Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#1
Hallo,

da ich nun eine kleine Babytochter habe mache ich mir große Gedanken. Ich habe seit meinem 15 Lebensjahr Bulimie. Ich habe solche Angst, dass meine Tochter dies auch bekommen könnte. Ich weiß, dass ich nicht alles Schlechte von meinem Kind fernhalten kann aber ich möchte alles tun um sie wenigstens vor dieser Krankheit zu schützen und wenigstens nicht auch noch unbewusst dazu beizutragen, ihr ein merkwürdies Essverhalten beizubringen.

Vor und während meiner Schwangerschaft habe ich es doch tatsächlich geschafft mich nicht zu übergeben. Doch ein paar Monate nach der Geburt bin ich leider wieder rückfällig auch wenn es nur ca. 1 Mal die Woche ist- aber gott sei Dank halte ich mein Normalgewicht.

Ich erinnere mich daran das Essen bei uns immer einen enormen Stellenwert hatte. Es wurde regelrecht zelebriert. Immer genau aufgeteilt. Es sollte nichts gefrühstückt werden um nachher dann besonders viel Essen zu können. Es wurde vor dem Essen über das Essen diskutiert und hinterher auch. Ständig Kommentare über das eigene Gewicht und Essverhalten. Vollstopfen mit Süßem bei den Großeltern. Unfähigkeit weiblicher Familienmitglieder sich nicht maßlos ihren Gelüsten hinzugeben (immerhin schon über 3 Generationen weitergegeben) usw....
Vielleicht sind dies normale Dinge an die die meisten keinen Gedanken verschwenden aber ich meine, sie haben bei mir trotzdem zu meiner Essstörung und meinem gestörten Körperbild beigetragen.

Meine Frage ist nun: Wenn Ihr euch rückwirkend etwas wünschen könntet?
Was hätte eure Eltern anders oder besser machen können? Was war für euch besonders prägend (egal ob direkte Aussagen Taten oder vielleicht unbewusste Handlungen der Eltern) in Bezug auf die Entwicklung eurer Essstörung?

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#2
Hallo Bienchen!

Herzlichen Glückwunsch zu deiner kleinen Maus :-X)

wenn ich mir darüber Gedanken mache, was meine Eltern hätten anders machen können...da fallen mir schon ein paar Sachen ein.

Bei uns in der Familie wurde viel und oft über das Gewicht gesprochen. Meine Mutter hatte zum Beispiel eine Freundin,welche nach BMI-Maßstab adipös war. Zudem hat sie in der Lebensmittelbranche gearbeitet. Da hieß es bei uns daheim immer: "Ja ja, die X isst bestimmt immer von dem, was sie verkauft, sonst wär die ja nicht so fett!" Damit verbunden gabs natürlich immer wieder Kommentare wie "wenn ich so viel wiegen würde, dann würde ich das T-Shirt auch nicht anziehen."
Meine Mutter selbst war immer unzufrieden mit ihrer Figur, besonders den Bauch fand sie schrecklich. Sie hat oft gesagt, dass sie ja mal abnehmen müsse, weil sie so einen dicken Bauch hätte. Darauf habe ich oft geantwortet, dass man eben nach mehreren Schwangerschaften einen kleinen Bauch hat und ich das total schön finde. "Ach, was verstehst du schon davon".
Ich erinnere mich auch an Gespräche, ob man jetzt noch ein Stück Kuchen essen sollte oder nicht oder auch Gespräche, in denen man versucht hat, das "schlechte Gewissen" nach einem Stück Kuchen wegzureden ("ach ja, das kann ich mir ja GÖNNEN, denn wir sind ja lange Fahrrad gefahren").
Generell hatte/habe ich den Eindruck, dass Essen bei uns eher negativ bewertet ist, zumindest bestimmte Nahrungsmittel. ungesunde Nahrungsmittel brauchen immer eine Rechtfertigung (Sport, Stress etc) und werden nie gegessen, ohne dass das Gewissen beruhigt ist.

Vielleicht wird in meiner Familie über solche Themen öfter gesprochen, weil wir vom Dorf sind und da wird gelästert, was das Zeug hält.
Mir klingen aber trotzdem die Aussagen meiner Eltern in den Ohren, besonders über das Gewicht und den Kleidungsstil anderer Leute ("wenn mein Hintern so groß wäre, würde ich keine helle Hose anziehen" etc). Das ist wohl auch der Grund, warum ich ein schlechtes Verhältnis zum Essen habe: weil es immer dazu geführt hat, dass die Leute über einen reden. Ich habe auch heute ein schlechtes Gewissen, wenn ich was kalorienreiches esse, weil es bei mir durch die Erziehung so negativ belegt ist.

Ich hätte mir oft gewünscht, dass meine Eltern auch mal positiv über ihren Körper und das Essen gesprochen hätten.
Meine Mutter habe ich noch nie sagen hören, dass sie ihren Körper schön findet. Bei uns Kindern wurde auch immer nur das negative hervorgehoben. Gerade in der Pubertät ist das fatal, da muss man sich erst mal dran gewöhnen, dass der Körper sich verändert und größer wird. Meine Schwester hat einen großen Busen und da hieß es immer, sie müsse ihre Brust "kaschieren", weil was da die Leute denken! Da durften es keine Tops mit Ausschnitt sein oder mal ein enges Top. Genauso wurde das mit anderen Körperteilen zelebriert (zum Beispiel bei meinen "Stampferbeinen").
Kaschieren ist das Wort schlechthin zu Hause.

Ja,das sind die Dinge, die ich mir oft gewünscht hätte. Natürlich ist mir auch bewusst, dass meine Eltern eine andere Generation sind. Meine Großeltern mussten im Krieg viel Hunger leiden und das haben sie an meine Eltern weiter gegeben. Ich nehme auch an, dass da viel Neid dabei ist: ein adipöser Mensch hat wohl mehr Geld für Essen, den meisten adipösen Menschen ist es schnurzegal, was andere von ihnen denken. Da sehe ich meine Eltern eben auch oft.

lg
colorama
Oh, deine Zukunft ist so ungewiss,
Dein Leben voller Angst und Schiss, du fängst erst gar nichts an,
Denn es ist so gemütlich und sicher,
Auf deiner Insel voller Leid, jaja...

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#4
ja, das ist das Problem: man gewöhnt sich gewisse Aussagen einfach an. Ich versuche mittlerweile auch, solche Sätze und Gedanken zu unterlassen. Es ist schwer, aber je weniger man sie verwendet, desto besser geht es einem :wink:
Oh, deine Zukunft ist so ungewiss,
Dein Leben voller Angst und Schiss, du fängst erst gar nichts an,
Denn es ist so gemütlich und sicher,
Auf deiner Insel voller Leid, jaja...

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#5
mir fiel es schwer in der phase wo man "erwachsen wurde" (also bei mir meine ich jetzt so ab 16) mich zurechtzufinden was, wieviel und wann ich esse.
vorher war es immer noch zumindest teilweise so dass es mittagessen gab was meine eltern gekocht hatten, zur schule gabs pausenbrot mit und naschi gabs nur das was zu hause im schrank war.
dann ab dem gewissen alter war ich oftmals länger bei freunden und man musste selbst entscheiden was man isst. und vor allem wann. man ist selbst einkaufen gegangen. und pausenbrot gabs nicht mehr. hab mir dann selbst was in der kantine gekauft etc.

und damit war ich anscheind bisschen überfordert. erst hab ich es gar nicht so gemerkt aber als dann mehr gewicht immer mehr anstieg kam das erste mal der gedanke in meinen kopf "was esse ich eig? und wie viel?"

wie man das besser machen kann weiss ich nicht...vllt dann drauf achten wie es bei deinem kind wird wenn es soweit ist. wollte meine persönlichen erfahrungen nur auch einmal dazu aufschreiben, vllt geht es ja sogar noch jmd ähnlich.

lg :)
Zuletzt geändert von sweetheart am Fr Jun 20, 2014 12:32, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#6
Wenn ich mal ein Kind hätte würde ich:
-mein Kind loben, ich würde nie nie nie sagen: du kannst das oder jenes nicht so gut
-es würde nie zu hören bekommen du "liesi" oder du faules Kind etc
-mein Kind unterstützen, egal welche Sportart, welches Musikinstrument, welchen Bastelkurs etc es besuchen/ausüben will
-meinem Kind körperliche Liebe schenken
-es fragen, wie geht es dir, was bedrückt dich, wie fühlst du dich
-ich würde absolut keinen Leistungsdruck ausüben
-ich würde auf die Ernährung achten, jedoch nichts verbieten
-ich würde sagen, wie hübsch es ist
-ich würde sein selbstvertrauen stärken


aber auch ich würde x Fehler machen bei der Erziehung, aber ich würde hinschauen und nie wegschauen..... und ich würde immer wieder sagen wie stolz ich bin
ich bin streng und böse- keine Angst, nur zu mir!

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#7
Auch von mir herzliche Glückwünsche zur Kleinen Babymaus!

Ich finde diesen Thread ziemlich spannend, wenn man einmal länger darüber nachdenkt... so fällt einem doch einiges ein , was die Eltern hätten anders machen können.
Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass man oft sagt "Wenn ich mal KInder habe, wird alles anders". Letztlich wird es ähnlich, weil man es nicht anders kennt.

Dinge passieren, wie sie passieren und es passiert manchmal sehr schnell, dass manchmal gar keine Zeit bleibt länger darüber nachzudenken.
Meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe. Sicherlich hätte vieles besser laufen können, aber auch ich selbst trage einen Beitrag zu meiner "Krankenheit". Schließlich treffe ich meist die Wahl , bei fast allen Dingen des Lebens und so bildet sich eine Persönlichkeit.

Aber , wenn ich Kinder haben sollte (was ich mir eigentlich auch wünschen würde, zumindest 1 X reproduzieren ), dann würde ich dem Kind Tugenden vermitteln und so Dinge wie Esskultur. Beisamen sitzen und gemeinsam essen und reden. Sei es auch über Banalitäten. Ich würde dem Kind auch Trost schenken und wie mehrfach oben erwähnt unterstützend zur Seite stehen, bei allen Entscheidungen. Ich denke aber auch, dass man sich als Mutter automatisch an das Kind bindet und es zur Priorität No.1 wird, was sehr gut ist. Jedoch sollte man sich selbst nicht vergessen. Wenn man selbst unglücklich ist, färbt das aufs Kind ab.

Ich möchte meinem Kind BEGEISTERUNG beibringen, sich für alles mögliche zu begeistern , chancen und wachstum zu erkennen, eben das was die Welt im Innern zusammenhält. Bezüglich essen wird es in der Zukunft sicher noch schwieriger, echte von unechte Nahrungsmittel zu unterscheiden und demnach ist sicher viel Aufklärungsarbeit erforderlich. Es muss dem Kind aber auch gezeigt werden , dass Menschen keine Maschinen sind, die nach Zeiten essen, sondern dass "Ausrutscher" wie z.B. eine Tafel Schokolade bei Liebeskummer nicht tragisch sind.

Es ist wirklich schwierig und das sind ideale Vorstellungen, die in der Praxis sicher anders aussehen. Aber ich denke auch, dass man alles daran setzen muss, die Bulimie loszulassen, damit sich das eigene Unglück nicht auf das Kleine Kind überträgt... denn die haben meist die feingliedrigsten Fühler.

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#8
Ich finde den Thread auch spannend. Weil es bei mir auch einiges gibt was ich mir von meinen Eltern anders gewünscht hätte im Nachhinein. Aber vieles find ich auch extrem super wie es meine Eltern gemacht haben. Drum fände ich es auch interessant, wenn man vielleicht seine Erfahrungen schreibt, was Eltern genau so machen hätten sollen, wie sie es gemacht haben? Ich werd jetzt mal schreiben, was sie nicht so machen hätten sollen, aber falls es dich interessiert auch, was gut war, dass sie so gemacht haben?! Gib einfach Bescheid!

Also was sie anders machen hätten sollen:

- Nicht so viel Wert auf Gewicht legen (Immer wieder Witze darüber gerissen dass wir alle so dick sind, mir mitten in der Pubertät Geld gegeben für *kg dass ich abnehme, ....)
- Mir ein gesünderes Essverhalten näher gebracht (Wir hatten von klein an immer Süßgetränke zu Hause, satt war bei uns, wenn einem schlecht war nach dem Essen, nicht wenn man keinen Hunger mehr hatte,...)
- Nicht so viel Leistungsdruck!!! Schule war immer das wichtigste. Alles andere musste hinten angestellt werden (alle Hobbies und Freunde) und wenn ich nen 2er heimgebracht habe hat es geheißen "und warum kein 1er?", nach der Matura muss studiert werden alles andere wurde nicht einmal diskutiert,...
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#10
Also, was hätten meine Eltern anders machen sollen:
Um ein harmloses raus zu greifen. Ich hätte mir gewünscht, dass sie mich, als ich mit 8 Jahren katholisch getauft werden wollte, dieses besondere Ereignis mit einem weißen KLeidchen oder so begehen hätten lassen sollen. (meine kleine Babyschwester hatte es) Es war für mich ein besonderer Tag und stattdessen musste ich das KLeid anziehen, welches ich im Fasching zuvor als Zigeunerin anhatte. Ich hab mich furchtbar geschämt. Vor Gott-sorry-

Was haben meine Eltern gut gemacht:
Sie haben jeden MOnat neue SChulden gemacht und am MOnatsanfang die offenen Rechnungen bezahlt um gegen Mitte wieder SChulden zu machen. Ich bin dankbar dafür, dass ich gelernt haben, niemals auf PUmp zu leben, wenn möglich keine Schulden zu machen und ausgeborgtes sofort zurück zu geben. Es war einfach schlimm, wenn ich mit meinen 9 Jahren So zum Zeitungsständer gehen musste um eine Zeitung zu holen. Bezahlen musste ich es, indem ich statt 10 SChilling(70 cent) einen Knopf rein schmeißen musste. Auch dies war mir sehr peinlich, da mir Ehrlichkeit besonders wichtig war.

Also man kann auch mit schlechten Beispielen ein Vorbild sein-g-

Liebe Grüße
piggi
-hoffe ich hab jetzt nichts falsches gesagt oder so und wenn doch, dann sorry

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#11
Bienchen88 hat geschrieben: @ Louve
Klar, mich interessiert auch was deine Eltern richtig gemacht haben. Natürlich auch an alle Anderen die etwas zu berichten haben.
Sie haben mich immer spüren lassen, dass sie mich lieben.
Was ich besonders als Kind geliebt habe, war, wenn sich meine Mama zu mir ins Bett gelegt hat.
Meine Eltern mussten viel arbeiten aber als Ausgleich haben sie, wenn sie frei hatten, viele AUsflüge oder Urlaube mit uns unternommen.
Worüber ich bis heute froh bin, ist dass sie mich musikalisch gefördert haben, aber nie dazu gezwungen haben.
Wie ich mal in der Schule richtige Scheiße gebaut hab, sind sie voll hinter mir gestanden.
Und wie sie erfahren haben, dass ich krank bin, haben sie versucht mir bestmöglich zu helfen (auch wenn das manchmal nach hinten losgegangen ist). Und sich einige Fehler eingestanden und versucht die wieder gutzumachen (was den Leistungsdruck betrifft)
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#12
ich gebe meinen eltern auch absolut keine schuld.. aber bei uns in der familie sind ALLE doch auch etwas "stärker" gebaut - um es nett auszudrücken.
Als ich noch zur Schule ging, eigentlich von kleinauf, war ich zum Mittagessen immer bei meiner Oma, weil die 2 Häuser weiter gewohnt hat und einfach Zeit hatte zu kochen. Ich habe das immer geliebt, weil sie doch auch versucht hat, gesund zu kochen (nicht diese typische, österreichische-oma-hausmanns-kost). Da war wenig Fett dabei, immer viel Gemüse etc.
Nachdem meine Oma gestorben ist, ist meine Tante in ihr Haus eingezogen und hat diese nette Tradition weitergeführt mir dem Kochen.
Und DA gings los.. das war auch grad die Phase wo ich angefangen habe eine ES zu entwickeln (aus anderen Gründen).. Suppe mit fettaugen drauf dass man schon vom *kg mehr hat, immer mega fettiges fleisch, von frittierfett triefende Schnitzel etc.. und ES MUSSTE IMMER aufgegessen werden. Wenn man schon dagesessen ist, mit einem riesen bauch.. und es ist "ja nur mehr ein schnitzel und ein bisschen kartoffelsalat".. das MUSS AUF BIEGEN UND BRECHEN aufgegessen werden.. ein NEIN wird hier einfach nicht akzeptiert. Sie ist halt noch vom "alten Schlag", es wird kein bisschen Essen verschwendet. usw.. auch bei Kaffee am Nachmittag.. nimmst du dir hier nicht ein Stück Kuchen, wird ewig auf dich eingeredet.. "Ich hab mir so viel Mühe gegeben, komm schon, bist doch eh so dünn, iss ein Stück" etc..
Ich möchte keine Kinder, aber ich WÜRDE das so nicht machen. Gesundes Essen, bis man satt ist. Wozu gibt es Frischhaltefolie oder Gefrierschrank... das erschreckt mich bis heute jedes mal wieder...
I hope life isn't a joke, because I don't get it.

Re: Was hätten eure Eltern anders machen sollen?

#14
Flieder_ hat geschrieben:Ich hab die vorherigen Beiträge nicht gelesen.
Aber ich finde meine Eltern haben alles getan, was sie für richtig hilten, damit es mir gut geht und dafür danke ich ihnen sehr.
Das kann ich bei meinen Eltern nur unterschreiben. Weil gewollt haben sie auch immer nur das beste für mich.
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!