Den Kontakt bekam ich durch eine befreundete Psychotherapeutin meiner Mutter. Sie gab mir 2 Adressen von Kliniken, mit denen se gute Erfahrungen gemacht hatte und ich fuhr dort zum Gesprächstermin hin.
Die Klinik in Essen liegt direkt am Uniklinikum und am Grugapark. Ebenso
gibt es gute Verkehrsanbindunegn, was für mich sehr wichtig war, da dort auch Tagesklinik stattfinden sollte. Die Klinik fand ich sehr freundlich eingerichtet.
Allerdings hatte ich ziemliche Angst vor dem
Vorgespräch. Ich wurde aus dem Warteraum angeholt, in dem ich mit meiner Mutter wartete und ging einer Psychologin hinterher. Ich wusste nicht, was mich erwartete, war also ziemlich verschüchtert und antwortete nur kurz, als ich von der Psychologin Sachen zu meiner Person, zu meinem Essverhalten und meinem Umfeld gefragt wurde. Dann wollte meine Mutter noch kurz mit der Psychologin sprechen. Was sie ihr sagte, weiß ich nicht. Ich sollte 14 Tage ein Essenstagebuch schreiben, wo eben Uhrzeit des Essens, Menge, gefühle beim Essen etc notiert werden sollten. Und ich sollte einen emotionalen Lebenslauf schreiben. Also sollte schreiben, welche Gefühle ich bei welchen Lebensabschnitten hatte.
Nach dem 2. Gespräch hieß es dann, dass die mich aufnehmen würden und sich kurzfristig melden würden, wenn ich ein Platz frei würde. Dann kam der Anruf... anderthalb Wochen hatte ich Zeit, meinen guten Freunden zu erzählen, was los war und dass ich in die Klinik gehen würde.
Auch gab es eine "Schupperstunde", wo man Betroffene kenen lernen konnte, die auch in die Klinik gehen würden bald. So lernte ich Angelika vorher kennen. Eine 40jährige magersüchtige nette Frau, die mir noch viel geholfen hat später.
Ich bekam Panik. Wusste nicht, was ich mitnehmen sollte, ob ich die Dickste wäre, ob man mich nicht leiden kann etc.
Einen
Therapievertrag gab es auch. Ich als normalgewichtige Bulimikerin würde einen 12wöchigen Aufenthalt haben: Handyverbot, eine Mahlzeiten außer den vorgegebenen, Mindestgewicht wurde bestimmt, unter das ich nicht drunter gehen durfte...
- 1.-3. Woche: Besuch nur am Wochenende 2h zu vorgegebenen Zeiten; Ausgang nur auf Klinikgelände und im Park mit Begleitung einer Mitpatientin, 2h am Tag
- 4.-6. Woche: Besuch auch abends von 18-20Uhr möglich; Ausgang immer in der Freizeit, auch alleine möglich
- 7.-9. Woche: Wochenenden zuhause verbringen
- 10.-12. Woche: Tagesklinik... vor dem Frühstück dort hin, nach der letzten Therapie nach Hause
Vor der
Ankunft war mir ziemlich mulmig. Wie würde es werden? soviel Fragen schwirrten mir in meinem Kopf herum.
Ich bekam direkt mein Zimmer gezeigt. Es war ein 2er-Zimmer, dass ich mit einem Mädel teilte, die nur noch eine Woche da sein würde, also schon Tagesklinik war... also mindestens 7 Nächte alleine. Ich wusste nicht, ob ich es gut finden würde. Mir wurde alles gezeigt und dann sollte ich mit den Betroffenen frühstücken. Wie jede Neue musterten sie mich, was mir den Appetit nahm. Ich bekam es Essenstagebuch, das ich zu füllen hatte, einen Selbstbeobachtungsbogen, auf dem stand, was man so die Woche über zu sich nehmen sollte an Mengen und was man abharken musste, wenn es erreicht wurde.
Dann bekam ich den
Therapieplan. Wochenende war keine Therapie, also viel Zeit für sich neben dem gemeinsamen Essen, wo ich nicht wusste, wie ich das herumbekommen sollte. Wochentags 7Uhr für 15min
Chi Gong. Außer dienstags und donnerstags. Donnerstags um die Uhrzeit war für alle Wiegen. Dienstags für die Anorektiker.
7:30-8:00 Uhr war wochentags
Frühstück und Wochenende 8:15-9:00Uhr.
Es gab jede Woche neuen Frühstücksdienst, Abendbrotdienst, etc (worauf ich danach noch eingehe), welcher das Essen (unter Aufsicht) in der stationseigenen Küche als Büffet herrichten und Tische eindecken musste.
Dann wurde gefrühstückt.
Um 11.55Uhr war dann das Treffen zum
Mittagessen, wo wir (die Leute der 4. Therapiestufe durften selbsständig gehen) in Begeleitung einer Krankenschwester in die Mensa des Uniklinikums essen gegangen sind. Es waren immer 2 Gerichte (+ 1 vegetarisches Gericht) zur Auswahl. Man musste immer Kohlenhydrate, Gemüse und Fleisch/Fisch (bis auf vegetarier) + einen Nachtisch (Joghurt, Quark, Apfel) nehmen. Es wurde darauf geachtet, wieviel jeder gegessen hat und es wurde auf Fortschritte geschaut, Anfangs hatte ich sehr große Probleme mit dem Essen und bekam nicht mal 1/3 der Mahlzeit runter, was sich aber änderte, so dass ich die ganze Portion am Ende schaffte.
Danach war für die Leute bis zur 7. Woche 30min ruhen im Gymnastikraum. Man konnte sich also auf Matten auf den Boden legen, konnte sich Kissen und Decken nehmen und eine halbe Stunde mit entspannender Musik das Essen verdauen, was dazu gedacht war, dass die Patientinnen nicht erbrechen können. Ich lag anfangs dort, weinte in mich hinein, weil ich den vollen Bauch nicht ertragen konnte. Es hat viele Wochen gedauert, bis ich es erträglich fand, bis dahin war es für mich die Hölle.
Abendessen wurde genau so hergerichtet wie das Frühstück. Jedoch gab es einmal die Woche frisches Brot und 2mal die Woche einen Salat oder ähnliches (auch wochenweise Wechsel von Patientinnen).
"Jobs" im Klinikalltag. Wie schon gesagt, wurden Aufgaben verteilt jede Woche. Jeden dienstag war eine Stationsbesprechung um 14Uhr, wo sich alle Patientinnen und mind. 2 Schwestern versammelten.
Es wurden Probleme auf der Station angesprochen von der Stationssprecherin, die ich auch ein paar Wochen war, was mir viel Selbstbewusstsein gab.
Die Stationssprecherin war Ansprechperson und hatte sich um die Neuen zu kümmern, bis sie in die Tagesklinik ging. Dann wurde eine neue Sprecherin gewählt. Ansonsten gab es folgende Aufgaben, die uns Verantwortungsgefühl vermitteln sollten:
- Frühstücks-/ Abendbrotdienst: Wie schon gesagt, musste das Buffet auf- und abgebaut werden. Es musste mit Essen hantiert werden und somit sollte es wieder zur Gewohnheit werden.
- Putzdienst: Einmal die Woche musste der Kühlschrank aufgeräumt und ausgewicht werden, sowie die ganze Küche gereinigt werden musste.
- Pflegedienst: Der Dienst kümmerte sich um die Pflanzen auf der Station.
- Einkaufsdienst: 2 Patientinnen mussten dienstags oder donnerstags mit einer Pflegeperson für die Station einkaufen, nachdem sie Lebensmittel überprüften, fehlende Dinge notierten etc. (War immer mein Lieblingsdienst, weil es 2 Schwestern gab, die mit uns danach (natürlich nicht in den ersten Wochen) noch immer schön einen Kaffee oder so trinken gegangen sind

)
Mehr Dienste fallen mir nicht ein.
An
Therapien gab es neben Einzeltherapie und Gruppentherapie,
worunter sich wahrscheinlich jeder etwas vorstellen kann, auch noch die
Gestaltungstherapie. Diese gab es einmal die Woche für 90min. Am Anfang jeder Stunde musste jeder sagen, wie es sich gerade fühlt und warum es so ist. Dann wurde von uns oder dem Therapeut ein Thema (z.B. "Freude") und Materien (z.B. "großes Plakat und Fingerfarbe") ausgewählt. Dann wurde uns eine Zeit vorgegeben, die wir Zeit hatten. Am Ende der Stunde wurden sich noch 1-2 Bilder herausgesucht, die entweder von den anderen interpretiert werden oder von der Person selbst beschrieben werden mussten. In dieser Therapie wurde viel geweint immer, da viele Gefühle und eventuell auch Erinnerungen hochkamen, die einem nicht wirklich bewusst waren.
Aus diesem Grund hat mir genau diese Therapie auch wahnsinnig viel gebracht.
Neben diesen angesprochenen Terminen gab es noch
weitere Termine. 2x die Woche gab Gespräche mit der einem zugewiesenen Vertrauensschwester, in denen wir über Probleme sprechen konnten udn über schöne Dinge, was man eben sonst nicht immer tut.
Einmal die Woche gab es noch eine Visite, wo das Gewicht angesprochen wurde und mit dem Esstagebuch zusammen von 2 Schwestern und der Oberärztin analysiert wurde, um Fortschritte feststellen zu können, wovor viele von uns Angst hatten, da wir natürlich nicht das "Soll" gegessen hatten. Aber eigentlich waren die Visiten immer halb so schlimm, wie man vorher dachte.
Einmal die Woche mussten wir dann slebst kochen. Es musste einige Tage vorher ein gesundes, aber nicht zu kalorienarmes Gericht mit Nachtisch herausgesucht werden. Wenn die Schwestern es getstatteten, musste man am kommenden Mittwoch das mit einer Schwester zusammen zubereiten und dann essen, was für mich das größte Problem war. Selbst kochen ging wohl, aber das Selbstgekochte essen. Da musste ich mich erst dran gewöhnen, was ich allerdings nie ganz geschafft habe.
Später war ich froh, aus der Klinik draußen zu sein, aber ich weiß, dass ich es ohne sie nie aus der Esssstörung geschafft hätte.