hallo,
ich bin vor etwa 5 jahren von zu hause ausgezogen, um zum studieren nach wien zu gehen. das verhältnis zu meinen eltern, speziell zu meiner mutter, war immer ein EXTREM nahes, fast schon symbiotisches. ich dachte immer, es wäre genau deshalb so toll und hab mich immer gefragt, warum ein mensch mit so "unglaublich lieben und verständnisvollen" eltern wie ich sie habe überhaupt in so eine krankheit hineingeraten könne. das hat zusätzlich dazu beigetragen, mir die bulimie sehr lange zeit gar nicht einzugestehen, ich war immer auf der suche nach dem berühmten "trauma" irgendwo in meiner kindheit.
aber das gab's nicht.
mithilfe von therapie kam ich aber schließlich dahinter, dass es gar keines schlimmen erlebnisses in der kindheit bedarf, um ein die bulimie begünstigendes selbstbild (bzw. selbsthass) zu entwickeln, sondern dass es auch einfach die atmosphäre ist, in der man aufwächst, die einen prägt. und, so sehr ich meine eltern liebe und sie mich, so sehr hatte ich immer das gefühl, dass meine mutter in ihrem leben unglücklich sei. und ich fühlte mich dafür verantwortlich! ich dachte, ich sei daran schuld, dass sie unglücklich war. weil ich "schlecht" und "eigensinnig" war.
ich habe mich dann sehr viel mit dem thema der mutter-kind-beziehung im allgemeinen und dem (vermeintlich so grossartigen) verhältnis zu meiner eigenen mutter im besonderen auseinandergesetzt. wie von selbst fand dann eine ziemlich intensive ablösung von meinen eltern statt, viel zu spät zwar (ich habe nie richtig "pubertiert", nie die so mit 15, 16, 17 jahren üblichen konflikte mit meinen eltern ausgetragen, war immer "vernünftig", "angepasst", und ja sooooo "reif"), aber immerhin.
mittlerweile hab ich ein entspannt-distanziertes verhältnis zu meinen eltern, zum teil ist es noch belastet, aber daran arbeite ich auch
und das war dann auch der beweis für mich, dass es bei der bulimie definitiv nicht um's essen geht: je mehr sich die beziehung zu meinen eltern normalisierte (das heißt: ich meine bedürfnisse von den ihren abgrenzte, mein leben und nicht das von ihnen für mich gewünschte lebte, und ich verstand, dass ich nicht für das lebensglück meiner eltern zuständig bin, sondern nur für mein eigenes und sie selbst für das ihre etc.)...desto mehr verschwand die bulimie aus meinen leben, desto kleiner wurde mein "hunger". das war eine aufregende erfahrung.
und deshalb bin ich heute felsenfest davon überzeugt, dass man, wenn man die essstörung überwinden will, nicht darum herumkommt, die eigentlichen probleme zu behandeln. ich glaube nicht, dass man sie über kontrolle des essverhaltens u.ä. besiegen kann.
deshalb protestiere ich auch so, wenn jemand seinen eltern gegenüber ein schlechtes gewissen und schuldgefühle hat. Bulimie entsteht durch Übergriffe: Sei es seelischer oder körperlicher m*ssbr**ch oder eben zu große Fremdbestimmung. Und Fremdbestimmung findet meiner Ansicht nach auch statt, wenn man sich emotional nicht von seinen eltern abgrenzen kann. und das bedeutet ja nicht, dass man stattdessen ein "schlechtes" verhältnis haben muss oder gar keines. ideal und anzustreben ist aber sicher ein unbelastet-geklärtes...
lg asyl