Neu hier

#1
Hallo zusammen,
hab mich gerade angemeldet und wollte mich direkt mal vorstellen.
Ich bin weiblich, 19 Jahre alt und hab schon seit ca. 6 Jahren Bulimie, allerdings mit einem Jahr Unterbrechung dazwischen.
Angefangen hat das ganz damit, dass ich abnehmen wollte. Ich war zwar nicht dick, aber für mich zählte da nur diese Zahl auf der Waage.
Wie genau das alles angefangen hat kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Ich weiß nur, dass ich mir die ganze Zeit sicher war, das fest im Griff zu haben und wenn ich aufhören wollte, dass ich das dann auch sofort konnte. Wirklich abgenommen habe ich damit nicht. Eigentlich sogar einiges zugenommen. Bis es dann Mitte 2007 (endlich?) geklappt hat, abzunehmen.
Allerdings wurden die Fressattacken immer schlimmer und teilweise war meine einzige Freizeitbeschäftigung essen. Was ich ziemlich schade finde, weil es, gerade in meinem Alter, einiges gibt, was sehr viel mehr Spaß bereiten würde, als (fr)essen.
Ende 2008 konnten mich meine Eltern dann endlich zu einer Therapie überreden und seit Anfang diesen Jahres hatte ich dann meine erste Sitzung. Erst verlief es nur langsam, weil ich mir gar nicht sicher war, ob ich das überhaupt wollte. Klar war mir bewusst, dass ich so nicht bis ans Ende meines Lebens weiterleben konnte. Aber das Ende meines Lebens scheint ja noch weit entfernt und warum deshalb jetzt schon aufhören?
Es ist doch toll alles essen zu können ohne zuzunehmen. Nur musste ich mir nach und nach eingestehen, dass ich immer depressiver wurde und total unzufrieden war. Im Sport lief es nicht mehr so, ich hatte kaum noch Spaß an meinem gesellschaftlichen Leben (mit Freunden weg gehen, etc.). Viele Partys endet in einem einzigen Absturz, dem in der Nacht und am folgenden Tag eine Fressorgie nach der anderen folgten.
Da wurde mir so langsam bewusst, dass ich so nicht weiter machen will. Nur so wirklich KLICK hatte es immer noch nicht gemacht. Vor allem meine Angst vor dem Zunehmen noch viel zu groß war (und teilweise immer noch ist).
Bilder von Zähnen, die durch Magensäure zerstört wurden und ein genaueres Betrachten meiner Zähne sorgten für nen ziemlichen Tritt in den Allerwertesten. Meine Zähne sind zwar noch nicht stark beschädigt, allerdings haben sie auf jeden Fall schon einen kleinen Schaden genommen.
Das und ein langes Gespräch mit meinem Vater über die Angst vom Zunehmen und was denn im Endeffekt so schlimm daran ist zuzunehmen brachten mich dann dazu, dass ich anfing wirklich von der Bulimie wegkommen zu wollen.
So schaffte ich es seit langem mal wieder ein paar Tage ohne Fressattacke und Erbrechen auszukommen. Ich musste mich immer ziemlich zusammenzureißen wenig zu essen und dieses ungewohnte Völlegefühl natürlich abklingen zu lassen. Es war nicht einfach, aber am Ende war ich stolz, dass ich es geschafft hatte.
Plötzlich hatte ich wieder gute Laune, beim Sport lief es wieder besser. Mein Leben machte wieder Spaß. Ich hab gesehen, dass es sich lohnt gegen die Bulimie zu kämpfen, auch wenn es sehr schwer ist und es wohl immer wieder zu Fressattacken kommen wird. Nur hoffe ich, dass ich die ziemlich zurückschrauben kann und irgendwann wieder ein ganz normales Leben führen kann.
Ich hoffe hier in dem Forum weitere Unterstützung zu bekommen und vielleicht auch dem ein oder anderen zu helfen.
Vor allem ist es mir wichtig mit Menschen zu schreiben, die das gleiche Problem haben, weil ich mit meinen Freunden noch nie darüber gesprochen haben und die auch gar nicht wissen, dass ich essgestört bin.
Die einzigen, die das wissen sind meine Eltern und Schwester und auch bei denen fällt es mir noch sehr schwer darüber zu reden.

Re: Neu hier

#2
Hallo,

schön,dass du dich angemeldet hast und dich austauschen willst, das hilft wirklich :)
du gehst die sache ja schon an und unternimmst was dagegen, gehst zur therapie und holst dir hilfe,das ist gut!!
Es ist ein langer weg und was du schreibst, kennen wohl viele nur zu gut....die einzelnen phasen bis man überhaupt mal dort ankommt, wo man steht und erkennt,dass man ein riesenproblem hat.
irgendwann kommt auch der punkt,wo die sehnsucht und der wunsch gesund zu werden größer ist als all die angst ums gewicht.braucht alles seine Zeit und viel Arbeit.

es freut mich,dass deine familie dich anscheinend gut unterstützt!Vielleicht schaffst du es ja auch mit der zeit dich noch mehr zu öffnen.

dann mal willkommen und alles gute :)
Den Weg kannst du nicht immer wählen, aber die Richtung

Re: Neu hier

#3
Hallo Schizo,
Erstmal willkommen hier :D !
Ich kann mich sehr wiederfinden in dem was du schreibst, ich habe auch angefangen mit 14 JAhren zu erbrechen und habe nie so richtig eingesehen, warum ich aufhören sollte, da mir die Schäden nicht wirklich zu Bewusstsein kamen. Aber jetzt bin ich in einem Stadium in dem ich sehr wohl sehe, dass ich Schäden habe, und wirklich darum kämpfe, von der ES loszukommen, ich will nicht länger meine kostbare Zeit und Gesundheit vergeuden für ein Scheinleben.
Es überrascht mich sehr, dass du so intensive Gespräche mit deinem Vater führen kannst über das Thema, da scheint ja ein großes Vertrauensverhältnis zu bestehen bei euch, das finde ich bewunderswert.
Du schreibst, dass du ein JAhr lang Unterbrechung hattest von der Bulimie? Was war da los? Wie hast du dich da gefühlt und warum hast du wieder angefangen?
Ich finde du beschreibst sehr gut, wie schwer es am Anfang ist, zu kämpfen, aber auch , wofür es sich zu kämpfen lohnt, was sich bereits nach den ersten Tagen bemerkbar macht. Und das musst du dir immer und immer wieder vor Augen halten, wofür du das tust und dass du es kannst. Ich hoffe du findest hier im Forum die nötige Unterstützung und den Austausch, damit du deinen Weg gehen kannst!
Glg
L.

Re: Neu hier

#4
Vielen Dank für euren lieben Beiträge :)

Ich bin auch sehr froh, dass ich mit meinen Eltern so offen dadrüber sprechen kann. So langsam geht das auch ohne nen Heulkrampf zu bekommen -.- Ich weiß nicht warum, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, losheulen zu müssen, wenn ich über das Thema sprechen muss. Ich vermute mal, weil mir so direkt vor Augen geführt wird, wie sehr ich in diesem Punkt versagt habe und halt nicht alles so perfekt ist, wie ich es nach außen hin gerne aussehen lasse.

Das Jahr Unterbrechung hatte ich im Sommer 2004. Da bin ich in den Urlaub gefahren und hatte mir da schon geschworen, dass der Tag vor dem Urlaub das letzte Mal war und ab da lass ich das sein. Na ja, das hat im Urlaub dann nicht wirklich so geklappt. Aber ab dem Abreisetag habe ich mir fest geschworen, dass nicht mehr zu machen und das hat dann auch für nen Jahr gehalten.
Aber zu der Zeit, hat mir das Erbrechen ja auch noch nicht wirklich beim Abnehmen geholfen, deshalb wars vielleicht einfacher. Und warum ich dann wieder angefangen habe, weiß ich gar nicht mehr genau. Das kam so schleichend. Erst wars halt einmal und ich dachte "Ja okay, Ausrutscher. Weiter gehts" Na ja, und dann wurde es ein zweites Mal und ein drittes Mal und so gings dann weiter. Und ich war natürlich immer der Meinung, dass ich das fest im Griff hatte. Also jeder Zeit wieder aufhören konnte.
Sehe ich ja jetzt, wie einfach ich wieder aufhören kann ;)
Na ja, gestern und heute hab ich es schon wieder ohne geschafft, aber irgendwie kann ichs nicht lassen mich auf die Waage zu stellen ... total dämlich. Und ist halt immer ziemlich deprimierend. Vor allem, weil ich wirklich wenig esse. Aber da muss ich jetzt wohl durch. Und mein Verstand sagt mir auch, dass ich lieber "dick" wäre, als weiterhin Bulimie zu haben. Wenn da nur dieser blöde Schweinehund nicht wäre, der versucht mich vom Gegenteil zu überzeugen.

Was treten bei dir denn für gesundheitliche Schäden auf, Leonia? Und wie läufts bei dir? Bist du auch in Therapie?

Re: Neu hier

#5
Hei,
Ja - ich bin froh, dass ich mich nicht mehr von der Waage tyrannisieren lasse, aber ich kenne das Gefühl zu gut, nach einigen Tagen "clean" sein, habe ich auf einmal das Gefühl ein Hefekloss zu werde. Allerdings weiß ich, dass auch ein RF an diesem Gefühl nichts ändert :roll:.
Ich bin seit Dezember in Therapie und habe gerade wieder einen guten Start - 10 Tage clean - ... Ich habe das Gefühl nicht mehr, versagt zu haben, weil ich eine ES habe. ich sehe die ES inzwischen vielmehr als eine Strategie, die ich ziemlich genial eingesetzt habe, mich damit sehr erfolgreich durchs Leben geschlagen habe, die aber irgendwann die Kontrolle über mich übernommen hat und durch die ich sehr viele Dinge verpasst, verlernt und in meiner persönlichen Entwicklung um Jahre behindert hat.. kennst du das Buch von ANita Johnston "Die Frau die im Mondlicht ass"? Da ist eine sehr eindrückliche Metapher drin von von einer Frau, die in einen Wasserstrudel gerät und am Ertrinken ist und sich an ein Stück Holz klammert um zu überleben. Irgendwann kommt sie in seichteres Gewässer und bräuchte das Holz nun nicht mehr und könnte ans Ufer schwimmen, aber sie kann das Holz nicht loslassen, weil sie glaubt, sie bräuchte es noch...Sie ist sich nicht sicher, ob sie es bis ans Ufer schaffen würde und so bleibt sie ans Holz geklammer und gelangt so nie ans UFer...

Ich versuche inzwischen hinter die ES zu sehen, denn mal abgesehen davon, dass sie eine prima Stressbewältigungsstrategie war, war sie auch eine hervoragende Ablenkung - wer übver Essen, dünn sein, kotzen nachdenkt, hat keinen Raum mehr für andere Gedanken und Gefühle, die vielleicht erschreckender wären....

Re: Neu hier

#6
Wow, du scheinst ja auf nem sehr guten Weg zu sein. Na ja, von 10 Tagen "clean" scheine ich noch weit entfernt. Hatte gerade gestern abend und heute abend wieder ne FA. Weiß nicht, kann mich irgendwie nicht beherrschen und denke die ganze Zeit nur an Essen. Denke sogar schon daran, dass ich mir morgen ganz viel holen werde für ne FA. Hab gerade vor allem auf Süßes Heißhunger. Weiß auch nicht woran das liegt. Versuche mich gerade wieder damit zu überzeugen, dass ich mir sage, dass ich morgen noch ne FA habe und dann wieder stop. Aber versuche auch dagegen anzukämpfen und den inneren Schweinehund zu überwinden. Einerseits sage ich mir, dass wenn ichs schaffe morgen nix zu kaufen, dann kann ich erst mal zwei weitere Tage nix kaufen (zumindest keine größeren Mengen) und dann ist wieder der allgemeine Alltag und da scheint es ja zur Zeit ganz gut zu klappen. Andererseits sag ich mir aber auch, dass morgen der letzte Tag ist, um was zu kaufen, weil dann die Geschäfte ja zu haben.
Mein Verstand sagt mir, dass ichs nicht tun soll, aber mein Körper plant schon was ich kaufe. Das ist doch scheiße :(
Mein Verstand sagt mir, wie schön es ist, wenn ich dann morgen gemeinsam mit der Familie am Frühstückstisch sitze und wir zusammen frühstücken und ich aufhöre, wenn ich satt bin. Mich danach wahrscheinlich wieder ziemlich voll fühle, aber trotzdem alles in mir behalte.
Mein Schweinehund sagt mir, wie ich morgen mit allen am Frühstückstisch sitze und vorgebe sehr hungrig zu sein und sehr sehr viel esse. Und dann in unbeobachteten Momenten, nen Brötchen in meiner Tasche verschwinden lasse und einiges schnell in den Mund stecke.
Na ja, nen bisschen stolz bin ich aber trotzdem, dass ich es ein paar Tage ohne erbrechen schaffe, daran hätte ich vor nen paar Wochen noch nicht mal denken können. Hatte iwann im Dezember mal einen Tag, an dem ichs nicht gemacht habe und ich weiß noch wie schwer das war und wie sehr ich "gelitten" habe.
Vielleicht lag das daran, dass ich mir da noch nicht wirklich sicher war, dass ich von der ES weg will.

Aaaaah, jetzt gerade denke ich schon wieder, dass meine Eltern doch endlich ins Bett gehen sollen, damit ich in die Küche kann und essen kann :(
Ich hoffe ich halte es durch. Nen bisschen abgeklungen ist der Drang schon, aber iwie wird der jetzt gerade wieder stärker.


Mit dem Ablenken hast du Recht, die ES ist echt nen "guter" Zeitvertreib.

Hmm, das Buch kenne ich nicht, werde es mir aber bei der nächsten Gelegenheit mal aus der Bücherei holen. Hört sich sehr interessant an.

So, werde mal noch nen bisschen im Forum stöbern, vielleicht bringt mich das ja auf andere Gedanken und hält mich von noch einer FA ab. Weil eigentlich möchte ich ja gar keine haben ... aber wer will das schon ;)

Re: Neu hier

#7
Hey Schizo,

hm, das kenn ich doch alles irgendwoher...Wenn ich zuhause bei meinen Eltern bin, find ich es zwar einerseits total schön, Zeit mit ihnen zu verbringen, gleichzeitig denk ich aber auch oft "geht doch endlich schlafen, damit ich mich unbehelligt vollstopfen kann". Und da ich auch im Augenblick versuche, mal ein paar mehr cleane Tage am Stück zu schaffen (hatte nach den ersten 10, die ganz gut liefen, aber die dumme Idee, auf die Waage zu steigen und war sofort so schockiert, dass ich zwei Tage hintereinander rückfällig wurde), versteh' ich auch diese zwiespältigen Gedankengänge gut: einerseits ehrgeizig und stolz, wenn ichs durchhalte, andererseits oft in Gedanken dabei, einen nächsten FA zu planen (wann ist mein Freund mal abends unterwegs, wann bin ich allein; was werd ich dann alles essen können und wie toll wird es sein, mich nicht ständig zurückhalten zu müssen, wenn ich mich hinterher trotzdem total voll fühle). Dabei will ich es doch so unbedingt schaffen! Ich hoffe, das Rumhängen und Rumstöbern im Forum lenkt dich genauso gut ab wie mich; ansonsten find ich es auch immer hilfreich, sich präventiv ein paar Ersatz_Strategien zurechtzulegen: Dinge die mir Spaß machen, nichts mit Essen zu tun haben, aber ein gutes Gefühl geben (ein Bad nehmen vielleicht, Fingernägel maniküren (mach ich persönlich allerdings nicht :lol: ) Lieblingsmusik hören, irgendeinen Trash im Fernsehen schaun, telefonieren usw.). Hilft bei mir zwar auch nicht jedes mal, gibt aber ein bisschen Sicherheit, wenn man nur das Gefühl hat "da ist noch was anderes, das ich dann tun kann"...
Halte durch; lohnt sich ja doch irgendwo :wink: und es ist doch auch schön, am nächsten Tag stolz sein zu dürfen, dass man wieder einen geschafft hat!

Liebste Grüße,
polyhymnia
sapias, vina liques et spatio brevi spem longam reseces.
dum loquimur, fugerit invida aetas.
carpe diem, quam minimum credula postero.