als ich diese Frage gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass sie das eigentlich gar nicht tut. Sie ist zwar damals von selbst auf uns zugekommen und hat überhaupt erzählt, dass sie Bulimie hat. Seither sind aber die wirklich spezifischen Fragen zur Therapie und der Krankheit von uns angesprochen worden. Wir waren da bisher ziemlich offensiv und direkt.

Über alle anderen Probleme, die sie sonst so beschäftigen, und die meiner Meinung nach sehr eng mit der Bulimie zusammenhängen (aber das sind nur Mutmaßungen eines Laien), spricht sie aber von selbst und auch durchaus oft mit uns. Dabei ist uns eben aufgefallen, dass sie dabei eigentlich alles im Leben auf sich selbst bezieht... zumeist negativ und selbstzweifelnd. Es ist ein ständiges Abgleichen ihrer selbst zu allen anderen und dem enormen Interesse an den Meinungen anderer über sie. Meinst du, dass man auch diese Dinge direkt ansprechen oder einfach übergehen sollte, in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich dessen wahrscheinlich selbst bewusst ist und es aber nicht abschalten kann?

Irgendwann haben wir mal über die Therapie gesprochen und sie meinte damals, sie habe das Gefühl, dass eine Intensivierung der Therapie keinen Sinn machen würde, weil "ja alles schon gesagt worden ist" und sie eigentlich weiß, wo ihr Problem liegt.... aber vielleicht ist das genau das, was du meinstest, als du vom Eingestehen von Rückschritten ggü anderen gesprochen hast...

Ach und nochwas... im Moment versuchen wir, sie immer mal wieder aus ihrer Wohnung zu locken und sie zu animieren, einfach etwas mit uns zu unternehmen und unter Leute zu gehen, weil sie sich sonst zuhause vergräbt...
Ich hab jetzt schon viel über Selbtverantwortung gelesen und dass es schlecht sei, zuviel Verantwortung für die Betroffenen übernehmen zu wollen... Wie schätzt du unsere Animationsversuche ein? Ist das schon too much?

Danke nochmal für deine aufmunternden Worte! :)

LG styx

#4
Hallo Styx,

du bist aber eine Liebe. Echt. :D
Dabei ist uns eben aufgefallen, dass sie dabei eigentlich alles im Leben auf sich selbst bezieht... zumeist negativ und selbstzweifelnd.
Das geht mir auch so.... bin mir dessen bewusst und kann es nicht abschalten.. Aber ich glaube nicht, das jemand es merkt, weil ich nicht oft was sage... zumindest im "wahren Leben". Ansonsten bitte ich dann halt um Feedback. Mir kommen aber die meisten Leute (außerhalb der Klinik) ziemlich verroht vor. Wenn’s mir mal schlecht geht, sagt eigentlich keiner was. Entweder merkt’s keiner, oder sie denken sich ’Morgen ist’s wieder okay’. Naja, darum soll’s ja jetzt nicht gehen…. Also ich fände es gut, wenn ihr sie drauf ansprechen würdet, reden ist immer gut.
Ach und nochwas... im Moment versuchen wir, sie immer mal wieder aus ihrer Wohnung zu locken und sie zu animieren, einfach etwas mit uns zu unternehmen und unter Leute zu gehen, weil sie sich sonst zuhause vergräbt...
Find ich gut! Wenn sie nicht will, kann sie ja noch immer ‚Nein’ sagen. So viel zur Eigenverantwortung. Wüschte, mir würde jemand helfen, raus zu kommen.

Lg

aire

#5
Also ich werd ja immer begeisterter von Euch;-) Ich find das echt toll, dass ihr Euch solche Gedanken macht.

Naja, das mit dem "alles auf sich beziehen" hat wohl was mit einem sehr schlechten Selbstbild zu tun. Ich kenn das teilweise auch (auch wieder gesund) dass ich alles mögliche immer zu persönlich nehme. Is nicht so einfach abzustellen, selbst wenbn man schon umdenkt;-) Ich schätze das hat in ihrem Fall damit zu tun, dass sie ein runtergekommenes Selbstbewusstsein hat, bzw. gar keins mehr. Das Problem ist, dass Ihr ihr das nicht wieder aufbauen könnt, denn dazu braucht es ihre Einsicht und ihre Arbeit (harte Arbeit) und sowas geht natürlich nicht von heut auf morgen.

Das mit dem Dasein und motivieren mit rauszugehen finde ich persönlich gut. Sehr gut. Jaja, verkriechn ist um so vieles einfacher als sich dem zu stellen, was da draussen, bzw. in einem drinnen "lauert". Is aber dennoch der falsche Weg (wenn auch sicher erstmal der einfacherer). Is aber ne Sackgasse und macht garnix besser. Leider muss man da auch wieder auf die Einsicht der betreffenden Person warten. Aber nichts desto trotz, kann man ja immer mal wieder motivieren und auch mal (sorry) in den Arsch treten. Das hilft meist mehr, als dieses ewig mit Samthandschuhen angepacke. Ein ordentlicher (wenn auch netter) Arschtritt regt die Gedankenmühle doch weit mer an, als ein ewiges "Hinnehmen" aller möglicher Verhaltensweisen! Probiert es einfach aus in dem Rahmen, in dem Euer Verhältnis zueinander das zulässt. Redet offen und sprecht es ruhig offen an. Mehr als ne "Abfuhr" dass sie nicht reden will oder so, kann ja nicht kommen. Und vielleicht denkt sie für sich dann trotz so einer "Abfuhr" mal nach im stillen Kämmerlein :wink:

Also ruhig dranbleiben. Ich wünschte jeder hier hätte solche Freunde wie ihr es seid!!

LG und schöne Pfingsten Nadine

#6
Also ich lebe jetzt 8 jahre "undercover" als essgestörte, ohne dass es jmd weiss und ich versuche jetzt einfach mal, zu beschreiben, wie ich mir das verhalten von freunden wünschen würde, wenn ich den mut hätte, mich zu outen.

beim thema gewicht und essen reagiere ich meist gereizt, wenn mich jmd darauf anspricht.
ich habe, wie die meisten essgestörten, einen plan hinter meiner ernährung, und wenn jemand versucht, den durcheinander zu werfen, endet das meist übel für mich, weil ich dann jegliche kontrolle verliere und emotional vollkommen aus dem gleichgewicht gerate.
wenn alle ein großes eis essen, muss das nicht heissen, dass es für meinen psychischen zustand gerade ratsam wäre, auch eines zu essen.
da ihr ja aber offen miteinander reden könnt, würde ich schonmal vorsichtig äussern "hey, ich glaube, du isst gerade weniger als es gut für dich wäre..magst du nicht vielleicht ein klein wenig mit uns essen?".
ich würde ihr sagen, dass sie euch vertrauen kann, aber auch ein nein von ihr akzeptieren.

ich weiss ja nicht, ob sich ihr gewicht im normalen rahmen bewegt, aber dieses thema ist ziemlich heikel, finde ich.
als ich deutliches untergewicht hatte, erlebte ich sogar einen richtigen glückskick, wenn mir jmd sagte, ich sei dünn...und wollte noch mehr an gewicht verlieren.
auf keinen fall würde ich mir wünschen, dass mich jemand in bezug auf mein gewicht bedrängt, aber auch hier kann die äusserung, dass ihr einfach besorgt seid vielleicht ein anstoß für sie zum nachdenken sein.

ich würde mir wünschen, dass man mich normal behandelt, dass man sogar mal über diese beschissene krankheit lachen kann, weil sie dadurch an schrecken verliert.

mit der bestätigung, die sie sucht, ist das eine schwierige sache..ich würde auf jeden fall versuchen zu vermeiden, dass ihr euch emotional an sie ketten lässt..eine essstörung gehört bei vielen leider (noch) zum leben, jedoch kann es nie eine art druckmittel sein.

zeigt und sagt ihr, dass ihr sie so mögt, wie sie ist, ob bulimisch, "normal", was auch immer..