Wenn man nicht in der Lage ist zu sprechen...

#1
Jetzt sitze ich hier und eigentlich bin ich ganz froh, dass ich mal über etwas schreiben kann, worüber zu sprechen ich eigentlich kaum in der Lage bin. Seit mehr als 3 Jahren schlepp ich nun schon die Bulimie mit mir herum und bin net in der Lage, diese Last loszuwerden.

Aber erst mal zu mir: ich bin 23 Jahre alt und wog bis vor etwa drei Jahren so um die **kg (genau weiß ich es gar nicht, hab irgendwann aufgehört mich auf die Waage zu stellen weil ich mich so hässlich und einfach nur wertlos fühlte). Mitlerweile wiege ich **kg bei einer Größe von 168 cm und noch immer fühl ich mich nicht anderst als vor 3 Jahren.

Wann es zum ersten Mal der Fall war, dass ich bewusst gegessen habe, um dann alles wieder loszuwerden, weiß ich schon gar nicht mehr. Nun allerdings kann ich an gar nichts anderes mehr denken als "Woher bekomm ich schnell möglichst viel zu essen und wo ist das nächste Klo, damit ichs schleunigst wieder loswerden kann, ohne das jemand etwas mitbekommt?"

Im laufe der Zeit hab ich meine eigenen Methoden rausgefunden, wie ichs am besten zu mir nehm, damit ich es später wieder rauskotzen kann, ohne mich allzu sehr anstrengen zu müssen, damits einfach etwas leichter fällt (kann mir gut vorstellen, dass mache wissen was ich meine).
Mit der Zeit ist alles so durchdacht geworden und ein richtiger Zwang. Bin ich allein zu Hause (ich lebe zusammen mit meinem Freund, der Bescheid weiß, allerdings völlig hilflos ist) drehen sich in meinem Kopf alles nur noch ums Essen. Dann geht es darum, möglichst schnell alles in mich hineinzustopfen. Ich kann nicht einmal sagen wie ich mich dabei fühle, mein Kopf ist dann wie abgeschalten und nur zu dem Zweck da, Nahrung in meinen Körper zu bringen.
Allerdings weiß ich genau, wie ich mich jedesmal während und nach dem Kotzen fühle. Während ich mich dazu zwing, alles wieder aus mir herauszubringen ekel ich mich selbst vor mir und fühl mich wie das Letzte (wenn man sich vor einem ekelt, gehts übergeben noch viel leichter...). Danach bin ich dann stolz auf mich und meine Fähigkeit, selbst über meinen Körper bestimmen zu Können. Dann stell ich mich vor den Spiegel und betrachte meine vorstehenden Beckenknochen und alles andere was mir sagt "He, Du siehst verdammt gut aus!"
Leider hält dieses Hochgefühl nicht lange an. Dann fühl ich mich wieder so dermaßen fett, dass ich mich am liebsten im Bett verkriechen möchte.
Hin und wieder kommen Zeiten, da esse ich tagelang gar nichts, und hab ich diese Enthaltsamkeit eine Woche oder so durchgehalten, belohn ich mich mit Essen, was denn auch sonst...

So ist das ein ständiges auf und ab und in meinem Kopf dreht sich alles nur noch ums Essen: Was darf ich Essen, Wieviel Kalorien stecken dahinter, Wann muss ich mich wieder im Bikini zeigen, Gibts hier ein Klo?...

Mitlerwile hab ich mich in gewisserweise damit abgefunden. Ich könnte es mir auch nicht vorstellen, wieder normal zu essen. Zu groß ist die Angst, irgendwann wieder so fett, häßlich und ekelhaft zu sein wie damals.

Ich hab auch keine Ahnung, wie es weitergehen soll, ob ich überhaupt darüber nachdenken würde, Hilfe in Anspruch zu nehmen, würde die Möglichkeit bestehen. Dazu kommt, dass ich seit einem halben Jahr meinen Traumberuf ausübe (was ich nie geschafft hätte, hätte ich nicht abgenommen), und weiß, würde die Sache mit meinem Essverhalten rauskommen, dann bin ich meinen Job los.

So sitz ich ziemlich in der Zwickmühle, aber wie gesagt, so lang ich noch so fett bin, habe ich auch nicht vor aufzuhören um dann wieder zuzunehmen...
Ziemlich kompliziert, was?

Es tat aber richtig gut, darüber mal schreiben zu können, über das, worüber ich nicht in der Lage bin zu sprechen...

Lieben Gruß, Lolle

#2
meine vorstehenden Beckenknochen und alles andere was mir sagt "He, Du siehst verdammt gut aus!"
Hervorstehende Beckenknochen sehen nicht gut aus!!!!!!!
Alles was du schreibst hört sich so an, als wolltest du gar nicht wirklich aufhören!
Es hört sich an, als wärst du stolz darauf, durch die Bulimie so viel abgenommen zu haben?ß
Willst du aufhören????

#3
hallo liebe lolle!

du bist zum ersten mal hier, oder? erstmal herzlich willkommen...

in deinen worten schwingt eine starke zerissenheit mit.
ein teil in dir hat schon erkannt, dass es nicht so weitergehen kann, du merkst, dass dir die kräfte ausgehen und möchtest "diese last endlich loswerden", wei du schreibst. leider scheint dieser teil noch nicht sehr groß zu sein.
denn auf der anderen seite steht da die angst,wieder an gewicht zuzunehmen und dich von der sucht, die dir in gewisser weise ja auch sicherheit und halt gibt, zu lösen. die angst und auch die bequemlichkeit überdeckt momentan ziemlich den eben erwähnten teil.

du meinst, du hättest dich damit abgefunden.
doch ganz ehrlich - ich glaube dir das nicht.

DU hast dich nicht damit abgefunden, es ist die Krankheit, die dich damit abfinden lässt, dieser eine kranke teil in dir, der dich schon vollkommen eingenommen hat.

es wäre so einfach, so weiterzumachen. so einfach und zugleich so schrecklich. wirklich gut gehts dir damit ja nicht. auch, wenn du dir das immer wieder vormachst. glaubst du, du wirst irgendwann an dein ziel gelangen, dich endlich akzeptieren zu können, indem du dich weiterhin bis auf die knochen runterhungerst und deinen schönen körper durch das ständige kotzen völlig zerstörst?

ich kann dir versichern, dass du, wenn du das wirklich glaubst, auf dem falschen weg bist. und so viele hier können dir das bestätigen, weil manche hier schon ein stück weiter sind und erkannt haben, dass es eben nicht geht. innere zufriedenheit bekommst du nicht durch änderung deines äußeren. um dich akzeptieren zu können, musst du erstmal bei deinen gedanken anfangen, deiner eigenen einstellung zu dir selbst.

was ist denn jetzt so viel anders, seitdem du abgenommen hast? warum war es damals so schrecklich? was meinst du, inwiefern du dich dadurch geändert hast? - du meinst, du fühlst dich immer noch nicht anders als vor drei jahren. das ist doch ein deutliches zeichen, dass du durch schlanksein nicht zu deinem ziel gelangst und außerdem sollte es dir zu denken geben, warum du dann unbedingt weitermachen willst.

du scheinst genug von der bulimie zu haben, ja richtig verzweifelt zu sein. DAS IST GUT. hör auf, dir vorzumachen, dass du dich damit abgefunden hast und weitermachen willst. dieses gefühl in dir, das dir sagt, dass es nicht so weitergehen kann, kann ein erster schritt sein. und dass du hier versuchst, kontakt zu anderen aufzunehmen, zeigt ja auch, dass du dir hilfe suchen willst. denn was ich nach deinem doch etwas zwiegespaltenen beitrag extrem betonen möchte, ist, dass das hier KEIN PRO FORUM ist. wir alle leiden unter einen sehr ernst zu nehmenden krankheit oder kennen betroffene und suchen uns hier den nötigen halt und die motivation auf dem weg daraus oder um andere auf diesem zu begleiten. wir wollen wieder gesund werden. und was wir dir hier auf keinen fall geben werden, sind tipps, wie du am besten so weitermachen kannst.

wir helfen dir gerne und sind für dich da, aber nur, wenn du dich ein stück weit öffnest und auch bereit dafür bist, gegen die bulimie zu kämpfen. und dich denke, dass du das kannst.

du willst nicht wirklich so weiterleben. vielleicht meinst du, du hättest dich mit dieser lebensweise abgefunden, aber glücklich bist du damit nicht.

darf ich fragen, welchen beruf du ausübst?

denk mal über alles nach. vor allem über die frage, ob du gesund werden willst.

nur eines solltest du wissen: du KANNST da raus. die möglichkeit besteht. und wir können dich auf diesem weg begleiten, alleine wirst du nicht sein.

liebe grüße

jen