Was kann ich tun?

#1
Hallo zusammen,

meine beste Freundin hat mir vor wenigen Tagen einen langen Brief geschreiben, in dem sie mir mitgeteilt hat, dass sie unter einer Essstörung leidet. Sie hat in allen Einzelheiten erklärt, wie sie damit umgeht, und wie schlecht sie sich damit fühlt.

Bei einer substanzgebundenen Sucht ist es ja relativ leicht, eine Freuindin nicht mit dem Suchtmittel zu konfrontieren. Ich bin trockene Alkoholikerin und Nichtmehrraucherin. So wünsche ich mir von meinen Freunden, dass sie mir weder Alkohol, noch Zigaretten anbieten, - klar. Was aber ist es, womit ich bei meiner Freundin nun vorsichtig sein sollte? Wie soll ich damit umgehen? Ich weiss zum Beispiel nicht, was ich das nächste Mal machen soll, wenn wir zusammen feiern. Soll ich darauf achten, dass es nur gesunde Dinge zum Abendessen gibt? Manchmal gehen wir zusammen essen. Was kann ich tun, wenn es einen Kontrollverlust beim Essen gibt? Dass sie k* ist noch ganz neu für sie. Was kann man tun, damit sich das nicht manifestiert?

Ich denke, sie möchte gern mit mir darüber reden. Das möchte ich auch gern, ich möchte auch gern für sie da sein. Das habe ich ihr auch geschrieben. Nur kann ich nicht mit ihr reden, wenn ich gar nichts darüber weiss. Ausser es mir von ihr erzählen lassen, kann ich ja nicht viel machen.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir weiterhelfen würdet.

Vielen Dank schon mal
Mone

#2
Hi mone!

Also erstmal ist es echt schön,dass deine freundin dir so vertraut und du ihr helfen willst,deas spricht sehr für eine gute freundschaft :)

zu deiner frage,ich finde das etwas schwierig,ich denke jeder reagiert in seiner krankheit anders und man kann das nicht so allgemein sagen,was gut und richtig wäre.

Ich würde deine freundin einfach darauf ansprechen bzw ihr schreiben und erklären,dass du etwas verunsichert bist wie du reagieren sollst und wie es für sie am angenehmsten wäre,was sie sich wünschen würde.

ihr scheint ja sehr viel vertrauen zueinander zu haben und offen reden zu können,da denke ich ist das kein problem soetwas anzusprechen,ich denke reden ist sowieso immer das besten in so einer situation.

ich wünsche euch alles gute und wünschte ich hätte auch so eine freundin wie sie dich hat,finde das super wie du ihr helfen willst :)

lg finchen

#3
Hallo Finchen,

vielen Dank für Deine total liebe Antwort. Die Freundin und ich kennen uns seit der Schulzeit, also etwa 20 Jahre. Als ich vor 4 Jahren aufgehört habe zu trinken, hat sie mir ganz dolle zur Seite gestanden, und wir sind sehr ehrlich miteinander. Sie gehört zu den wenigen Menschen, die meinen Weg mit mir gegangen ist, der sehr viel Veränderungen mit sich gebracht hat. Ich bin auch froh, dass es sie gibt.

Du hast Recht, vielleicht sollte ich sie wirklich einfach fragen. Aber ich fürchte, sie weiss selbst noch nicht so recht, was gut ist, und was nicht. Wenn man aktiv in einer Sucht hängt, fehlt einem vielleicht auch der Überblick, weil man ja ganz befangen ist. Das ist der Grund weshalb ich auch ausserhalb mal nachfragen möchte, was ich tun kann, und was ich lieber nicht tun sollte. Deshalb wäre es mir sehr wichtig, hier mehr zu erfahren.

Ganz liebe Grüsse an Dich
Mone

#4
Hallo BertaSophie,

auch Dir ganz herzlichen Dank für Deine Antwort. Ich bin mir sicher, dass Zuwendung und offene Ohren immer wichtig sind. Mit der "Laune" verstehe ich sehr gut, was Du meinst, denn mir geht es oft ganz genau so. Aber beim Thema Aufpassen ist hier vielleicht etwas falsch rüber gekommen. Ich weiss nicht, ob es bei Bulimie etwas gibt, wie Co-Abhängigkeit. Aber ich werde mit Sicherheit nicht auf die Freundin aufpassen, oder aufpassen, was sie gerade tut. Dann würde ich ihr ja jegliche Verantwortung fortnehmen, und das ist bei Sucht mit Sicherheit der falsche Weg. Mit Aufpassen meinte ich eher, an welcher Stelle ich aufpassen kann, nicht das Falsche zu machen (was anbieten).

Wie kann ich Abende gestalten, an denen sie mich besucht? Ich habe früher oft für uns gekocht. Sollte ich da etwas verändern? Und wenn ja, was? Ich verstehe auch, dass ich nichts mehr tun kann, wenn sie in Gedanken schon im FA festhängt. Ich kann nur dann als Notfall-Gesprächspartner statt FA zur Verfügung stehen. Das geht aber auch nur dann, wenn SIE mich dann anspricht, und eine Alternative finden will.

Ich habe heute einen interessanten Vortrag über Sucht gehört. Der Redner hat es mit einer Ballance verglichen, wie eine Wippe. Was mache ich, wenn das Suchtmittel von der Wippe aufsteht? Dann knallt das Leben auf der anderen Seite runter, und das Gleichgewicht ist völlig durcheinander. Deshalb muss etwas auf die Wippe gesetzt werden, das wieder für den Ausgleich sorgt. Der Redner war davon überzeugt, dass Geborgenheit, Liebe und Zuwendung zum Beispiel an diese Stelle gesetzt werden sollte. Und wenn man in das "abstinente" Leben einsteigt, sollte man den Inhalt der Wippe in einen Rucksack packen, und nie wieder hergeben. Kann man das so sagen?

Liebe Grüsse
Mone

#5
Hallo liebe Mone!

Also erstmal finde ich es, wie die anderen, total toll, dass du dich so um deine Freundin bemühst.
Auch das mit dem Essen kochen, wenn sie bei dir ist, wirst du sie wohl fragen müssen. Wobei ich denke, dass du dann nicht schon vorher kochen solltest, eben wegen der sehr schwankenden Launen. Mir hilft das oft, wenn ich mit anderen Menschen zusammen esse. Dann bin ich längst nicht so unkontrolliert, kann mich mit den anderen vergleichen. Aber auch das ist von der Stimmung abhängig. Als meine beste Freundin bei mir war, habe ich daneben gestanden als sie gegessen hat, weil ich vor ihr nichts essen wollte, weil ich Angst hatte, dass es mich übermannt. Normalerweise hilft mir das aber schon ziemlich viel. Frag sie einfach....

Macht sie denn eine Therapie? Oder hat sie es vor? Weißt du das?

Leider kannst du nicht mehr tun als ihr zur Seite stehen, sie in den Arm nehmen, wenn mal wieder alles doof ist, für sie da sein. Das weißt du aber vermutlich alles selber aus deiner eigenen Suchterfahrung.

Ich wünsche dir und auch ihr viel Kraft....

P.S.: Komme auch aus Kassel, also... wenn du mal meinst du brauchst jemanden, der selber B*** hat, um über irgendwas zu reden, um irgendwas zu fragen, meld dich einfach bei mir... am besten dann per PN
Über den Wolken der Gedanken gibt es einen Himmel wunderbarer Stille, den nur die Seele kennt, die keine Angst vor´m Fliegen hat

#6
Wow, Moschoka, tolles Bild, das mit der Wippe! Danke dafür, auch wenn es nicht von dir ist.

"Wenn man aktiv in einer Sucht hängt, fehlt einem vielleicht auch der Überblick, weil man ja ganz befangen ist. " Also, ich hänge auch noch drin, und die (meisten) anderen hier wohl auch.

Ansonsten bist du ja schon unglaublich gut informiert. Und es gibt, glaube ich, wirklich nicht so viele Unterschiede zwischen Alkoholismus und Bulimie. Außer viellecht, dass man Essen nicht meiden kann.Und dass man, glaube ich zumindest, nicht so einen starken Rausch hat.

Ich denke, wenn du deiner Intuition folgst und dein Fingerspitzengefühl einsetzt, kannst du nichts falsch machen. Es ist wichtig, dass du bei all dem auch an DICH denkst. Wenn sie kotzt, ist es nicht deine Schuld. Sie hat die Wahl. Auch wenn du was "Falsches" sagst, bist du nicht an Ihrer Sucht schuld. Lass sie einfach auf dich zukommen. Wenn sie dich bittet, mit ihr zu kochen, dann tu es (wenn du magst). Wenn nicht, lass es. Ich würde ihr einfach generell Bereitschaft signalisieren. Wie du gesagt hast, z.B. als Gesprächspartner da sein. Dass sie anrufen kann, und sagen kann "Lenk mich ab."

So eine Freundin wie dich kann jeder sich nur wünschen. Mach dir nicht so einen Kopf und denk auch an dich!

Alles Liebe

#7
Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure Antworten. Naja, ob ich wirklich so gut informiert bin, weiss ich nicht. Ich denke, dass Sucht immer eine gewisse Ähnlichkeit im Krankheitsbild hat, aber wenn die Substanzen sich unterscheiden, dann ist das ja schon so eine Sache. Die Frage ist ja auch, was eigentlich die Substanz ist.

Als ich meiner Freundin gesagt habe, dass ich Alkoholikerin bin, und nun aufhöre, hat sie mich gefragt: "Wie ist das? Was hast Du dabei empfunden?" Für mich ist es nun völlig normal, dass ich das auch von ihrer Erkrankung wissen will. Schliesslich will ich mit ihr "unzensiert" umgehen können. Ich finde es schlimm, wenn Menschen sich verbiegen müssen. Wie sich das anfühlt, weiss ich aus eigener Erfahrung.

Sie hat eine Gesprächstherapie gemacht, aber ich denke nicht, dass sie dort das Thema Bulimie bearbeitet hat. Ich denke, sie könnte da auch etwas Intensiveres (ne Analyse vielleicht) gebrauchen, nur weiss ich nicht, ob sie das im Moment verkraften würde.

Meine grösste Angst ist, dass ich einfach völlig ratlos wäre, wenn sie in meiner Gegenwart die Kontrolle verlieren würde. Ich würde gern wissen, wie es am besten ist, damit umzugehen. Was ist in dem Moment für sie der beste Umgang?
Ich hatte in ihrer Gegenwart meinen ersten Alk-Rückfall, und ich habe mich ganz schrecklich gefühlt.

Liebe Grüsse
Mone

#8
Hi Moschoka!
Was ist in dem Moment für sie der beste Umgang?
Puh...das ist eine schwierige frage,ich weiss nicht was ich mir in diesem moment wünschen würde.
ich glaueb aber viel wichtiger ist auch wie du dich ihr gegenüber danach verhälst.Ich glaube mir wäre das unendlich peinlich und ich würde die flucht wählen,dann wäre es am besten ihr klarzumachen,dass du sie nicht verurteilst und dass du es nicht schlimm findest und sie sich nicht schämen brauch.
klingt immer so einfach :roll:

was hättest du dir denn bei deinem rückfall von ihr gewünscht? Wie hätte sie sich verhalten sollen?

Tut mir leid,dass ich dir nicht weiterhelfen kann,aber diese frage habe ich mir irgendwie nie gestellt,weil ich meine sucht absolut heimlich auslebe :roll:

lg finchen

#9
Sorry, dass ich so lange nicht geschrieben habe :(

Also, ich glaube kaum, dass deine Freundin in deiner Gegenwart eine FA haben wird. In Gegenwart von anderen fresse ich a) gar nicht oder b) sehr kontrolliert (nur "erlaubte" Sachen) oder C) so unauffällig, dass keiner merkt, wie viel da zusammenkommt. Oder vor Menschen, die keine Ahnung von B haben. Du wärst ihr wohl auch nie drauf gekommen, dass sie eine Es hat, hätte sie es nicht gesagt, oder? Aber ich denke, dass ihr wahrscheinlich deshalb so gut befreundet seid, weil ihr euch so ähnlich seid. Auch von der Tendenz her, süchtig zu werden.

Die Frage interessiert mich auch "Wie ist das aufzuhörfen?" Wie fühlt es sich an, auf dem rechten wEg zu sein. Worauf lasse ich mich ein? Erzählst du mir davon was?

Soweit ich mich durchgelesen habe, ist eine Verhaltenstherapie bei B erfolgreicher als Analyse. Und Gruppentherapie besser als Einzel. Natürlich ist das eine Statistik, aber irgendwo wohl schon so.

Machs gut, Moschoka :)

#10
Hallo Ihr lieben Leute hier,

es tut mir leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Bei mir ist etwas vorgekommen, was sonst fast nie passiert: Mein PC hatte einen Totalabsturz! Aber nun läuft alles wieder ganz prima, und ich kann wieder in die guten Foren gehen, um mit den lieben Menschen zu schreiben!

Finchen hat geschrieben:was hättest du dir denn bei deinem rückfall von ihr gewünscht? Wie hätte sie sich verhalten sollen?
Ich habe mir in dem Moment Nähe gewünscht, und die Gewissheit, dass es mir nicht peinlich sein muss. Aber ich habe alles verschwommen gesehen, weil ich total betrunken war. Am nächsten Tag habe ich mir gewünscht, dass wir es einfach so stehen lassen können, und nicht mehr viel drüber reden müssen. Aber das ging leider nicht, weil wir beide das verarbeiten mussten. Im Nachhinein ist es gut, wie es war.

Das Problem mit der Scham ist meiner Meinung nach eher so, dass man sich nicht nur vor dem anderen schämt, sondern auch vor sich selbst. Naja, dann ist ein Rückfall mit vielen Schuldgefühlen und Selbstzweifeln verbunden, was aber zur Krankheit dazu gehört. Ich finde, dass niemand sich für einen Rückfall schämen muss, aber das ist auch leichter gesagt, als umgesetzt. Ein Krebspatient schämt sich doch auch nicht, wenn wieder ein Tumor ausbricht. Aber das ist in unserer anerzogenen Moral wohl etwas unterschiedlich, obwohl es echt vergleichbar ist.

aire hat geschrieben:Sorry, dass ich so lange nicht geschrieben habe :(
Ist schon alles in Ordnung. Mach Dir keinen Stress. :wink:

aire hat geschrieben:Du wärst ihr wohl auch nie drauf gekommen, dass sie eine Es hat, hätte sie es nicht gesagt, oder?
Doch, das wusste ich. Aber ich wusste nicht, welche Art. Ich habe schon lange mitbekommen (und auch mit ihr darüber geredet), dass sie sehr ungesund mit ihrer Ernährung umgeht. Ich hatte auch Bedenken, dass es mal diese Art ES werden könnte. Aber geglaubt, dass es das wirklich wird, habe ich nie wirklich. Kennt Ihr das Gefühl, wenn man etwas sieht, es aber nicht glauben kann, dass man das wirklich gerade sieht? So in etwa war das auch. Als sie mir diese Mail geschickt hatte, dachte ein Teil von mir: Ja klar! - Und ein anderer Teil dachte: Was??? Ich glaubs nicht!!!

Ich denke, dass es grundsätzlich sehr unterschiedlich ist, was für den einzelnen Menschen gut oder schlecht ist. Das, was ich an der Analyse sehr schätze ist, dass man innerhalb dieser Behandlung auch auf Verhaltenstherapie zurückgreift, wann immer man es braucht. Ein Analytiker ist auch verhaltenstherapeutisch ausgebildet, ein Verhaltenstherapeut jedoch nicht ausreichend analytisch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen beginnt, wenn man aus einer Sucht aussteigt. Während dieser Konfrontation mit den Gefühlen und der Sucht werden ganz viele Gedanken nach oben gebracht, die man dann erkennen, betrachten und lösen kann. Bei einer Verhaltenstherapie wird oberflächlicher am Verhalten selbst gearbeitet, in der Analyse wird danach zusätzlich noch die Ursache erforscht und verarbeitet. Das hat zur Folge, dass der Grund für die Suchtentwicklung immer noch da ist, und (unbewusst) wirken kann. Nachteil ist, dass es sehr schwer sein kann, sich so intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen. Aber ein guter Analytiker respektiert die Grenzen.

@aire: Was möchtest Du denn gerne wissen? Wenn Du möchtest, kannst Du mir gerne alle Fragen stellen, die Dich beschäftigen oder interessieren. Was ich beantworten kann, schreibe ich hier sehr gern.

Liebe Grüsse
Mone