heute bin ich zum ersten Mal auf dieses Forum gestoßen und habe mich jetzt stundenlang durch viele Beiträge gelesen, die mich gleichzeitig noch trauriger aber auch hoffnungsvoll gemacht haben.
Der Grund, warum ich gerade heute nahezu verzweifelt nach Foren für Essgestörte, genauer gesagt für Bulimie-Kranke gesucht habe, ist folgender: Heute habe ich den Punkt erreicht, an dem ich dachte, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Also WIRKLICH und AUF KEINEN FALL mehr weitergehen darf!!
Ich möchte euch meine lange Leidensgeschichte aufschreiben, einfach nur damit ich es ein Mal irgendwo rauslassen kann. Ihr müsst dazu nicht einmal etwas sagen, es reicht, dass ich weiß, dass es irgendjemand liest. Ich versuche mich kurz zu fassen, aber es wird schwierig.
Mein Weg in die Bulimie so wie sie heute existiert, begann mit ca. 15 Jahren. Dieses Jahr werde ich 29 und wenn ich zurückblicke, ist es erschreckend wie lange diese Krankheit/Störung mir schon anhaftet. Es ist eigentlich ein Wunder wie ich trotz allem die Schule, das Abi und letztendlich mein Studium geschafft habe.
Angefangen hat es mit der Magersucht, so wie bei wohl den Meisten hier. Ich war nie dick als Kind, unsere Mutter hat für uns immer gesund gekocht und für ausreichend Bewegung gesorgt.
Ganz genau weiß ich es nicht mehr, aber es gab dann (eben mit 15) eine kurze Zeit in der ich mehr gegessen hatte wie davor. Irgendwann merkte ich, dass meine sowieso schon weite Jogginghose kneifte und mein Bauch am Bund überquoll. Merkwürdig, dass ich das nicht gleich bemerkt hatte.
Da nahm ich mir vor, weniger zu essen oder gar erstmal zu hungern, um die Pölsterchen wieder loszuwerden, denn dick wollte ich auf keinen Fall werden.
So rutschte ich immer weiter in das Hungern hinein. Ich versuchte mein Essen auf ein Minimum zu redzuieren und wenn ich es geschafft hatte den Tag über so gut wie nix zu essen, gab es abends immer einen heißen Kakao zur 'Belohnung'.
Natürlich war es vorprogrammiert, dass sich durch den Entzug auf alles Leckere irgendwann Heißhungerattacken einstellten. Diesen hielt ich dann nicht mehr Stand und fraß dann alles, was mir in die Finger kam. Dann fühlte ich mich schlecht und wollte es wieder loswerden. Irgendwann kam ich drauf, dass es ganz einfach war, wenn man sich den Finger in den Hals steckte. Super, essen dürfen und trotzdem nicht zunehmen...dachte ich in meiner ganzen jungen Naivität. Ich ahnte ja nicht, dass ich damit gerade begonnen hatte die nächsten 15 Jahre meines Lebens zu zerstören.
Von da an war die Bulimie mein ständiger Begleiter, mal mehr mal weniger. Es gab anfangs Tage, da hatte ich mehrere FAs und brachte das Essen ebenso häufig wieder raus. Dann gab es auch Tage ohne FAs. Als ich noch zu Hause wohnte, musste natürlich immer alles heimlich geschehen und ich habe mich bemüht jedesmal die Spuren meiner Taten zu beseitigen. Es hat keiner gemerkt, oder wollte nicht merken. Ich weiß es bis heute nicht, denn ich habe es nie jemandem von meiner Familie erzählt aus Angst jemanden zu verletzen und natürlich auch aus Scham, ganz klar.
Als ich dann zu meinem Freund gezogen bin, lief es besser. Man hat zusammen gegessen und ich hatte ihm auch irgendwann von meinem Problem erzählt. Aber manchmal denke ich, dass er es irgendwie nicht wirklich registriert hat. Und so kam es dann wieder häufiger vor, dass ich nach dem Essen, wenn er dann in seinem Zimmer vor dem PC am Zocken war (mit Kopfhörern), ins Bad gerannt bin, um das Essen wieder loszuwerden. Er hat nie was davon mitbekommen, denn er war wie gesagt immer 'beschäftigt'. Dennoch empfand ich die FAs als nicht so häufig, denn es sollte noch schlimmer kommen.
Als ich bei ihm nach einem Jahr auszog, landete ich als Zwischenstop in der Wohnung von meiner Schwester, die aber noch nicht drin wohnte. Also war ich allein. Trotzdem, und das wundert mich jetzt im Nachhinein, hatte ich keine Anfälle mehr. Ich kaufte normal ein, ich aß viel Salat mit Thunfisch und zwar in Mengen, bei denen ich jetzt Panik schieben würde....und es lief gut. Ich nahm auch nicht zu, fühlte mich ganz wohl so, ja, ich ging sogar mit einer Freundin an den Baggersee (in den letzten 2 jahren undenkbar für mich). Das war vor 3 Jahren. Es verging ca. ein halbes Jahr so gut wie ohne Bulimie, bis ich dann in meine eigene Wohnung zog und auch da lief es noch gut anfangs, dann schlich es sich nach und nach wieder ein, aber in Maßen. Vor einem Jahr beendete ich mein Studium und bin seitdem immernoch auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Bin also den ganzen Tag zu Hause und weiß größtenteils nichts mit mir anzufangen. Und es war nur eine Frage der Zeit bis meine alte 'Freundin' Frau B. wieder regelmäßig an die Tür klopfte.
Natürlich weiß ich woran es liegt, ich habe keine wirkliche Aufgabe, habe zu nichts Lust, es wird zum Essen gegriffen, weil ich dann für ein paar Minuten 'abschalten' kann. Aber ich muss das jetzt gar nicht so genau beschreiben, ihr kennt das alle.
Es vergeht inzwischen kein Tag ohne zu ko****. Und es raubt mir Kraft, Lebenfreude, Motivation, die sowieso schon kaum mehr vorhanden ist, die Lust mich mit Freunden zu treffen und nicht zuletzt natürlich meine Gesundheit, speziell die der Zähne und der Haut. Als ich letztens nach 4 Jahren mal wieder beim Zahnarzt und der Zahnreinigung war, fragte er mich, ob ich denn extrem viel Süßes essen würde, denn meine Zahnhälse seien so sehr angegriffen, wie von Säure. Da klingelte es bei mir, Säure, na klar. Als vor ein paar Tagen dann ein Backenzahn halb weggebrochen ist, dämmerte es mir, dass es nun soweit ist - meine Zähne gehen hops allein durch diese ganze Scheiße. Der Schock war wohl nicht groß genug. Gleich am nächsten Tag lief ich mit einer großen Tüte Pommes und einer Tiefkühlpizza und einem kleinen Becker Eis aus dem Supermarkt...quasi GEGEN den Schock erstmal. Wie blöd kann man sein??

Dass ich aufhören wollte, natürlich kam das schon sehr oft vor. Wie ihr es eben alle kennt 'heut nochmal und morgen hör ich auf damit, dann wird alles anders' - es funktioniert leider nicht einfach so.
Es kam in letzter Zeit oft vor, dass ich mir vorgenommen hatte einkaufen zu gehen und nur etwas für den Hund mitzunehmen und eine Kleinigkeit, etwas Gesundes für mich. Da ich ja sonst alle anderen Lebensmittel aus denen ich mir eine Fressorgie hätte zusammenstellen können aus meiner Küche verbannt hatte, sollte ich nur diese Kleinigkeit essen, diese genießen und es gut sein lassen. Aber es kam schon ein paar Mal vor, dass ich nach genau dieser Kleinigkeit sofort ein rundes Bäuchlein hatte (eine handvoll essen und einen Schluck trinken und schon hat man eine Kugel, kennt ihr das?).
Ich bekam Panik und wollte es loswerden. Aber bei der kleinen Menge krieg ich schon lang keinen Bissen mehr heraus. Also kaufte ich 'vorsorglich' schonmal irgendwas anderes (Pommes, Pizza, Spaghetti) dazu, um im 'Notfall' was dazuhaben, das ich dann hinterherschieben könnte, um dann alles zusammen herauszubringen. Also natürlich nuuur für den Fall, dass ich es mit der kleinen Portion doch nicht aushalten sollte. So in etwa gestalteten sich die letzten Monate, Wochen, Tage. Traurig, erbärmlich!:(
Und heute, ich glaube heute bin ich ein bisschen aufgewacht. Aber nicht einfach so. Heute gab es einen Mißerfolg, was den FA und das anschließende loswerden angeht. Ich stopfte mich also heute Mittag voll, mit Resten von gestern, die ich leider versäumt hatte gleich zu entsorgen und wollte das ganze Übel über dem Klo loswerden und...es kam nichts!?! Ich habe über eine Stunde versucht irgendwie Brechreiz herbeizuführen (wie darf ich ja nicht schreiben). Jedenfalls...es tat sich nichts, ich war panisch, ich wollte es raushaben, ich habe geweint, wollte schreien (ging nicht wg der Nachbarn) ich habs immer und immer wieder versucht und hätte mir am liebsten den Bauch aufgeschnitten, ich habe gefleht, bitte bitte nur noch heute, ich tu es auch nie nie wieder. Ich war insgesamt 2 Stunden im Bad und gab dann auf, rollte mich weinend aufs Sofa und drückte mir ein Kissen in den Bauch, der voll und aufgebläht war und schmerzte und blieb da so liegen. Der Tag für den ich mir einen schönen Spaziergang mit dem Hund und Wohnung aufräumen vorgenommen hatte war im Arsch! Und der morgige somit auch. Vielleicht ist es übermorgen besser.
Sowas kam schon ein paar Mal vor, ich kenne das, weiß aber trotzdem nicht woran es liegt. Ich habe Angst davor und heute passierte es tatsächlich wieder einmal. Eine solche Verzweiflung wie heute habe ich schon lange nicht mehr gespürt, diese Ohnmacht, dieses Versagen. Ich konnte mich lange nicht rühren, der Bauch ist zwar jetzt schon flacher, aber mir ist immernoch schlecht. Habe mir viele Gedanken gemacht und zurückgeblickt und mich gefragt, was tu ich hier eigentlich? Was habe ich die ganzen letzten Jahre getan? Ich habe so viele Stunden mit Essen verbracht und damit es wieder loszuwerden, so viel kostbare Lebenszeit in der ich so viel sinnvollere Dinge hätte tun können. Habe mir wohl wahrscheinlich auch die Zähne ruiniert und wer weiß was sonst noch alles, was noch unentdeckt ist. Meine Haut um den Mund herum ist auch ganz faltig irgendwie und das mit 28.
Kommt das von der Magensäure? Habt ihr das auch?
Ich habe kaum noch soziale Kontakte, habe mich ja sehr zurückgezogen, gehe nicht mehr weg, treffe mich nur selten mit Freundinnen (die ich zum Glück noch habe, aber bald vielleicht nicht mehr, wenn es so weitergeht). Mein Selbstbewusstsein ist am Tiefpunkt. Ich kann Komplimente nur schwer annehmen. Ich habe keinen Job, ich habe nichts erreicht in meinem Leben, nichts was irgendwie großartig wäre, verdiene nichts, bringe nichts auf die Beine, weil ich keine Kraft mehr habe, keinen Antrieb, nur den Antrieb zu fressen und zu ko****.
Es geht nicht mehr, es muss aufhören, ich will wieder ein normales Leben, ein Leben so wie bevor ich 15 war. Ich meine, zwischendrin ging es ja auch mit normalen Essgewohnheiten und das war schön, stressfrei.
Ich weiß wo ich anpacken muss, die Frage ist, ob ich das auch schaffe. Ich weiß auch, dass das nicht von heut auf morgen klappen wird. Ich darf mich dann von dem einen oder anderen FA wohl nicht runterziehen lassen. Aber das heutige Erlebnis war ein Schreck und der sitzt tief.
Ihr müsst euch dazu nicht äußern, es reicht, dass ich es aufschreiben durfte-nach 14 jahren zum ersten Mal. Ich könnte ein Buch damit füllen. Dies war nur die extreme Kurzfassung.
Einige eurer Beiträge machen mir wirklich Mut. Es zeigt mir, dass man es schaffen kann, auch nach so langer Zeit und manchmal auch ohne Therapie.
Traurig macht es mich allerdings, dass es doch so viele Betroffene gibt. Ich glaube, dass die meisten, die sich damit nicht auskennen, diese Krankheit gewaltig unterschätzen, ja sie vielleicht sogar als lächerlich abtun. Darum bin ich vorsichtig damit, wem ich mich anvertraue.
Ich bin gerade immernoch verweint und fühle mich beschissen. Ich werde jetzt ins Bett gehen und zur Ablenkung noch einen Film schauen und ich hoffe, dass der morgige Tag so verläuft wie ich mir das ejtzt vorgenommen habe, nämlich mit einem normalen Essverhalten. Oh man!

DANKE FÜR'S ZUHÖREN IHR LIEBEN!!
eure mogin