Bulimie: Wieso habt ihr angefangen, wieso wird das zur Sucht

#1
Hi,
vorab: Ich bin selbst nicht betroffen. Hatte eine Brieffreundin, (aber sie war für mich mehr als nur irgendeine Brieffreundin), sie hatte Bulimie und vielleicht immer noch. Ich hab sie mir vergrault, aber ich vermisse sie so sehr,... aber das ist eine eigene Geschichte.
Dachte heute die ganze Nacht an sie, machte mir Sorgen, wie es ihr jetzt geht, wollte sie im Netz suchen... und blieb an diesem Forum hängen und meldete mich heute an.

Sie hat mir auch mal von Bulimie geschrieben, aber ich verstehe immer noch nicht, warum so viele damit anfangen, und dann nicht mehr aufhören können.

War der Anfang wirklich nur ein Gewichtsproblem? Das Gewicht bringt man doch leicht auch anders runter, etwa Sport, oder Diät, oder frißdiehälfte.

Und wieso beginnt man damit, 97% des Tages nur ans Essen zu denken?
Und wieso wird das Essen-Übergeben zum Ritual?
Oder ist der wirkliche Auslöser der Bulimie ein psychisches Problem?

Ich möchte mich einfach besser hineindenken können. Fällt mir aber schwer. Ich übergebe mich auch ab und an mal, aber nur, wenn ich zuviel
Alkohol reingeschüttet habe. Aber das ist was ganz anderes. Hatte auch mal eine sehr figurbewusste Phase, mit Fitness-Center und Joggen undsoweiter, und möglichst viel Eiweiß und mager gegessen... aber das wars auch dann.

Würde mich freuen, wenn sich ein paar Betroffene für mich (und andere Laien, die mitlesen) erklären könnten.

#2
Hallo BertaSophie,
erstmal danke für deine Antwort. Die Frage was der Auslöser der Bulimie ist, interessiert mich am meisten. Also ein anderes psychisches Problem.

"aber bitte gezieltere Fragen stellen." Wenn das so einfach wäre.

Psychische Probleme hat doch fast jeder mal im Leben. Mit einem gutem Umfeld, also Liebe und Zuwendung, sollten die sich doch wieder abfedern lassen, in meiner naiven Denkwelt?

Ist das psychische Problem also schon hinreichender Grund für Bulimie, oder muß da nicht noch eine "kalte" unfreundliche Umwelt dazukommen?

#3
BertaSophie,
trotz deiner ganzen Aufzählung habe ich den Eindruck, dass unsere wohlhabende "fortschrittliche" Gesellschaft mitschuldig ist, zumindest Eßstörungen, damit auch Bulimie fördert.

Auf der ORF-Seite las ich vor ein paar Wochen, dass bei uns jede dritte Frau (oder waren es 30 Prozent, egal, macht nicht viel Unterschied) eßgestört ist.

Und in der dritten Welt gibt es meines Wissens so gut wie keine Eßstörungen. Da muß doch bei uns was faul sein. So kanns doch nicht weitergehen.

#4
ich glaube auch, dass da ein gewisser nachahmungs-effekt mit reinspielt... ich denke, dass es in entwicklungsländern genauso verzweifelte menschen gibt wie hier, die sich aber eben ganz andere ventile dafür suchen müssen... wenn essen nicht im überfluss vorhanden/zugänglich ist, kann man es auch nicht so einfach m*ssb**ch*... und da es an so einem ort folglich bulimie keine bekannte krankheit sein kann, wird es sich auch nicht ausbreiten... dann sind eben höchstens verzeintelte personen betroffen... und magersucht.. naja, ich denke mal, das ist schwierig festzustellen, in einem land, wo viele menschen quasi gezwungenermaßen nur aus haut und knochen bestehen..

was ich damit sagen will: ich glaube, fast keiner von uns hätte die bulimie erfunden, als ventil für seine probleme, wenn sie nicht schon von vornherein als option in unseren köpfen existiert hätte... ich bin mir sicher, dass jede/r von uns schon mal irgendwann von dem phänomen bulimie gehört hat, BEVOR er/sie sich zum ersten mal übergeben hat... und irgendwann verliert man eben einfach die kontrolle darüber.. es verselbständigt sich..

und ja, meist beginnt es aus einer oder vieler diät(en) heraus.. bei mir z.b. war es so, dass ich davor schon über ein halbes jahr eine relativ gesunde und erfolgreiche diät gemacht habe, bei der ich eben auf vieles verzichtet habe.. und irgendwann hab ich dann gekotzt, weil mir mein ex-freund ein schlechtes gewissen gemach hat, weil ich mich doch mal nicht an meinen selbstgehaltenen ess-plan gehalten habe.. und ich dachte mir, cool, das geht ja gar nicht so schwer.. und ich sah es als eine lösung für mein verzicht-problem...
tja, und so hat sich die bulimie dann langsam angeschlichen... anfangs war es noch eher die ausnahme... noch keine sucht... aber man verliert sehr schnell die kontrolle darüber... bei mir war es dann so, dass ich zu dem zeitpunkt sehr starken liebeskummer hatte, und quasi auf eine gewisse art und weise auch meinem ex zeigen wollte, wie weh er mir getan hat, und wie schlecht es mir geht, indem ich eben in kurzer zeit stark abnehme... (indem ich eben entweder gar nichts esse, bzw. alles gegessene wieder auskotze)...
und dann irgendwann kamen die heißhungerattacken hinzu... wohl auch wegen meines liebeskummers... und von da an hat es sich verselbständigt und wurde zur sucht.. ich habe es quasi als ventil für meine sorgen und probleme entdeckt...
ich würde nicht sagen, dass ich süchtig bin nach kotzen.. ganz im gegenteil, ich hasse das kotzen!! ich bin viel eher süchtig nach essen! und hab gleichzeitig eine panische angst, wieder dick zu werden.. wieder alles zuzunehmen, was ich so mühevoll (vor der bulimie!!! seitdem hab ich nix mehr abgenommen!!) abgenommen hatte... daher muss ich kotzen...
aber nach dem kotzen muss ich dann meist gleich wieder essen.. und dann eben wieder kotzen.. und immer so weiter...
also ums abnehmen geht es schon lang nicht mehr... viel mehr darum, nicht wieder zuzunehmen...
und warum bin ich überhaupt süchtig nach essen...? naja, ich denke mal, um all den schmerz der in mir drin ist, zu betäuben..
und es geht jetzt schon lang nicht mehr um diesen liebeskummer mit dem es anfing... es geht jetzt um chronische einsamkeit und leere, schmerzhafte kindheitserinnerungen, selbsthass, etc etc.....

hmmm... konnte ich mit dieser info deine frage irgendwie beantworten?
natürlich ist das von mensch zu mensch unterschiedlich.. aber so war es bei mir...

#5
ganz im gegenteil, ich hasse das kotzen!!
komisch, bei mir ist es das gegentei - ich bin ganz selig wenn ich gekotzt habe. und ich hasse die abhängigkeit vom essen :roll:
es hört sich blöd an aber das brechen ist irgendwie die einzige kontrolle die einem noch bleibt, das einzige mittel um macht auszuüben. und hinterher ist es einfach ein schönes gefühl, zumindest wenn man es schafft seinen kopf auszuschalten :roll:

ich glaube man kann gar nicht so genau sagen wie es zu der bulimie gekommen ist. weil der prozess so langsam und schleichend beginnt. ich bin immer einen kleinen schritt weiter gegangen, einen kleinen schritt tiefer in die es. und weil die schritte so unmerklich klein waren fällt es nicht auf und es ist einem nicht bewusst... ich hab mich unbewusst schon lange vorher auf das kotzen vorbereitet - und das hatte nicht wirklich was mit der figur zu tun, am anfang zumindest!
also ums abnehmen geht es schon lang nicht mehr... viel mehr darum, nicht wieder zuzunehmen...
ist bei mir auch so! irgendwann steckt man im absoluten teufelskreis :roll:
dann ist essen, nicht essen, fressen, kotzten alles falsch!

#6
Lieber Reinhard!

nur zur info:
man zählt Essstörungen laut den ICD 10 (=Verzeichnis für psychische Erkrankungen) innerhalb der gruppe der psychischen störungen zu den neurotischen erkrankungen. also vom psychiatrischen standpunkt her handelt es sich um eine psychische störung vergleichbar etwa mit zwangserkrankungen oder angststörungen!

#7
BertaSophie,
noch eine Frage. Weil du dich schon so viel in diese Materie eingelesen hast: Gibt's eine Studie, aus der hervorgeht, welche Länder die meisten Bulimiker pro Einwohner haben? Meine Vermutung für den Spitzenplatz: Deutschland oder Japan.

Ich frage mich schon lange, was an unserer "Wohlstands"-Gesellschaft so superfortschrittlich gut sein soll.
Der ganze Wohlstand hat so viele Schattenseiten. Senioren, die abgeschoben werden, oder um die sich keiner mehr kümmert, deren einziger Kontakt der Zivi ist, der ihnen einmal am Tag Essen auf Rädern bringt. Senioren, die nur zum Arzt gehen, damit sie endlich mal eine Ansprache finden. (Weiß das aus Erfahrung, hab mal als Angestellter im Sozialen Dienst gearbeitet).

Gewalt in der Schule, unter Jugendlichen, Mobbing... schöne neue Welt.


Danke für eure Erfahrungsberichte, ich kann nun im Ansatz die Entwicklung zur Bulimie besser verstehen.

#8
hab jetzt nicht alles gelesen, aber essstörungen gab es immer schon....

Ich erkläre es kurz.
Zum einen ist ja das aussehen in unserer Gesellschaft wichtig! Wer gut aussieht bekommt automatisch schneller ansehen- so ist das nunmal, mag außnahmen geben die nicht auf das aussehen achten aber 99% tut es! Gerade bei jugendlichen etc.

Hinzu kommen oft auch andere Probleme.. man beschäftigt sich mit dem Essen. Merkt es nicht aber entfernt sich dadurch von der realen welt. Nichts essen ist positiv essen negativ, alles andere interessiert nicht mehr so viel und die probleme scheinen alle nur noch durch das essen zu entstehen. Man isst übergibt sich und kommt so mit niederlagen, schicksaals schlägen etc. zurecht.
Nicht jeder ist vom charakter her so offen sofort über seine Probleme zu reden, viele menschen machen sie mit sich selbst aus...und das könnte ein grund für das entstehen der krankheit sein.
(ich kann leider nichts schreiben was auf jeden menschen zutrifft)

Wie kommst du auf deutschland und japan für den spitzenplatz?

Ich denke die wohlstandsgesellschaft hat viele vorteile aber wie alles auch nachteile... so ist das nunmal. Niemand stirbt an hungersnot, dafür nehmen die seelisch krankenfälle immer weiter zu.. eine perfekte welt wird es wohl nie geben!
Warum fallen wir? Damit wir lernen, uns wieder aufzurappeln.

#9
lovelygirl,
wie ich auf Deutschland und Japan komme? Sagt mir mein Bauchgefühl.
Bei diesen zwei Ländern ist Leistung und Effizienz besonders wichtig (in Japan ist der Leistungsdruck in der Schule sehr groß, größer als bei uns).

#10
Hallo lieber Reinhard,

ich muss ja ganz ehrlich gestehen, dass es mich immer wieder schokiert, wie wenig die Leute doch von unserer Krankheit wissen. Ich will dich nicht anprangern - das ist nur eine Feststellung.

Man kann es nicht genau erklären, warum man irgendwann zu einer Essstörung greift, aber die Grundsteine dafür werden schon in der Kindheit gelegt und geschehen unbewusst von Seiten der Eltern. Man kann auch nicht sagen: Hey, weil deine Eltern das und das gemacht und gesagt haben, bist du heute krank.
Das mit der Persönlichkeitsstörung ist schon ganz richtig. Diese entsteht in der Kindheit, dadurch bekommt man seelische Probleme und geht anders mit Problemen und Menschen um...Oftmals sind diese Menschen sehr unsicher gegenüber sich selbst und suchen sich eine Sicherheit: Zum beispiel das Essen. Durch die Medien kommt man natürlich auf so komische Ideen: Wenn ich schlank und schön bin, werde ich gemocht und angenommen, kann mich sicherer fühlen...wie auch immer. Am Anfang der Krankheit macht man nichts bewusst...


Du hast geschrieben, dass du am Anfang auch mal eine Diät machtest/im Sprot und Fitnesswahn warst, aber du hast wahrscheinlich ein intaktes familiäres Umfeld, so dass du dich da in deine eigene Welt nicht flüchten musst. Wir dachten auch nicht: Ich flüchte mich mal in die Bulimie, dann gehts mir besser.

Mit Japan und Deutschland...keine Ahnung, aber dass es in Entwicklungsländern zu so etwas nciht kommt, ist klar, weil man dort wenig auf Äußeres achtet, zumindest eindeutig weniger...


So, das erst einmal dazu.Im Internet findest du auch viel zu den Persönlichkeitsstörungen!

Lg, Schlafquala

#11
Hallo!!
Auch ich bin persönlich nicht betroffen, interessiere mich aber für das Thema und möchte mehr erfahren...

Aber ist es nicht so, dass man Bulimie eig.gar nicht abnimmt?? Warum ist dann bei so vielen der Auslöser dass sie abnehmen wollen??

an awan: Kann Liebeskummer also ein Auslöser für Bulimie sein??
Oder muss da noch mehr sein??

glg Sonnenblume 231

#12
sonnenblume231 hat geschrieben:Kann Liebeskummer also ein Auslöser für Bulimie sein??
Oder muss da noch mehr sein??
liebeskummer allein wär wohl ein sehr simpler grund - überleg mal, fast jeder hat im leben mal liebeskummer, aber hat deshalb auch jeder bulimie? nein.
es kann ein auslöser sein oder auch teil des problems, in kombination mit anderen problemen - unter anderem selbstbewusstsein ist ein wichtiger teil ...

#13
ok...danke...

Übrigens: Ich finde es toll, dass auch wir (z.B.Reinhard und ich), wo wir doch keine ES haben hier willkommen sind und ihr bereit seid mit uns zu schreiben... :)

#14
sonnenblume231 hat geschrieben:Übrigens: Ich finde es toll, dass auch wir (z.B.Reinhard und ich), wo wir doch keine ES haben hier willkommen sind und ihr bereit seid mit uns zu schreiben... :)
wieso sollen wir nicht bereit sein?

viele leute freuen sich hier, dass auch andere leute interesse an der krankheit haben und verstehen wollen
interesse, das bei vielen leuten auf taube ohren stößt

auch ich finde es immer wieder gut, denn die medien vermitteln ein völlig falsches bild von der krankheit, was sich irgendwann hofentlich mal ändert ;)
Bild

#15
Liebe Lst,

ich habe mir auch noch gestern gerade überlegt, ob ich jemals eien eS bekommen hätte, wenn ich von vorneherein gewusst hätte, dass man dann nciht wie die Mädels aussieht, dei man in Büchern, Zeitungen und im TV sieht, sondfern eher zunimmt. Weiß auch nicht, was die sich denken, so ein falsches Bild zu liefern, wenn sie angeblich verhindern weollen, dass andere Leute ES entwickeln.

lg

aire