Fliederchen... Mir geht es ungefähr so wie Mary. Ich weiß auch nicht genau, was ich dir raten kann. Deine Kindheits- und Jugenderfahrungen sind bei dir so tief verankert und ich glaube nicht, dass wir hier dir da ohne professionelle Kentnisse raushelfen können. Aber ich möchte auch gerne versuchen dir ein wenig zu helfen.
Mir ist nochmal etwas an deinem Verhalten aufgefallen, was jetzt keineswegs beleidigend oder gemein klingen soll, aber ich denke du wirst es auch nicht so aufnehmen, sondern sehr klug darüber reflektieren so wie immer! =)
Ich finde du gibst vielen Menschen um dich herum keine Chance.
Ja, manchmal bist du sogar regelrecht "Unfair"? (Nochmal: ich meine das kein Stück böse, werde dazu auch noch etwas aus meiner eigenen Erfahrung gleich hinzufügen). Deine früheren Erfahrungen mit deinem Vater und anderen Männern (aus früheren Beziehungen vermute ich?) haben dich natürlich sehr stark geprägt und du kannst die Angst, dir an dir nagt, wenn eine neue Beziehung auf dich zukommt, egal welcher Art diese sein wird (Freundschaft, neue Liebe) nicht ausschalten. Und bestimmt haben auch noch viele weiter Faktoren zu deinen heutigen Problemen beigetragen, die ich zwar nicht kenne, aber trotzdem nicht vernachlässigen will.
Du brauchst die Therapie um zu lernen mit diesen Gefühlen umzugehen. Sie sind ein Teil von dir geworden, und du musst lernen, dass sie nicht die anderen Teile deines ICHs kontrollieren. Denn das tun sie so oft.
So oft hast du hier schon geschrieben, dass du was mit Kommilitonen geplant hast, aber Angst hast abgelehnt zu werden oder "falsch" zu sein. Nicht dazuzugehören. Dabei gibst du den Leuten, die dich kennenlernen wollen, weil sie an dir interessiert sind (denn warum sonst möchte man Zeit mit jemandem verbringen?) häufig keine Chance dir einen Platz in ihrem Leben einzuräumen. Und du räumst ihnen auch selten einen Platz in deinem Leben ein aus Angst vor Verletzung.
Das ist natürlich nicht immer so, aber häufig tritt dann deine Angst und deine Scham in den Vordergrund und flüstert dir nur die schlechten Dinge ins Ohr, die passieren könnten. Nicht aber die schönen Dinge: Freundschaft, Vertrauen, Geborgenheit, Sicherheit, Spaß.
Dabei können all diese Leute heute NICHTS dafür was damals geschehen ist.
Ich weiß, dass du deine Ängste vor erneuten Demütigungen und Enttäuschungen nicht einfach abschalten kannst und dass sie so oft dein Denken regieren.
Aber wir wissen hier ja alle, dass du kämpfst Fliederchen, und dass du es immer wieder versuchst und dafür bewundere ich dich!
Kommen wir nun zu meinem eigenen Erlebnis zum Thema "Unfairness" gegenüber anderen:
Als ich neulich in der Selbsthilfegruppe war haben wir darüber geredet wie es für uns ist in der Öffentlichkeit oder vor anderen Menschen zu essen. Ich habe dann gesagt, dass es für mich schrecklich ist, in der Öffentlichkeit eine einfache kleine Sache Schoki o.Ä. zu essen, weil ich mich dann angestarrt fühle. Ich denke dann, dass alle Leute um mich herum denken, dass ich ja normalerweise ganz dick davon werden müsste, es ja aber gar nicht bin, und meinen schlanken Körper bestimmt nicht auf normale Weise so schlank halten kann (was ja aber im Grunde stimmt, da ich ja schon immer so war).
Und dann meine die Gruppenleiterin: "Du denkst also von einem Schokoriegel wirst du dick?"
Ich: "Ja manchmal schon."
Sie: "Aber das ist doch dumm?!"
Ich: "Ja!"
Sie: "Das heißt also, alle Leute um dich herum sind dumm, da du ihnen indirekt unterstellst, dass sie denken man würde von einem Schokoriegel dick werden."
Und da war ich dann erstmal baff, weil ich es noch nie so gesehen hatte. Mein Verhalten war meinen Mitmenschen gegenüber eigentlich total unfair. Ich unterstellte ihnen quasi meine kranken Gedanken und setzte sie damit herab, nur um mich selbst zu schützen. Nur um mir nicht selbst eingestehen zu müssen, wie krank und dumm MEINE EIGENEN GEDANKEN mittlerweile sind.
Und so ähnlich ist es bei dir auch. Zumindestens kann man, oder kann ich dein Verhalten teilweise so deuten.
Wenn wir das ganze jetzt mal auf Herrn Unbekannt (ich nenn ihn jetzt auch nur noch U, ok? =D) beziehen, dann zeigt sich wieder, dass du ihm keine Chance geben möchtest, weil du Angst hast verletzt und erniedrigt zu werden.
Und diese Angst ist vollkommen okay und in deinem Fall ABSOLUT BERECHTIGT!
Natürlich hat jeder Mensch Angst vor Enttäuschungen und alle steigern sich in soetwas irgendwie rein. Aber in deinem Fall ist es noch etwas schwieriger, da du sehr schlimme Erfahrungen mit Männern gemacht hast (wenn du magst kannst du uns auch gerne mal genauer davon berichten? Du musst natürlich nicht wenn du es nicht möchtest!) Trotzdem kann U. nichts dafür was dir passiert ist und er hat eine Chance verdient es besser zu machen.
Als das mit den Ess-Problemen bei mir anfing liefs auf einmal sehr schlecht mit meinem Freund. Ich mochte mich nicht mehr anfassen lassen, am Bauch war ich mega empfindlich. Ich hab mich fett und hässlich und minderwertig gefühlt. Einfach eklig. Und ich hab den ganzen Frust auf ihn übertragen und ihn angezickt. Er war sozusagen mein seelischer Boxsack, den ich fertig gemacht hab.
Aber irgendwann hab ich ja gemerkt, dass mein Körper nichts mit alledem zu tun hat. Dass ich andere Probleme und Sorgen habe, die mich zum Essen greifen lassen.
Und seitdem ist mein Freund mein größter Anker. Er fängt mich immer auf und wenn ich bei ihm bin, ist es als wäre ich vollkommen gesund.
Diesen Aspekt musst du auch mal betrachten Fliederchen. U. scheint jemand zu sein, mit dem du endlich auf einer Wellenlänge zu sein scheinst. Wenn ihr euch stundenlang unterhalten konntet, anstatt sofort wild übereinander herzufallen, dann ist das doch das was du wirklich brauchst!
Intellektuelle Nähe, Seelische Nähe. Die körperliche ist nur das Sahnehäubchen, das alles noch viel schöner macht!
Wirf diese Chance nicht weg und gib U. eine Möglichkeit Teil deines Lebens zu werden. Gib ihm die Chance dich wenigstens kennenzulernen. Du sollst ihn ja nicht gleich in alle deine Probleme einweihen. Mein Freund weiß ja auch nicht alles ganz genau. Aber er ist da. Er ist einfach nur da und das könnte U. auch für dich sein!
Natürlich kannst du all das mit U. jetzt beenden und abblocken. Dann brauchst du keine Angst haben vor Enttäuschung, vor Demütigung und vor emotionaler Abhängigkeit.
Aber du kannst dich auch nicht freuen auf Liebe, Anerkennung, Vertrauen, Mitgefühl, Spaß, Freundschaft, Zusammengehörigkeit, Teamarbeit, Schmetterlinge im Bauch!
Liebe und Freundschaft kann so viel reparieren.
Wenn du dich selbst an erster Stelle siehst und immer sofort STOPP sagst, wenn DIR etwas zu schnell geht, wenn DU etwas nicht willst, oder wenn du merkst, er ist nicht das was ICH will,
dann hast du immer die Möglichkeit zu gehen.
Du bist ein eigenständiger Mensch, der träumen darf und lieben darf.
Gib ihm eine Chance und sei nicht unfair. Unterstell ihm nicht indirekt Taten, die er nie begangen hat und vielleicht niemals begehen wird. Und wenn ihr so toll geredet habt in der einen Nacht, dann rede doch noch einmal mit ihm darüber, dass du Angst hast vor Enttäuschungen, und dass du dir noch nicht im Klaren bist ob du das mit ihm kannst, aber dass du ihm eine Chance geben möchtest, wenn er eine Chance haben möchte.
DU gibst IHM eine Chance! Du bist der aktive Part!
Ich bin sicher, dass er das verstehen wird, nachdem was du hier erzählt hast. Er scheint mir genau so sensibel zu sein wie du.
So, nu muss ich aber los. Ich hoffe wirklich, dass ich dich mit meinem Text hier jetzt nicht verletzt habe! Ich wollte dir nur zeigen, was mir an deinem Verhalten aufgefallen ist, und was du vielleicht anders lösen könntest.
Ich glaube, egal was auch passiert, dass du die richtige Lösung für dich finden wirst! Und ich hoffe, dass wir hier dich alle ein wenig dabei unterstützen können!
Re: SO geht es nicht weiter! bye bulimia.
#331Sei gut zu deinem Körper, damit deine Seele Lust hat darin zu wohnen!