die bulimie vermissen ?????

#1
Die Bulimie vermissen?

Nach vier, für mich sehr langen Jahren, erbrechen, fressen, Heimlichkeiten, Isolation…einfach keinem lebenswerten Leben mehr- ist heute nun der 65 Tag KOTZFREI. Es ist fast schon gruselig das zu schreiben; es hört sich so fremd an. Aber das soll mein neues Leben sein und ich weiß, dass es richtig ist.

Ich war schon in Therapie bevor ich anfing mich regelmäßig zu übergeben. Klar war mein Essverhalten vorher schon nicht normal, aber da ging es erst richtig los. Ich war damals wegen svv und so was in Behandlung…eher gezwungenermaßen. Bis heute war ich kontinuierlich in Therapie (irgendwann dann auch freiwillig) Zusätzlich 2-mal zur Krisenintervention in einer geschlossenen und 2 mal insgesamt für 5 Monate in bad wildungen in der parklandklinik um gegen die Essstörung zu kämpfen. Dass diese Aufenthalte mir was gebracht hätten, kann ich nicht behaupten.
Anstatt dass mein Essverhalten besser wurde, wurde eigentlich alles nur schlimmer. Ich habe es geschafft innerhalb von 2 Jahren ungefähr die Hälfte meines Körpergewichtes noch einmal zu zunehmen. Wie ich mich dabei fühlte, brauche ich hier wohl niemandem zu erklären. Etliche versuche mein Essverhalten oder das Erbrechen zu ändern, endeten in tiefster Verzweiflung, Resignation und nicht grade einer positiven Sich in die Zukunft.

Was der letztendliche Auslöser war, dass es jetzt klappt, kann ich nichtmal genau sagen. Zwangsläufig musste ich vor einigen Monaten die Therapeutin wechseln, da meine mich mal eben gnadenlos in den Wind schoss (hatte ich hier vor einiger zeit auch mal von erzählt). Das ganz hatte mich unheimlich verletzt und trotz dessen, dass ich nicht grade mehr optimistisch war, dass sich irgendwas noch mal zum Guten wendet, begann ich relativ Zeitnah bei einer andren Therapeutin eine Therapie. In dem Erstgespräch sagte sie sinngemäß, dass sie der Meinung sei, Bulimie sei auf eine Art auch eine Entscheidung. Das hatte mich ziemlich wütend gemacht.
Eine Entscheidung ? Ich kämpfe seit Jahren? Mache mehr als ich kann? Habe alles probiert? und jetzt sagt mir jemand, dass das eine Entscheidung sein soll?
Von wegen. Eigentlich war ich nur wütend, dennoch aber auch fasziniert von ihrer direkten Art und musste ziemlich lange über diese Aussage nachdenken. Irgendwann kam ich zu dem Entschluss, dass sie irgendwie auch Recht hat. Natürlich ist es absolut nicht einfach (das wollte sie sicher auch nicht behaupten), aber das mit der Entscheidung stimmte. Wenn nicht ICH entscheiden kann WAS ich tue und wie ich es tue, wer dann????? Ich war damals wirklich der Meinung wirklich ALLES getan zu haben, aber ich glaube so ein bisschen habe ich mir das nur eingeredet. Wahrscheinlich war ich einfach nicht bereit dazu das aufzugeben, was mir zum damaligen Zeitpunkt Halt und sichere Rituale bot. Auf irgendeiner Art habe ich aber glaube ich auch einfach gehofft und gewartet, dass andere mich auf diesem ganzen Mist rausholen. Wenn mich schon früher keiner beschützt hat, so sollte mich doch jetzt wenigstens einer vor mir selber schützen. Naja und ich glaube diese Erkenntnis hat mich ziemlich weit gebracht. Mir war klar, dass ich da ziemlich lange warten kann und letztendlich nur ich mich da rausholen kann. Und seit dem Tag habe ich kein einziges mal mehr erbrochenJ.

Die ersten Wochen waren wirklich grausig. Ich hatte bisher was körperliche Folgeschäden angeht immer recht viel Glück. Als ich dann das Erbrechen sein ließ, spielte mein Körper durch die Umstellung aber komplett verrückt. Ich bekam total Haarausfall, habe bis heute ständig einen riesigen Blähbauch und seit Wochen entweder Fieber oder erhöhte Temperatur. Naja, aber was tut man nicht alles um zu überleben ;). So langsam reguliert sich glaube ich auch alles. Mein Essverhalten ist zwar immer noch furchtbar, aber das schaffe ich jetzt auch noch.

Irgendwie fühlt es sich trotzdem sehr komisch an. Daher die Überschrift. Ich weiß gar nicht wie ich es erklären soll. Ich möchte hier um Gottes Willen auf keinen Fall irgendwas verherrlichen. Ich weiß, dass ich den richtigen Weg gehe und ich bin auch sehr froh darüber, aber irgendwie erwische ich mich immer wieder dabei, dass ich mich gar nicht so wirklich freuen kann. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, aber wäre die Bulimie ein Mensch würde ich es so formulieren: ich hatte gar nicht die Zeit mich zu verabschieden. Kennt ihr das??????

Wie soll man sich von einer beschissenen Krankheit verabschieden???? Meine Therapeutin meinte das sei normal und ob es irgendetwas gibt was mich an die Bulimie erinnert, ein Gegenstand oder so. Oder ob mir irgendwas einfällt wie ich mich verabschieden könnte. Ich komme mir echt verrückt vor, aber ich weiß auch irgendwie nichts.
Und noch so ein Punkt der mich die Bulimie irgendwie vermissen lässt ist: Als ich noch erbrochen habe, hatte ich das Gefühl irgendeine Identität zu haben. Ich wusste immer: Ich bin hässlich, scheiße, die die nix kann und kotzt, ritzt usw. Jetzt habe ich das Gefühl mein eigenes ICH zu verlieren. Wer bin ich jetzt????? Ich bin nicht mehr die, der er nur schlecht geht, die die kotzt usw. usw.… kennt ihr das Gefühl?????????????

Irgendwie alles ganz schön verwirrend.

Danke fürs lesen J…doch ganz schön viel geworden irgendwie.
Zuletzt geändert von mia-marie am Mo Dez 28, 2009 23:28, insgesamt 1-mal geändert.

Re: die bulimie vermissen ?????

#2
hey =)

erstmal ein glückwunsch für die vortschritte!
Ich selber habe einen ähnlich harten weg hinter mir....Svv,Magersucht,Bulimie,Depression,Zwangsstörungen(kontrollzwang usw..) einfach alles was man nicht haben will.... habe auch schon stationäre aufenthalte hinter mir und bin derzeit in ambulanter therapie.... Und dein Beitrag hat mich "angelockt" denn gerade heute war in in der stadt shoppen....wenn man das so nennen kann....dardurch das ich aufgehört habe zu kotzen hat mein körper genau wie bei dir verrücktgespielt...leider habe ich aber auch so zugenommen...so um die *kg oder 15....ich fühle mich schrecklich....habe dehnungsstreifen am bauch ...ich fühle mich so unwohL!!!! in der stadt fand ich egal was...alles hässlich an mir....ich konnte nichts mit nachhause nehmen...alles was ich mit nachhause nahm war kein oberteil sondern viele gedanken...rund darum das ich meinen alten körper vermisse....meine krankheit mit der ich das erreicht habe...ich vermisse das alles so sehr! im mom bin ich auch wieder sehr depressiv....habe meine antidepressiver zwar vor ca 2 monaten abgesetzt,aber ich denke das es auch daran liegt das ich einfach nicht mehr weiß was das alles für einen sinn hat....eigentlich hat sogut wie nichts mehr einen sinn für mich,ich frage mich welche persönlichkeit ich habe,denn vorher war ich jemand um dem man sich sorgen gemacht hat,jetzt hat sich das alles normalisiert....es ist grauenhaft...eigentlich will ich das meiner familie und meinem freund nicht antuhen,aber ich vermisse das hungern.... sehr sogar....i wo war ich damals glücklich...auch wenn sich das ein ausenstehender nicht vorstellen kann,aber ich war glücklicher mit meiner krankheit und allem anderen als jetzt. Vondaher verstehe ich dich sehr gut....
Leider kann ich dir keine hilfreichen tipps geben,weil ich gerade mit der situation die ja fast die selbe ist wie bei dir,selber nicht zurecht.

Aber ich hoffe du weißt das du nicht allein bist.

Feli

Re: die bulimie vermissen ?????

#3
hallo du,
mia-marie hat geschrieben:Jetzt habe ich das Gefühl mein eigenes ICH zu verlieren. Wer bin ich jetzt????? Ich bin nicht mehr die, der er nur schlecht geht, die die kotzt usw. usw.… kennt ihr das Gefühl?????????????

Irgendwie alles ganz schön verwirrend.
ich versteh dich, glaub ich, sehr sehr gut.
und stand - als ich die ES über board warf - genau so da wie du. da hat man etwas, jahrelang, es ist so "tief eingebrannt", auch wenn man es eigentlich abzulehnen beginnt. es (ES) nimmt viel zeit, kraft, viel von dir in anspruch und gestaltet dein leben...und du musst dich dafür umgekehrt nicht mit deinem tatsächlichen leben, deinem tatsächlichem "DU" auseinandersetzen.

:arrow: schechte nachricht: der deal war faul. diese sucht nimmt ungeheuer viel von deiner persönlichkeit ein.

:arrow: gute nachricht: jetzt beginnt eine spannende entdeckungsreise, die zu DIR führt. so vieles war verschüttet, du kannst jetzt in dir schätze frei buddeln.

mir gings am anfang so, dass ich verwirrt und beängstigt war. verloren irgendwie, planlos, schutzlos.
ABER dieses Gefühl bleibt nicht, mit der therapeutischen arbeit und der zeit vergeht das gefühl. und du entdeckst neu an dir, was du - mittels sucht - jahrelang erfolgreich unterdrückt und zugeschüttet hast. und das können durchaus schöne, aufregende seiten sein! :wink:

ich freu mich so für dich! :D

mir hat es geholfen, einerseits ziele zu definieren mit meinem thera, an denen ich dann gearbeitet hab (da war ich nicht mehr "planlos"), andererseits rituale, die mir halt gaben (tagesstruktur mit meditation und autogenem training zu fixzeiten, natürlich auch essensrituale...)

viel glück! :P

Mañana
THEN IS NOW.

Re: die bulimie vermissen ?????

#4
Ja ich kenn das. Mir hat sie früher auch manchmal gefehlt. Oft hab ich nich gekämpft, aus eben dieser Angst, dass sie mir dann fehlen würde. Die Sehnsucht verschwindet aber ganz schnell, wenn ich mir auch klar mache, dass sie nicht immer nur eine Hilfe war. Jetzt so im Nachhinein vermiss ich sie gar nicht, und wenn es doch wieder vorkommen sollte, dann versuch ich mich möglichst an negative Aspekte zu erinnern.
All your cutting down to size. All my bringing you down.

Re: die bulimie vermissen ?????

#5
Hey, das machst du ganz gut! Wirklich!

Dieses Gefühl hatte ich auch...

Ich denke, es liegt einfach daran, dass die B* eben wirklich jahrelang zu unserem Leben gehörte und uns ausmachte.
Wenn wir uns von ihr trennen, bedeutet es zunächst, etwas alt Vertrautes aufzugeben (auch wenn es uns geschadet hat)!
Und neue, unbekannte Wege zu gehen. Sowas macht auch Angst.

Und dann ist da ja erst mal - nichts - ...

Wir müssen lernen, uns ohne ES zu finden, zu definieren.
Das ist anfangs sehr verwirrend und auch beängstigend.
Und so ist der Impuls, doch wieder zu dem alt Vertrauten zurückzukehren, erst mal noch gegeben.
Vielleicht sogar über Jahre.

Es ist jetzt nur wichtig, dem nicht nachzugeben. Und nach Rückfällen wieder aufzustehen und nicht zurückzublicken sondern weiterzugehen.

Dann können wir es schaffen, ohne ES ein neues, besseres Leben aufzubauen.
Liebe Grüße, kugel

Zu lernen, es als einen Teil von sich zu akzeptieren ohne es auszuleben...
Zu vergeben, wenn man schwach geworden ist...
Zu jubeln, wenn man stark geblieben ist...

Re: die bulimie vermissen ?????

#6
hallo ihr :)
vielen lieben dank für eure antworten und entschuldigung, dass ich mich erst jetzt melde. (ich wohne ja noch in einer wohngruppe, wo ich mir mit 6 anderen den pc teile. dort gehe ich nur sehr ungern auf die forumsseite aus angst das könnte wer sehen)


Ja das gefühl mit dem shoppen kenne ich. insbesondere der spiegel in der umkleider ist mein feind. ich habe nich erst so viel zugenommen seit dem ich nicht mehr erbreche, sondern schon während der bulimie. wahrscheinlich, weil die fressanfälle wesentlich häufiger waren als das erbrechen. gerade in den letztte wochen habe ich auch stark gemerkt, dass ich mit viel kampfgeist, das erbrechen kontrollieren kann, was mir aber beim essen überhaupt garnicht gelint. und das ist ziemlich furchtbar und macht mir total angst. mein körper ist voller dehungsstreifen und grade das ist nochmal ein punkt, der mir ziemlich viel motivation nimmt, weil ich immer denke, dass selbst wenn ich es irgendwie schaffen würde wieder abzunehmen (ich bin zur zeit mehr als ÜG) würden diese streifen wohl nie wieder weg gehen.

liebe feli, du sagtest "nichts hat mehr einen sinN" das ist schwachsinn. ich weiß, dass wir das oft so sehen, grade wenn wir das gefühl haben ganz unten zu sein, aber natürlich macht unser leben einen sinn. wir können die schönen moment nur in zeiten des dunklen nichtsehen.

das mit der persönlichkeit beschreibst du sehr gut. ich glaube, dass ist auch dass was mir angst macht. was ist wenn ich nicht mehr erbreche ? abgesehen von der frage wer ICH dann noch bin,,,,habe ich angst, dass wenn sich nmd mehr um mich sorgt, ich allen egal bin,,,:(
vielleicht ist es wirklich eine spannende entdeckungsreise sich selbst zu finden, aber irgendwie auch echt beängstigend. was ist wenn ich wirklich so furchtbar bin wie ich mir immer eingeredet habe ? es ist so komisch. gerade wenn ich im umgang mit anderen bin frage ich mich nachher, war ICH das ? oder eher meine aufgesetzte maske ?

am shclimmsten finde ich, dass ich mich über den erfolg garnicht wirklich freuen kann. natürlich weiß ich, dass es richtig ist, aber freuen ? ne, soweit bin ich noch nicht.

letzte woche hatte ich einen rückfall. mir war klar, dass das irgendwann passieren wird. wahrscheninlich sollte ich mich nicht ärgern sondern weiter nacsh vorne schauen mit dem gedanken "hey, du hast es 66 tage oder so geschafft", aber irgendiwe siegt das gefühl versagt zu haben doch zwischendurch immer wieder.

ach man, wahrscheinlich muss man sich wohl selber immer wieder in den ar*** treten.

liebe grüße

mia-marie