So liebe Leute... ich erzähle euch wieder mal eine kleine Geschichte.
Wie läuft so ein Fressanfall bei einer typischen, langjährigen Bulimikerin eigentlich ab? Die Meisten hier werden selbstverständlich wissen, wovon ich spreche, aber Manche haben vielleicht keine Ahnung, wohin einen die Krankheit treiben kann.
In der schlimmsten Phase meiner Bulimie hatte ich keine überraschenden FA mehr, sie waren alle organisiert.
Mein Leben bestand ja aus nichts Anderem.
Wenn ich nachts schlafen ging - und das konnte ich erst, wenn der Kühlschrank vollkommen leer und bis auf Salz und Kaffee keine Lebensmittel mehr im Haus waren - schrieb ich mir in Gedanken bereits den Einkaufszettel für den nächsten Morgen und rechnete was ich ausgeben muss, um den Tag zu "überleben".
Im Supermarkt selbst war ich stets darum bemüht, so auszusehen, als ob ich überlegen würde, was ich mir kaufe, um den Einkaufswagen nicht in Sekundenschnelle zu füllen. Um mich zu "ernähren", musste ich ohnedies auf alle 8 Supermärkte in meiner Heimatstadt, 3 Bäckereien und 4 Tankstellen zurückgreifen, damit ICH nicht auffiel. Ich bin mir sicher, dass ich es trotzdem tat.
An der Kassa verlangte ich fast immer nach einem Berg von Süßigkeiten eine Zwischenrechnung - abseits von den etwas normaleren Lebensmitteln, um über den Eigenverbrauch hinwegzutäuschen. Wie niederträchtig. Die meiste Zeit ging ich aber sowieso 2 bis 3 mal am Tag einkaufen.
Während meiner Fressorgien stellte ich Türglocke und Telefon ab, um ungestört zu sein. Irgendwann merkt man, dass das den ganzen Tag so bleibt. Dann die ganze Woche. Tja. Und bald haben Freunde und Verwandte auch keine Lust mehr immer nur zu klingeln.
Die erste Viertelstunde eines FA findet zumeist schon im Auto statt. Die ersten Tafeln Schokolade, die ersten Puddings, die erste Tüte Chips ist/sind noch mit Genuss verbunden. Ein Gefühl der Befreiung, der Zufriedenheit stellt sich ein. Aber nur für ganz kurz.
Je mehr ich aß, desto abstoßender fand ich mein Verhalten und mich selbt.
Ich stand in der Küche, leerte den Inhalt meiner Einfkaufstaschen auf den Tisch und riss wahllos alle Packungen auf. Mir war es manchmal lästig die Pizzas in den Ofen zu schieben (das dauerte so lange bis die fertig waren) oder das Eis einzukühlen (ist eh in nullkommanichts aufgefressen). Wie in Trance schlinge ich alles in mich hinein. Ich
fresse und fresse und empfinde zunehmenden Hass auf mein Tun, aber ich kann einfach nicht aufhören. Die Pizzen sind noch immer nicht fertig, also esse ich sie halb roh.
Dann wird mir unglaublich heiß und der Bauch spannt sich und es tut so schrecklich weh, und ich weiß, dass ich auf die Toilette muss. (Zensiert? Glaubt ihr jemand ist so wahnsinnig und nimmt das als Idee?*). Davon fängt mein Magen unsagbar zu schmerzen an.
Die
WC-Spülung betätige ich erst gar nicht. Ich hänge in 15 min wieder über der Schüssel und sehe mein unzerkautes Erbrochenes an.
Ich gehe zurück in die Küche und esse weiter!
Was tue ich währenddessen? Früher habe ich oft gelesen oder ferngesehen. Aber am Ende stand ich nur in der Küche und stopfte mir Eier-Zucker-Mehl-Gemische mechanisch, ohne zu kauen und ohne nachzudenken in den Mund. Wie eine Getriebene. Bis das Kiefer schmerzte.
Mein Verlangen ist übermächtig. Ich bin dermaßen
hilflos und einsam und will trotzdem nichts anderes tun. Die
Gier und die
Sucht binden mir die Hände, eigentlich den Verstand.
Erst wenn mir
keine Luft mehr zu atmen bleibt, übergebe ich mich erneut. Manchmal spritzt mir das Erbrochene ins Gesicht, in die Augen, in die Haare. Es ist so demütigend. Aber ich bin süchtig aufs Kotzen.
Früher kotzte ich weil ich zuviel aß, mittlerweile esse ich, um zu kotzen. Die Schneidezähne fangen an weh zu tun. Nach dem dritten Durchgang fangen Erschöpfungszustände an. Ich werde ruhiger und kann den Fernseher anmachen, während ich weiterfresse.
Solange Lebensmittel da waren, wurde gegessen. Wenn etwas "Essentielles" ausging, musste ich spät am Abend noch mal zur Tankstelle.
Mein
Kopf war eigentlich den ganzen Tag
so leer, dass ich über mein Handeln nicht mehr nachgedacht habe.
Es war eben mein Lebensinhalt. Deshalb war es schockierend für mich, als ich in dieses Forum kam und las, dass manche Kranke eine Beziehung neben der Bulimie führen können!

Wie ich schon einmal geschrieben habe, waren meine einzigen kotzfreien Stunden die bei Prüfungen und das Fortgehen am Wochenende. Ab März hatte ich die Uni hinter mir und blieb Samstags daheim um zu fressen.
Wenn ich mich an die x- Mal übergeben hatte, konnte ich meist einfach nicht mehr.
Mein Herz raste. Meine Kehle tat weh und war staubtrocken. Ich blieb neben der Toilette liegen und fing an zum heulen. Irgendwann stand ich immer auf, betätigte die Spülung und erhob die Finger zum Schwur:
Das war heute das allerletzte Mal. Ich wusch mich gründlich, wusch die schlechten Gedanken, den Ekel von mir ab.
Dann ging ich schlafen. Auf dem Nachttisch lag mal ein 100 Euro-Schein von meiner Mutter für den Frisör. Sie gab ihrer armen Studententochter oft Geld für die "Handyrechnung, die Zugkarte, diverse Bücher und Klamotten".
Es war weit nach Mitternacht und ich dachte, dass ich noch nie so fertig war. Der Kopf tat weh und ich war sooo durstig. Ich blickte noch mal auf das Geld und ich begann wieder zu rechnen...
BULIMIE TÖTET FANGT AN ZU KÄMPFEN