Zu stolz für eine Therapie?

#1
So, jetzt hab ich auch mal ein Anliegen :roll:
Mein Problem ist nämlich, dass ich gerne eine Therapie machen würde. Den Platz und die Form könnte ich mir frei aussuchen, weil ich sowieso Selbstzahler ohne Kostenzuschuss bin.

Nur leider habe ich Angst, dass es wieder nicht funktioniert, aus demselben Grund wie meine zwei letzten Therapien.
Beide Male waren es echt super Therapeuten, ein Er, eine Sie, und ich halte sie durchaus für fähig, Leuten mit meinen Problemen zu helfen.
Nur leider lasse ich mir nicht helfen, weil ich versuche, mich mit den Therapeuten auf eine Stufe zu stellen. Ich kann es absolut nicht ertragen, jemandem unterlegen zu sein, um Hilfe zu bitten und meine Schwächen zu zeigen.
Früher, als ich Schülerin war, habe ich mir noch einigermaßen was sagen lassen, aber mittlerweile denke ich mir: Ich habe auch Psychologie (mit Schwerpunkt B und BED) studiert, ich weiß in der Theorie alles, ich bin nicht schlechter als mein Therapeut, ich fühle mich genauso intelligent, habe einen tollen Job, bekomme mein Leben hin (bis auf dieses kleine Problemchen, ähem), also warum soll ich dann diesen Schandfleck von mir herzeigen und mich bloßstellen?
Ich käme mir dabei so erniedrigt vor, schwer zu beschreiben. Normalerweise bin ich gar nicht so, dass ich mich mit allen Leuten in Konkurrenz sehe, höchstens in gesundem Maß, aber ich kann damit leben, dass es auf manchen Gebieten bessere/erfolgreichere Leute gibt.
Nur im speziellen Fall "Therapeut" reagiere ich da so empfindlich, fühle mich gleich, als wolle man mir vorschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe (auch wenn derjenige es gar nicht versucht) und mache total zu.
Hab ich einfach die falschen Therapeuten gehabt, oder brauche ich vielleicht erst mal eine Therapie gegen diese Einstellung, bevor ich die B angehen kann?

#2
hallo virginia,

vielleicht solltest du dich mal fragen warum du dir nicht helfen lassen willst, warum du eine therapie als erniedrigung empfindest und warum du gerade bei diesem thema so sensibel reagierst.

ich glaube schon, dass die essstörung ein größeres 'problemchen' bei dir ist. wieso ist das eine schande? weil dein leben sonst so perfekt läuft oder weil du meinst, dass du als psychologin dir eine essstörung nicht erlauben darfst? [ich bin übrigens auch psychologin und der satz: 'warum hilfst du dir dann nicht selbst' ist so das schlimmste, den man mir sagen kann...]

ich habe einmal gelesen, dass man durchschnittlich fünf bis sieben versuche braucht, bis man den richtigen therapeuten gefunden hat. vielleicht waren deine bisherigen therapeutInnen wirklich nicht die richtigen für dich.

du weißt sicher genau so viel wie die therapeuten, das glaube ich dir sofort. nur, das bedeutet noch lange nicht, dass sie dir nicht helfen können und du von ihnen nicht profitieren kannst. du hast vielleicht das wissen und du durchschaust sicher so manche intervention, aber helfen kannst du dir selbst doch nicht wirklich. das müsstest du doch auch wissen!
ärzte kurieren sich auch nicht selbst, warum sollen also psychologen sich selbst therapieren?

wenn du dich wieder auf eine therapie einlassen kannst, musst du allerdings als der mensch hingehen, der eine essstörung hat und darunter leidet und nicht als die psychologin, die sich in der materie essstörungen sein wissen anbringen will.

ich glaube auch, dass in einer therapie zuerst einmal deine einstellung und deine gefühle zur therapie thematisiert werden sollten. denn nur wenn du damit zurecht kommst, kannst du effektiv gegen die bulimie angehen.

vielleicht kannst du ja mit meinen überlegungen etwas anfangen :wink:
liebe grüße, jill

#3
Ich glaube es ist nur die Feigheit davor, sich selbst in den Spiegel zu schauen, und sagen können das man mit sich selbst ein Problem hat!

Bei mir ist es auf jedem fall so! Einfach Schiss vor dem eigenen Ich!

#4
jill hat geschrieben: vielleicht solltest du dich mal fragen warum du dir nicht helfen lassen willst, warum du eine therapie als erniedrigung empfindest und warum du gerade bei diesem thema so sensibel reagierst.
vielleicht wegen unserer familie, da ist es total verpönt, schwach zu sein
ich habe einmal gelesen, dass man durchschnittlich fünf bis sieben versuche braucht, bis man den richtigen therapeuten gefunden hat. vielleicht waren deine bisherigen therapeutInnen wirklich nicht die richtigen für dich.
ich stell mir das ganz schön schwer vor, bei der suche nicht den mut zu verlieren und immer daran festzuhalten, dass es irgendwo den richtigen therapeuten gibt. für mich ist es schon immer ein wahnsinniges aufraffen, eine einzige nummer anzurufen und zu sagen "es geht um bulimie"
ärzte kurieren sich auch nicht selbst, warum sollen also psychologen sich selbst therapieren
stimmt eigentlich. ich müsste wahrscheinlich eher denken, dass ich das recht habe, eine therapie zu machen. nur hatte ich echt schon gespräche, wo man mir gesagt hat "sie wissen alles, ich kann ihnen nicht helfen". das waren wohl schlechte therapeuten, oder?
ich glaube auch, dass in einer therapie zuerst einmal deine einstellung und deine gefühle zur therapie thematisiert werden sollten. denn nur wenn du damit zurecht kommst, kannst du effektiv gegen die bulimie angehen.
das ist eine gute idee. dann weiß der therapeut wenigstens gleich, woran es hakt, wenn ich mich nicht öffnen will. irgendwie gehört das ja auch zu dem problem dazu.
vielleicht kannst du ja mit meinen überlegungen etwas anfangen :wink:
liebe grüße, jill
ja, auf jeden fall, ganz lieben dank, jill!
Ich glaube es ist nur die Feigheit davor, sich selbst in den Spiegel zu schauen, und sagen können das man mit sich selbst ein Problem hat!
hm, ich weiß nicht, grey. bei anderen leuten gebe ich es ja auch zu, und meine freunde bitte ich schon um hilfe. nur beim therapeuten mache ich dicht. machst du es bei allen so, dass du stark sein willst?

#5
Hey!

Meine Freunde wissen es zwar schon, aber so richtig reden kann bzw. will ich mit keinem! Mir ist es zur Zeit sowieso das liebste, wenn ich allein bin, aber das ist auch nicht gerade einfach, weil einem da nur die verschiedensten Gedanken im kopf herumschwieren! Wenn meine freunde mich darauf ansprechen, versuche ich immer irgendwie auszuweichen!
Wenn ich nicht mal mit meinen besten Freunden über die ES reden kann, wie soll ich es dann mit einem Therapeuten können!

#6
Grey hat geschrieben: Wenn ich nicht mal mit meinen besten Freunden über die ES reden kann, wie soll ich es dann mit einem Therapeuten können!
warum nicht? du könntest doch eigentlich denken, erstens wird der dafür bezahlt, dass er dir hilft. und zweitens siehst du den nur einmal in der woche und nicht in deiner freizeit. und deshalb ist es ja nicht so schwerwiegend, was er über dich denkt, denn wenn es schlecht wäre (was logischerweise nicht so ist), dann würdest du ja keinen freund verlieren deswegen.

bei mir ist das problem, dass ich eher aufpassen muss, meine freunde nicht zu sehr zu nerven, sonst laufen die mir noch weg, und so viele habe ich eh nicht. ich werde mich mal nach einem therapeuten umschauen, aber diesmal nehm ich keine superhübsche frau, die nur drei jahre älter ist als ich, denn dann glaube ich ist das mit der konkurrenz am schlimmsten :wink:

#7
Virginia hat geschrieben:... ich müsste wahrscheinlich eher denken, dass ich das recht habe, eine therapie zu machen
das finde ich auch :lol:
in meiner familie redet man auch nie über probleme oder gefühle - und schon gar nicht über die eigenen. ich habe allerdings einige sehr gute freundinnen und freunde, die mir 'beigebracht' haben, über meine gefühle zu sprechen und die es auch als völlig ok angesehen haben, dass ich eine therapie mache.
... nur hatte ich echt schon gespräche, wo man mir gesagt hat "sie wissen alles, ich kann ihnen nicht helfen". das waren wohl schlechte therapeuten, oder?
bei mir war es immer das problem, dass ich - auch vor meiner therapeutin - den anschein gemacht habe, über alles bescheid zu wissen. ich habe mit fachbegriffen um mich geworfen, ich habe es auch geschafft, mich sehr gut zu analysieren. allerdings war das so, als ob ich eine 'fremde' person, eine klientin, analysieren würde.
ich musste - und das muss ich noch immer - an der umsetzung arbeiten. ich habe nicht jemanden gebraucht, der mir etwas über mich erzählt, sondern jemanden, der mir ersten hilft, mir klar zu machen, dass es sich bei der klientin um mich (!) handelt und zweitens, der mich bei der umsetzung der pläne und vorschläge unterstützt. dass ich ein problem habe war mir sonnenklar, auch dass mir eine therapie helfen wird, ich wusste auch ungefähr, was mir helfen könnte. nur das umsetzen, das war das schwierige und das fällt mir auch heute oft noch schwer.

reden ist halt immer leichter als das tun!

liebe grüße :wink:

#8
Grey hat geschrieben: Wenn ich nicht mal mit meinen besten Freunden über die ES reden kann, wie soll ich es dann mit einem Therapeuten können!
mir war es immer unangenehmer mit meinen freunden über die bulimie zu sprechen. allein die gedanken daran, sie würden sich vorstellen, wie ich mit dem kopf über der kloschüssel hänge, haben mich z.t. fertig gemacht.

bei meiner therapeutin war das ganz was anderes. ich hatte vertrauen zu ihr, um mit ihr über meine probleme sprechen zu können und ich wusste, dass das gesagte aber nie ihr zimmer verlassen würde. ich musste mir keine sorgen darüber machen, was sie über mich denkt und ich musste mich nicht beobachtet fühlen, wenn ich nach einem essen im freundeskreis auf die toilette musste (und das nicht um zu k*).

eine zeitlang habe ich mit meinen freunden viel über die es gesprochen. nur irgendwann ist mir klar geworden, dass ich ihnen damit ganz schön etwas aufbürde. meine therapeutin hat in ihrer ausbildung gelernt, mit u.a. meinen erzählungen fertig zu werden. sie kann ihren beruf von ihrer freizeit trennen, sie kann einen supervisor in anspruch nehmen. meine freunde können das aber nicht.

das heißt jetzt nicht, dass ich meinen freunden nichts mehr erzähle. nur passe ich halt auf, was und vor allem wie ich es ihnen sage...

#9
mir wars am anfang schon unangenehm, mit ner fremden darüber zu sprechen. ist es teilweise noch immer.

aber sich vorstellen, die freunde habens bildlich vor sich wie man frisst und dann kotzt - das ist selbstverletzung, psychische selbstverletzung. würden sies tun, wären sie keine freunde.
geht mal umgekehrt davon aus, jemand erzählt euch er nähme beispielsweise drogen - da stellt man sich die person doch auch nicht auf entzug vor, oder wie sie sich gerade was spritzt. wenn sie einem was bedeutet.

#10
hm... gut, es hat mir ja noch keiner gesagt, dass er sich DAS vorstellen würde (und wenn, wüsste ich echt nicht, was ich mache - auswandern.... :wink: )...
aber allein der gedanke, sie könnten es tun, ist mir sehr, sehr unangenehm...

#11
also mir haben schon freundinnen im urlaub gesagt, dass sie sich fragen, was ich mache, wenn ich zur toilette gehe, als sie von der b wussten. ich fand das zwar unangenehm, aber andererseits auch verständlich. sollen sie doch denken, was sie wollen. ich denk mir auch meinen teil, wenn jemand den ganzen abend kette raucht oder zwei freundinnen gleichzeitig hat.

ich glaube, um das bildlich vor sich zu haben, wie man eine FA hat, dazu haben die meisten zu wenig ahnung von dem thema. also ich gehe jede wette ein, dass sich meine "normalen" freunde meine küche nach einer FA nicht vorstellen könnten, und mich dabei erst recht nicht.

ich fand die leute viel schlimmer, die immer geschaut haben, was ich esse und wieviel und dann auch noch ständig nachgefragt haben, so in der art:"was hast du denn gefrühstückt?"
geht mal umgekehrt davon aus, jemand erzählt euch er nähme beispielsweise drogen - da stellt man sich die person doch auch nicht auf entzug vor, oder wie sie sich gerade was spritzt. wenn sie einem was bedeutet.
also wenn man die person gut kennt, bekommt man es schneller live mit als man sich das vorstellen kann :roll:

#12
jetzt ist mir noch was eingefallen :wink:
bei meiner letzten therapeutin hab ich mir das total eingebildet (?), dass sie mich so mustert, ob die kotzbäckchen größer sind als letzte woche und ob ich schon wieder zugenommen habe. das hat mich auch gehemmt, dieser blick, dabei könnt ich schwören, die hat ganz normal geschaut und ich hab mich eben so drauf fixiert, weil die situation eh schon unangenehm für mich war.

was mir auch immer probleme gemacht hat, war, der thera etwas über andere leute zu erzählen, meine family zum beispiel, weil ich dachte, die thera denkt jetzt "die blöde kuh gibt wieder den anderen die schuld", obwohl ich das nie zu dem zweck erzählt hab, nur, um etwas klarer darzustellen in meiner geschichte.
wie geht es euch damit?

#13
Virginia hat geschrieben:... weil ich dachte, die thera denkt jetzt "die blöde kuh gibt wieder den anderen die schuld"...
also damit hatte ich nie probleme :wink: ich habe mich sehr wohl gefühlt in der rolle der 'armen, die von ihrer mutter immer noch behandelt wird wie ein kind' usw. das problem war nur, dass sich dadurch nichts geändert hat. ich wollte immer, dass sich meine eltern anders verhalten, was die natürlich nicht getan haben.
irgendwann hab ich halt erkannt, dass ja auch ich mich anders verhalten kann - ab dem zeitpunkt ist's mir auch besser gegangen...