Eigene Schwäche anerkennen..

#1
Hallo an alle!

In Anlehnung an Wispys Menschlichkeitsthread, möchte ich hier auch über ein Thema schreiben, was zur Zeit hartnäckig an mir nagt. Wäre schön, wenn jemand dazu auch was sagen könnte.

Die letzten Monate, in denen ich mich so wahnsinnig viel mit mir selbst beschäftige (beschäftigen muss), haben mich irgendwie völlig aus der Bahn geworfen.
Ich denke, dass ich meine Weltanschauung völlig auf den Kopf stellen muss, wenn ich glücklich werden will. Und mir wird langsam klar, dass ich einfach nicht so sein kann, wie ich immer wollte. Also unheimlich fleißig, dünn, gebildet, aktiv usw. Ich kann das nicht alles durchziehen, ich habe Grenzen. Es ist mir vieles über den Kopf gewachsen.
Schon in der Schule hatte ich Schwierigkeiten, habe ein Jahr im Abitur zweimal machen müssen und drei Kreuze gemacht, als es endlich vorbei war. Ich bin gerade dabei, mein zweites Studium abzubrechen. Nächste Woche bin ich wieder ein Jahr älter und muss leider noch stark bezweifeln, dass ich im Herbst wieder in der Lage sein werde, zu Arbeiten oder sonst irgendwas zu tun.
Freunde, Bekannte, Exkommilitonen machen ihre Abschlüsse und es fällt mir so schwer, mich für sie zu freuen, dass ich mich nur noch zurückziehen möchte. Im August geht mein Freund für ein Jahr ins Ausland, habe ziemlich Angst vor der Zeit.

Ich habe finanziell Schulden, bin seit 5 Monaten krank geschrieben und fühle mich einem unheimlichen äußeren Druck ausgesetzt. Behördliche Dinge machen mir so viel Mühe, diese ganzen Krankschreibungen, die Meldungen bei der Hochschule, ständig ruft irgendwer an... Kriege das allein kaum gebacken... Möchte auch mit niemandem sprechen, meinem Arbeitgeber oder meinen Eltern und vermeide einfach alles.

Ich bin unheimlich traurig. Über Jahre habe ich mich in diese Situation manövriert und habe das Gefühl, alle meine Chancen vertan zu haben. Dabei ist es nicht mal so, dass ein Studium fachlich zu anspruchsvoll für mich ist, im Gegenteil bin ich in beiden Fächern eine der Jahrgangsbesten, stofflich macht es Spaß, aber ach... ich weiß auch nicht.

Ich bin einfach so enttäuscht von mir, in meinem Alter wollte ich eigentlich schon einen Master in der Tasche haben. Ich kann mich auch noch immer nicht damit anfreunden, so krank zu sein, dass gar nichts geht. Eine Ausbildung zu machen, würde ich belastungstechnisch wahrscheinlich auch noch nicht schaffen. (Bin ja jetzt in der Tagesklinik und das ist schon eine echte Herausforderung!) :(

Re: Eigene Schwäche anerkennen..

#2
Hallo Kätzchen :)

jaaa... ich ringe jetzt auch schon ne ganze Weile mit mir, weil ich im anderen Thread so gerne weiterschreiben würde – aber dann beginne ich zu antworten und wenn ich mir mein Gekritzel noch mal durchlese, steht da irgendwie so rein gar nicht das, was ich eigentlich ausdrücken wollte. Das Ganze geht mir ganz schön unter die Haut.

Dein Posting passt aber jetzt ganz schön exakt dazu, weil es noch mal verbildlicht, was ich unter anderem meinte.
Du schreibst davon, wie dein Lebenslauf in Etwa aussieht und dass das Abi der letzte staatlich anerkannte Abschluss war, den du gemeistert hast – und der Threadtitel ist „die eigene Schwäche anerkennen“. Und das tut mir echt weh. Weil es doch im Ganzen überhaupt gar nichts darüber aussagt, was für ein Mensch du bist oder ob gar ein schwacher. EIGENTLICH. Denn da sind wir wieder dabei, dass Menschen an ihrer Leistung gemessen werden und nicht mehr an ihrer Menschlichkeit, an ihrer Persönlichkeit. Dein Wert entscheidet sich scheinbar darüber, wie mustergültig du irgendeine Art von Status erlangen kannst, ob nun durch Ausbildung oder Studium.

Wenn ich mitbekomme, wer in meinem Bekanntenkreis gerade welchen Abschluss gemacht hat, schlage ich mir auch allzu oft die Hände überm Kopf zusammen, mit dieser ekligen Mischung aus Scham und Neid und Ablehnung im Bauch.
Scham, weil die das alle irgendwie so mir nichts, dir nichts auf die Reihe kriegen und ich gerade mal einen Nebenjob auf die Reihe kriege... bzw. nein, genau genommen, auch nicht mehr auf die Reihe kriege. Egal, wie „einfach“ man es mir macht, ich finde etwas, an dem ich mich aufhängen kann.
Neid, weil ich wünschte, ich könnte es auch – und dann frag ich mich, was mich denn davon abhält und ich merke, dass sich etwas in mir extrem wehrt und ich es gar nicht will. Aber mir dennoch wünsche, weil der Leidensdruck wirklich hoch ist.
Und diese gewisse Ablehnung, weil es absolut gegen meine Überzeugung ist, Menschen nach ihrem äußerlichen Status zu werten und trotzdem steck ich in diesem System selber völlig mit drin und kann das nicht verhindern. Denn wie es so schön heißt – von Liebe allein kann man nicht leben. Geld regiert die Welt. Und es kann der schönste (wahre Schönheit meine ich, die im Innern) Mensch sein, wenn er es nicht schafft, soweit zu funktionieren, dass er genügend Geld zum Leben verdient – hat er einfach verloren.

Ich weiß nicht. Irgendwie funktioniere ich nicht auf diese kommerziell lohnende Weise. Und es ist keine Faulheit verdammt, ich bin nicht faul. Mir fällt es nur so irre schwer entgegen meiner Überzeugung zu handeln. Wenn ich hinter einer Tätigkeit nicht mit dem Herzen stehe, wehrt sich jemand in mir. Und das zunehmend brutaler. Kompensation muss her; Ritzen, Bulimie, Selbstgeißelung, Exzess. Aber das erfüllt einen doch nicht, das kompensiert nur. Und von diesem Ausgleich braucht man dann immer und immer mehr. Abwärtsspirale.

Es macht mich traurig, mir diese Unfunktionalität als Schwäche anrechnen zu müssen. Ich tue es trotzdem, die Welt tuts. Meine Leistungsfähigkeit beschränkt sich auf Bereiche, mit denen sich kein Geld verdienen lässt, ergo bin ich nicht überlebensfähig.
Und es scheint mir absurd, dann nach Tipps gegen zB die Ritzerei zu suchen, denn die ist doch nicht die Ursache. Und wenn das Eine nicht ist, mache ich halt irgendwas anderes schädliches, um diese Hilflosigkeit, diesen Hass in mir auszugleichen. Welch ein sinnloser Symptombekämpfungskreislauf.

Verwirrte und traurige Grüße,
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: Eigene Schwäche anerkennen..

#3
hey Katzenpfote,

lustigerweise hatte ich auch schon die idee für so einen thread, weil mich dieses thema auch verstärkt beschäftigt. Diese kluft zwischen ideal- und selbst bild. mein ideal ist auch die schöne, dünne, attraktive, intelligente, sportliche, lustige etc etc etc studentin. mein selbstbild ist genau das gegenteil. aber anstatt mich von diesem ideal zulösen, versuche ich teilweie noch verbissener an dieses ideal ranzukommen. statt also das ideal zu ändern, will ich mich ändern. die persektive ist also "von außen".
dieses ideal wird sicher zu einem hohen maß gesellschaftlich geprägt, zum teil evt auch veranlangung (z.b. faktoren wie ehrgeiz etc) und war/ist leider noch ein glücksversprechen für mich. wenn ich erstmal..., dann bin ich glücklich. rational weiß ich natürlich auch dass das falsch ist, aber es hat mir ja auch lange jahre geholfen. ich musste mich nicht mit dem jetztigen auseinandersetzten und iwie gibt das ja auch hoffnung. wenn ich mich nur genug anstrenge, wird alles gut. ich habe es unter kontrolle etc..
ich denke ein weg wie man da rauskommt ist der blick von innen. also erstmal die situation annehmen wie sie ist, und dann zu schauen was einen wirklich glücklich macht.jetzt! und nicht erst wenn das und das eingetreten ist. achtsamkeit für sich entwickeln. sich annehmen wie man ist, mit schwächen. ist für mich auch total schwierig u.a. weil ich garnicht mehr so richtig weiß, was mich wirklich erfüllt, mich glücklich macht. weil ich ja auch jahrelang glaubte (und es immer noch tue, leider) dass ich nur glücklich bin wenn ich perfekt bin. das man evt nur dann das glück verdient hat..wer liebt einen schon mit schwächen..was ist man dann noch wert..wobei ich eigentlich auch weiß, dass das quatsch ist. die tiefsten freundschaften u gespräche entstehen doch meist, wenn man schwächen zugibt, das macht ja erst menschlich (im gegenzug zur "perfekten" maschine).
trotzdem werde ich immer noch regelmäßig sauer auf mich wenn ich es nicht schaffe mein ideal zu erfüllen. neulich hatte ich mir vorgenommen morgens joggen zu gehen, dann lernen (für andere doch leicht und normal...). hatte aber an dem tag keine lust und bin nicht joggen gegangen. das ideal der sportlichen studentin ist gescheitert und ich war am boden...statt zu sagen das ist ok, wenn man keine lust hat und das auf den nächsten tag verschiebt und schaut was man lieber macht..natürlich folgte ein FA und die selbstvorwürfe wurden noch lauter...nur wegen so einer "kleinigkeit"..

es tut mir leid zu hören wie es dir mometan geht, mir wächst zur zeit auch alles über den kopf, schaffe es aber grade eben noch so mitm studium, obwohl ich eigentlich auch dachte, dass ich damit schon früher fertig bin etc. manchmal hilft mir der gedanke, dass während die anderen jetzt gute uni-abschlüsse sammeln, ich umsomehr lebenserfahrung. und ich bin fest davon überzeugt dass einem das auch etwas "nützt". im kampf gegen die bulimie sammelt man so viele erfahrungen jetzt schon, wie andere erst viel später...allein diese diskussion zeigt das doch. andere rennen bestimmt auch einem ideal nach, meken aber evt erst viel später im leben das das auch nicht glücklich macht, wenn es nicht "ihr ideal", sondern ein äußeres, ist. außerdem bin ich fest davon überzeugt das "jeder sein päckchen zu tragen hat", manches ist schwerer oder belastet früher, aber keiner geht denke ich so locker-leicht durchs leben wie es machmal scheint. auch ich war lange eine von der andere dachten ich hätte doch bestimmt keine probleme und mache das alles mit links..dabei hing ich unbemerkt über der kloschüssel...wie so viele hier leider..
ich denke wenn jeder seine schwächen zugeben könnte, und keine angst zu haben bräuchte daher ausgenutzt und verletzt zu werden, würde sich das ganze leistungsdenken relativieren und alles wieder ein bisschen menschlicher werde...aber damit anzufangen -zumindest im geschützen privaten bereich- kann eigentlich jeder. mir gelingt dass noch nicht, u.a. weil uni momenatn vorrang hat vor freundschaften aufzubauen (traurig aber wahr..sonst schaff ich das alles nicht..), aber ich möchte in zukunft zum beispiel nie wieder in meinem freundeskreis die unnahbare, perfekte spielen.wirkliche freunde verletzten einen auch nicht wenn man schwächen zugibt.ein gutes "übungsfeld" ist dafür z.b. meine therapeutin

@wispy
Meine Leistungsfähigkeit beschränkt sich auf Bereiche, mit denen sich kein Geld verdienen lässt, ergo bin ich nicht überlebensfähig.
Darf ich dich fragen welche Bereiche du meinst? ich bin mir sicher, dass sich mit einem sicher der lebensunterhalt verdienen lässt!


hmm..ist jetzt auch alles wirr und durcheinander geworden, aber ist ja auch ein kompliziertes thema..ich hoffe, ich konnte dennoch ein paar aspekte beitragen

lg hope