Bulimie nur in der westlichen Kultur?

#1
Ich habe vor kurzem einen interessanten Bericht über das Vorkommen von Bulimie und Anorexie gelesen. Untersuchungen haben ergeben, dass Anorexie in fast allen Kulturkreisen vorkommt, sogar in ähnlichen Häufigkeiten. Dagegen findet man Bulimikerinnen fast ausschließlich nur in westlichen Kulturkreisen.
Da Anorexie schon lange bevor das Schlankheitsideal aufgekommen ist bekannt war, wird die These aufgestellt, dass Anorexie nichts mit dem Schlankheitswahn zu tun, höchstens die Verbreitung dadurch gefördert wird. Anorexie wird als Krankheit der Seele angesehen.
Über die Ursachen der Bulimie dagegen gibt es nur Spekulationen, diese scheinen mit dem Kulturkreis zusammenzuhängen.
Vielleicht fallen uns als Betroffene selbst Ursachen ein. Für mich ist auffällig, dass sehr häufig eine ursprüngliche Anorexie sich in eine Bulimie umwandelt. Auch bei mir ist dieses so gewesen.
Wie sind Eure Erfahrungen, was meint Ihr, wo Ursachen für die Bulimie liegen? Mich interessiert dieses Thema, weil es mir schon oft geholfen hat, mich auch von einem anderen Standpunkt ausserhalb meiner selbst zu sehen.
Viele liebe Grüße Kendra
Carpe Diem

#2
Ich denke auch das es da eine verbindung gibt! Wenn man sehr lange fast nix gegessen hat und die "Erfolge" gesehen hat, und dann dieses verlangen verspürt wieder zu essen, aba net zunehmen will rutscht man, denk ich, automantisch in die bulimie, weil es ja so schön einfach ist...

#3
ich denke schon, dass der eigentliche grund für die bulimie der schlankheitswahn ist. aber ich habe auch gelesen, dass von kultur zu kultur der umgang mit schwierigen situationen ändert und dass sich diese in der westlichen welt halt durch fa ausdrücken. wohl auch, wegen der gegensätze überfluss - schlankheitsideal. in vielen ländern besitzen die menschen halt auch gar nicht die mittel sich so viele lebensmittel zu kaufen.
zu der anorexie habe ich kürzlich gelesen, dass man eine gewisse genetische veranlagung nachweisen kann. das könnte vielleicht auch die ähnlichen häufigkeiten des vorkommens erklären... und bulimie hat überhaupt nichts mit vererbung zu tun (zumindest laut diesen forschern...)

#4
Hallo Kendra,

Bulimie kann ein Symptom bei Borderline-Persönlichkeitsstörung sein. Bei den Betroffenen tritt die Bulimie dann allerdings immer in Zusammenhang oder im Wechsel mit anderen exzessiven Verhaltensweisen auf.

Bei mir persönlich war die Bulimie, die in Folge einer Anorexie entstand, das Symptom für:

mein Kontrollbedürfnis

Wie hier so oft gesagt wird - ich konnte essen, soviel ich wollte, ohne zuzunehmen. Und ich konnte mir auf gar keinen Fall erlauben, mehr zu wiegen, als es meinen Vorstellungen entsprach.

meinen extremen Perfektionismus

In der Bulimie habe ich ein Ventil gefunden, um den enormen Druck auszugleichen, der sich durch die völlig überzogenen Anforderungen, die ich an mich selbst hatte, auszugleichen.

das Gefühl der inneren Leere

Wenn es zu groß wurde, habe ich es mit einem FA zugestopft. Hinterher kamen dann die Schuldgefühle, und ich musste den Ballast durch K* wieder loswerden. Wodurch das Gefühl der inneren Leere sofort wieder da war.

Mehr fällt mir dazu im Moment nicht ein.

Liebe Grüße,
Susanne

#5
Hallo Kendra!
Also bei mir war das so: Als Kind war ich immer wesentlich dicker als die anderen. Als Jugendlicher habe ich dann durch das Wachstum das Gewicht irgendwie in den Griff bekommen. Gelegentlich habe ich damals schon erbrochen, als Mittel zur Gewichtskontrolle. Das war dann eine Zeit kein Thema mehr.
Richtig intensiv wurde es, als ich beim Militär war und dann auch noch meine Mutter starb. Damals war mir das nicht so als Krankheit bewußt, eher zur Gewichtskontrolle. Um 1985 hörte man auch noch nicht soviel von Bulimie als Krankheit. Es kam immer wiederkehrend in Situationen, aus denen ich keinen Ausweg wußte und in Situationen zur Gewichtskontrolle. Die Erkenntnis, dass es pathologisch ist, kam mir viel später.
Zu den Ursachen:
Die eine ist sicher ein von Jugend an gestörtes Sättigungsgefühl, das daraus resultierende Übergewicht und ein fehlerhafter oberer Schließmuskel im Magen, der es mir schon als Kind ermöglichte, auf Kommando zu erbrechen. Wie gesagt, damals war noch kein Bewußtsein in Richtung Krankheit vorhanden.
Dazu kam ein Umfeld, das mir seine Denkungsweisen und Wertvorstellungen aufzuzwingen versuchte. Ich wehrte mich, wo ich nur konnte. Wenn ich nicht mehr konnte, richtete ich diese aufgestauten Agressionen gegen mich und erbrach eben. Dass dabei Dopamin in Strömen floß, stellte die Weichen in die Sucht.
Beim Militär erreichte es durch Nahrungsüberschuss, Langeweile und wiederum Obrigkeiten, gegen die ich nicht ankam, einen ersten Höhepunkt.
Bei der Arbeit mit drei Turnierpferden, die ich alle selbst aufbaute, war es mit der Bulimie wieder ganz arg. Sehr viele Faktoren, die ich nicht, oder nur ganz gering beeinflussen konnte, sehr viel Stress. Damals war´s so richtig pathologisch.
Pferde weg, zweite Arbeit her, der Stress blieb der gleiche. Die Erkenntnis kam aber immer deutlicher, dass es so nicht weitergehen kann. Erste Verfallserscheinungen traten auf: Zähne und häufiges Sodbrennen.
Diese zwei Indikatoren, so zusagen, haben mich dazu gebracht, massiv etwas gegen die Sucht zu unternehmen.
In kurzen Worten: Essgewohnheiten, Nahrungsmittelüberschuß, Frust, Agressionen gegen andere, die gegen mich selbst ausgelebt werden, Kontrollverlust. Das sind die Ursachen, die cih bei mir ausgemacht habe.

Wenn ihr noch andere wißt, oder glaubt zu wissen, bitte schreibt!!!!
lG, Gert

#6
Danke für Eure Antworten. Ich kann mich in vielen Punkten darin wiederfinden. Die Verlagerung der Anorexie in die Bulimie kann schon etwas damit zu tun haben, dass dies der "einfachere" Weg auf Dauer ist. Man kann soviel essen wie man will, hält trotzdem sein Gewicht und ist ausserdem genauso mit seinen Gedanken beschäftigt wie in der Anorexie. Trotzdem glaube ich nicht, dass Bulimikerinnen einfach nur Magersüchtige mit weniger Willenskraft und Ausdauer sind. Vielleicht eher mit mehr Überlebenswillen, nur dass es dann schon zu spät ist, um aus dem Suchtverhalten herauszukommen. Der Übergang von der Anorexie in die Bulimie ist bei mir auch schon sehr lange her und ich weiss garnicht mehr genau, ob er mir überhaupt damals richtig bewusst geworden ist. Eigentlich haben sich nur die Symptome verlagert, meine Gedankenwelt hat sich damals nicht viel verändert.
Insofern denke ich, dass auch Bulimie eine Erkrankung der Seele ist. Das macht die Heilung so schwierig. Dies wird mir immer mehr bewusst, je mehr ich versuche, aus der ES herauszukommen, in dem ich versuche, mein Leben zu leben. Gäbe es keine ES, hätte ich wahrscheinlich andere Symptome. Vielleicht liegt nur die Art der Symptomatik in der westlichen Lebensweise begründet.
Viele liebe Grüße Kendra
Carpe Diem