Verkehrte Logik

#1
Irgendetwas läuft in meiner Gedanken- und Verhaltenswelt völlig schief.

Als ich beschlossen hatte, dass meine Figur und mein Gewicht nicht so wichtig sind und ich mir ruhig was gönnen darf, da "gönnte" ich mir alles, was mir angeboten wurde, und zusätzlich alles, worauf ich noch minimal Lust hatte, war praktisch durchgehend am Fressen und wurde immer fetter, wurde übergewichtig. Hab ja vor ein paar Wochen mal rumgejammert hier im Forum. Ich erbrach manchmal, wenn mir wirklich schlecht von der Esserei wurde, aber danach aß ich weiter.

Als ich dann beschlossen hatte, dass es so nicht weiter gehen konnte, da ging ich dann wieder auf Diät. Erst nur ein bisschen, einfach etwas gesünder und weniger als normal. Auftauchende FA kotzte ich alle raus, dann bekam ich Panik, dass ich trotzdem nicht abnehme, weil ja was drinbleibt, und reduzierte meine FA auf ein Minimum, und ließ sie kleiner werden, mit der Logik, du willst doch eh nur kotzen, dann mach das sofort, statt so viele Lebensmittel zu verschwenden, und es klappte.
Nur konnte ich mir immer weniger gönnen, aß irgendwann nur noch Minimengen, die ich dann noch erbrach. Die letzten paar Wochen war es extrem.

Jetzt habe ich mich tatsächlich wieder in Normalgewicht, wenn auch oberes, gehungert, und kam auf die tolle Idee, mir wieder was zu gönnen, das drinbleiben darf.
Jetzt kommt wieder meine merkwürdige Logik an, gönnen heißt fressen, und meine FA fangen wieder an, riesig zu werden, und treten häufiger auf als vorher in der Hungerphase. Weil ich mir ja wieder erlaubt habe, was zu mir zu nehmen.

War früher auch schon so, ein bisschen zumindest, aber jetzt ist es extremer.
Als Jugendliche machte ich gelegentlich ein bisschen Abnehmen, ein bisschen mehr Sport, und wenn ich fand, dass ich nun wieder ok aus sah, dann aß ich wieder überdurchschnittlich viel, keine richtigen FA, aber zum normalen Essen abendliche Fressgelage, wo ich mein Abendessen eben 2-3mal noch mal machte und aß, bevor ich aufhören konnte.

Also irgendwie habe ich ein Riesenproblem mit dem sich-gönnen- können, weil ich mir immer zu viel gönne, wenn ich schon mal dabei bin.
Deshalb bin ich auch so verrückt/süchtig nach Diäten/Fasten usw, weil ich dann weiß, dass Hunger in dieser Zeit ok ist, dass ich mir nicht unbedingt was "gönnen" muss, bis ich satt bin. "satt" heißt bei mir nämlich dummerweise, bis nichts mehr reingeht. Habs nie anders gelernt. Von meinen Eltern wurde ich früher immer gefragt, ob ich nichts mehr "schaffen" würde, nicht, ob das Essen mich befriedigt hätte oder so was. Und ich wunderte mich dann immer über Erwachsene auf Familienfeiern oder so, warum die so schnell nichts mehr wollten, denn eigentlich sollte doch in so einen großen Bauch ziemlich viel reinpassen.
Ich genieße es also zu fasten, denn da bin ich nicht mit der Frage konfrontiert, ob ich nun satt bin oder voll oder hungrig oder sonstwas, sondern ich bin leer und das ist nun mal normal beim Fasten, und da bin ich nicht überfordert damit nachzudenken, ob ich nun satt sein sollte oder nicht.

Gestern abend zum Beispiel, ich setzte mich vor den Kamin, hatte ein paar Stunden Freizeit, schälte Mandarinen und knackte Nüsse, weil das so schön adventlich ist, und gesund auch, und war vermutlich satt, als ich dann auf die Idee kam, mir noch was zu gönnen. Gebäck, Süßes. Und gönnte mir immer mehr und mehr, das erste Teil war noch gemütlich im Sitzen, aber dann wurde ich immer hektischer, rannte ständig in die Küche, holte mir noch was, setzte mich hin, kaum saß ich, war es schon aufgegessen, und irgendwann blieb ich direkt in der Küche und aß da im Stehen, da war es schon lange um mich geschehen.

Und so oft fängt meine Fresserei damit an, dass ich mir eigentlich nur was Schönes gönnen wollte.
Bei Radikaldiäten fresse ich nicht, weil ich da ja weiß, dass ich mir nichts gönnen darf, und das ist dann völlig eindeutig und klar.
Oder ich denke, ich habe irgendetwas nicht langsam und genussvoll genug gegessen, und hole mir noch etwas davon, um zu probieren, ob es beim nächsten Versuch besser klappt, ob es dann mehr Genuss ist.

Was ich auch noch gern mache, sind "Parties". Also ich kaufe Essen ein, irgendetwas schönes, gar nicht mal so ungesundes, was aber lecker ist und gut für eine Feier. Und das stelle ich dann alles schön hin, für mehrere Personen, und dann esse ich es alles auf, allein, so dass mir dann nach meiner tollen Feierabendfeier wieder schlecht ist.

Also zusammengefasst, ich will mir ständig unglaublich gern was gönnen, aber es geht immer schief, weil gönnen bei mir Fressgelage bedeutet.

:(
Der Wind umspielt die Nacht, formt sich leis´zur Melodie
von weit ist er gekommen, aus dem Land der Poesie

Und ich höre schon wie das Leben aus der Ferne nach mir ruft
doch in mir ist nur dieses Schweigen, das die Qual in der Seele sucht.

(Mantus)

Re: Verkehrte Logik

#2
Hallo Dreamdancer!

Alles oder nichts - kenn ich irgendwoher :roll: .

Ich schreib jetzt einfach mal, was mir dazu einfällt: Bei mir ist es so ähnlich - zwar nicht so, dass ich längere Phasen von Fasten oder FA habe, sondern dass ich z.b. den ganzen Tag über sehr wenig esse, um dann am Abend umso mehr essen zu können (mich quasi "satt" essen zu können, weil ich, wie du, das Gefühl habe "satt bin ich erst, wenn ich richtig voll bin"). Was nicht selten in einen FA und Erbrechen ausartet.

Der Grund für dieses Verhalten ist glaub ich, dass ich mit aller Kraft versuche, meine Gefühle zu unterdrücken. Untertags spüre ich den starken Hunger, der mich irgendwie "stumpf" macht, sodass ich nichts anderes fühlen muss. Und wenn ich dann esse und fühle, dass ich nun irgendwie mit meinen Gefühlen in Kontakt komme, da ich ja nicht mehr den Hunger spüre, dann muss ich mich gleich vollstopfen, die Gefühle und alles was da unten lauert sozusagen wieder stilllegen.
Die Frage ist nun, wie dem entgehen? ich bin selbst nicht sicher, ich habe allein bei dem Gedanken, mal etwas von diesen Extremen abzuweichen, Angst verrückt zu werden, um mich zu schlagen oder auch unendlich traurig zu werden...

Liebe Grüße
Es gibt Tage, wo man so traurig ist, dass man sich noch trauriger machen möchte. Gustave Flaubert

Wahrscheinlich kann man vom Nichtwollen seelisch nicht leben; eine Sache nicht tun wollen, das ist auf Dauer kein Lebensinhalt. Thomas Mann

Re: Verkehrte Logik

#3
Hallo liebe Dreamdancer!

Ich glaube, Pustekuchen hat Recht mit dem, was sie sagt!!!

Die meisten hier haben eine sehr großes Problem mit ihrem "Schwarz-Weiß-Denken" und kämpfen täglich gegen ihre wahren Gefühle an.

Ich selber habe da auch ziemliche Probleme mit und weiß meine Gefühle momentan nicht anders zu kanalisieren als durch die ESS-Symptomatik.

Eine meiner Bekannten war vor kurzem stationär in einer Klinik für Essgestörte und da hat sie gelernt, dass sie erst einmal das "Hungern, Fressen und Erbrechen" sein lassen musste, um überhaupt ihre richtigen Gefühle spüren zu können. Sie meinte, sie konnte sich erst mit den echten Problemen, die tief unter ihrer ES "begraben" wahren, konzentrieren, als sie durch die stationäre Therapie wieder gelernt hat, normal zu essen und nicht mehr ihre Emotionen "wegzudrücken".

Es steckt leider viel zu oft viel mehr hinter der ES als man selber wahrnimmt.

Da hilft dann meistens nur noch die richtige Therapie weiter!
Lg
Kitty
"Es ist nie vorbei, es geht nie zu Ende, es hört niemals auf, jede gute Tat, jede Heuchelei, es nie vorbei, es geht immer weiter, also gib nie auf [...]!"