Angst vor dem 1. Schritt zur Ausprache

#1
Hallo ihr Lieben,


durch das rumgooglen habe ich diese Seite gefunden und davon gehört, dass es gut sein soll.
Ich leide mittlerweile seit ca. 7 Jahren an Magersucht/ Bulimie. (bin nun 23 Jahre) In den ersten Jahren war es noch nicht so schlimm, nur ab und zu hatte ich solche Phasen wo ich rein nichts am Tag gegessen hab bzw. nur ein Apfel oder so. Dann habe ich wieder ganz normal gegessen, auch mal viel aber weiter war da nichts.
Es gab dann Tage wo ich mich richtig unwohl gefühlt habe und ich aber trotzdem so hungrig war. Habe dann zu viel aufeinmal gegessen und anschließend hatte ich solche Bauchschmerzen. Um das wieder loszuwerden, bin ich aufs Klo gegangen. Das hat sich dann in der Zeit verschlimmert bis ich gemerkt habe, dass ich durchs viele Essen nichtmal zunehme, indem ich alles wieder raushole.
Vor 5 Jahren habe ich dann Taekwondo (Kampfsport) angefangen. Ich war damals richtig Sportbesessen und habe gemerkt, dass ich durch so viel Sport, Schule usw. gar keine Zeit mehr hatte richtig zu schlemmen. Ich war so fit und fühlte mich wieder gut. Alles fing gut an, mein Trainer wurde mein Freund und ist es auch heute noch. (5 Jahre schon zusammen). Er steht total auf dünne, sportliche Frauen. Also wirklich auf "dünne". Er ist da sehr pingelig auch mit sich selbst.

Ich glaube alles hat dann mit der Sportart angefangen. Ich fing im ersten Jahr an auf Wettkämpfe zu gehen und wurde auch ziemlich gut. Ich habe im Vollkontakt ständig den 1. Platz gemacht und war auch regelmäßig trainieren. Hier gibt es auch wie beim Boxen Gewichtsklassen, und umso größer und dünner du bist umso leichter war es im Wettkampf. Ich wog damals mit 166cm **kg und war auch in der Kategorie **kg. In Zeitabschnitten änderten sich die Gewichtsklassen, ich nahm dann allmählich bei **kg teil, heute ist es bei **kg.

So richtig aber hat es mit meinem Freund angefangen. Wir hatten sehr oft Streit und in diesen Phasen gings mir richtig schlecht sodass ich hungerte weil ich keinen Appetit hatte. Einmal wog ich auch schon **kg weil ich eine ganze Woche fast nichts aß.

Heute scheitere ich oft beim Hungern und esse dann doch mal mehr. Wenn ich dann den Gedanken habe mich zu übergeben esse ich noch alles mögliche in mich rein um es anschließend wieder zu übergeben. Seit einem Jahr ist das so zur Gewohnheit geworden, dass ich es fast täglich mache wenn ich die Möglichkeit habe und alleine zu Hause bin. Ich wundere mich schon, wieso mein Vater nichts bemerkt wenn ständig soviel Essen weg ist.

Heute warens auch schon 2 mal und es macht mich körperlich einfach total kaputt. Ich bin nicht mehr fit und habe Kreislaufprobleme im Training.

Mein Freund ist nun mit seinem Studium fertig und ich sehe ihn nur am Wochenende. Das macht mich auch total depressiv. Ich bin in meinem letzten Semester und habe noch viele Prüfungen vor mir. Wahrscheinlich muss ich mein Studium verlängern und auch das macht mich total fertig, weil ich so überfordert bin. Alles läuft grade sehr schlecht und ich weiß nicht mehr wie ich mich ablenken soll damit ich der Versuchung widerstehen kann. Durch die ständige Angst und den Gedanken ans Essen habe ich gar keine Motivation mehr zu lernen und schmiere wirklich einfach nur ab.

Niemand weiß von meinem Problem, aber ich merke wie langsam die Beziehung daran leidet durch meine Depressionen. Ich bin nur noch schlecht gelaunt. Und nein, noch keine Therapie gemacht. Ich fühl mich einfach zu schwach und bin zu schüchtern. Ich habe irgendwie niemanden dem ich es anvertrauen kann. Ich habe Angst als Versagerin dazustehen, alle Neider werden mich auslachen...:( ich hab einfach Angst davor. Kann vllt. jemand berichten wie er den 1. Schritt getraut hat, es auszusprechen?

Liebe Grüße,

Nilay
Zuletzt geändert von Caruso am Mo Jun 18, 2012 12:20, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Angst vor dem 1. Schritt zur Ausprache

#2
Hallo nilay,
erstmal ist das doch schonmal der erste Schritt, das Du dich traust hier Dich anzumelden und zu erzählen!
Das ist gut!

Ich kenne einiges was Du geschrieben hast!
Ich habe bei einem geplanten FA auchnoch mehr in mich reingestopft und noch besser, wenn ich morgens schon etwas sei es nur ne karotte gegessen habe war der Tag schon vorprogrammiert!

Bei mir hats niemand gemerkt oder es nicht geäußert! Naja wir sind da glaub ich weltmeister im verbergen.

Du weißt davon, das ist gut!
Ich habe meine Sucht lange selber nicht sehen können oder wollen. Einfach vernebelt.
Sie wurde mir erst richtig bewußt als ich, selbst nach zwei Jahren Therapie zwecks meines Borderlinesyndrom, in der Klinik darauf gestoßen wurde.

Bis dahin vergingen ca. 5 Jahre.
Aber die Klinik hat mir sehr geholfen, obwohl ich noch eine weile brauchte bis ich nicht mehr Anfälle hatte.

Und es gibt immer wieder Rückschläge bei mir, wie auch jetzt.

Na wie auch immer!

Hier hat jeder eine offenes Ohr für Dich!
Du musst keine Angst haben oder Dich schämen oder oder!
Dennoch ich verstehe Dich da schon!

Ich hoffe Du findest hier was Du brauchst um Mutig zu werden Dich gegen Deine Sucht zu wehren!
Fühl Dich umarmt, wenn ich das darf!
LG Jay

Re: Angst vor dem 1. Schritt zur Ausprache

#3
Hallo und herzlich Willkommen!

das Problem bzgl. Studium kennen sicher viele hier. Aber lass dir gesagt sein: es ist auch nicht schlimm, etwas länger zu studieren, wenn du denkst, du bist überfordert. Das hat auch überhaupt nichts mit Versagen zu tun. Nicht alle schaffen ihr Studium in der Regelstudienzeit. Den Druck kannst du dir selbst schon einmal nehmen. Teile dir die Klausuren, die noch vor dir stehen auf, sodass nicht allzu viel Druck auf einmal vorhanden ist.

Zu deiner Bulimie:
du bist in diesem Forum sehr gut aufgehoben. Hier kämpfen so viele mit den gleichen Problemen. Und jeder hier kennt Phasen, die einmal besser und einmal schlechter sind.

Als ich deinen Thread gelesen habe, kam mir nur ein Gedanke, den du vermutlich nicht so hören magst:
Ich weiß nicht, ob dein Freund beim Kampf gegen die Bulimie und Essstörung der richtige Partner an deiner Seite ist.
Wir müssen eigentlich lernen, dass äußere Werte nicht relevant sind und wir innerlich schön sind. Das ist ein irrsinnig langer Prozess und ich selbst kann das auch noch nicht akzeptieren. Allerdings wird dieser Kampf noch schwieriger, wenn man immer eine Person um sich herum hat, die einem genau DAS vermittelt. Da du ihn liebst, wirst du alles tun wollen, um ihm zu gefallen. Aber in diesem Fall ist der Preis dafür evtl. sogar dein Leben.
Ich nehme an, er weiß nichts von deiner Essstörung?
Manche Hähne denken, dass wegen ihnen die Sonne aufgeht

Re: Angst vor dem 1. Schritt zur Ausprache

#4
Hallo und vielen vielen Dank für eure Antworten,


ja es tut richtig gut wenn ich mit jemand drüber sprechen kann und vor allem auch, dass es andere gibt denen es wie mir geht. Ich bin nicht die Einzigste die daheim gegen diese böse Krankheit kämpft und das beruhigt mich ein wenig.

Ja, das mit dem Studium stimmt. Ich habe einfach nur Angst es überhaupt nicht zu schaffen weil es einfach so schwierig ist. Ich gehe oft in die Bücherei zum Lernen, anstatt zu Hause, da ich Angst habe den Kühlschrank zu öffnen. Ich nehme dann immer bisschen Obst mit und kein Geld. Komme dann immer nach Hause wenn mein Vater von der Arbeit daheim ist, somit kann ich nichts mehr tun und meine Bulimie kann sich verstecken, bis dann der nächste Tag antritt. Es ist so ein Kampf. Ich versuche ständig der Bulimie aus dem Weg zu gehen. Aber er ist immer in meinem Kopf. Ich denke ständig wann ich wieder allein zu Hause sein kann um dann wieder ordentlich schlemmen kann ohne Fett zu werden (obwohl ich das ja eigentlich nicht will, alleine schlemmen bis man Bauchschmerzen hat und anschließend aufs Klo geht). Und trotzdem sehnt man sich danach, es ist eben eine Sucht...

Gestern hat mir meine beste Freundin eine Mail geschrieben in der sie ihre Probleme zur Zeit schilderte, die sie mit ihrem Freund hat. Daraufhin habe ich es gewagt und indirekt meine Essprobleme angesprochen. Das es mir zur Zeit nicht gut geht (Familie, Studium..) und ich mich deshalb öfters absichtlich übergebe. Das es schon solange geht und es jeden Tag geschieht weiß sie nicht. Aber es tat so gut dass sie wenigstens einen Teil wusste (sie studiert Psychologie im 8.Semester) und kommt auch extra am Donnerstag zu mir. Ich weiß es wird schwer sein mit ihr zum ersten mal drüber zu reden. Aber so langsam ist mir das egal, ich will da nur noch raus und möglichst offen sein.

Nein, mein Freund weiß davon überhaupt nichts. Aber ich kenne ihn mittlerweile schon so gut, dass er mir beistehen würde. Er hat mir schon mal geraten vllt. zum Arzt zu gehen zum Psychologen, da ich oft geweint habe und meine Probleme über Studium und Familie erzählt habe. Er tröstet mich dann auch und versucht Ratschläge zu geben. Trotzdem änderte das nichts an meine Depri-Phasen...
Trotzdem traue ich mich einfach nicht, ich hab so extrem das Gefühl als Versagerin dazustehen..:( Ja es stimmt, er ist ziemlich Oberflächlich aber er achtet auch total auf den Charakter und da sind wir so identisch. Aber du hast Recht...ich möchte schlank bleiben, damit ich ihm gefalle. Aber ich liebe ihn so sehr, und er hat schon so viel getan für mich.

Heute habe ich mich morgens gesund ernährt, eine Scheibe Brot und eine halbe Honigmelone habe ich ausgelöffelt...danach saß ich am Schreibtisch und habe ca. 1/2 Stunde gelernt. Dann war die Bulimie wieder stärker als ich...ich verstehs einfach nicht...
Werde jetzt wieder meine Sachen packen und zur Bücherei flüchten. Morgen muss ich sowieso an die Uni, abends ins Training, Donnerstag arbeiten und abends kommt meine Freundin. Das gibt mir so ein beruhigendes Gefühl zu wissen, das man beschäftigt ist. Wenigstens erst mal für 2 Tage.


Liebe Grüße