Warum betäubt Essen Gefühle?

#1
Das ist jetzt vielleicht eine komische Frage, aber ich kann mir wirklich nicht ganz erklären, weshalb Essanfälle Gefühle betäuben können…ich weiß zwar, dass unter anderem Serotonin ausgeschüttet wird und generell der ganze Neurotransmitterhaushalt bei Essgestörten gestört ist und man dadurch durch das Essen beruhigt wird. Aber warum ist das nur bei Essgestörten so? Ich meine, wenn ein „normaler“ Mensch mal total über die Stränge schlägt, dann werden seine Gefühle doch auch nicht unterdrückt, oder?
Und warum lässt die beruhigende Wirkung eigentlich im Laufe der Krankheitszeit immer weiter nach? Sodass man sich nur noch kurz befriedigt fühlt, aber viel schneller als vorher wieder Nachschub bräuchte, weil die Gefühle so schnell wieder hoch kommen. Vielleicht ist das jetzt mehr eine Frage an die Mediziner, aber ich kann es mir nicht erklären… :?
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#2
Hi,
weil du dich auf Essen als Belohnung/Betäubung/Ablenkung/was auch immer konditioniert hast. Du hast irgendwann mal etwas zu viel gegessen, das Gefühl im Bauch vielleicht tröstend empfunden, dein Belohnungszentrum im Hirn ist angesprungen, du hast gelernt: traurig sein (Gefühl) + Essen = toll.
Irgendwann klappt das ganze eben nicht mehr so gut, man gewöhnt sich ja schließlich an alles, und deshalb braucht man mehr. Dazu spielen sicherlich auch einige chemische Dinge eine Rolle, z.Bsp. die Bauchspeicheldrüse, und Gehirnbotenstoffe.
So erkläre ich es mir.
DAs alles kann man aber auch wieder ändern!
Es gibt auch so eine Therie was etwas mit der Babymilch zu tun hat, wenn man von der Mutter auf jedes Schreien Milch gekriegt hat, hat man von klein auf gelernt, dass man jede innere Regung mit Essen löst. Da könnte aber durchaus auch etwas dran sein.
Tine

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#4
Das mit der Konditionierung würde schon Sinn machen...und deshalb werden auch die Gefühle von nicht-ESlern nicht unterdrückt, weil sie nicht auf das Essen konditioniert sind? Mir ist grad so der dumme Gedanke gekommen, dass man ja theoretisch gegenkonditionieren könnte, indem auf einen FA eine Bestrafung folgt- aber dass das nicht hilft, haben viele von uns ja schon feststellen müssen.. :roll:
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Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#5
Wahrscheinlich nicht nur zu Säuglingszeiten, sondern auch später. Wenn's was zu futtern gab (besonders Süßkram), dann war das Kind ruhig/friedlich. Wenn noch dazu kommt, dass man nicht gelernt hat, mit Gefühlen umzugehen bzw. dass Gefühle was ganz Normales und auch Spannendes sind, dann find ich den Schritt zu Gefühle mit Essen kompensieren ziemlich logisch.

Hat jemand Extinktionsvorschläge? :-X))
Nee... mal im Ernst, vermutlich müssen wir einfach lernen, mit Gefühlen "normal" umzugehen... was andere eben schon früher gelernt haben. :roll:

@Kätzchen: Wieso für den FA bestrafen? Das würde doch auch nur ins "alte Muster" passen. Ob man nun für Gefühle bestraft wird oder nun für die Umgangsstrategie damit... bringt wohl beides wenig..., nur noch mehr Gefühle... die wieder kompensiert werden wollen... wo wir (bisher) nur einen Weg kennen. :?
Gegenkonditionieren würde vielleicht eher unsere Strategie betreffen. ;)
"Your time is limited so don't waste it living someone else's life." -Steve Jobs (1955-2011)

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#6
Naja, soviell ich über extinktion weiß, ist diese ja glaube ich nur möglich in dem man das erwünschte Verhalten (in dem Fall das gesunde Essen) immer und immer wieder wiederholt. Ich weiß die genaue Zahl nicht mehr, aber es heißt ja, dass das gewünschte Verhalten um ein vielfaches öfter durchzogen werden muss um dieses zu erhalten, als man ein nicht gewünschtes wiederholen muss um sich dieses anzueignen.

Auf uns bezogen würde das ja heißen: Jeden und jeden und jeden Tag aufs neue probieren, bis die Zahl der funktionierenden Tage immer mehr werden und irgendwann überhand nehmen :D:D

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#7
Hmm, das wären dann bei mir 3 Jahre...und seit ungefähr 6 Jahren bin ich essgestört- ich hoff ja noch immer (auch, wenn ich weiß, dass das so nicht geht) auf den Tag, an dem ich von einem auf den anderen Tag gesund bin. :roll:
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Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#9
ksiezniczka!. hat geschrieben:Oh mann. Dann sind wir mit 90 nicht mehr essgestört und dann ist es eh egal, weil wir im Sarg nix mehr essen dürfen. PAH[/size][/b]
So einfach ist das nicht..wahrscheinlich werde ich mir noch Essen mit in den Sarg schmuggeln, nur für den Fall. Und Gedanken über das nächste Leben mach ich mir dann mal erstmal nicht, wär ja schlimm, wenn ich noch im Himmel oder sonstwo wo ich hinkomme, weiterfressen würde.
Ach quatsch, wir schaffen es da raus! :D :D fragt sich nur, wann.. :roll:
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Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#10
Kätzchen hat geschrieben:ich hoff ja noch immer (auch, wenn ich weiß, dass das so nicht geht) auf den Tag, an dem ich von einem auf den anderen Tag gesund bin. :roll:
Wer hofft nicht auf sowas? :roll:
Aber bei mir war es so zumindest bei der Einstellung zu Leben und Tod...war eine Zeit lang relativ nah daran zu versuchen mein Leben zu beenden ( :oops: gar nicht so leicht das so offen auszusprechen) und vor ein paar Wochen bin ich in meinem Zimmer gestanden und wollte plötzlich leben. Keine Ahnung was passiert ist aber von einem Moment auf den anderen hab ich mir gedacht "Verdammt.Ich will nicht mehr sterben. Ich will leben." Und auch wenn es in den letzten Wochen viele schlechte Momente gegeben hat - ich wusste immer dass ich leben möchte! (Bin gespannt ob der Zustand von Dauer ist aber zumindest da bin ich optimistisch :))
Also vielleicht kommt es ja bei der ES auch so...auch wenn es danach immer noch viel arbeit braucht! :roll:
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#11
ksiezniczka!. hat geschrieben:das erwünschte Verhalten (in dem Fall das gesunde Essen)
:?: Echt? Dir geht es nur um das gesunde Essen? :?:
Dachte immer, das wäre nur das Symptom? :? ... und das Verhalten ist eher "Reaktion auf Gefühle"? :?
Ist man automatisch gesund, wenn man gesund isst? :o Dann gäb's keine Orthorexie, oder? ;)
"Your time is limited so don't waste it living someone else's life." -Steve Jobs (1955-2011)

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#12
weirdFairy hat geschrieben:
ksiezniczka!. hat geschrieben:das erwünschte Verhalten (in dem Fall das gesunde Essen)
:?: Echt? Dir geht es nur um das gesunde Essen? :?:
Dachte immer, das wäre nur das Symptom? :? ... und das Verhalten ist eher "Reaktion auf Gefühle"? :?
Ist man automatisch gesund, wenn man gesund isst? :o Dann gäb's keine Orthorexie, oder? ;)
Hmm, ich glaub, ich würde das etwas anders schreiben: Ich würde sagen, dass man sich das gesunde Verhalten antrainieren kann, indem man zwar (klar, ist ja die Grundlage) normal weiterisst, aber vor allem in solchen Momenten lernt, wie man auf gesunde Art uns Weise mit den Gefühlen klarkommen kann. Das hätte dann den positiven Effekt, dass man merkt, dass man die Gefühle nicht unterdrücken muss, WEIL man eben mit ihnen zurechtkommt. Ich tue es noch nicht wirklich, deshalb brauch ich in gewissen Situationen auch noch die ES..
Louve hat geschrieben:
Kätzchen hat geschrieben:ich hoff ja noch immer (auch, wenn ich weiß, dass das so nicht geht) auf den Tag, an dem ich von einem auf den anderen Tag gesund bin. :roll:
Wer hofft nicht auf sowas? :roll:
Aber bei mir war es so zumindest bei der Einstellung zu Leben und Tod...war eine Zeit lang relativ nah daran zu versuchen mein Leben zu beenden ( :oops: gar nicht so leicht das so offen auszusprechen) und vor ein paar Wochen bin ich in meinem Zimmer gestanden und wollte plötzlich leben. Keine Ahnung was passiert ist aber von einem Moment auf den anderen hab ich mir gedacht "Verdammt.Ich will nicht mehr sterben. Ich will leben." Und auch wenn es in den letzten Wochen viele schlechte Momente gegeben hat - ich wusste immer dass ich leben möchte! (Bin gespannt ob der Zustand von Dauer ist aber zumindest da bin ich optimistisch :))
Also vielleicht kommt es ja bei der ES auch so...auch wenn es danach immer noch viel arbeit braucht! :roll:
Das, was du beschreibst, kenne ich auch nur zu gut...ich will mich ja auch nicht unterkriegen lassen, weil ich immer wieder darauf hoffe, dass es irgendwann besser wird und ich das Leben wieder in vollen Zügen genießen kann! Damit meine ich gar nicht, dass ich warte und warte und nichts tue, sondern einfach, dass ich mir immer wieder sagen kann, dass es irgendwann besser werden MUSS, wenn ich weitermache und das ich die Hoffnung nicht aufgeben darf. Oh mann, ich hoffe so sehr, dass ich irgendwann wieder richtig lebe!! Ich komme schon Schritt für Schritt weiter an dieses Leben heran, das ich mir wünsche, aber irgendwo ist immer noch das, was mich davon abhält, mich ihm vollkommen hinzugeben.
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Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#13
Kätzchen hat geschrieben:Das, was du beschreibst, kenne ich auch nur zu gut...ich will mich ja auch nicht unterkriegen lassen, weil ich immer wieder darauf hoffe, dass es irgendwann besser wird und ich das Leben wieder in vollen Zügen genießen kann! Damit meine ich gar nicht, dass ich warte und warte und nichts tue, sondern einfach, dass ich mir immer wieder sagen kann, dass es irgendwann besser werden MUSS, wenn ich weitermache und das ich die Hoffnung nicht aufgeben darf. Oh mann, ich hoffe so sehr, dass ich irgendwann wieder richtig lebe!! Ich komme schon Schritt für Schritt weiter an dieses Leben heran, das ich mir wünsche, aber irgendwo ist immer noch das, was mich davon abhält, mich ihm vollkommen hinzugeben.
Das wird schon! Solange man die Hoffnung nicht aufgibt und wirklich will dass sich was ändert, glaub ich, dass man es auch schafft! Es ist vielleicht ein langer und harter Weg aber solange man ein Ziel vor Augen hat ist er es Wet! :)
Und das mit dem vollkommen hingeben kenn ich auch! Wenn ich mal so richtig glücklich bin oder einfach über einen etwas längeren Zeitraum mein Gefühlsleben eher gut ist, kommt immer gleich die Panik und ich zieh mich bewusst wieder zurück :roll:
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#14
Louve hat geschrieben:Wenn ich mal so richtig glücklich bin oder einfach über einen etwas längeren Zeitraum mein Gefühlsleben eher gut ist, kommt immer gleich die Panik und ich zieh mich bewusst wieder zurück :roll:
Bei mir ist es irgendwie so, dass ich gerade noch viel symptomatischer werde, wenn das Leben gerade mal gut gelaufen ist. Zum Beispiel, wenn ich längere Zeit mit einer Freundin zusammen war und das total genossen habe und dann nach Hause komme. Dann macht mir die Einsamkeit noch viel mehr zu schaffen, weil ich mich ja vorher ein wenig mehr an den Zustand gewöhnt habe oder mich irgendwie betäubt habe (Fressen, Laptop, Filme, Bücher et.).
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
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Re: Warum betäubt Essen Gefühle?

#15
Erstens: Ich glaube, Bestrafung würde mal gar nichts bringen. Weil man ja z.B. mit SVV auch Gefühle betäuben kann.
Und mir würde dann keine Art der Bestrafung einfallen, die man nicht ebenfalls zum Gefühle runterkriegen nutzen würde.

Zweitens: Vielleicht kann man sich umkonditionieren, indem man sich eine neue gewünschte Verhaltensweise aussucht und sich die antrainiert, die nach jeder kleinen Gefühlsaufwallung zu machen. Und wegen der Anzahl, die man braucht, bis die neue Verhaltensweise stärker ist als jeder Fressgedanke, sollte man es also auch dann machen, wenn der Druck so schwach ist, dass man noch gar nicht fressen würde.
Infrage kommen würden da eben irgendwelche harmlosen Verhaltensweisen, Musik machen, schreiben, malen, puzzeln, duschen, joggen, an die frische Luft gehen, Tee trinken usw.
Irgendein schönes kleines Ritual, das man bei jeder Form von Anspannung standardmäßig macht, bis es fast automatisch abläuft.

Und parallel zu dieser Umkonditionierung müsste man dann eben allgemein an der Lebenssituation arbeiten, dass die Umstände nicht so belastend sind, dass man immer wieder reinrutscht, dass mit dem Freundeskreis alles ok ist, Vergangenheit aufarbeiten usw.

Das wäre für mich jetzt der Musterweg einer Heilung. Klingt schön, oder?
Der Wind umspielt die Nacht, formt sich leis´zur Melodie
von weit ist er gekommen, aus dem Land der Poesie

Und ich höre schon wie das Leben aus der Ferne nach mir ruft
doch in mir ist nur dieses Schweigen, das die Qual in der Seele sucht.

(Mantus)